Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 16.06.2014; Aktenzeichen 11 BV 13.1080) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Juni 2014 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Der Rechtssache kommt nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu; ebenso wenig liegen die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) vor.
Der Kläger wendet sich gegen die Aufforderung durch die Fahrerlaubnisbehörde, seinen in der Tschechischen Republik erworbenen Führerschein zur Eintragung des Fehlens der Fahrberechtigung in Deutschland vorzulegen. Ihm wurde im Juli 2006 durch Strafbefehl seine deutsche Fahrerlaubnis wegen des Führens eines Kraftfahrzeuges unter Cannabiseinfluss entzogen; die Sperrfrist für die Neuerteilung endete im März 2007. Im Juni 2007 erwarb er eine tschechische Fahrerlaubnis der Klasse B; als Wohnsitz ist im Führerschein ein Ort in Tschechien eingetragen. Das Gemeinsame Zentrum der deutsch-tschechischen Polizei- und Zollzusammenarbeit teilte der Fahrerlaubnisbehörde mit, dass es nach den Ermittlungen der tschechischen Polizei weder in der tschechischen Einwohnermeldedatei noch in der Ausländerdatei einen Eintrag zum Kläger gebe. In der tschechischen Führerscheinakte des Klägers ist in nahezu allen Dokumenten ein Wohnsitz in Deutschland eingetragen. Der Kläger wurde mit strafgerichtlichem Urteil vom 16. Juli 2010 rechtskräftig wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt. Nach dem Urteil des Landgerichts hatte der Kläger im Strafverfahren angegeben, er habe sich zum Erwerb einer Fahrerlaubnis unter Vermeidung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung nur vier Wochen in der Tschechischen Republik aufgehalten (UA S. 21). Die Fahrerlaubnisbehörde forderte den Kläger daraufhin mit Bescheid vom 23. November 2011 auf, den tschechischen Führerschein bei ihr zur Eintragung eines Sperrvermerks für Deutschland vorzulegen. Diesen Bescheid hat das Verwaltungsgericht aufgehoben; der Kläger habe zum Zeitpunkt der Fahrerlaubniserteilung zwar seinen ordentlichen Wohnsitz nicht in der Tschechischen Republik gehabt, sich dort aber als Studierender aufgehalten. Das Berufungsgericht hat dieses Urteil geändert und die Klage abgewiesen; der Kläger habe zum maßgeblichen Zeitpunkt weder einen ordentlichen Wohnsitz in Tschechien gehabt noch sich dort als Studierender oder Schüler mindestens sechs Monate aufgehalten (§ 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 2. Alt. i.V.m. § 7 Abs. 2 FeV). Obwohl die Eintragung im tschechischen Führerschein des Klägers einen Wohnort in der Tschechischen Republik ausweise, stehe aufgrund unbestreitbarer Auskünfte des Ausstellermitgliedstaates fest, dass das Wohnsitzerfordernis nicht erfüllt gewesen sei. Der Kläger habe gegenüber diesen Erkenntnissen einen Wohnsitz in der Tschechischen Republik nicht ansatzweise belegt. Er könne sein Klageziel auch nicht durch einen Wechsel des Berechtigungsgrundes für den Erwerb einer Fahrerlaubnis in der Tschechischen Republik erreichen (Studium statt ordentlicher Wohnsitz). Aufgrund des nachträglichen Austauschs des Berechtigungsgrundes müsse der Kläger den Nachweis für das Bestehen des anderen, vom Ausstellermitgliedstaat nicht geprüften und im Führerschein nicht dokumentierten Berechtigungsgrundes erbringen. Daran fehle es sowohl hinsichtlich der Teilnahme am Studienbetrieb als auch hinsichtlich eines Aufenthalts von sechs Monaten im Ausstellermitgliedstaat. Sowohl die vom Ausbildungsträger erteilten Bescheinigungen als auch die Angaben des Klägers hierzu seien widersprüchlich.
1. Der Kläger hält die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig,
„ob im Fahrerlaubnisrecht hinsichtlich der Anerkennung von in den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheinen unter Berücksichtigung der Regelung des Art. 2 Nr. 1 der 3. Führerscheinrichtlinie 2006/126/EG die allgemeinen Beweisregeln angewendet werden können und zwar dahingehend, dass derjenige Führerscheininhaber, der die Einhaltung der Wohnsitzvoraussetzung für sich beansprucht, den für ihn günstigen Sachverhalt vollumfänglich beweisen muss und hierzu substanziiert vorzutragen hat.”
