Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitwirkungsrecht eines anerkannten Naturschutzverbandes;. Unterbleiben eines Planfeststellungsverfahrens. Unterhaltung einer Bundeswasserstraße. Ausbau einer Bundeswasserstraße. Errichtung eines Parallelbauwerkes (Leitwerkes)

 

Leitsatz (amtlich)

Die Errichtung eines Leitwerkes in einer Bundeswasserstraße (Elbe bei Wittenberg) auf der Gründung eines jedenfalls bis 1970 bestehenden und danach durch Militärmanöver der sowjetischen Streitkräfte zerstörten Deckwerkes, ist rechtlich als Unterhaltungsmaßnahme nach § 8 WaStrG zu qualifizieren. Daran ändert nichts, dass zwischen dem Leitwerk und der Uferlinie eine Flachwasserzone entsteht, die es bei dem früheren Deckwerk nicht gab.

 

Normenkette

BNatSchG § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 4; WaStrG §§ 8, 12 Abs. 1-2; VerkPBG §§ 1, 5 Abs. 1

 

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 20 000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen Bauarbeiten, die die Antragsgegnerin zurzeit am rechten Ufer der Bundeswasserstraße Elbe durchführen lässt, ohne dass dafür ein Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahren vorangegangen wäre. Zwischen Flusskilometer – km – 203,85 und km 204,425 wird dabei durch wasserseitigen Einbau ein Leitwerk als Parallelwerk errichtet, das an der Buhne bei km 204,425 mit dem stromabwärts noch vorhandenen Deckwerk verbunden wird.

Der Antragsteller macht geltend, durch das Vorgehen der Antragsgegnerin sei ihm das nach dem Bundesnaturschutzgesetz für Planfeststellungsverfahren eingeräumte Mitwirkungsrecht unzulässig entzogen worden. Die Bauarbeiten könnten rechtlich nur als Ausbau der Bundeswasserstraße bewertet werden, für die ein Planfestellungsverfahren zwingend erforderlich sei.

Der Antragsteller hat deshalb am 17. Oktober 2000 beim Verwaltungsgericht Dessau die Anordnung eines sofortigen Baustopps im Wege einstweiliger Anordnung beantragt. Mit Beschluss vom 19. Oktober 2000 hat das Verwaltungsgericht Dessau den Rechtsstreit an das Bundesverwaltungsgericht verwiesen. Aufgrund Beweisbeschlusses vom 24. Oktober 2000 hat der Berichterstatter die Örtlichkeit am 26. Oktober 2000 in Augenschein genommen und die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert. Dabei hat der Präsident der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Ost für die Antragsgegnerin vorbehaltlich einer noch durchzuführenden Beteiligung von Behörden des Landes Sachsen-Anhalt zugesichert, die Durchströmung der zwischen Ufer und Leitwerk entstehenden Flachwasserzone mit Frischwasser durch entsprechende Zu- und Abflüsse zu gewährleisten und die ökologische Wirksamkeit dieser Maßnahmen unter Beteiligung des Antragstellers zu überwachen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll des Augenscheins- und Erörterungstermins und im Übrigen auf die Streitakte sowie die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin (vier Hefter sowie Bestandskarten und Luftbildaufnahmen) verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg. Der Antragsteller hat nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass die Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 VwGO erfüllt sind.

1. Die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich aus § 5 Abs. 1 VerkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzVerkPBG –. Der erforderliche unmittelbare Bezug zu einem Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahren für ein Vorhaben nach § 1 VerkPBG ist gegeben, wenn – wie hier – darüber gestritten wird, ob den Bauarbeiten ein solches Verfahren hätte vorausgehen müssen (vgl. Beschluss vom 21. Januar 1994 – BVerwG 7 VR 12.93 – NVwZ 1994, 370).

2. Nach dem bisherigen Erkenntnisstand kann ein Anordnungsanspruch nicht festgestellt werden (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO).

a) Der Antragsteller beruft sich auf das ihm durch § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BundesnaturschutzgesetzBNatSchG – eingeräumte Beteiligungsrecht, das die Gelegenheit zur Äußerung sowie zur Einsicht in die einschlägigen Sachverständigengutachten zum Gegenstand hat. Dieses Recht besteht in Planfeststellungsverfahren über Vorhaben, die mit Eingriffen in Natur und Landschaft im Sinne von § 8 BNatSchG verbunden sind. Für die Durchführung von Unterhaltungsarbeiten an einer Bundeswasserstraße ist eine solche Mitwirkung hingegen nicht vorgesehen.

