Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 07.03.2008; Aktenzeichen 10 A 11018/07) |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. März 2008 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 30 873 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde des Beklagten ist unbegründet. Der geltend gemachte Revisionszulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor. Die Rechtssache hat nicht die ihr von der Beschwerde beigemessene grundsätzliche Bedeutung im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. bereits den Beschluss vom 2. Oktober 1961 – BVerwG 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 ≪91 f.≫).
Das Berufungsgericht hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, im Zeitpunkt der Versetzung des Klägers in den vorzeitigen Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit hätten die Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 Satz 1 BBG nicht vorgelegen. Die Dienstunfähigkeit eines Beamten ergebe sich aus medizinischen Gutachten; organisatorische Vorstellungen des Dienstherrn besäßen keine Bedeutung. Zwar seien bei der Beurteilung einer anderweitigen Verwendbarkeit des Klägers die Bedürfnisse des Dienstherrn und die Anforderungen des Dienstbetriebes, etwa die Effizienz der Betriebsabläufe und des Personaleinsatzes in den verschiedenen Unternehmensbereichen der Beigeladenen, zu berücksichtigen. Dies könne jedoch nicht dazu führen, den Kläger trotz vorhandener Dienstposten in den in § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 ELV angeführten Tätigkeitsbereichen und trotz seines für einen Einsatz auf diesen Dienstposten ausreichenden Restleistungsvermögens allein wegen solchermaßen übergeordneter betrieblicher Gründe als dienstunfähig einzustufen.
Mit der Beschwerde stellt die Beklagte drei vermeintlich rechtsgrundsätzlich zu klärende Fragen. Auf die Frage,
ob die Suche nach alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten innerhalb (§ 42 Abs. 1 BBG) oder außerhalb des Spektrums des abstrakt funktionellen Amtes (gemäß § 42 Abs. 3 BBG) von nicht gesundheitsbezogenen Faktoren beeinflusst werden dürfe, die – etwa in Gestalt von Leistungskriterien – den Kreis der verbleibenden Beschäftigungsmöglichkeiten einschränken,
müsste in einem Revisionsverfahren nicht beantwortet werden. Darauf käme es nicht an.
Die Rechtmäßigkeit der Zurruhesetzung eines Beamten wegen Dienstunfähigkeit ohne seinen Antrag beurteilt sich danach, ob die zuständige Behörde im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung – ggf. des Widerspruchsbescheides – nach den ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnissen annehmen durfte, dass der Betroffene dauernd dienstunfähig ist (Urteil vom 16. Oktober 1997 – BVerwG 2 C 7.97 – BVerwGE 105, 267 = Buchholz 232 § 42 BBG Nr. 22 m.w.N.). Maßstab zur Beurteilung der Dienstfähigkeit eines Beamten sind die Anforderungen des ihm zuletzt übertragenen abstrakt-funktionellen Amtes. Nicht entscheidend ist, ob der Beamte die Aufgaben bewältigen kann, die ihm das konkret-funktionelle Amt, d.h. der Dienstposten stellt (stRspr, vgl. u.a. Urteil vom 23. September 2004 – BVerwG 2 C 27.03 – BVerwGE 122, 53 = Buchholz 239.1 § 36 BeamtVG Nr. 2 m.w.N.). Deshalb kommt es auch nicht auf den Hinweis der Beigeladenen in ihrer Stellungnahme vom 14. Juli 2008 auf die unterschiedlichen Zuschnitte der konkreten Funktionsämter an. Die Dienstfähigkeit eines Beamten kann nur nach dessen gesundheitlicher Eignung für die entsprechenden abstrakten Funktionsämter bestimmt werden.
