Verfahrensgang
OVG der Freien Hansestadt Bremen (Urteil vom 13.02.2008; Aktenzeichen 2 A 447/07) |
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 13. Februar 2008 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger je zur Hälfte.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 13 590 € festgesetzt.
Gründe
Die auf sämtliche Revisionszulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde kann keinen Erfolg haben.
1. Die behaupteten Verfahrensmängel sind nicht in der erforderlichen Weise dargelegt (§ 132 Abs. 2 Nr. 3, § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Die Beschwerde meint, das Berufungsgericht habe es verfahrensfehlerhaft unterlassen, ein Sachverständigengutachten (Verkehrsgutachten) zur Verkehrsfunktion des Bremer Straßennetzes insgesamt und zur streitgegenständlichen Straße im Besonderen einzuholen (Beschwerdebegründung S. 11 Mitte bzw. unten; Schriftsatz vom 21. Oktober 2008 S. 2). Die damit der Sache nach erhobene Rüge einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) erfordert nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die substantiierte Darlegung, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Berufungsgerichts aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich und geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des Berufungsgerichts zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätten führen können; weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (Urteil vom 22. Januar 1969 – BVerwG 6 C 52.65 – BVerwGE 31, 212 ≪217 f.≫; Beschluss vom 18. Juni 1998 – BVerwG 8 B 56.98 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 154 S. 475). Eine derartige substantiierte Darlegung enthält die Beschwerdebegründung nicht, insbesondere ist ihr nicht zu entnehmen, dass die anwaltlich vertretenen Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht durch Stellung dahingehender Beweisanträge auf die jetzt vermisste weitere Sachaufklärung gedrungen hätten.
Soweit die Beschwerde weiter als verfahrensfehlerhaft rügt, dass das Berufungsgericht der Entstehungsgeschichte des Landesstraßengesetzes nicht nachgegangen sei bzw. dass es eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 6. Oktober 1977 – BVerwG 4 B 84.77, 4 B 85.77 – Buchholz 407.4 § 1 FStrG Nr. 4 S. 1) nicht angewandt habe (Beschwerdebegründung S. 9 unten, S. 10 Mitte), verkennt sie, dass eine unrichtige oder in ihrer Begründung defizitäre (weil die Gesetzesmaterialien vernachlässigende) materielle Rechtsanwendung grundsätzlich – von hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen – keinen Verfahrensfehler darstellt.
2. Die Ausführungen der Beschwerde, mit denen sie eine Zulassung der Revision unter dem Gesichtspunkt der Divergenz erreichen will (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) genügen ebenfalls nicht den Darlegungsanforderungen. Diese verlangen, dass die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, das angefochtene Urteil tragenden abstrakten Rechtssatz benennt und diesem einen in einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts enthaltenen ebensolchen Rechtssatz gegenüberstellt (zu diesem Erfordernis vgl. Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 S. 14). Eine solche Gegenüberstellung konkret zu bezeichnender, abstrakter und entscheidungstragender Rechtssätze einerseits des Berufungsgerichts und andererseits des Bundesverwaltungsgerichts oder eines anderen in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO bezeichneten Gerichts ist der Beschwerde nicht zu entnehmen. Hierzu reicht es nicht aus, dass die Beschwerde geltend macht (Beschwerdebegründung S. 6 Mitte, S. 8 unten; Schriftsatz vom 21. Oktober 2008, S. 2 unten), bei zwei vom Berufungsgericht verwandten Argumenten “ergebe sich ein klarer Dissens” bzw. “bestehe ein Dissens” zu Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in dessen Entscheidung zu § 128 Abs. 3 Nr. 2 BBauG (BVerfG, Beschluss vom 8. November 1972 – 1 BvL 15/68 und 26/69 – BVerfGE 34, 139 ≪148 ff.≫). Denn damit wird nur eine Verkennung oder unzutreffende Anwendung höchstrichterlicher Rechtsprechung behauptet. Dies allein ist aber nicht geeignet, eine Divergenz erfolgreich zu begründen (Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O. S. 14).