b) Unter Würdigung aller bekannten Sachverhaltsumstände erweist sich die Errichtung eines Leitwerkes in der bereits angegebenen Lage als Maßnahme der Unterhaltung im Sinne von § 8 Abs. 14 BundeswasserstraßengesetzWaStrG – und nicht als planfeststellungs- oder jedenfalls plangenehmigungsbedürftiger Ausbau nach § 12 Abs. 2 WaStrG. Das Bundeswasserstraßengesetz beschreibt in der letztgenannten Vorschrift als Ausbau eine Maßnahme zur wesentlichen Umgestaltung einer Bundeswasserstraße, eines oder beider Ufer, die über die Unterhaltung hinausgeht und die Bundeswasserstraße als Verkehrsweg betrifft. Die Unterhaltung umfasst hingegen im Grundsatz die Erhaltung eines ordnungsgemäßen Zustandes für den Wasserabfluss und die Erhaltung der Schiffbarkeit – § 8 Abs. 1 Satz 1 WaStrG. Die Grenzziehung zwischen Unterhaltung und Ausbau vollzieht sich deshalb nach der Unterscheidung, ob es sich um Maßnahmen zur Substanzerhaltung der bestehenden Bundeswasserstraße oder aber um solche zur wesentlichen Umgestaltung des Verkehrsweges handelt (vgl. Friesecke, Bundeswasserstraßengesetz Kommentar, 4. Aufl. 1999, § 12 Rn. 10).

c) In nicht zu beanstandender Weise kann der Antragsgegner geltend machen, die von ihm veranlassten Baumaßnahmen knüpften an einen seit langer Zeit planungsrechtlich festgeschriebenen Bestand der Wasserstraße an, so dass es sich um die Erhaltung der bestehenden Substanz handele. Die Auswertung der vorhandenen Unterlagen ergibt dabei, dass im Bereich zwischen km 203,85 und 204,425 sowie weiter flussabwärts in Richtung auf das Dorf Gallin jedenfalls seit 1908 ein Parallelwerk in der Form eines Deckwerkes vorhanden war, an dem, vom Wasser aus gesehen, die Unterböschung begann und das deshalb die Schnittkante vom Land zum Fluss gebildet hat. Dieser Zustand bestand nach den Karten der Antragsgegnerin und ihren ergänzenden Darlegungen fort, bis das Deckwerk in den siebziger Jahren durch Manöverübungen der Roten Armee (Flussdurchfahrten mit Panzerfahrzeugen) zwischen km 203,85 und 204,425 zerstört wurde, wobei Abbruchmaterial in die Fahrrinne der Elbe gelangte. Zuvor war 1936/37/38 eine Überarbeitung und Anpassung des Deckwerkes (vgl. Planfeststellungsbeschluss vom 31. Oktober 1938) sowie stromaufwärts von km 203,85 der Einbau zusätzlicher – zu den bereits vorhandenen – Querwerke (Buhnen) erfolgt.

An diesen nie aufgegebenen planungsrechtlichen Bestand darf bei den Bauarbeiten angeknüpft werden. Dabei kann es nicht als Aufgabe der alten und Schaffung einer neuen Substanz der Wasserstraße angesehen werden, wenn nach der Zerstörung des Deckwerkes in dem genannten Bereich anstelle einer Wiederherstellung des Parallelwerkes zunächst gewissermaßen aushilfsweise Buhnen als Querwerke eingebaut wurden, um auf diesem Wege die Fließgeschwindigkeit und Schleppfähigkeit des Wassers in der Fahrrinne wieder zu erhöhen und damit die Schiffbarkeit zu gewährleisten. Der Grund dafür lag nämlich ersichtlich nicht in einer Umplanung des Verkehrsweges, sondern vielmehr im Fehlen ausreichender Finanzmittel sowie in dem Umstand, das die Rote Armee das Gelände weiterhin wie bisher zu nutzen beabsichtigte.

