Verfahrensgang
Hessischer VGH (Beschluss vom 11.01.2005; Aktenzeichen 5 UE 904/04) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. Januar 2005 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 510 € festgesetzt.
Gründe
Die auf sämtliche Revisionszulassungsgründe (§ 132 Abs. 2 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Sache hat nicht die von der Beschwerde geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
a) Die Beschwerde wirft sinngemäß als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf, ob die erhöhte Besteuerung von Hunden, deren abstrakte Gefährlichkeit aufgrund von Rasselisten unwiderleglich vermutet wird, mit dem Gleichheitssatz in Art. 3 Abs. 1 GG und dem daraus folgenden Grundsatz der Steuergerechtigkeit vereinbar ist, obwohl die Regelungen des Gefahrenabwehrrechts das Halten solcher nach Rasselisten als gefährlich vermuteter Hunde nur erlauben, wenn die Zuverlässigkeit und Sachkunde des Halters nachgewiesen sind und der Hund einen Wesenstest mit dem Ergebnis seiner Ungefährlichkeit bestanden habe. Es stelle sich danach also die Frage, ob das Lenkungsziel der Zurückdrängung solcher vermeintlich “abstrakt gefährlichen” Hunderassen dann noch verfassungsgemäß sein könne, wenn aufgrund entsprechender Regelungen alle “abstrakt gefährlichen” Hunde konkret als ungefährlich erwiesen seien.
Mit diesen ordnungsrechtlichen Vorschriften über den Eignungsnachweis des Halters und den Wesenstest der Hunde sei eine dramatische Änderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse eingetreten, die dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Januar 2000 (– BVerwG 11 C 8.99 – BVerwGE 110, 265), das die erhöhte Besteuerung nach Rasselisten als gefährlich vermuteter Hunde für rechtens erklärt hat, den Boden entzogen habe. Denn das Bundesverwaltungsgericht habe sich in jener Entscheidung maßgeblich darauf gestützt, dass die Ungefährlichkeit eines einzelnen Hundes – nach damaligem Erkenntnisstand – nicht mit dem für eine solche Aussage notwendigen hohen Wahrscheinlichkeitsgrad festgestellt werden könne und dass solchen Einzelprüfungen erhebliche Praktikabilitätsbedenken entgegenstünden. Die mittlerweile auch in seinem Fall geltende gefahrenabwehrrechtliche Regelung habe demgegenüber zur Folge, dass im Ergebnis jeder Hund, bei dem die Beklagte aufgrund seiner Rassezugehörigkeit in ihrer Hundesteuersatzung die Einordnung als “gefährlicher Hund” unwiderlegbar vermute, nach menschlichem Ermessen in Wahrheit konkret ungefährlich sei. Die in der Hundesteuersatzung enthaltene unwiderlegbare Gefährlichkeitsvermutung für Hunde bestimmter Rassen sei danach jedenfalls nicht mehr durch Erwägungen der Verwaltungsvereinfachung und -praktikabilität getragen, wie das Bundesverwaltungsgericht noch in seinem Urteil vom 19. Januar 2000 gemeint habe.
b) Eine Frage grundsätzlicher Bedeutung ist auch unter Berücksichtigung dieser ordnungsrechtlichen Regelungen damit nicht aufgezeigt.
Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage würde in dem angestrebten Revisionsverfahren schon deshalb nicht in der gestellten Form zur Entscheidung stehen, weil die Hessische Gefahrenabwehrverordnung über das Halten und Führen von gefährlichen Hunden in der für das hier in Streit stehende Steuerjahr 2002 zur Zeit des Erlasses des Widerspruchsbescheids maßgeblichen Fassung vom 15. August 2000 (Hess. GVBl S. 411) mit der positiven Wesensprüfung nach § 14 Abs. 1 Nr. 8 nur den Nachweis verbindet, dass der Hund keine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren aufweist, nicht aber – wie die Beschwerde meint – generell die individuelle Ungefährlichkeit des im Übrigen nach seiner Rassezugehörigkeit als gefährlich geltenden Hundes belegt.
