Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Aktenzeichen 2 S 2043/00) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 22. März 2001 wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 56 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde in unbegründet. Entgegen der Auffassung der Beschwerde weicht weder das angefochtene Urteil im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ab, noch verbindet sich mit dem Streitverfahren eine Frage von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
1 a) Die Beschwerde behauptet, dem angefochtenen Urteil liege der „vom VGH nicht ausdrücklich formulierte” Rechtssatz zugrunde, dass er bei der Feststellung des Inhalts einer Norm des Landesrechts das bundesrechtliche Gebot der bundesrechtskonformen Auslegung nicht zu beachten habe. Damit weiche der Verwaltungsgerichtshof von den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. August 1972 – BVerwG III C 121.69 – und vom 18. Dezember 1987 – BVerwG 4 C 9.86 – ab. Dieses Vorbringen trifft jedoch bereits im Ansatz nicht zu.
aa) Nach den Urteilsgründen liegt die vom Normenkontrollgericht (VGH) festgestellte Nichtigkeit einzelner Bestimmungen der in Rede stehenden Abfallwirtschaftssatzung (AbfWS 2001) darin begründet, dass der Benutzungsgebührentatbestand bezüglich der Entsorgung von Abfällen aus anderen Herkunftsbereichen als privaten Haushaltungen (vgl. § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG und hierzu Urteil vom 15. Juni 2000 – BVerwG 3 C 4.00 – Buchholz 451.221 § 13 KrW-/AbfG Nr. 6) nicht hinreichend bestimmt worden sei. Eine Abgabensatzung müsse die wesentlichen Merkmale der Abgabe klar und berechenbar bestimmen, so dass erkennbar und vorhersehbar sei, was von dem Abgabenpflichtigen gefordert werden könne. Dazu gehörten neben dem Kreis der Abgabenschuldner insbesondere der Gegenstand der Abgabe. Der Adressat der Satzung solle in die Lage versetzt werden, ohne spezielle Rechts- oder sonstige Kenntnisse aus der Satzung heraus zu erkennen, aus welchem Grund und unter welchen Voraussetzungen er abgabenpflichtig ist. Allerdings müssten Satzungsregelungen nur so bestimmt gefasst werden, wie dies nach der Eigenart des zu regelnden Sachverhalts mit Rücksicht auf den Normzweck möglich sei; die Auslegungsbedürftigkeit einer Vorschrift allein nehme dieser nicht die erforderliche Bestimmtheit.
Diese mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts übereinstimmenden Maßstäbe, die von der Beschwerde weder ausdrücklich noch der Sache nach in Zweifel gezogen werden, hat der Verwaltungsgerichtshof seiner Beurteilung zugrunde gelegt, welche Satzungsbestimmungen im Einzelnen aus welchen Gründen wegen fehlender Bestimmtheit als nichtig angesehen werden müssten. Hierbei hat er – entsprechend dem Grundanliegen der Beschwerde – sogar angenommen, dass zwar die Anknüpfung des Grundgebührentatbestandes und des Kreises der Gebührenschuldner maßgeblich vom „Rahmen der Überlassungspflicht” und damit vom bundesrechtlichen Begriff der überlassungspflichtigen Abfälle abhänge, wie er sich aus § 13 Abs. 1 bis 3 KrW-/AbfG ergebe; dies allein sei jedoch insoweit unschädlich, als der Grundgebührentatbestand und der Kreis der Gebührenschuldner noch im Einzelfall bestimmbar seien. Die Nichtigkeit der in Rede stehenden Vorschriften ergebe sich aber daraus, dass sich der maßgeblichen Vorschrift des § 29 Abs. 3 b Satz 1 AbfWS 2001 auch in Verbindung mit § 3 Abs. 1 und 2 nicht entnehmen lasse, ob der „Rahmen der Überlassungspflicht” ausschließlich durch die bundesrechtlich abschließend in § 13 Abs. 1 bis 3 KrW-/AbfG geregelte Überlassungspflicht bestimmt wird. Denn die Abfallwirtschaftssatzung begründe in mehreren Bestimmungen selbstständige Überlassungspflichten, die über den durch § 13 Abs. 1 bis 3 KrW-/AbfG vorgegebenen Rahmen hinausgingen. Dabei handele es sich um Vorschriften, die – über den letzten Halbsatz von § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG hinaus – für Beseitigungsabfälle ein unzulässiges öffentliches Überlassungsinteresse begründeten, für bestimmte Verwertungsabfälle eine – ebenfalls über § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG hinausgehende – Überlassungspflicht statuierten und schließlich Anlieferungspflichten für Wertstoffe einführten, die gleichfalls nicht mit § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG vereinbar seien.