Diese vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof erstmals eingeführte Beweislastregelung betreffe eine Vielzahl von Führerscheininhabern mit einem ausländischen Führerschein; es bedürfe deshalb höchstrichterlicher Klärung, wann genau unter welchen Umständen der Nachweis, dass der Ausstellermitgliedstaat die Fahrerlaubnis habe erteilen dürfen, den allgemeinen Beweislastregeln unterliege.
Die vom Kläger angeführte Frage würde sich in einem Revisionsverfahren in dieser umfassenden Form aber nicht stellen. Das Berufungsgericht hat eine solche (materielle) Darlegungslast des Fahrerlaubnisinhabers nicht allgemein, sondern nur für den Fall angenommen, dass mittels unbestreitbarer Informationen des Ausstellermitgliedstaats festgestellt werde, dass der im ausländischen EU-Führerschein eingetragene Wohnsitz im Ausstellermitgliedstaat unrichtig sei, der Führerscheininhaber aber geltend mache, er habe tatsächlich einen anderen, im EU-Führerschein nicht eingetragenen Wohnsitz im Sinne von Art. 9 der Richtlinie 91/439/EWG und Art. 12 der Richtlinie 2006/126/EG im Ausstellermitgliedstaat innegehabt und daher das Wohnsitzerfordernis erfüllt (UA Rn. 43).
Für diesen hier allein entscheidungserheblichen Anwendungsfall ergibt sich bereits aus der bisherigen Rechtsprechung des Senats, dass es dem Fahrerlaubnisinhaber obliegt, substanziierte Darlegungen zur Erfüllung des Wohnsitzerfordernisses zu machen. Danach hat der Fahrerlaubnisinhaber, wenn er trotz einer das Gegenteil ausweisenden Aufenthaltsbescheinigung des Ausstellermitgliedstaats darauf beharrt, das Wohnsitzerfordernis eingehalten zu haben, substanziierte und verifizierbare Angaben zu Beginn und Ende seines Aufenthalts im Austellermitgliedstaat sowie zu den persönlichen und beruflichen Bindungen zu machen, die im maßgeblichen Zeitraum zu dem im Führerschein angegebenen Wohnort bestanden (BVerwG, Urteil vom 30. Mai 2013 – 3 C 18.12 – BVerwGE 146, 377 Rn. 30). Es liegt auf der Hand, dass dieselbe Obliegenheit den Fahrerlaubnisinhaber auch dann trifft, wenn die Annahme, das unionsrechtliche Wohnsitzerfordernis sei bei der Fahrerlaubniserteilung erfüllt gewesen, nicht – wie in jenem Fall – durch eine für den Betroffenen negative Aufenthaltsbescheinigung der Meldebehörde widerlegt wird, sondern – wie hier – sonstige aus dem Ausstellermitgliedstaat herrührende und nach Würdigung des Tatsachengerichts (vgl. dazu a.a.O. Rn. 26) unbestreitbare Informationen vorliegen, aus denen sich ergibt, dass die im Führerschein eingetragene Angabe zum Wohnsitz unzutreffend ist.
2. Außerdem muss nach Auffassung des Klägers die Annahme des Berufungsgerichts überprüft werden,
dass die Eintragung eines Wohnsitzes des Ausstellermitgliedstaates die Berechtigungsalternative Wohnsitz und Studium ausschließe, soweit der Aufenthalt des Fahrerlaubnisinhabers im Ausstellermitgliedstaat ausschließlich den Besuch einer Hochschule oder Schule beinhalte.
Es sei von allgemeiner Bedeutung, in welcher Weise ein Führerscheininhaber, der sich auf die mit einem Studium oder Schulbesuch im Ausstellermitgliedstaat verbundene Ausnahme vom Erfordernis eines ordentlichen Wohnsitzes berufe, im Falle des Nachweises der Durchführung eines Studiums oder Schulbesuches im Ausstellermitgliedstaat den allgemeinen Beweisregeln unterliege.
Das rechtfertigt die begehrte Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO aber deshalb nicht, weil der Kläger damit an der mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellung des Berufungsgerichts vorbeigeht, er habe durch die von ihm beigebrachten Unterlagen nicht nachgewiesen, zum maßgeblichen Zeitpunkt sechs Monate in der Tschechischen Republik studiert zu haben (UA Rn. 67 ff.); davon wäre deshalb auch im Revisionsverfahren auszugehen gewesen.
