Verfahrensgang
Hessischer VGH (Aktenzeichen 5 UE 2660/98) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 18. August 1999 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 746,62 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Nach § 132 Abs. 2 VwGO kann die Revision nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Berufungsurteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem das Berufungsurteil beruhen kann. Wird wie hier die Nichtzulassung der Revision mit der Beschwerde angefochten, muß in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Berufungsurteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden. Die Prüfung des Senats ist demgemäß auf fristgerecht geltend gemachte Beschwerdegründe beschränkt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
Die Klägerin beruft sich allein auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Eine Rechtssache hat eine solche Bedeutung nur dann, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche und revisibles Recht betreffende, bisher noch nicht geklärte Frage aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt, daß die grundsätzliche Bedeutung dargelegt wird. Dies erfordert die Bezeichnung einer für die Revisionsentscheidung erheblichen Frage des revisiblen Rechts und einen Hinweis auf den Grund, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll.
Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid über Fleischuntersuchungsgebühren; ihr Widerspruch war als verfristet zurückgewiesen worden. In diesem Zusammenhang hält die Klägerin folgende Fragen für klärungsbedürftig:
- Ist ein Gebührenbescheid, der ohne Rechtsgrundlage und in bewußter Kenntnis des Verstoßes gegen Gemeinschaftsrecht und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes erlassen worden ist, als nichtig zu qualifizieren? Gilt dies insbesondere auch dann, wenn von Bundesländern über längere Zeiträume (mehr als 12 Monate) hinweg derartige Bescheide unter Mißachtung des Gemeinschaftsrechts erlassen worden sind?
- Kann ein unter den genannten Umständen erlassener Gebührenbescheid über das deutsche Rechtsinstitut der Bestandskraft von Verwaltungsakten den Anwendungsvorrang des europäischen Gemeinschaftsrechts ausschließen, oder durchbricht der Grundsatz des Anwendungsvorrangs die Bestandskraft?
- Wird die Frist zur Einlegung eines Rechtsbehelfs oder zur Erhebung einer Klage gegen einen Gebührenbescheid, mit dem Gebühren erhoben werden, die nicht den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben entsprechen, durch die sogenannte Emmott'sche Fristenhemmung gehemmt, wenn der Gemeinschaftsrechtsakt bei Erlaß des Gebührenbescheides noch nicht in das nationale Recht der Bundesrepublik Deutschland transformiert worden ist und die Umsetzungsfrist abgelaufen ist?
Keine dieser drei Fragen rechtfertigt die Zulassung der Revision.
Die erste Frage geht von einer Voraussetzung aus, die das Berufungsgericht so nicht festgestellt hat und für die auch sonst kein Anhaltspunkt vorliegt. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, der angefochtene Bescheid sei „in bewußter Kenntnis des Verstoßes gegen Gemeinschaftsrecht und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes” erlassen worden. Es hat vielmehr ausgeführt, daß ein Fall der Nichtigkeit des angefochtenen Gebührenbescheides gemäß § 44 Abs. 2 des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (HVwVfG) offensichtlich nicht vorliegt und daß auch der Nichtigkeitsgrund eines besonders schwerwiegenden und offenkundigen Fehlers im Sinne des § 44 Abs. 1 HVwVfG nicht gegeben ist. Die Klägerin macht nicht ersichtlich, wieso diese Beurteilung rechtsfehlerhaft sein könnte. Ein schwerer und offenkundiger Fehler liegt nicht bereits dann vor, wenn der Bescheid Gemeinschaftsrecht verletzt, wovon das Berufungsgericht hier ohne weiteres ausgegangen ist. Die mangelnde Übereinstimmung eines Bescheides mit der anzuwendenden Rechtsgrundlage zieht regelmäßig seine Rechtswidrigkeit, nicht aber seine Nichtigkeit nach sich. Es geht im vorliegenden Verfahren lediglich darum, ob das beklagte Land eine Gebühr erheben durfte, die über der Pauschalgebühr der hier noch anwendbaren Ratsentscheidung 88/408/EWG lag. Diese Ratsentscheidung enthält in Art. 2 Abs. 2 selbst Abweichungsbefugnisse, deren Inhalt und Ausmaß im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheides noch weitgehend ungeklärt waren. Der Ratsentscheidung läßt sich also nicht mit einer jeden Zweifel ausschließenden Klarheit die korrekte Höhe der zu erhebenden Gebühren entnehmen. Unter diesen Umständen kann keine Rede davon sein, daß der Bescheid in einem solchen Maße fehlerhaft war, daß dies seine Nichtigkeit zur Folge haben mußte. Es gibt auch keinen Rechtssatz, daß ein Fehler dann besonders schwer und offensichtlich ist, wenn er auf einer Nichtbeachtung der Rechtsgrundlage und einer hierzu ergangenen Gerichtsentscheidung beruht, wie dies die Klägerin mit Blick auf die kurz zuvor ergangene Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 10. November 1992 in der Sache Rs C-156/91 geltend macht. Das genannte Urteil besagt lediglich, daß der einzelne sich der Erhebung von höheren als den in der Ratsentscheidung 88/408/EWG genannten Pauschalgebühren widersetzen kann, wenn die in Art. 2 Abs. 2 genannten Voraussetzungen für eine abweichende Festsetzung nicht erfüllt sind.