bb) Vor diesem Hintergrund ergibt sich ohne Weiteres, dass der zur Begründung der Divergenzrüge erhobene Vorwurf – wie gesagt – bereits im Ansatz fehl geht; im Gegenteil sucht das angefochtene Urteil mit nachvollziehbaren Gründen die in Rede stehenden landesrechtlichen Bestimmungen im Lichte der einschlägigen bundes(verfassungs-)rechtlichen Regelungen auszulegen und auf diese Weise ein Höchstmaß an gültig bleibenden Bestimmungen zu erzielen. Damit ist den Anforderungen an das Gebot bundesrechtskonformer Auslegung insoweit genügt.
b) Ebenfalls fehl geht die zur Begründung einer Abweichung vorgebrachte Behauptung, dem Urteil liege der „vom VGH nicht ausdrücklich formulierte” Rechtssatz zugrunde, dass die Unwirksamkeit der Satzungsregelungen, die die bundesrechtlich abschließend geregelte Überlassungspflicht für Abfälle aus anderen Herkunftsbereichen als privaten Haushaltungen ausdehnen, die Unwirksamkeit „aller Satzungsregelungen” zur Folge habe, deren Anwendung vom „Rahmen der Überlassungspflicht” abhängt.
Wie sich aus den Urteilsgründen ab Seite 22 (3.) ergibt, hat der Verwaltungsgerichtshof zunächst angenommen, dass sich den Vorschriften, die im Tenor an erster Stelle für nichtig erklärt wurden (§ 29 Abs. 3 b Sätze 1 und 2 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 der Satzung) nicht entnehmen lasse, nach welchen Kriterien der dort verwendete Maßstab „im Rahmen der Überlassungspflicht” zu bestimmen ist. Von diesem rechtlichen Ansatz ausgehend ist es nur folgerichtig, dass die an zweiter Stelle im Tenor für nichtig erklärte Bestimmung in § 29 Abs. 3 b Satz 3 der Satzung wegen des erkennbaren Regelungszusammenhangs mit den voranstehenden Sätzen einer gleichen Bewertung unterzogen wurde. Entsprechendes gilt für die erste der an dritter Stelle für nichtig erklärten Bestimmungen der vierten Änderungssatzung, die wegen des Bezugs zum vorgenannten § 3 („die Verpflichteten nach § 3 …”) schwerlich anders zu bewerten sind als § 3 selbst. Was schließlich die im Tenor an dritter Stelle weiterhin für nichtig erklärten Bestimmungen in § 8 der 4. Änderungssatzung (§ 39 Abs. 1 a, 1 b und 6) angeht, so mag insoweit nach dem Zusammenhang der Entscheidungsgründe auch eine andere Lösung als die Nichtigerklärung denkbar gewesen sein; jedenfalls machen die Urteilsgründe und macht die Vorgehensweise des Verwaltungsgerichtshofs deutlich, dass der Vorwurf der Beschwerde nicht zutrifft, durch das Urteil würden gewissermaßen pauschal „alle Satzungsregelungen” für unwirksam erklärt, deren Anwendung vom Rahmen der Überlassungspflicht abhängt.
Angesichts dessen kann keine Rede davon sein, das Normenkontrollgericht sei ausdrücklich oder der Sache nach von den auf Seite 13 der Beschwerdeschrift zitierten oder ähnlichen abstrakten, von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten bundesrechtlichen Rechtssätzen abgewichen.
2. Mit dem Streitverfahren verbindet sich auch keine Grundsatzbedeutung.
Die aufgeworfene Frage, „ob § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO an Stelle der Nichtigerklärung die Feststellung zulässt und fordert, dass eine bestimmte Auslegung der angegriffenen Rechtsvorschrift mit höherrangigem Recht nicht vereinbar ist, wenn die zu überprüfende Norm auch eine Auslegung zulässt, die nicht gegen höherrangiges Recht verstößt”, würde sich im erstrebten Revisionsverfahren nicht stellen. Denn der Verwaltungsgerichtshof hat gerade nicht angenommen, dass die überprüften und von ihm für nichtig erklärten Normen auch eine Auslegung ermöglichten, die nicht gegen höherrangiges Recht verstößt. Trifft aber die Voraussetzung der Fragestellung nicht zu, so besteht für deren Beantwortung kein Klärungsbedarf.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der beschließende Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Bei der Streitwertfestsetzung folgt der beschließende Senat der Festsetzung durch das Normenkontrollgericht.
Unterschriften
Prof. Dr. Driehaus, Kimmel, Dr. Brunn
Fundstellen