Tenor
Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss des Landesamts für Straßen- und Verkehrswesen Rheinland-Pfalz vom 28. Dezember 2000 für den Neubau der Bundesstraße Nr. 50 (B 50) zwischen der BAB A 1 bei Wittlich und der B 327 bei Büchenbeuren im Planfeststellungsabschnitt II wird angeordnet.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Anordnungsverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Anordnungsverfahren auf 25 000 € festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der Antragsteller, ein anerkannter Naturschutzverband, wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Landesamts für Straßen- und Verkehrswesen Rheinland-Pfalz vom 28. Dezember 2000 für den Neubau der Bundesstraße Nr. 50 (B 50) im Planfeststellungsabschnitt II zwischen Platten und Longkamp einschließlich dem Zubringer Longkamp (bis zur B 50 alt bei Kommen). Er hat am 8. Februar 2001 Klage erhoben und am 23. Februar 2001 die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO beantragt. Das Oberverwaltungsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 27. September 2001 abgelehnt. Den im August 2002 gestellten Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seiner Klage unter Aufhebung des Beschlusses vom 27. September 2001 anzuordnen, hat das Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 5. November 2002 abgelehnt. Mit Urteil vom 9. Januar 2003 hat das Oberverwaltungsgericht festgestellt, dass der angefochtene Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig ist und nicht vollzogen werden darf, und die Revision gegen dieses Urteil zugelassen. Das beklagte Land hat am 17. März 2003 Revision eingelegt.
Mit seinem bei dem Bundesverwaltungsgericht gestellten Antrag vom 7. April 2003 begehrt der Antragsteller erneut die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Er beantragt, unter Abänderung der Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts vom 27. September 2001 und vom 5. November 2002 die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss des Antragsgegners vom 28. Dezember 2000 (B 50 – Planfeststellungsabschnitt II) anzuordnen. Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzulehnen.
Entscheidungsgründe
II.
Der beschließende Senat macht von seiner Abänderungsbefugnis nach § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO Gebrauch und ordnet die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den vorbezeichneten Planfeststellungsbeschluss von Amts wegen an. Nach § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache Beschlüsse über Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO jederzeit ändern oder aufheben. Das Bundesverwaltungsgericht ist mit Einlegung der Revision durch den Antragsgegner Gericht der Hauptsache geworden.
Entgegen der Ansicht des Antragsgegners wird die Abänderungsbefugnis des Gerichts der Hauptsache nach § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO durch die Regelung in § 17 Abs. 6a Satz 6 FStrG nicht verdrängt. § 17 Abs. 6a Satz 6 FStrG enthält nach seinem Wortlaut und dem systematischen Zusammenhang mit den übrigen Regelungen in Abs. 6a eine Sonderregelung für den durch den Planfeststellungsbeschluss (oder die Plangenehmigung) Beschwerten. Treten nach Ablauf eines Monats nach Zustellung eines Planfeststellungsbeschlusses Tatsachen ein, die die Anordnung der aufschiebenden Wirkung rechtfertigen, so kann der Beschwerte einen hierauf gestützten Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO nur innerhalb einer Frist von einem Monat stellen; die Frist beginnt in dem Zeitpunkt, in dem der Beschwerte von den Tatsachen Kenntnis erlangte (§ 17 Abs. 6a Satz 6 und 7 FStrG). Ob diese Vorschriften unmittelbar oder analog auf einen Abänderungsantrag im Sinne von § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO anzuwenden sind, kann hier offen bleiben. § 17 Abs. 6a Satz 6 FStrG lässt sich jedenfalls nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber aus Gründen der Planungsvereinfachung und Verfahrensbeschleunigung auch die in § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO eigenständig geregelte Befugnis des Gerichts der Hauptsache, Beschlüsse nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO “jederzeit” abzuändern oder aufzuheben, zeitlich einschränken wollte.
Der Senat ordnet die aufschiebende Wirkung der Klage mit Rücksicht darauf an, dass das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 9. Januar 2003 die Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses festgestellt hat. Das Interesse des Antragstellers, bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens vor Vollzugsmaßnahmen in Ausführung des Planfeststellungsbeschlusses verschont zu bleiben, überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Beschlusses. Da der Ausgang des Klageverfahrens offen ist (1.) und deshalb die Abwägung der gegenläufigen Interessen nicht zu steuern vermag, hat der Senat eine nicht an den Erfolgsaussichten der Klage orientierte Interessenabwägung vorgenommen. Diese fällt zu Lasten des Antragsgegners aus (2.).
1. Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage erscheint es möglich, dass die planfestgestellte Trasse der B 50 in dem hier umstrittenen Abschnitt II mit der Richtlinie 79/409/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten – VogelschutzRL – (ABl EG Nr. L 103 S. 1) unvereinbar ist. Der Streitfall wirft Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zum Verhältnis der Vogelschutz-Richtlinie zur Richtlinie 92/43/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl EG L 206, S. 7 – Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie – FFH-RL) auf, die einer umfassenden und abschließenden Klärung im Revisionsverfahren bedürfen. Das gilt insbesondere für die Frage, welchen Voraussetzungen die Erklärung zum besonderen Schutzgebiet im Sinne von Art. 7 FFH-RL unterliegt.
