Verfahrensgang
Sächsisches OVG (Urteil vom 23.07.2014; Aktenzeichen 5 A 410/13) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 23. Juli 2014 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 3 630,96 EUR festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und einen Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Rz. 2
1. Die Beschwerde bezeichnet folgende Fragen als grundsätzlich bedeutsam:
„Ist Art. 20 Abs. 3 GG mit dem darin verankerten (abgabenrechtlichen) Bestimmtheitsgebot dahingehend auszulegen, dass Beitragssatzungen, die hinsichtlich des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht auf den Beginn einer (Ausbau-)Maßnahme abstellen, wirksam sind?”
„Ist Art. 3 Abs. 1 GG mit dem darin verankerten Gleichheitsgebot und Willkürverbot dahingehend auszulegen, dass Beitragssatzungen, die hinsichtlich des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht auf den Beginn einer (Ausbau-)Maßnahme abstellen, während andere Beitragssatzungen und Kommunalabgabengesetze der Länder an die Beendigung der Ausbaumaßnahme abstellen, wirksam sind?”
Rz. 3
Diese Fragen vermögen die Revisionszulassung nicht zu rechtfertigen.
Rz. 4
Bei ihrer ersten Frage übersehen die Kläger, dass es im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht genügt, die Auslegung und Anwendung einfachen Rechts durch das Berufungsgericht als nicht grundgesetzkonform zu rügen. Vielmehr muss dargelegt werden, dass der verfassungsrechtliche Maßstab selbst einen die Zulassung der Revision rechtfertigenden Klärungsbedarf aufweist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Juni 2003 – 4 B 35.03 – Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 26 S. 20 m.w.N.). Daran fehlt es hier.
Rz. 5
Das Bestimmtheitsgebot zwingt den Gesetzgeber nicht, den Tatbestand einer Norm mit genau erfassbaren Maßstäben zu umschreiben. Dass ein Gesetz unbestimmte, der Auslegung und Konkretisierung bedürftige Begriffe verwendet, verstößt allein noch nicht gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz der Normklarheit und Justitiabilität. Das Gesetz muss nur so bestimmt sein, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Unvermeidbare Auslegungsschwierigkeiten in Randbereichen sind dann von Verfassungs wegen hinzunehmen. Erforderlich ist allerdings stets, dass die von der Norm Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können. Sie müssen in zumutbarer Weise feststellen können, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die Rechtsfolge vorliegen (BVerfG, Beschluss vom 7. Mai 2001 – 2 BvK 1/00 – BVerfGE 103, 332 ≪384≫; BVerwG, Urteil vom 31. Juli 2013 – 6 C 9.12 – BVerwGE 147, 292 Rn. 19 f.). Welchen über diese Grundsätze und Maßstäbe hinausgehenden Klärungsbedarf der vorliegende Fall aufzeigen soll, legt die Beschwerde nicht dar.
Rz. 6
Die auf den Gleichbehandlungsgrundsatz abzielende zweite Frage rechtfertigt die Durchführung eines Revisionsverfahrens ebenfalls nicht. Auch insoweit gilt, dass die Rüge, das maßgebliche Landesrecht und dessen Auslegung verstoße gegen Bundesrecht, die Zulassung der Revision nur rechtfertigt, wenn sie auf eine klärungsbedürftige Frage des Bundesrechts führt. Mit bloßen Angriffen gegen die Rechtsauffassung der Vorinstanz, die ihrer Entscheidung ausschließlich nicht revisibles Landesrecht zugrunde gelegt hat, kann die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache selbst dann nicht dargelegt werden, wenn der Kläger zur Begründung seiner abweichenden Rechtsauffassung verfassungsrechtliche Erwägungen anführt (BVerwG, Beschluss vom 30. Juni 2003 – 4 B 35.03 – Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 26 S. 20 m.w.N.). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht; sie beschränkt sich darauf, die Auslegung des Landesrechts durch das Oberverwaltungsgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung eines anderen Oberverwaltungsgerichts als willkürlich zu kritisieren, ohne den bundesverfassungsrechtlichen Klärungsbedarf hinsichtlich des als korrigierender Maßstab angeführten Gleichbehandlungsgebotes zu bezeichnen.
Rz. 7
Im Übrigen lässt sich die Frage ohne Weiteres auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung beantworten. Danach steht der Gemeinde als ortsrechtlicher Normgeberin aufgrund ihrer Satzungs- und Abgabenhoheit bei der Ausgestaltung ihrer Abgabensatzungen ein – gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer – weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014 – 1 BvR 668/10, 1 BvR 2104/10 – NVwZ 2014, 1448 Rn. 49; BVerwG, Beschluss vom 3. September 2014 – 9 B 46.14 – juris Rn. 4). Es unterliegt keinen Zweifeln, dass dieser Spielraum hinsichtlich des Entstehens der Beitragspflicht die Wahl unterschiedlicher Anknüpfungspunkte wie den Beginn einer Ausbaumaßnahme oder deren Beendigung zulässt.
Rz. 8
2. Der von der Beschwerde geltend gemachte Verfahrensverstoß liegt nicht vor. Die Beschwerde macht als Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend, das Oberverwaltungsgericht habe nicht zur Kenntnis genommen, dass sich die Kläger in der Widerspruchsbegründung, die in dem mit Schriftsatz vom 12. März 2009 vorgelegten Anlagenkonvolut K 4 enthalten gewesen sei, auch auf Festsetzungsverjährung berufen hätten. Ein Gehörsverstoß ist jedoch in dieser Hinsicht zu verneinen. Der Grundsatz rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verlangt vom Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gericht ist aber nicht gehalten, das gesamte Vorbringen in den Entscheidungsgründen wiederzugeben und zu jedem einzelnen Gesichtspunkt Stellung zu nehmen (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Aus einem Schweigen der Urteilsgründe zu einem bestimmten Vorbringen eines Beteiligten kann noch nicht geschlossen werden, das Gericht habe dieses nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen (vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 5. Februar 1999 – 9 B 797.98 – Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 4 S. 3).
Rz. 9
Hiernach rechtfertigt der Umstand, dass im Urteil des Oberverwaltungsgerichts Ausführungen zur Festsetzungsverjährung fehlen, nicht die Annahme eines Gehörsverstoßes. Mit der Beschwerde wird lediglich vorgebracht, dass die Frage der Festsetzungsverjährung in der ersten Instanz aufgeworfen worden sei. Dass die Kläger auf diesen rechtlichen Aspekt in der Berufungsinstanz vor dem Oberverwaltungsgericht zurückgekommen wären, behauptet die Beschwerde dagegen nicht. Angesichts dessen durfte das Oberverwaltungsgericht davon ausgehen, dass sich die Kläger auf diesen rechtlichen Gesichtspunkt nicht mehr berufen wollten. Dies lag umso näher, als während des Berufungsverfahrens in Reaktion auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 (– 1 BvR 2457/08 – BVerfGE 133, 143) die Festsetzungsverjährung durch den mit Gesetz vom 28. November 2013 (SächsGVBl. S. 822, 840) in das Sächsische Kommunalabgabengesetz eingefügten § 3a mit Wirkung zum 1. Januar 2014 dahingehend neu geregelt worden ist, dass die Festsetzungsfrist für Straßenausbaubeiträge 20 Jahre beträgt.
Rz. 10
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO, die Festsetzung des Streitwertes auf § 47 Abs. 1 und 3 VwGO, § 52 Abs. 3 GKG.
Unterschriften
Dr. Bier, Prof. Dr. Korbmacher, Steinkühler
Fundstellen