Verfahrensgang
Sächsisches OVG (Urteil vom 25.08.2010; Aktenzeichen 2 A 379/09) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 25. August 2010 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 4 456,08 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die Beschwerde des Klägers kann keinen Erfolg haben. Die geltend gemachten Verfahrensmängel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegen nicht vor.
Rz. 2
Der Kläger beansprucht für die Zeit ab 29. November 1999 Dienstbezüge ohne Besoldungsabsenkung, weil er ab diesem Zeitpunkt dauerhaft nicht mehr im Beitrittsgebiet verwendet worden sei. Der Kläger leistete vom 29. November 1999 bis zum 30. Juni 2000 Dienst beim Einsatzkontingent KFOR im Kosovo. Zuvor wurde er mit Verfügung vom 23. November 1999 von seinem militärischen Verband in Leipzig nach Koblenz versetzt. Dort leistete der Kläger keinen Dienst. Am 24. November 1999 wurde ihm in Leipzig die Verfügung über seine Kommandierung zum Einsatzkontingent für die Zeit vom 29. November 1999 bis zum 30. Juni 2000 ausgehändigt. Entsprechend dieser Kommandierung meldete sich der Kläger am 29. November 1999 in Lahnstein für den Auslandseinsatz und flog am selben Tag in den Kosovo. Nach Beendigung des Auslandseinsatzes wurde der Kläger wieder bei seinem militärischen Verband in Leipzig verwendet.
Rz. 3
Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. In dem Berufungsurteil heißt es, die Voraussetzungen für die Absenkung der Besoldung des Klägers nach der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung – 2. BesÜV – seien durch den Einsatz im Kosovo nicht entfallen, weil er nur vorübergehend außerhalb des Beitrittsgebiets verwendet worden sei. Die Einordnung einer Verwendung als dauerhaft oder vorübergehend richte sich nach dem Ergebnis einer Gesamtwürdigung aller für die Verwendung bedeutsamen Umstände. Der Bezeichnung der Personalmaßnahme, die der Verwendung zugrunde liege, komme nur indizielle Bedeutung zu. Die Verwendung des Klägers im Kosovo sei vorübergehend gewesen, weil sie in der Verfügung über die Kommandierung ausdrücklich bis Ende Juni 2000 befristet worden sei. Der Kläger sei nach seinem eigenen Vortrag nicht nach Koblenz versetzt worden, um dort Dienst zu leisten. Vielmehr habe die Versetzung seiner Eingliederung in das Einsatzkontingent gedient, das vom Heeresführungskommando in Koblenz gesteuert worden sei.
Rz. 4
Mit der Beschwerde macht der Kläger geltend, das Oberverwaltungsgericht habe den Überzeugungsgrundsatz gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt. Es habe seine rechtliche Würdigung auf der Grundlage eines falschen und unvollständig ermittelten Sachverhalts vorgenommen. Das Oberverwaltungsgericht habe verkannt, dass es für die Bestimmung einer Verwendung als dauerhaft oder vorübergehend nicht auf den inneren Willen des Dienstherrn, sondern ausschließlich auf dessen Erklärungen gegenüber dem Soldaten ankomme. Das Oberverwaltungsgericht habe außer Acht gelassen, dass durch eine Versetzung stets dauerhafte Rechtswirkungen herbeigeführt werden sollten. Daher legten die Durchführungshinweise des Bundesministeriums des Innern zur 2. BesÜV fest, dass eine Versetzung an einen Dienstort außerhalb des Beitrittsgebiets den Betroffenen aus dem Anwendungsbereich der 2. BesÜV herausnehme. Zudem habe das Oberverwaltungsgericht übersehen, dass aus der Versetzungsverfügung nicht hervorgehe, dass der Kläger nur befristet außerhalb des Beitrittsgebiets verwendet werden sollte. Die nachfolgende Kommandierungsverfügung habe nicht berücksichtigt werden dürfen, weil sie dem Kläger erst nach dem Dienstantritt im Kosovo bekannt gegeben worden sei.
Rz. 5
Mit diesem Vorbringen hat der Kläger weder einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO noch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO dargetan:
Rz. 6
Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Daraus folgt die Verpflichtung, den im Verfahren festgestellten Sachverhalt der Überzeugungsbildung vollständig und richtig zugrunde zu legen. Das Gericht darf nicht in der Weise verfahren, dass es einzelne erhebliche Tatsachenfeststellungen oder Beweisergebnisse nicht in die rechtliche Würdigung einbezieht, insbesondere Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen. In derartigen Fällen fehlt es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für die innere Überzeugungsbildung des Gerichts, auch wenn die darauf basierende rechtliche Würdigung als solche nicht zu beanstanden ist. Der Überzeugungsgrundsatz kann nur verletzt sein, wenn das Gericht tatsächliche Umstände nicht in den Blick genommen hat, auf die es nach seinem materiellrechtlichen Standpunkt entscheidungserheblich ankommt. Der Grundsatz verlangt nicht, dass das Gericht bei seiner rechtlichen Würdigung Umstände einbezieht, die nach seiner Rechtsauffassung für den Ausgang des Rechtsstreits unerheblich sind. Dies gilt unabhängig davon, ob diese Rechtsauffassung einer Überprüfung standhält (Urteile vom 2. Februar 1984 – BVerwG 6 C 134.81 – BVerwGE 68, 338 ≪339 f.≫ = Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 145 S. 36 f. und vom 5. Juli 1994 – BVerwG 9 C 158.94 – BVerwGE 96, 200 ≪208 f.≫ = Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 174 S. 26 f.; Beschluss vom 18. November 2008 – BVerwG 2 B 63.08 – Buchholz 235.1 § 17 BDG Nr. 1 Rn. 27).
