Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Aktenzeichen 23 B 99.32861) |
Tenor
Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 5. Oktober 2000 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil die Beschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 VwGO, § 114 ZPO).
Die auf eine Divergenz und Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 2, 3 VwGO) gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Die Beschwerde macht geltend, das Urteil des Berufungsgerichts weiche von dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10. August 2000 – 2 BvR 260 und 1353/98 – ab, da es im Widerspruch zu den dort vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätzen für die Annahme einer staatsähnlichen Herrschaftsgewalt das Schutzbegehren der Klägerin allein deshalb abgelehnt habe, weil im sogenannten Nordirak keine staatliche oder staatsähnliche Friedensordnung existiere. Damit vermag die Beschwerde nicht aufzuzeigen, dass das Berufungsgericht seine Entscheidung auf bestimmte abstrakte Rechtssätze gestützt hat, die von Rechtssätzen des Bundesverfassungsgerichts zur Annahme der Quasistaatlichkeit einer verfolgungsmächtigen Herrschaftsgewalt in dem genannten Beschluss abweichen; abgesehen davon, dass der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 16 a GG ergangen ist, ist dies auch in der Sache nicht erkennbar. Das Berufungsgericht hat den den Nordirak dominierenden Kurdenorganisationen KDP und PUK einen staatsähnlichen Charakter abgesprochen, weil sie keine Gebietsgewalt ausübten, die auf einer organisierten, effektiven und stabilisierten territorialen Herrschaftsmacht beruhten. Von einer effektiven und dauerhaften Herrschaftsgewalt der beiden Machtgebilde könne keine Rede sein (UA S. 14 f.). Damit setzt sich das Berufungsgericht nicht in einen rechtsmaßstäblichen Widerspruch zum Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10. August 2000. In ihm hat das Bundesverfassungsgericht bestätigt, dass politische Verfolgung grundsätzlich staatliche Verfolgung ist, die auch von einer staatsähnlichen Organisation ausgehen kann. Die auch vom Bundesverfassungsgericht für die staatsähnliche Organisation geforderte „übergreifende Friedensordnung” wird vom Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der vom Bundesverfassungsgericht insoweit nicht beanstandeten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts durch die Kriterien einer organisierten, effektiven und stabilisierten territorialen Herrschaftsmacht zutreffend umschrieben (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2000 – BVerwG 9 C 20.00 – zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE bestimmt). Soweit das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang unter anderem darauf abstellt, dass die autonomen kurdischen Provinzen unter ständigen Auseinandersetzungen nicht nur zwischen KDP und PUK, sondern auch unter Streitigkeiten zwischen kleineren Gruppierungen mit spezifisch ideologischem, religiösem oder ethnischem Hintergrund litten, weicht es auch damit nicht von dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ab. Dieses hat dort zwar beanstandet, dass das Bundesverwaltungsgericht in der mit der Verfassungsbeschwerde angefochtenen Entscheidung einer nach außen dauerhaft stabilisierten Herrschaftsmacht ein Gewicht beigemessen habe, das ihm verfassungsrechtlich nicht zukomme, zugleich aber betont, dass auch die äußere Bedrohung je nach ihrer Stärke ein erhebliches indizielles Gewicht für die Annahme eines staatsähnlichen Herrschaftsgefüges besitze. Dem Urteil des Berufungsgerichts kann nicht entnommen werden, dass es den von ihm festgestellten andauernden Auseinandersetzungen der verschiedenen Gruppierungen im Nordirak ein darüber hinausgehendes Gewicht oder gar ausschließliche Bedeutung für die Verneinung der Quasistaatlichkeit von KDP und PUK beigemessen hätte. Die Rüge der Beschwerde, das Berufungsgericht habe eine genaue Überprüfung, ob im Nordirak nicht zumindest in einem Kernterritorium ein gewisses Herrschaftsgefüge von gewisser Stabilität im Sinne einer übergreifenden Friedensordnung bestehe, nicht vorgenommen, sondern sei pauschal von der Prämisse ausgegangen, dass es im Nordirak keinen Träger überlegener, hoheitlicher Macht gebe, zeigt, dass sie dem Berufungsgericht in Wahrheit nicht die Anwendung eines von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts abweichenden Rechtssatzes, sondern eine nicht hinreichend differenzierte Auseinandersetzung mit den tatsächlichen Machtverhältnissen im Nordirak vorhält. Die Zulassung der Revision wegen Divergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO kann damit nicht erreicht werden.
Ohne Erfolg beanstandet die Beschwerde auch einen Verstoß gegen die gerichtliche Sachaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO). Sie bemängelt, das Berufungsgericht habe in keiner Weise Überlegungen dazu angestellt, was passiere, wenn die Türkei die Erteilung des Sichtvermerks für die Klägerin verweigere, den sie zur Einreise in den Nordirak über die Türkei benötige. Das Gericht hätte die Einreisemöglichkeit auch tatsächlich feststellen müssen. Stattdessen habe es darauf hingewiesen, dass die Türkei in Einzelfällen die Erteilung eines Sichtvermerks auch bereits verweigert habe.
Der gerügte Verfahrensmangel ist damit schon nicht hinreichend dargetan. Die Beschwerde zeigt nicht auf, welche konkreten Beweismittel das Berufungsgericht zu dieser Frage hätte ergreifen müssen. Es spricht im Übrigen auch nichts dafür, dass sich dem Berufungsgericht zur Frage der Erreichbarkeit des Nordirak als inländische Fluchtalternative bestimmte weitere Aufklärungsmaßnahmen hätten aufdrängen müssen, obwohl die anwaltlich vertretene Klägerin keine entsprechenden Beweisanträge gestellt hat. Stellt sich in einem Asylverfahren die Frage, ob eine inländische Fluchtalternative für den Asylbewerber dauerhaft nicht erreichbar ist, kann sie das Tatsachengericht regelmäßig nur in Form einer Prognose beantworten. Dies gilt auch für die Frage, ob der Asylbewerber die erforderlichen Reisepapiere erhält (vgl. dazu Urteil des Senats vom 16. Januar 2001 – BVerwG 9 C 16.00 – zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE bestimmt). Erweist sich die Prognose im Nachhinein als fehlerhaft, besteht für den Asylbewerber die Möglichkeit, einen Asylfolgeantrag (§ 71 AsylVfG) zu stellen, sofern sein Asylbegehren oder sein Antrag auf Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG deswegen abgelehnt worden ist.
Schließlich ist auch die von der Beschwerde erhobene Gehörsrüge (Art. 103 Abs. 1 GG) nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dargetan. Die Beschwerde bemängelt, das Berufungsgericht sei in dem angegriffenen Urteil nicht auf das Vorbringen der Klägerin eingegangen, wonach sie vermute, dass die nachts in das von ihr bewohnte Haus geworfenen Zettel von Mitgliedern der DPK stammen könnten. Die Beschwerde zeigt nicht auf, inwiefern sich aus dem unsubstantiierten Vortrag zu diesen Vorgängen eine der Klägerin günstigere Entscheidung auch nur im Hinblick auf § 53 Abs. 6 AuslG hätte ergeben können; dies erschließt sich auch nicht aus dem Hinweis darauf, dass dieses Haus in Sulaimania und damit im Kernbereich der PUK gelegen sei. Unabhängig hiervon ist das Berufungsgericht im Tatbestand und in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils auf diesen Vortrag der Klägerin eingegangen (UA S. 2 f. und S. 7). Einer näheren Auseinandersetzung damit bedurfte es nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 Abs. 2 AsylVfG.
Unterschriften
Hund, Beck, Dr. Eichenberger
Fundstellen