Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 21.11.2013; Aktenzeichen A 8 S 1949/11) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. November 2013 ergangenen Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Die auf das Vorliegen von Verfahrensmängeln (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die Beschwerde erhebt Gehörsrügen, soweit die angefochtene Entscheidung auf der in ihr enthaltenen Abweisung der in dem klägerischen Schriftsatz vom 21. November 2013 gestellten Hilfsanträge zu Ziff. 1 bis 3 beruht. Diese waren auf die Einholung von Gutachten der Schweizerischen Flüchtlingshilfe und von Amnesty International zur Richtigkeit der Angaben des Klägers zu seiner Stellung als Jünger einer buddhistischen Nonne in einem tibetischen Kloster (Ziff. 1), zu seiner Teilnahme an einer Sitzdemonstration in Tibet im Jahr 2008 (Ziff. 2) und zur Inhaftierungs- und Foltergefahr für den Kläger im Fall seiner Rückkehr nach China (Ziff. 3) gerichtet. Diese Rügen greifen nicht durch.
Die im Urteil erfolgte Ablehnung der „Hilfsbeweisanträge” ist prozessrechtlich nicht zu beanstanden. Während sich die Voraussetzungen für die Ablehnung eines in der mündlichen Verhandlung unbedingt gestellten Beweisantrages aus § 86 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 VwGO ergeben, wird mit einem nur hilfsweise gestellten Beweisantrag lediglich die weitere Erforschung des Sachverhalts nach § 86 Abs. 1 VwGO angeregt (Beschlüsse vom 10. Juni 1999 – BVerwG 9 B 81.99 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 302 und vom 19. August 2010 – BVerwG 10 B 22.10, 10 PKH 11.10 – juris Rn. 10). Die Ablehnung eines Hilfsbeweisantrages kann daher grundsätzlich nur mit der Aufklärungsrüge angegriffen werden. Diese ist nur dann begründet, wenn sich dem Gericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung eine weitere Beweisaufnahme hätte aufdrängen müssen (Beschluss vom 30. November 2004 – BVerwG 1 B 48.04 – Buchholz 310 § 138 Ziff. 1 VwGO Nr. 43). Das zeigt die Beschwerde nicht auf.
1. Die Verfahrensrügen betreffend die Hilfsbeweisanträge zu Ziff. 1 bis 3 können der Beschwerde schon deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, da die Angaben des Klägers zu seinem Verfolgungsschicksal nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs unglaubhaft sind. Die Widersprüche in der Schilderung der angeblich erlittenen Verfolgungshandlung in Tibet zeigten, dass es sich nicht um die Schilderung eines erlebten Schicksals, sondern um eine erfundene Geschichte handele. Der beständige Wechsel des Vortrags zu seinem Leben in China führe dazu, dass der gesamte Vortrag über die Geschehnisse bis zur Ausreise des Klägers nicht geglaubt werden könne. Dies gelte insbesondere auch für seine Angaben zur angeblichen Ausbildung als „tibetanischer Mönch”.
Da es der Kläger mithin nach der revisionsgerichtlich unbedenklichen Bewertung des Berufungsgerichts an der Schilderung eines in sich stimmigen, im Wesentlichen widerspruchsfreien Sachverhalt hat fehlen lassen, konnte die weitere Sachverhaltsaufklärung abgelehnt werden. Ist die Schilderung, die der Asylbewerber von seinem persönlichen Verfolgungsschicksal gibt, in wesentlichen Punkten unzutreffend oder in nicht auflösbarer Weise widersprüchlich, so braucht das Tatsachengericht – auch substantiierten Beweisanträgen – zum Verfolgungsgeschehen nicht nachzugehen, sondern kann die Klage ohne Beweisaufnahme abweisen (Beschluss vom 26. Oktober 1989 – BVerwG 9 B 405.89 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 212).
Darüber hinaus konnte der Verwaltungsgerichtshof die Hilfsbeweisanträge zu Ziff. 1 bis 3 hier ohne Verstoß gegen das Verbot vorweggenommener Beweiswürdigung auch deswegen ablehnen, weil der Kläger nicht einmal ansatzweise dargelegt hatte, dass bzw. aus welchen Gründen die benannten Beweismittel auch geeignet seien, weil sie zu den unter Beweis gestellten Tatsachen über Erkenntnisse verfügten oder sich diese beschaffen könnten. Dahinstehen kann, ob es die Beweisanträge auch aus sonstigen Gründen ablehnen durfte, etwa weil die Beweisanträge unsubstantiiert und daher unzulässige Ausforschungsbeweisanträge sind.