3. Die Revision ist auch nicht wegen der von der Beschwerde geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Beschwerde hält folgende Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig:
“Kann in Fällen, in denen das Landesrecht überhaupt keine Kategorie ‘Landstraßen’ vorsieht, eine Straße als ‘Landstraße’ unter § 128 Abs. 3 Nr. 2 BauGB subsumiert werden?”
Dies ist vor dem Hintergrund des Einwands der Kläger zu sehen, dass die Fahrbahn der streitgegenständlichen Straße nicht von dem beitragsfähigen Erschließungsaufwand umfasst sei, weil es sich bei der Straße um eine Ortsdurchfahrt einer Landstraße I. oder II. Ordnung i.S.v. § 128 Abs. 3 Nr. 2 BauGB handele. Das Berufungsgericht (UA S. 16 ff.) hat diesen Einwand mit der Begründung zurückgewiesen, dass insoweit grundsätzlich auf die tatsächlich vorgenommene rechtliche Einstufung der Straße abzustellen sei. Das Bremische Landesstraßengesetz zeichne sich aber durch die Besonderheit aus, dass es die Kategorie der “Landstraße” nicht vorsehe. Der Landesgesetzgeber sei auch nicht verpflichtet, eine solche zu schaffen. Eine Straße, die nicht als Bundes- oder Landesstraße klassifiziert sei, könne auch dann nicht unter § 128 Abs. 3 Nr. 2 BauGB subsumiert werden, wenn sie tatsächlich, etwa aufgrund ihrer Beschilderung, eine entsprechende Funktion habe.
Hieran knüpft die Beschwerde mit ihrer vorstehend wiedergegebenen Frage an. Sie hält die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts für verfassungsrechtlich bedenklich. Der Landesgesetzgeber könne nicht dadurch, dass er auf die Ausweisung der Straßenkategorie “Landstraße” und auf eine Umschreibung ihres Begriffs und ihres Wesens verzichte, sämtliche Straßenbaukosten einschließlich derjenigen für Fahrbahnen von Straßen, die ihrer Funktion nach eigentlich Landstraßen wären, durch die Erhebung von Erschließungsbeiträgen auf die Eigentümer der erschlossenen Grundstücke abwälzen. Dadurch würde die Abgrenzungsregelung des § 128 Abs. 3 Nr. 2 BauGB leerlaufen, die ihrerseits der grundgesetzlichen Kompetenzordnung geschuldet sei, wonach dem Bund eine Gesetzgebungskompetenz nur für den Bereich der Bodenordnung zustehe. Es könne nicht angenommen werden, dass eine bundesrechtliche Norm in dieser Weise blindlings abhängig von landesrechtlichen Ausfüllungsbestimmungen sein solle.
Bei diesen Ausführungen übersieht die Beschwerde, dass die von ihr aufgeworfene Frage in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich wäre. Denn nachdem das Berufungsgericht in dem angefochtenen Urteil dargelegt hat, dass ein Stadtstaat wie Bremen nicht verpflichtet sei, die Straßenkategorie “Landstraße” vorzusehen, führt es weiter aus, dass “jedenfalls” die streitgegenständliche Straße nicht in diese Kategorie einzustufen wäre, weil sie keinem überörtlichen Verkehr diene (UA S. 18 unten). Dies aber sei – nach der vom Berufungsgericht zuvor wiedergegebenen Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte, aber auch des Bundesverfassungsgerichts – das entscheidende Kriterium für die Einordnung in diese Straßenkategorie. Da die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, auf die es diese Einschätzung der Verkehrsbedeutung der streitgegenständlichen Straße stützt (UA S. 18 unten bis S. 19 Mitte), nicht mit einer erfolgreichen Revisionszulassungsrüge, namentlich nicht mit einer durchgreifenden Verfahrensrüge angegriffen worden sind (s.o. unter 1.), wäre das Bundesverwaltungsgericht in dem angestrebten Revisionsverfahren daran gebunden. Diese weitere (Hilfs-) Begründung trägt selbstständig die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Fahrbahn der streitgegenständlichen Straße gemäß § 128 Abs. 3 Nr. 2 BauGB in den beitragsfähigen Erschließungsaufwand einzubeziehen war.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 52 Abs. 3, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.
Unterschriften
Dr. Storost, Domgörgen, Buchberger
Fundstellen