Unabhängig hiervon lässt sich die aufgeworfene Frage auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts ohne weiteres dahin beantworten, dass ordnungsrechtliche Erlaubnisvorbehalte für das Halten gefährlicher Hunde, die den Nachweis der Zuverlässigkeit und Sachkunde des Halters sowie einen positiven Wesenstest des Hundes voraussetzen, die erhöhte Besteuerung von Hunden, deren abstrakte Gefährlichkeit nach Maßgabe einer Rasseliste vermutet wird, in ihrer Rechtmäßigkeit unberührt lassen. Denn ein rechtfertigender sachlicher Grund für den Erlass einer Lenkungssteuer mit dem Ziel der Minimierung einer als gefährlich vermuteten Hundepopulation besteht auch dann, wenn nach dem einschlägigen Gefahrenabwehrrecht nur Hunde gehalten werden dürfen, die und deren Halter die genannten Voraussetzungen erfüllen. Gefahrenabwehrrechtliche Regelungen dieser Art nehmen der Hundesteuer zudem nicht ihre Lenkungseignung.
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 19. Januar 2000 (a.a.O. S. 274 f.) der Auffassung des Berufungsgerichts, der Steuertatbestand sei unter Verletzung des Gleichheitssatzes zu weit gefasst, weil er auch im Einzelfall ungefährliche Hunde der erhöhten Steuer unterwerfe, entgegengehalten, es verkenne dabei den vom Satzungsgeber verfolgten Lenkungszweck und den ihm dabei zustehenden Gestaltungs- und Typisierungsspielraum. Mit dem als unwiderlegliche Vermutung ausgestalteten Steuertatbestand für “Kampfhunde” nach Maßgabe der in der Hundesteuersatzung enthaltenen Rasseliste verfolge der Satzungsgeber nicht in erster Linie oder gar ausschließlich einen im engeren Sinne “polizeilichen” Zweck der aktuellen und konkreten Gefahrenabwehr. Das Lenkungsziel bestehe vielmehr – zulässigerweise – auch darin, ganz generell und langfristig im Gemeindegebiet solche Hunde zurückzudrängen, die aufgrund ihres Züchtungspotentials in besonderer Weise die Eignung aufwiesen, ein gefährliches Verhalten zu entwickeln, sei es auch erst nach Hinzutreten anderer Faktoren. Die unwiderlegliche Vermutung in der Rasseliste sei in besonderer Weise geeignet, dieses Ziel zu erreichen. Müssten nämlich in bestimmten Einzelfällen Ausnahmen von der höheren Besteuerung gewährt werden, so würde das dem steuerlichen Lenkungszweck, den Bestand an potentiell gefährlicheren Hunden möglichst gering zu halten, zuwiderlaufen. Schon in jener Grundsatzentscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht danach die erhöhte Besteuerung unwiderleglich als gefährlich vermuteter Hunde unabhängig von ihrer individuellen Gefährlichkeit für rechtens gehalten. Im Übrigen hat das Bundesverwaltungsgericht in dem Urteil vom 19. Januar 2000, was die Beschwerde offenbar verkennt, lediglich ergänzend (“unabhängig davon”) darauf hingewiesen, dass die mit der Rasseliste verbundene Typisierung “auch durch Praktikabilitätsgesichtspunkte gedeckt” sei, weil Einzelfallprüfungen auch wegen der teilweisen Unberechenbarkeit des tierischen Verhaltens objektiv auf Schwierigkeiten stießen (a.a.O. Seite 275).
