Verfahrensgang
Hessischer VGH (Beschluss vom 26.04.2001; Aktenzeichen 5 N 947/00) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 26. April 2001 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1 871 328 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 VwGO liegen nicht vor.
1. Die Rechtssache hat nicht die ihr von der Antragstellerin beigelegte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die von der Antragstellerin in den Vordergrund gestellte Frage, ob allein der Bundesgesetzgeber berechtigt ist, flächendeckend für sein Hoheitsgebiet von den EG-Pauschalen abzuweichen oder ob die Abweichung von den EG-Pauschalgebühren auch von den Bundesländern flächendeckend für ihr eigenes Hoheitsgebiet vorgenommen werden kann und auf welches Referenzgebiet wegen der zu deckenden Kosten dabei abzustellen ist, bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren, weil die Frage in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs eindeutig entschieden ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat in einer ganzen Reihe von Entscheidungen ausgesprochen, es sei dem einzelnen Bundesland gestattet, gemäß der Vorschrift des Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 85/73/EWG in der Fassung der Richtlinie 96/43/EG i.V.m. Anhang A Kapitel I Nr. 4 Buchst. b flächendeckend und nicht nur für einzelne Betriebe von den EG-Pauschalgebühren abzuweichen (vgl. zuletzt Urteil vom 18. Oktober 2001 – BVerwG 3 C 1.01 – UA S. 20). Der Ansicht der Antragstellerin, nur die Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedstaat dürfe eine solche Regelung treffen, ist dadurch die Grundlage entzogen. Zu Unrecht beruft sich die Antragstellerin demgegenüber auf den Beschluss des Senats vom 12. März 1997 (BVerwG 3 NB 3.94). Diese Entscheidung ist nicht nur zu einer gänzlich anderen Fassung der Richtlinie 85/73/EWG ergangen. Inzwischen hat auch der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 9. September 1999 (Rs.C-374.97 – „Feyrer”) ausgesprochen, dass es jedem Mitgliedstaat freisteht, die Zuständigkeiten auf innerstaatlicher Ebene zu verteilen und die nicht unmittelbar anwendbaren Gemeinschaftsrechtsakte mittels Maßnahmen regionaler oder örtlicher Behörden durchzuführen, sofern diese Zuständigkeitsverteilung eine ordnungsgemäße Durchführung der betreffenden Gemeinschaftsrechtsakte ermöglicht. Es kann daher keinem Zweifel unterliegen, dass das Gemeinschaftsrecht einer Übertragung der Regelungskompetenz für eine Abweichung von den EG-Pauschalgebühren auf die Bundesländer nicht entgegensteht. In der genannten Entscheidung hat der Europäische Gerichtshof auch festgestellt, dass die Frage der Kostendeckung nicht notwendigerweise auf das Gebiet des Mitgliedstaates bezogen sein muss, sondern dass das Gemeinschaftsrecht eine Regelung ermöglicht, die Gebühren bis zur Höhe der der zuständigen kommunalen Behörde tatsächlich entstandenen Untersuchungskosten vorsieht (a.a.O. Tz. 41). Die Versuche des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin, trotz dieser völlig eindeutigen Aussagen noch einen Klärungsbedarf zu konstruieren, sind nicht nachvollziehbar.
Ebensowenig nachvollziehbar sind die Ausführungen der Beschwerde, die sich mit Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 8. März 2001 (Rs.C-316.99) befassen. Wie der Verwaltungsgerichtshof zu Recht festgestellt hat, betrifft die vom Europäischen Gerichtshof in diesem Urteil festgestellte mangelhafte Umsetzung der Richtlinie 96/43/EG durch die Bundesrepublik Deutschland nicht den hier streitigen Bereich der Untersuchungsgebühren für Rindfleisch, Schweinefleisch, Schaf- und Ziegenfleisch. Daher ist nicht ersichtlich, wieso eine möglicherweise defizitäre Umsetzung etwa der Gebührenregelung für Geflügelfleischuntersuchung es hindern soll, von der gemeinschaftsrechtlich eingeräumten Möglichkeit der Abweichung von den EG-Pauschalgebühren für die eingangs genannten Fleischuntersuchungen Gebrauch zu machen. Zu Recht weist der Antragsgegner im Übrigen darauf hin, dass dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs überhaupt nichts für eine defizitäre Umsetzung der Richtlinie 96/43/EG im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners zu entnehmen ist. Es liegt aber auf der Hand, dass eine unzureichende Umsetzung der Richtlinie durch andere Bundesländer eine ordnungsgemäße Umsetzung durch den Antragsgegner nicht verhindern kann.