Rz. 7
Auch der Anspruch eines Verfahrensbeteiligten auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO verlangt nicht, dass das Gericht dessen gesamtes Vorbringen in den Entscheidungsgründen wiederzugeben und zu jedem einzelnen Gesichtspunkt Stellung zu nehmen hat. Vielmehr sind nur diejenigen Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Das Gericht kann sich auf die Darstellung und Würdigung derjenigen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte beschränken, auf die es nach seinem Rechtsstandpunkt entscheidungserheblich ankommt (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Daher kann aus dem Umstand, dass das Gericht einen Aspekt des Vorbringens eines Beteiligten in den Urteilsgründen nicht abgehandelt hat, nur dann geschlossen werden, es habe diesen Aspekt nicht in Erwägung gezogen, wenn er nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts eine Frage von zentraler Bedeutung betrifft (BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 – 1 BvR 986/91 – BVerfGE 86, 133 ≪145 f.≫; BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1994 a.a.O. S. 209 f. und S. 27 f., Beschluss vom 21. Juni 2007 – BVerwG 2 B 28.07 – Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 3 Rn. 6; stRspr).
Rz. 8
Nach dem Rechtsstandpunkt des Oberverwaltungsgerichts ist über den vorübergehenden Charakter einer Verwendung aufgrund einer Gesamtwürdigung aller damit in Zusammenhang stehenden Umstände zu entscheiden. Diese Auslegung des Begriffs der vorübergehenden Verwendung im Sinne von § 1 Satz 2 2. BesÜV hat das Oberverwaltungsgericht folgerichtig auf den von ihm festgestellten Sachverhalt angewandt. Es hat der Versetzung an den Standort Koblenz keine Bedeutung beigemessen, weil damit nach den tatsächlichen Feststellungen von vornherein keine Dienstleistung des Klägers an diesem Standort beabsichtigt war und der Kläger dies wusste. Die Versetzung habe lediglich die Grundlage für die Verwendung des Klägers im Rahmen der Auslandsmission im Kosovo geschaffen. Der vorübergehende Charakter dieser Verwendung ergebe sich daraus, dass der Verwendungszeitraum in der Kommandierungsverfügung bis zum 30. Juni 2000 befristet gewesen sei. Die tatsächlichen Feststellungen, die dieser rechtlichen Würdigung zugrunde liegen, sind gemäß § 137 Abs. 2 VwGO für den Senat bindend.
Rz. 9
Die Behauptung des Klägers, das Oberverwaltungsgericht habe auf den inneren, nicht aber auf den ausdrücklich erklärten Willen des Dienstherrn abgestellt, lässt sich nicht mit den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts zum Erklärungsinhalt der Kommandierungsverfügung vereinbaren. Diese Verfügung wurde dem Kläger vor Beginn des Auslandseinsatzes bekannt gegeben. Darin wurde der Verwendungszeitraum bis zum 30. Juni 2000 befristet. Die im Berufungsurteil wiedergegeben Angaben des Klägers lassen darauf schließen, dass ihm bekannt war, dass er nicht für die Dienstleistung am Standort Koblenz, sondern für einen zeitlich begrenzten Auslandseinsatz im Kosovo vorgesehen war.
Rz. 10
Das weitere Vorbringen des Klägers ist nicht geeignet, einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz oder das Gehörsgebot darzutun, weil der Kläger nicht wie erforderlich auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts zum Begriff der vorübergehenden Verwendung im Sinne von § 1 Satz 2 2. BesÜV, sondern auf der Grundlage einer davon abweichenden Rechtsauffassung argumentiert. Danach soll eine vorübergehende Verwendung ausscheiden, wenn der Verwendung eine Versetzung zugrunde liegt. Damit wendet sich der Kläger in der Sache gegen die Auslegung des § 1 Satz 2 2. BesÜV durch das Oberverwaltungsgericht, die aber für die Beurteilung der Sachverhaltswürdigung des Gerichts maßgebend ist. Im Übrigen mag für den Regelfall zutreffen, dass eine Versetzung auf eine dauerhafte Verwendung abzielt. Der Kläger nimmt jedoch nicht in den Blick, dass mit der Versetzung des Klägers nach Koblenz ersichtlich nicht die Verpflichtung verbunden war, dort Dienst zu verrichten. Vielmehr wurde der Kläger nach dem festgestellten Sachverhalt noch an seinem Dienstort in Leipzig mit der zeitlichen Beschränkung bis zum 30. Juni 2000 zum Einsatzkontingent in den Kosovo kommandiert. Der Kläger begab sich am 29. November 1999 nur nach Lahnstein, um sich dort für den Auslandseinsatz zu melden.
Rz. 11
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Herbert, Dr. Heitz, Dr. Maidowski
Fundstellen