Zwar mag im Grundsatz gelten, dass die Wiederherstellung eines Wasserweges, soll sie noch einer Unterhaltung zuzurechnen sein, in engem zeitlichen Zusammenhang mit der vorangegangenen Veränderung des zuvor bestehenden Zustandes stehen muss. Auch teilt der Senat die Einschätzung, dass in der Regel ein solcher Zusammenhang jedenfalls nach 30 Jahren nicht mehr bestehen dürfte (so Friesecke a.a.O. § 8 Rn. 2; Czychowski, Wasserhaushaltsgesetz Kommentar, 7. Aufl. 1998, § 28 Anm. 14, Sander NuR 1986, S. 317/322); doch müssen bei einem von der deutschen Teilung so betroffenen Wasserweg wie der Elbe die sich hieraus ergebenden Besonderheiten mitbedacht werden. Dies rechtfertigt es, bei der Frage des Fortbestehens eines zeitlichen Zusammenhanges in den Blick zu nehmen, dass seit der Wiedervereinigung und der durch sie veranlassten umfangreichen Aufgaben bei der Wiederherstellung der innerdeutschen Verkehrswege – erst – 10 Jahre vergangen sind. Danach kann die Errichtung eines Leitwerkes noch als Wiederherstellung eines – planungsrechtlich – bestehenden Zustandes bewertet werden.

Schließlich wird die Baumaßnahme nicht dadurch zum Ausbau, dass mit der Wiederherstellung eines Parallelbauwerkes nicht exakt der frühere Zustand, sondern vielmehr eine Befestigung geschaffen wird, die dem früher vorhandenen Deckwerk zwar in der Funktion vollständig, doch in der Gestaltung nicht hinsichtlich aller Aspekte entspricht. Bildete das Deckwerk früher die Grenzlinie zwischen Land und Wasser, so wird hinter dem neuen Leitwerk zur Landseite hin eine Flachwasserzone entstehen, deren Verfüllung nicht beabsichtigt ist. Es besteht mithin – von geringfügigen Niveauunterschieden abgesehen – Identität zwischen früherem Deckwerk und jetzt im Bau befindlichem Leitwerk, wenn dabei die Fahrrinne der Elbe betrachtet wird. So wird das Leitwerk auf der zum Teil noch vorhandenen Gründung des Deckwerkes mit dessen genauer Linienführung errichtet. Doch gelten für den Bereich – von der Fahrrinne aus gesehen – hinter dem Parallelbauwerk Unterschiede, weil der Antragsgegner aus Gründen der Schonung der mit den Jahren entstandenen Ufervegetation und zur weitgehenden Beibehaltung eines naturbelassenen Randbereiches auf eine Aufschüttung der Flachwasserzone verzichten will. Es handelt sich folglich nicht um eine vollständige, sondern vielmehr um die teilweise Wiederherstellung des plangegebenen Zustandes.

Dies ist nicht zu beanstanden und hebt die Maßnahme bereits deshalb nicht von einer Unterhaltung auf die Stufe eines Ausbaus, weil das Bundeswasserstraßengesetz dem Antragsgegner ausdrücklich aufgibt, bei der Unterhaltung den Belangen des Naturhaushaltes Rechnung zu tragen, Bild und Erholungswert der Gewässerlandschaft zu berücksichtigen und die natürlichen Lebensgrundlagen zu bewahren – vgl. § 8 Abs. 1 Satz 2 und 3 WaStrG. Dem tragen im Übrigen auch die Zusicherungen Rechnung, die die Antragsgegnerin im Augenscheins- und Erörterungstermin abgegeben hat.

3. Fehlt es bereits aus diesen Gründen an einem Anordnungsanspruch, so kann dahinstehen, ob dem Begehren des Antragstellers auch entgegenzuhalten wäre, dass die Bauarbeiten des Antragsgegners, selbst wenn es sich bei ihnen entgegen der Auffassung des Senats um einen Ausbau nach § 12 Abs. 2 WaStrG handelte, möglicherweise auch auf der Grundlage einer Plangenehmigung hätten durchgeführt werden können, für die ein Beteiligungsrecht des Antragstellers nicht besteht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 1995 – BVerwG 11 VR 11.95 – ≪Buchholz 406.401 § 29 Nr. 7≫ und Urteil vom 22. März 1995 – BVerwG 11 A 1.95 – ≪Buchholz 406.401 § 29 Nr. 6≫). Nachdem die Bundesregierung beabsichtigt, durch den Erlass eines Gesetzes zur Änderung verkehrswegerechtlicher Vorschriften (BTDrucks 14/3646) die Durchführung eines Plangenehmigungsverfahrens in Fällen der vorliegenden Art auszuschließen, erscheint im Übrigen bereits deshalb zweifelhaft, ob der Antrag des Antragstellers auch daran gescheitert wäre.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 20 Abs. 3 in Verbindung mit § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

 

Unterschriften

Hien, Kipp, Vallendar

 

Fundstellen

NVwZ-RR 2001, 88

NuR 2001, 155

ZUR 2001, 157

DVBl. 2000, 1864

UPR 2001, 235

ZfW 2001, 176

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