Soweit der Kläger darüber hinaus eine Verletzung des rechtlichen Gehörs im Rahmen der Ablehnung des Hilfsbeweisantrages zu Ziff. 2 deswegen rügt, weil der Verwaltungsgerichtshof das klägerische Vorbringen im Schriftsatz vom 9. Mai 2012 und die Erklärung von Frau Z. nicht zur Kenntnis genommen habe, greift dieser Einwand ebenfalls nicht durch. Denn ausweislich Seiten 5 und 13 des angefochtenen Urteils hat der Verwaltungsgerichtshof sowohl die Erklärung von Frau Z. als auch (ausweislich Seite 22 des Urteils) den klägerischen Schriftsatz vom 9. Mai 2012 bei seiner Entscheidung erwogen.
2. Soweit die Beschwerde im Hinblick auf den Hilfsbeweisantrag zu Ziff. 3 zusätzlich rügt, die Ablehnung der Einholung weiterer gutachtlicher Stellungnahmen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe und von Amnesty International zu der Frage einer Rückkehrgefährdung des Klägers aufgrund seines langjährigen Auslandsaufenthalts und seiner behaupteten Eigenschaft als tibetischer Mönch sei verfahrensfehlerhaft gewesen, greift diese Rüge ebenfalls nicht durch.
Der hierin liegende Vorwurf unzureichender Sachverhaltsaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) ist unberechtigt. Die Ablehnung der Einholung eines weiteren Gutachtens steht gemäß § 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO im Ermessen des Gerichts (Beschluss vom 10. Juni 1999 a.a.O.). Danach kann das Gericht eine weitere Begutachtung anordnen, wenn es die vorliegenden Auskünfte oder Gutachten ohne Rechtsverstoß für ungenügend erachtet (§ 412 Abs. 1 ZPO); einer erneuten Begutachtung bedarf es jedenfalls dann nicht, wenn das Gegenteil der erneut behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist (§ 244 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 StPO). Ungenügend sind Auskünfte und Gutachten insbesondere dann, wenn sie erkennbare Mängel aufweisen, etwa unvollständig, widersprüchlich oder sonst nicht überzeugend sind, wenn das Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht oder wenn der Gutachter erkennbar nicht sachkundig ist bzw. Zweifel an seiner Unparteilichkeit bestehen. Das gerichtliche Ermessen kann sich auch dann zu der Pflicht neuerlicher Begutachtung verdichten, wenn durch neuen entscheidungserheblichen Sachvortrag der Beteiligten oder eigene Ermittlungstätigkeit des Gerichts die Aktualität der vorliegenden Auskünfte zweifelhaft oder wenn sonst das bisherige Beweisergebnis ernsthaft erschüttert wird. Schließlich kann die Erforderlichkeit der Einholung weiterer Auskünfte oder Gutachten auch darauf beruhen, dass die Fragestellung der bisherigen Gutachten sich – aufgrund tatsächlicher Entwicklungen oder wegen einer Rechtsprechungsänderung – als unzureichend erweist (Beschluss vom 27. März 2013 – BVerwG 10 B 34.12 – Buchholz 310 § 89 VwGO Nr. 109).
Aus der Beschwerdebegründung folgt indes nicht, dass dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 18. Juni 2013, auf den das Berufungsurteil gestützt ist, derartige Mängel anhaften. Der Verwaltungsgerichtshof hat in Ausübung des Ermessens gemäß § 412 ZPO in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise unter Berufung auf seine aus dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes gewonnene Sachkunde von der Einholung der beantragten Gutachten abgesehen. Der Kläger hat weder im Rahmen der Begründung seines Hilfsbeweisantrages zu Ziff. 3 noch in der Beschwerdebegründung hinreichend aufgezeigt, dass und ggf. welche weitergehenden neueren oder besseren Erkenntnisse bei den begehrten Sachverständigengutachten zu erwarten gewesen wären (vgl. zu dieser Anforderung: Beschluss vom 19. August 2010 – BVerwG 10 B 22.10, 10 PKH 11.10 – juris Rn. 11).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Satz 1 RVG; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.
Unterschriften
Prof. Dr. Berlit, Prof. Dr. Dörig, Dr. Rudolph
Fundstellen