Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Beschluss vom 20.03.2006; Aktenzeichen 1 A 4014/04) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 20. März 2006 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1 318,91 € festgesetzt.
Gründe
Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde ist unbegründet.
Eine grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angaben voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (stRspr, vgl. bereits Beschluss vom 2. Oktober 1961 – BVerwG 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 ff.). Daran gemessen scheidet die Zulassung der Revision aus.
Die Beschwerde macht sinngemäß geltend, § 2 Abs. 1 Satz 2 und § 3 Abs. 2 Satz 1 GVEntschVO i.d.F. der 4. Änderungsverordnung vom 14. Juni 2002 (GVBl S. 188) sowie der 6. Änderungsverordnung vom 9. Oktober 2003 (GVBl S. 605) verstießen gegen das sich aus Art. 20 Abs. 3 GG ergebende Rückwirkungsverbot. Sowohl die Absenkung des Prozentsatzes als auch des Höchstbetrages der Gebührenanteile hätte nicht rückwirkend zum 1. Januar 2001 erfolgen dürfen; es sei nachträglich in bereits abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Verwaltungsakte eingegriffen worden.
Die gerügten Vorschriften gehören zum Landesrecht. Dennoch unterliegen sie der revisionsgerichtlichen Kontrolle (§ 126 Abs. 1 BRRG), weil sie auf der Grundlage des § 49 Abs. 3 BBesG einen Teil der Alimentation des im Beamtenverhältnis stehenden Gerichtsvollziehers regeln (Urteil vom 19. August 2004 – BVerwG 2 C 41.03 – NVwZ-RR 2005, 214). Die nach Ansicht der Beschwerde rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftige Frage kann jedoch die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen. Sie lässt sich ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten. Denn Voraussetzung der Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung ist, dass die mit der Zulassungsfrage artikulierte Rechtsproblematik aus Gründen der Einheit des Rechts einschließlich gebotener Rechtsfortentwicklung eine Klärung gerade durch höchstrichterliche Entscheidung verlangt. Dies ist dann nicht der Fall, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation und auf dieser Grundlage ohne weiteres beantworten lässt (stRspr, vgl. z.B. Beschluss vom 11. Oktober 2000 – BVerwG 6 B 47.00 – Buchholz 448.6 § 5 KDVG Nr. 10 m.w.N.). So liegt es hier.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts verstößt ein Gesetz gegen das Rechtsstaatsgebot, wenn es rückwirkend und belastend in abgeschlossene, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift. Das grundsätzliche Verbot belastender Gesetze mit Rückwirkung beruht auf dem Gedanken des Vertrauensschutzes, der dem Rechtsstaatsprinzip innewohnt. Das für Gesetze geltende grundsätzliche Rückwirkungsverbot ist auch auf Rechtsverordnungen anzuwenden (BVerfG, Beschluss vom 8. Juni 1977 – 2 BvR 499/74 u.a. – BVerfGE 45, 142). Ausnahmen vom Rückwirkungsverbot können nur dann gelten, wenn das Vertrauen auf die Fortgeltung einer bestimmten rechtlichen Regelung nicht schutzwürdig ist (vgl. u.a. BVerfG, Urteil vom 23. November 1999 – 1 BvF 1/94 – BVerfGE 101, 239 und Beschluss vom 23. März 1971 – 2 BvL 2/66, 2 BvR 168, 196, 197, 210, 472/66 – BVerfGE 30, 367 ≪385 ff.≫; BVerwG, Urteil vom 3. Juli 2003 – BVerwG 2 C 36.02 – BVerwGE 118, 277 jeweils m.w.N.). Das ist dann nicht der Fall, wenn in dem Zeitpunkt, auf den der Eintritt der Rechtsfolge vom Gesetz zurückbezogen wird, mit einer solchen Regelung zu rechnen war (BVerfG, Beschluss vom 23. März 1971 a.a.O. S. 387).
Soweit es um die auf den Jahresbeginn rückwirkende Herabsetzung des Prozentsatzes geht, hätte der Kläger als Beamter schon nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 GVEntschVO bereits am Anfang eines jeden Rechnungsjahres erkennen können, dass es zu einer auf den 1. Januar des jeweils maßgeblichen und nicht allein des laufenden Jahres rückwirkenden Änderung des in § 2 Abs. 1 Satz 2 GVEntschVO festgesetzten Prozentsatzes der Gebührenanteile kommen würde, falls sich hierzu im Nachhinein die Notwendigkeit ergeben sollte. Sprachlich kommt dieses Normverständnis durch die Verwendung der Worte “des entsprechenden Jahres” zum Ausdruck. Hätte der Verordnungsgeber eine nachträgliche Anpassung der Bürokostenentschädigung nur für das laufende Rechnungsjahr zulassen wollen, in dem sich der nachträgliche Anpassungsbedarf herausstellt, hätte er dies etwa mit den Worten “dieses Jahres” statt mit dem Worten “des entsprechenden Jahres” zum Ausdruck gebracht. Zudem entspricht diesem Normverständnis nach der vom Kläger nicht gerügten und deshalb gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellung des Berufungsgerichts auch die langjährig unverändert gebliebene Praxis des Beklagten bei der Bürokostenentschädigung (S. 5, 22 UA). Davon abgesehen könnte nach der vom Kläger favorisierten Norminterpretation eine nachträgliche Anpassung der Entschädigung trotz ihrer Notwendigkeit nicht selten wegen Zeitablaufs nur in dem Jahr realisiert werden, in dem die tatsächlichen Grundlagen vorliegen, deren Kenntnis eine Anpassung erst ermöglicht. Die Ermittlung dieser Grundlagen, die nach der Rechtsprechung des Senats (u.a. Urteil vom 19. August 2004 a.a.O.) auf verschiedenen empirischen Erhebungen beruhen muss, lässt sich jedoch häufig in weniger als einem Jahr kaum bewerkstelligen.
Aus demselben Grunde kann sich der Kläger auch hinsichtlich der Absenkung des Höchstbetrages der Gebührenanteile nach § 3 Abs. 2 GVEntschVO, deren rückwirkende Zulässigkeit sich zwar nicht bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, wohl aber aus deren Normzusammenhang erschließt, nicht auf den Schutz seines Vertrauens in den Bestand der bereits erfolgten Abrechnungen berufen. In beiden Fällen musste der Kläger wegen der offensichtlichen Vorläufigkeit der im jeweiligen Geschäftsjahr ratenweise erfolgten Abrechnungen damit rechnen, dass eine später notwendig werdende endgültige Bewertung durch den Dienstherrn auch zu für ihn belastenden Festsetzungen führen konnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 52 Abs. 3 GKG.
Unterschriften
Albers, Prof. Dawin, Dr. Kugele
Fundstellen