Der die erhöhte Besteuerung von Hunden der Rasseliste rechtfertigende Lenkungszweck als das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Januar 2000 selbstständig tragender Grund entfiele aus der Sicht der damaligen Entscheidung mithin auch dann nicht, wenn wegen der auf ordnungsrechtlicher Grundlage ohnehin erfolgenden Eignungsprüfung des Halters und des Wesenstests der Hunde die zusätzliche Praktikabilitätserwägung nicht mehr trüge. Selbst dies ist indes nicht der Fall. Denn der mit der erhöhten Steuer verfolgte Lenkungszweck, die Population von Hunden, die als potentiell gefährlich eingeschätzten Rassen angehören, im Gemeindegebiet generell zurückzudrängen, zielt von vornherein auf einen deutlich größeren Kreis von Fällen – nämlich die potentiellen Halter solcher Hunde – als die ordnungsrechtliche Pflicht zur Eignungsprüfung und zum Wesenstest es tun. Letztere betreffen nämlich nur die Halter, die sich ungeachtet der erhöhten Besteuerung zur Anschaffung eines nach Maßgabe der Rasseliste als gefährlich vermuteten Hundes entschlossen haben.
Hierin werden zugleich die Lenkungsfunktion der erhöhten Hundesteuer und ihr Zusammenspiel mit dem Recht der Gefahrenabwehr deutlich. Die erhöhte Steuer soll die Zahl der nach ihrer Rasse als gefährlich geltenden Hunde im Gemeindegebiet minimieren. Es liegt im Wesen jeder Verhaltenslenkung durch Besteuerung, dass es dem Adressaten von Gesetzes wegen frei steht, sich unter Inkaufnahme der erhöhten Steuer gegen deren Lenkungszweck zu entscheiden und – hier – einen nach Maßgabe der Rasseliste gefährlichen Hund zu halten. Tut er dies, greift das Recht der Gefahrenabwehr mit dem Erlaubnisvorbehalt und den Geboten des Zuverlässigkeits- und Sachkundenachweises für den Halter und des Wesenstests für den Hund. An der Verwirklichung des Steuertatbestandes ändert es indes nichts, wenn der Halter die erforderlichen Nachweise erbringt und der Hund den Wesenstest besteht. Entginge der Halter in diesem Fall der erhöhten Besteuerung, verlöre die Steuer ihre generelle Lenkungswirkung. Die Begrenzung der Zahl der nach Rassemerkmalen als gefährlich vermuteten Hunde würde nur mit dem ordnungsrechtlichen Instrumentarium erfolgen können, das jedenfalls mit einem Erlaubnisverfahren für das Halten gefährlicher Hunde hierauf aber nicht abzielt.
Dies zeigt, dass der steuerrechtliche Lenkungszweck, Hunde bestimmter Rassen in ihrer Population im Gemeindegebiet generell zurückzudrängen, unabhängig davon greift, ob im Einzelfall Umstände vorliegen, die im Hinblick auf die nachgewiesene Zuverlässigkeit und Eignung des Halters und den bestandenen Wesenstest des Hundes gegen dessen konkrete Gefährlichkeit sprechen.
Die erhöhte Besteuerung der Hunde bestimmter Rassen erweist sich entgegen der Auffassung der Beschwerde auch nicht im Hinblick darauf als gleichheitswidrig, dass die Halter von Hunden, die sich als individuell gefährlich gezeigt haben, nicht ihrerseits einer entsprechend erhöhten Besteuerung unterworfen werden. Da der Lenkungszweck der Steuer bei den konkret gefährlichen Hunden nicht greifen kann, darf der Steuersatzungsgeber die Behandlung der von ihnen ausgehenden Gefahren dem Ordnungsrecht überlassen (vgl. hierzu im Einzelnen BVerwG, Beschluss vom 22. Dezember 2004 – BVerwG 10 B 21.04 – NVwZ 2005, 598).
2. Die von der Beschwerde geltend gemachte Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) des angefochtenen Beschlusses zu dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Januar 2000 (a.a.O.) liegt nicht vor. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob die Beschwerde die behauptete Divergenz den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dargetan hat.