Der beschließende Senat teilt nicht die vom Antragsgegner in seiner Revisionsbegründung vom 17. April 2003 vertretene Auffassung, die Revision müsse schon deshalb erfolgreich sein, weil der Antragsteller (und Kläger) mit seinen Einwendungen zum Vogelschutz im Zeltingen-Rachtiger-Wald (Wald am Rothenberg) gemäß § 69 Abs. 5 i.V.m. § 61 Abs. 3 BNatSchG n.F. oder nach § 17 Abs. 6b Satz 2 FStrG i.V.m. § 87b Abs. 3 VwGO präkludiert ist. Das Oberverwaltungsgericht legt im angefochtenen Urteil (UA S. 32 bis 36) im Einzelnen dar, dass der Antragsteller mit seinen Einwendungen zum Vogelschutz nicht aufgrund der vorgenannten Vorschriften ausgeschlossen ist. Nach summarischer Würdigung stehen diese Ausführungen, soweit sie überhaupt der revisionsgerichtlichen Überprüfung zugänglich sind, mit Bundesrecht in Einklang. Der vom Oberverwaltungsgericht wiedergegebene Wortlaut des Einwendungsschreibens des Antragstellers vom 17./18. November 1999 (UA S. 33) ist in Verbindung mit den ausdrücklich in Bezug genommenen Angaben im Erläuterungsbericht vom 30. April 1999 (s. dort S. 20 und 21) so deutlich, dass die Planfeststellungsbehörde erkennen konnte, welche naturschutzfachlichen (ornithologischen) Belange nach Ansicht des Antragstellers einer näheren Prüfung unterzogen werden sollten. Die vom Oberverwaltungsgericht (UA S. 35 f.) angeführten Gründe dafür, dass die Zulassung der Einwendungen zum Vogelschutz nicht zu einer Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits im Sinne von § 87b Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO geführt haben, sind nachvollziehbar und einleuchtend. Nach summarischer Prüfung ist nicht ersichtlich, dass das Oberverwaltungsgericht seinen insoweit bestehenden weiten und im Revisionsverfahren nur noch begrenzt überprüfbaren Beurteilungsspielraum (“nach der freien Überzeugung des Gerichts”) überschritten haben könnte.
2. Eine von der Einschätzung der Erfolgsaussichten der Revision unabhängige Interessenabwägung, wie sie hier geboten ist, führt zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses, das Grundlage des in § 17 Abs. 6a Satz 1 FStrG geregelten Ausschlusses des Suspensiveffekts der Anfechtungsklage ist, bleibt hinter dem Suspensivinteresse des Antragstellers zurück. Die Verwirklichung des planfestgestellten Vorhabens, das den Wald am Rothenberg (Zeltingen-Rachtiger-Wald) auf einer Länge von ca. 550 m durchquert und in dem vom Antragsgegner vorgeschlagenen Vogelschutzgebiet Nr. 5908-401 “Wälder zwischen Wittlich und Cochem” (vgl. MinBl 2002, S. 534) verläuft, würde vollendete Tatsachen schaffen, die dem legitimen Interesse des Antragstellers an der Beachtung der Schutzanforderungen der Vogelschutz-Richtlinie zuwider laufen würden. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts dient das vorgeschlagene Vogelschutzgebiet Nr. 5908-401 u.a. dem Schutz von Hauptvorkommen der Vogelarten Grauspecht, Schwarzspecht und Mittelspecht, die in Anhang I der Vogelschutz-Richtlinie aufgeführt sind. Das Oberverwaltungsgericht führt ferner aus, dass die Wälder zwischen Wittlich und Cochem einen Verbreitungsschwerpunkt der Spechtarten in Rheinland-Pfalz bilden; dies gelte insbesondere für den Mittelspecht, der dort sein größtes Vorkommen im nördlichen Landesteil besitze. Auch im Wald am Rothenberg, der zum südwestlichen Randbereich des Gebietsvorschlags Nr. 5908-401 gehöre, kämen die drei genannten Spechtarten vor. Danach besteht die konkrete Gefahr, dass der Vollzug des Planfeststellungsbeschlusses zu einer erheblichen Beeinträchtigung dieser Vogelvorkommen führt, die bei einem Unterliegen des Antragsgegners im Revisionsverfahren nicht mehr rückgängig gemacht werden könnte. Der Bau der B 50 im Planfeststellungsabschnitt II erscheint dem Senat nach der gegenwärtigen Sach- und Rechtslage als nicht so dringlich, dass diese Gefahr bis zum Abschluss des Revisionsverfahrens hingenommen werden müsste.
Aufgrund der vorstehenden Entscheidung ist der Antrag des Antragstellers vom 7. April 2003 auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 7 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO gegenstandslos.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertentscheidung auf § 13 Abs. 1 Satz 1, § 20 Abs. 3 GKG.
Unterschriften
Paetow, Rojahn, Jannasch
Fundstellen