Der Umstand, dass der Kläger in einem Unternehmen einer privatrechtlich organisierten Eisenbahn eingesetzt ist, ändert an dieser rechtlichen Beurteilung nichts. Dies ergibt sich aus Art. 143a Abs. 1 Satz 3 GG. Danach können Beamte der Bundeseisenbahnen nur unter Wahrung ihrer Rechtsstellung einer privatrechtlich organisierten Eisenbahn zugewiesen werden. Zur Rechtsstellung eines Beamten im Sinne dieser Verfassungsbestimmung gehört, dass seine Dienstfähigkeit oder Dienstunfähigkeit nach den Vorschriften beurteilt wird, die auch sonst für Beamte im Bundesdienst gelten (vgl. auch das Senatsurteil zu § 143b Abs. 3 Satz 1 GG vom 22. Juni 2006 – BVerwG 2 C 26.05 – BVerwGE 126, 182 = Buchholz 11 Art. 143b GG Nr. 3). Daraus folgt, dass die Beurteilung der Dienstunfähigkeit im Sinne des § 42 Abs. 1 BBG nicht von der organisatorischen Dispositionsbefugnis des Dienstherrn abhängt, sondern ausschließlich auf der medizinischen Beurteilung beruht, ob der Beamte für das ihm zuletzt übertragene abstrakt-funktionelle Amt gesundheitlich noch geeignet ist.
Soweit die Frage auf die nach § 42 Abs. 3 BBG der vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit vorgehende anderweitige Verwendung des Beamten abzielt, käme es in einem Revisionsverfahren nicht darauf an, ob in diesem Rahmen auch nicht gesundheitsbezogene Faktoren eine Rolle spielen. Denn nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und deshalb das Revisionsgericht bindenden (§ 137 Abs. 2 VwGO) tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts (Urteilsabdruck S. 18) standen im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. dazu Urteil vom 16. Oktober 1997 a.a.O.) für den Kläger geeignete Dienstposten zur Verfügung.
Das Gleiche gilt für die Fragen,
– ob der Dienstherr Fortbildungs- und Umschulungsmöglichkeiten einem unterzubringenden Beamten im Einzelfall nach eigenem Ermessen versagen dürfe, weil er diese Instrumente entsprechend seinen unternehmerischen Zielen jüngeren Mitarbeitern vorbehalten will, die noch eine längere Dienstzeit im Unternehmen vor sich haben, und
– inwieweit die verfassungsrechtliche Entscheidung für die private Rechtsform bundeseigener Eisenbahnen (§ 87e Abs. 3 GG) auf Ermessensentscheidungen der DB AG modifizierend einwirke, insbesondere im Bereich der Vorhaltung alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten zur Abwendung einer Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit.
Steht nämlich – wie hier – fest, dass für den Beamten im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt geeignete Dienstposten zur Verfügung standen, stellen sich diese Fragen nur theoretisch, jedoch ohne Bezug zum konkreten Rechtsstreit. Über die Revision des Klägers könnte lediglich auf der Grundlage der Feststellung des Berufungsgerichts entschieden werden, dass für den Kläger geeignete Dienstposten zur Verfügung gestanden haben.
Zur Zulassung der Revision kann schließlich auch nicht der Hinweis der Beschwerde führen, in einer vermeintlich gleichgelagerten Rechtssache habe das Ausgangsgericht die Revision zugelassen, über die das Revisionsgericht zu entscheiden habe. Unterstellt, es handele sich bei der in Bezug genommenen Revisionssache um eine rechtlich gleichgelagerte Fragestellung, so wäre dies kein Zulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Das bestätigt sich – davon abgesehen – im vorliegenden Beschwerdeverfahren auch dadurch, dass es auf die mit der Beschwerde aufgeworfenen und vermeintlich mit dem Bezugsverfahren gleichgelagerten Rechtsfragen in einem Revisionsverfahren in der vorliegenden Rechtssache gar nicht ankäme.
Der Schriftsatz der Beigeladenen vom 14. Juli 2008 ist nicht als Beschwerdeantrag zu verstehen. Sollte ihn die Beigeladene allerdings als Beschwerdeantrag und Beschwerdebegründung verstanden haben, wäre beides verspätet beim Bundesverwaltungsgericht eingegangen (§ 133 Abs. 2 und 3 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertentscheidung ergibt sich aus § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 GKG.
Unterschriften
Herbert, Prof. Dr. Kugele, Thomsen
Fundstellen