Aus den vorstehenden Ausführungen zu 1. ergibt sich, dass das Berufungsgericht mit dem von der Beschwerde seinem Beschluss sinngemäß entnommenen Rechtssatz, dass eine an die unwiderlegliche Vermutung der Gefährlichkeit bestimmter Hunderassen anknüpfende Hundesteuersatzung ungeachtet bestehender gefahrenabwehrrechtlicher Regelungen zum Erlaubnisvorbehalt für das Verhalten solcher Hunde mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Januar 2000 nicht widerspricht.
3. Die Beschwerde hat schließlich auch keinen Erfolg mit den gerügten Verfahrensmängeln. Sie beanstandet eine Verletzung ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG und zugleich einen Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO, weil das Berufungsgericht das Vorbringen des Klägers zu den einschlägigen gefahrenabwehrrechtlichen Regelungen in den Gründen des angefochtenen Beschlusses nicht zur Kenntnis genommen habe.
Es trifft zu, dass das Berufungsgericht in seinem Beschluss auf den vom Kläger im verwaltungsgerichtlichen Verfahren und auch im Berufungsverfahren mehrfach vorgetragenen Einwand, die erhöhte Besteuerung von nach Rasselisten als gefährlich vermuteter Hunde könne angesichts der ordnungsrechtlichen Regelung, wonach solche Hunde nur gehalten werden dürfen, wenn sie eine Wesensprüfung positiv bestanden hätten und der Halter seine Zuverlässigkeit und Sachkunde nachgewiesen habe, nicht eingegangen ist.
Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtete das entscheidende Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Hingegen gewährt der Anspruch auf rechtliches Gehör keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen (stRspr; BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1997 – 1 BvR 1621/94 – BVerfGE 96, 205 ≪216≫). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts ist allerdings grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht das Vorbringen der Beteiligten vollständig zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, auch wenn es in den Gründen der Entscheidung nicht zu allen Einzelheiten ausdrücklich Stellung nimmt. Keine grundsätzlich anderen Pflichten folgen für das Gericht insoweit aus § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO, demzufolge sich aus den Gründen einer gerichtlichen Entscheidung für die Beteiligten und das Rechtsmittelgericht nachvollziehbar ergeben muss, warum das erkennende Gericht beispielsweise Parteivorbringen für unerheblich gehalten hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Mai 2003 – BVerwG 1 B 298.02 – Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 270 S. 92).
Der Senat kann offen lassen, ob das Berufungsgericht gegen Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO dadurch verstoßen hat, dass es sich in dem angefochtenen Beschluss jeglicher Begründung zu dem auf die einschlägigen ordnungsrechtlichen Regelungen zielenden Vorbringen des Klägers enthalten hat, obwohl es sich dabei erkennbar um eines der wesentlichen Argumente des Klägers zur Stützung seines Begehrens handelte und dieses auch nicht von vornherein als offensichtlich nicht entscheidungserheblich unberücksichtigt bleiben konnte. Selbst wenn die Entscheidung des Berufungsgerichts insoweit an einem Verfahrensfehler leiden sollte, könnte dies weder zum Erfolg der Revision noch unmittelbar zur Zurückverweisung der Sache nach § 133 Abs. 6 VwGO führen. Denn die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, die dem Senat – wie vorstehend unter 1. ausgeführt – jedenfalls eine Bestätigung der angefochtenen Entscheidung als im Ergebnis richtig erlauben (§ 144 Abs. 4 VwGO), würden von diesem Gehörs- und Begründungsverstoß nicht berührt (zur Anwendbarkeit des § 144 Abs. 4 VwGO in solchen Fällen vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Juli 2002 – BVerwG 8 C 37.01 – Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 35; Urteil vom 16. März 1994 – BVerwG 11 C 48.92 – Buchholz 442.151 § 46 StVO Nr. 10; stRspr).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 3, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.
Unterschriften
Hien, Vallendar, Prof. Dr. Eichberger
Fundstellen