Verfahrensgang
VG Cottbus (Urteil vom 29.09.2005; Aktenzeichen 1 K 777/00) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 29. September 2005 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 76 438,14 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Der Rechtssache kommt nicht die von der Klägerin behauptete grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zu.
Die Klägerin wendet sich gegen die Höhe des Abführungsbetrages nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EntschG, den die Beklagte auf der Grundlage des 1,3-fachen des vor der Schädigung – hier der 1939 erfolgten Zwangsveräußerung des Grundstücks – zuletzt, nämlich zum 1. Januar 1935 festgestellten Einheitswertes festgesetzt hat. Sie ist der Auffassung, dass der von ihr an den Entschädigungsfonds abzuführende Betrag stattdessen nur nach dem zum 1. Januar 1946 fortgeschriebenen Einheitswert zu bemessen sei, der wegen der am Grundstück eingetretenen Kriegsschäden erheblich geringer war. Außerdem habe die Umrechnung von Reichsmark in Deutsche Mark im Verhältnis 10 : 1 zu erfolgen. Dem ist das Verwaltungsgericht nicht gefolgt.
1. Die Klägerin hält es eingekleidet in verschiedene Formulierungen sinngemäß für klärungsbedürftig, ob statt des letzten Einheitswertes vor der Schädigung der vor dem Zeitpunkt des Vermögenszuflusses an sie zuletzt festgestellte Einheitswert zugrunde zu legen sei.
Diese Frage verleiht der Rechtssache aber schon deshalb keine grundsätzliche Bedeutung, weil im vorliegenden Fall § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EntschG in der bis zum In-Kraft-Treten des Entschädigungsrechtsänderungsgesetzes vom 10. Dezember 2003 (BGBl I S. 2471) geltenden Fassung zugrunde zu legen ist. Sie betrifft daher ausgelaufenes Recht. Fragen hierzu kommt aber in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil von ihrer Beantwortung keine richtungweisende Wirkung auf die künftige Rechtsprechung mehr ausgehen kann (vgl. Beschluss vom 9. Dezember 1994 – BVerwG 11 PKH 28.94 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4). Etwas anderes gilt ausnahmsweise, wenn die angestrebte Klärung noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft von Bedeutung ist (vgl. Beschluss vom 20. September 1995 – BVerwG 6 B 11.95 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 6). Dass hier ein solcher Ausnahmefall vorliegt, hat die Klägerin nicht dargetan.
Abgesehen davon liegt auf der Hand, dass die von der Klägerin sinngemäß aufgeworfene Frage auch bei der bis zum In-Kraft-Treten des Entschädigungsrechtsänderungsgesetzes am 17. Dezember 2003 geltenden Fassung von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EntschG im Sinne der Auffassung des Verwaltungsgerichts zu beantworten war. Auch deshalb bedarf es nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens zu Klärung der aufgeworfenen Frage. Nach der ursprünglichen Gesetzesfassung war an den Entschädigungsfonds der 1,3-fache Einheitswert von Grundstücken abzuführen, die – wie hier – wegen der Zugehörigkeit zu deren Verwaltungsvermögen nach Art. 21 des Einigungsvertrages nach den §§ 4 und 5 des Vermögensgesetzes nicht restituierbar sind oder die wegen der Wahl von Entschädigung nicht restituiert werden. Insbesondere aus der Entstehungsgeschichte der Norm ergibt sich, dass mit “Einheitswert” im Sinne dieser Regelung entsprechend § 3 Abs. 1 EntschG der vor der Schädigung zuletzt festgestellte Einheitswert gemeint war (vgl. dazu Beschluss vom 29. September 2000 – BVerwG 3 B 99.00 – Buchholz 428.41 § 10 EntschG Nr. 1). Beabsichtigt war nämlich ein Gleichlauf zwischen der zu gewährenden Entschädigung und dem Abführungsbetrag (vgl. BTDrucks 12/4887 S. 37), auch wenn dies jedenfalls hinsichtlich der zugrunde zu legenden Multiplikatoren nicht durchgehalten wurde. Diese Auslegung hat der Gesetzgeber mit dem Entschädigungsrechtsänderungsgesetz nochmals bestätigt. Durch Art. 1 Nr. 6 Buchst. a EntschRÄndG wurden in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EntschG nach den Wörtern “der 1,3-fache” die Wörter “vor der Schädigung zuletzt festgestellte” eingefügt. Der Gesetzgeber hat diese Ergänzung ausweislich der Gesetzesbegründung nur als bloße Klarstellung gesehen (vgl. BTDrucks 15/1180 S. 2 und 20). Hat die Änderung nur deklaratorische Wirkung, ist es für die Auslegung von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EntschG a.F. zugleich ohne Belang, dass sie erst zum 17. Dezember 2003 in Kraft getreten ist.
Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache hat die Klägerin auch mit ihrer Behauptung nicht dargetan, die Festsetzung des Abführungsbetrages verstoße gegen Art. 120 Abs. 1 Satz 1 GG, da sie wegen des zugrunde gelegten früheren Einheitswertes für die kriegsbedingte Wertminderung des Grundstücks einzustehen habe und damit anstelle des Bundes für Kriegsfolgelasten herangezogen werde. Abgesehen davon, dass auch mit der Behauptung der Verfassungswidrigkeit einer Gesetzesauslegung den Darlegungserfordernissen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO noch nicht genügt ist, erschließt sich nicht, weshalb Art. 120 Abs. 1 Satz 1 GG dazu zwingen soll, § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EntschG im Sinne der Klage – und damit nun sogar gegen seinen ausdrücklichen Wortlaut – auszulegen. Die Entschädigung von Verfolgten des NS-Regimes für bereits vor Kriegsbeginn erlittene Schädigungen stellt ersichtlich keine Kriegsfolgelast dar. Einen Zusammenhang mit Art. 120 Abs. 1 Satz 1 GG leitet die Klägerin auch nur daraus her, dass der Vermögensgegenstand – nach seiner Entziehung – durch Kriegseinwirkungen in seinem Wert vermindert wurde. An Darlegungen dazu, weshalb Art. 120 Abs. 1 Satz 1 GG auch Kriegsschäden an Vermögenswerten erfassen soll, die sich zum Zeitpunkt der Schädigung bereits in öffentlicher Hand befunden haben, fehlt es jedoch.
2. Schließlich hält es die Klägerin für rechtsfehlerhaft und will auch insoweit die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO dartun, dass das Verwaltungsgericht nicht ihrer Auffassung gefolgt ist, wonach für die Festsetzung des Abführungsbetrages Reichsmark im Verhältnis von 10 : 1 in Deutsche Mark umzurechnen sind. Auch dabei setzt sie aber lediglich ihre Rechtsauffassung gegen die des Verwaltungsgerichts. Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage wirft sie nicht auf.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; der Wert des Streitgegenstandes ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3 sowie § 52 Abs. 3 GKG.
Unterschriften
Kley, Liebler, Prof. Dr. Rennert
Fundstellen