3. Ferner wird mit der Beschwerde geltend gemacht, es sei von allgemeiner Bedeutung und, um Rechtssicherheit für eine Vielzahl von Fahrerlaubnisinhabern herzustellen, zu klären,
„welche Beweisregeln und welche Beweislastregelung in Frage kommt, wenn die besuchte Schule oder Hochschule und wie hier vorliegend auch die Führerscheinbehörde bestätigt, dass ein 12-monatiges Studium mit einer über 90%igen Anwesenheit absolviert worden ist.”
Mit dieser allgemeinen Fragestellung wird eine konkrete, entscheidungserhebliche Rechtsfrage nicht herausgearbeitet. Sie knüpft unmittelbar an die konkreten Umstände des hier entschiedenen Einzelfalles an und zeigt damit die für eine Revisionszulassung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erforderliche fallübergreifende Bedeutung der aufgeworfenen Frage nicht auf.
Entsprechend ist die anschließend aufgeführte Frage,
ob der Führerscheininhaber einen Wohnort im Ausstellermitgliedstaat und seinen genauen Aufenthalt nachweisen müsse und für den Fall, dass er die notwendigen Beweise nicht beibringe, die Privilegierung vom Wohnsitzprinzip nicht akzeptiert bzw. ausgeschlossen werde,
nicht hinreichend konturiert; sie wurde in der Beschwerde nicht auf den entscheidungserheblichen und damit in dem erstrebten Revisionsverfahren klärungsbedürftigen und klärungsfähigen Inhalt zurückgeführt.
An diesen Darlegungserfordernissen für die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geht es auch vorbei, wenn der Kläger in seinem – zumal erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist eingegangenen – Schriftsatz vom 11. November 2014 Ausführungen dazu macht, weshalb die Bewertung der Studienbescheinigungen durch das Berufungsgericht aus seiner Sicht unzutreffend sei. Soweit dort – was aus dem Vorbringen nicht ganz deutlich wird – weitere Rechtsfragen von aus Sicht des Klägers grundsätzlicher Bedeutung in das Beschwerdeverfahren eingeführt werden sollen und ein – vermeintlicher – Verstoß gegen die Denkgesetze gerügt werden soll, steht dem der Ablauf der Begründungsfrist entgegen (§ 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO).
4. Schließlich macht der Kläger geltend, es lägen divergierende Rechtsmeinungen vor, ob eine vom Ausstellermitgliedstaat herrührende unbestreitbare Information anzunehmen sei, wenn die dortige Führerscheinbehörde die Bestätigung einer Bildungseinrichtung zu einem Studium oder Schulbesuch des Betroffenen nicht überprüft habe. Er verweist darauf, dass das Verwaltungsgericht die Äußerung des Stadtamts L., die Voraussetzungen für die Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis an den Kläger seien erfüllt gewesen, für eine solche unbestreitbare Information gehalten habe, obwohl das Stadtamt die Studienbescheinigung des Trägers der Bildungseinrichtung nicht überprüft habe; das Berufungsgericht habe die gegenteilige Auffassung vertreten.
Sollte der Kläger damit eine Revisionszulassung wegen Divergenz erreichen wollen, scheitert das schon daran, dass das Verwaltungsgericht nicht zu den in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufgeführten Gerichten gehört.
Soweit der Kläger unter Verweis auf diese unterschiedlichen Bewertungen der Stellungnahme des Stadtamtes L. durch die Vorinstanzen Klärungsbedarf hinsichtlich der Frage sieht,
„ob eine Beweislast des Führerscheininhabers hinsichtlich der Einhaltung des Wohnsitzprinzips bzw. des Aufenthalts im Ausstellerstaat besteht, auch wenn die Führerscheinbehörde im Ausstellermitgliedstaat bestätigt, dass die Voraussetzungen für eine Fahrerlaubniserteilung als erfüllt anzusehen waren”,
führt das ebenso wenig auf eine Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Zum einen hängen das Bestehen und der Umfang einer solchen (materiellen) Darlegungslast des Fahrerlaubnisinhabers von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab. Zum anderen lässt die Beschwerde jegliche Auseinandersetzung mit dem Urteil vom 30. Mai 2013 vermissen, in dem sich der Senat mit den Darlegungsobliegenheiten des Fahrerlaubnisinhabers im Falle entgegenstehender aus dem Ausstellermitgliedstaat herrührender Informationen bereits befasst hat; damit fehlt es an der gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gebotenen Konkretisierung eines weitergehenden revisionsgerichtlichen Klärungsbedarfs.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG.
Unterschriften
Kley, Liebler, Rothfuß
Fundstellen