Auch die Berücksichtigung der Kosten für Trichinenschau und bakteriologische Untersuchung in der vom Antragsgegner festgelegten Untersuchungsgebühr verleiht der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Im Urteil vom 30. Mai 2002 (Rs.C-284.00 und C-288.00 – „Stratmann”) hat der Europäische Gerichtshof ausgesprochen, dass jede von einem Mitgliedstaat beschlossene Erhöhung den Pauschalbetrag der Gemeinschaftsgebühr selbst betreffen und als dessen Anhebung erfolgen muss und dass eine spezifische über die Gemeinschaftsgebühren hinausgehende Gebühr sämtliche tatsächlich entstandenen Kosten abdecken muss (a.a.O. Tz. 56). Der Europäische Gerichtshof hat weiter ausgesprochen, dass zu den durch eine solche erhöhte Gebühr zu deckenden Kosten auch die Aufwendungen für Trichinenschau und bakteriologische Untersuchung gehören. Weiterer Klärungsbedarf besteht insoweit nicht.
Soweit die Antragstellerin schließlich geltend macht, der Antragsgegner habe unzulässigerweise neben einer pauschalen Erhöhung nach Anhang A Kapitel I Nr. 4 Buchst. b der Richtlinie 85/73/EWG eine Erhöhung für einzelne Betriebe nach Anhang A Kapitel I Nr. 4 Buchst. a der Richtlinie 85/73 EWG vorgenommen, handelt es sich um eine im Beschwerdeverfahren erstmalig erhobene Beanstandung. Sie war nicht Gegenstand des Normenkontrollantrags. Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass sich das Antragsbegehren nur auf Regelungen bezieht, die sich auf Buchst. b von Anhang A Kapitel I Nr. 4 der genannten Richtlinie stützen. Für eine Ausweitung des Normenkontrollbegehrens ist im Beschwerdeverfahren kein Raum, so dass insoweit die Frage der Antragsbefugnis der Antragstellerin offen bleiben kann.
Die Frage einer zulässigen Rückwirkung der landesrechtlichen Gebührenvorschriften hat der Senat im Urteil vom 18. Oktober 2001 (BVerwG 3 C 1.01) dahin beantwortet, dass das Fehlen einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage für die Erhebung kostendeckender Fleischbeschaugebühren vom Landesgesetzgeber rückwirkend durch den Erlass entsprechender Normen behoben werden konnte. Auch insoweit besteht daher hier kein Klärungsbedarf mehr.
2. Der angefochtene Beschluss weicht auch nicht von den in der Beschwerde genannten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts ab. Hinsichtlich des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. März 1997 (BVerwG 3 NB 3.94) ist oben schon darauf hingewiesen worden, dass diese Entscheidung andere gemeinschaftsrechtliche Vorschriften zum Gegenstand hatte als die hier anzuwendenden und dass im Übrigen durch das Urteil des Europäischen Gerichtshof vom 9. September 1999 (Rs.C-374.97) die hier maßgebenden Fragen eindeutig und in einer die nationalen Gerichte bindenden Weise beantwortet worden sind.
Die behauptete Abweichung vom Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Februar 2000 (2 BvR 1230/96) in der Frage des absoluten Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts liegt nicht vor, weil der Verwaltungsgerichtshof den Anwendungsvorrang in keiner Weise in Frage gestellt hat. Es hat vielmehr dem Gemeinschaftsrecht einen Vorbehalt zugunsten abweichender nationaler Regelungen entnommen. Dass es sich dabei im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gehalten hat, wurde bereits ausgeführt.
Soweit die Beschwerde schließlich eine Abweichung des angefochtenen Beschlusses vom Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 3. Dezember 1997 (2 BvR 882/97) rügt, kann offen bleiben, ob der Verwaltungsgerichtshof für den hier streitigen Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Oktober 1999 die Kategorie der unechten Rückwirkung nach den Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts zu Recht herangezogen hat. Darauf kommt es nicht an, weil der Verwaltungsgerichtshof in der Sache die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer echten Rückwirkung bejaht hat, was sich mit den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 18. Oktober 2001 (BVerwG 3 C 1.01) deckt.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 2, § 14 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Driehaus, van Schewick, Kimmel
Fundstellen
Haufe-Index 776409 |
NVwZ 2003, 220 |