Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Beschluss vom 11.12.2002; Aktenzeichen 4 S 2374/02) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 11. Dezember 2002 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 6 400 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Die Voraussetzungen für die mit ihr begehrte Zulassung der Revision wegen Divergenz, § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, oder wegen eines Verfahrensmangels, § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, sind nicht gegeben.
Der angefochtene Beschluss leidet an keinem Verfahrensmangel. Der Verwaltungsgerichtshof hat die vom Kläger ohne Zulassung eingelegte Berufung zu Recht als unzulässig verworfen. Er hat zutreffend angenommen, dass unter den hier gegebenen Umständen das unzulässige Rechtsmittel nicht als rechtzeitig gestellter Antrag auf Zulassung der Berufung nach § 124a VwGO angesehen werden kann. Das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 20. August 2002 ergangene erstinstanzliche Urteil wurde den bevollmächtigten Rechtsanwälten des Klägers am 13. September 2002 zugestellt. Aus der dem schriftlichen Urteil beigefügten ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung ergab sich eindeutig, dass als Rechtsbehelf nur der Antrag auf Zulassung der Berufung gegeben und die Berufung ohne Zulassung durch das Oberverwaltungsgericht nicht statthaft war. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers haben mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2002 ausdrücklich Berufung eingelegt. Der Schriftsatz trägt die Überschrift “Berufungsschrift”, der Kläger wird als “Berufungskläger” bezeichnet und die dem Gericht unterbreitete Prozesserklärung lautet dahin, es werde “gegen das am 20.08.2002 verkündete und am 11.09.2002 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart Berufung eingelegt”. Anders als in der Rechtsmittelschrift in dem Verfahren, das dem von der Beschwerde zitierten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Dezember 1998 – BVerwG 1 B 110.98 – (Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 6 = NVwZ 1999, 405) zugrunde lag, fehlt es an jeglichem Anhalt für eine etwa bestehende Absicht der Prozessbevollmächtigten des Klägers, entgegen ihrer Rechtsmittelerklärung nicht Berufung einzulegen, sondern die Zulassung der Berufung zu beantragen.
Die unzulässige Berufung eines anwaltlich vertretenen Rechtsmittelführers kann nicht als (fristwahrender) Antrag auf Zulassung der Berufung angesehen werden. Die Berufung umfasst nicht zugleich auch den Antrag auf Zulassung dieses Rechtsmittels. Die beiden Rechtsbehelfe betreffen unterschiedliche Gegenstände. Der Antrag auf Zulassung der Berufung begehrt ausschließlich die Zulassung dieses Rechtsmittels durch das Berufungsgericht. Die Berufung richtet sich gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts in der Sache. Beide Rechtsbehelfe sind nicht austauschbar. Der Erfolg ist von unterschiedlichen Voraussetzungen abhängig. Sie haben unterschiedliche Ziele und stehen in einem Stufenverhältnis selbständig nebeneinander. Erst ein erfolgreicher Antrag auf Zulassung der Berufung eröffnet die prozessrechtliche Möglichkeit, dieses Rechtsmittel als nunmehr statthaft einzulegen.
Die von einem Rechtsanwalt gegen die Sachentscheidung des Verwaltungsgerichts ohne Zulassung eingelegte Berufung kann nicht in einen Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels umgedeutet werden. Der Anwaltszwang (§ 67 VwGO) setzt der Zulässigkeit einer Umdeutung enge Grenzen (Beschluss vom 12. März 1998 – BVerwG 2 B 20.98 – Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 2 S. 3). Eine Rechtsmittelerklärung, die ein Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigter abgegeben hat, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einer gerichtlichen Umdeutung grundsätzlich nicht zugänglich (vgl. etwa Beschlüsse vom 29. Januar 1962 – BVerwG 2 C 83.60 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 27 S. 33, vom 12. September 1988 – BVerwG 6 CB 35.88 – Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 83 S. 25 f., vom 12. März 1998 – BVerwG 2 B 20.98 – a.a.O. S. 3 und vom 25. März 1998 – BVerwG 4 B 30.98 – Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 3 S. 4). Ein von einem Anwalt eingelegter Rechtsbehelf, der eindeutig bezeichnet ist, kann jedenfalls dann nicht in einen anderen umgedeutet werden, wenn die Rechtsbehelfe unterschiedlichen Zwecken dienen (vgl. Beschlüsse vom 2. August 1995 – BVerwG 9 B 303.95 – Buchholz 310 § 124 VwGO Nr. 26 S. 3 m.w.N. und vom 12. März 1998 – BVerwG 2 B 20.98 – a.a.O. S. 3).
Den – schlüssigen – Antrag, die Berufungsschrift vom 7. Oktober 2002 als Antrag auf Zulassung der Berufung im Sinne des § 124a VwGO zu behandeln und die Berufung zuzulassen, stellten die Prozessbevollmächtigten des Klägers erst nach Ablauf der Antragsfrist des § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO mit Schriftsatz vom 7. November 2002. Diesem Antrag konnte nicht stattgegeben werden, da die gesetzliche bestimmte Antragsfrist nicht gewahrt worden ist.
Die geltend gemachte Abweichung von dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Dezember 1998 – BVerwG 1 B 110.98 – (a.a.O.) liegt nicht vor. Das Berufungsgericht ist sich seiner Pflicht bewusst gewesen, nicht eindeutige Prozesserklärungen auszulegen, ist dieser Pflicht nachgekommen und hat den Schriftsatz des Klägers vom 7. Oktober 2002 mangels jeglichen gegenteiligen Anhaltspunktes als Einlegung der Berufung interpretiert. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus § 13 Abs. 4 Satz 1 Buchst. b GKG.
Unterschriften
Dr. Silberkuhl, Prof. Dawin, Dr. Bayer
Fundstellen