Liegen die von der Klägerin angenommenen Voraussetzungen für ihre Fragestellung nicht vor, so stellt sich auch die unter b) formulierte Frage nicht, die von denselben Voraussetzungen ausgeht.
Zur Anwendbarkeit der sogenannten Emmott'schen Fristenhemmung hat sich der beschließende Senat bereits geäußert (Beschluß vom 4. Oktober 1999 – BVerwG 1 B 55.99 – NVwZ 2000, 193). Das Vorbringen der Klägerin zeigt keine neuen Gesichtspunkte auf, die zu einer weiteren Klärung in einem Revisionsverfahren Anlaß geben könnten. Die Klägerin hat nichts dafür vorgetragen, daß sie aufgrund der nicht rechtzeitigen Umsetzung des Gemeinschaftsrechts in Landesrecht außerstande gewesen sei, ihre Rechte gegenüber dem Beklagten auszuüben. Sie hatte in ihrem vier Tage nach der am 14. Januar 1993 abgelaufenen Widerspruchsfrist eingegangenen Widerspruchsschreiben geltend gemacht, die Gebühren lägen über der Höhe der von der Gemeinschaft festgelegten Pauschalgebühren. Es ist nicht ersichtlich, daß die von ihr gerügte verspätete Umsetzung des Gemeinschaftsrechts in innerstaatliches Recht sie daran gehindert hat, diesen Gesichtspunkt bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist geltend zu machen. Daß sie sich unter diesen Umständen nicht auf die Grundsätze der sogenannten Emmott'schen Fristenhemmung berufen kann, hat das Berufungsgericht unter eingehender Auswertung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften dargelegt. Die Klägerin hat sich demgegenüber erneut auf eine Entscheidung des Gerichtshofs (vom 2. Februar 1988 – Rs 309/85 –) berufen, die zeitlich der „Emmott”-Entscheidung vorausgeht und deren Bedeutung durch die vom Berufungsgericht im einzelnen dargestellten späteren Entscheidungen des Gerichtshofs klargestellt worden ist. Soweit die Beschwerde gegenüber dem Senatsbeschluß vom 4. Oktober 1999 (a.a.O.) meint, anders als in jenem Fall sei vorliegend im Zeitpunkt der Gebührenerhebung die Entscheidung des Rates 88/408/EWG bundesrechtlich noch nicht zum Maßstab der Gebührenhöhe gemacht worden, übersieht sie, daß bereits aufgrund des § 24 Abs. 2 FlHG in der Fassung vom 24. Februar 1987 (BGBl I S. 649) die erwähnte Richtlinie von dem in ihrem Art. 11 bezeichneten Zeitpunkt an auch innerstaatlich für das Landesrecht zum Maßstab geworden ist (BVerwGE 102, 39 ≪40 f.≫).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes ergibt sich aus § 13 Abs. 2 GKG, wobei der Senat entsprechend der Beschwerdebegründung davon ausgeht, daß der noch im Berufungsverfahren geltend gemachte Schadenersatzanspruch nicht mehr verfolgt wird, sondern nur noch der Gebührenbescheid des Beklagten vom 11. Dezember 1992 und nur der darin über den gemeinschaftsrechtlichen Pauschalbetrag hinausgehende Betrag von 4 746,62 DM im Streit ist.
Unterschriften
Meyer, Hahn, Groepper
Fundstellen