Verfahrensgang
VG Hamburg (Urteil vom 11.02.2004; Aktenzeichen 3 L 2915/02) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 11. Februar 2004 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 12 218,99 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde ist nicht begründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe des Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor.
Die Klägerin wendet sich gegen die mit Bescheid vom 21. Dezember 2000 geltend gemachte Rückforderung von Hauptentschädigung nach dem Lastenausgleichsgesetz (LAG) in Höhe von 23 898,27 DM.
Die Klägerin ist die Enkelin des W.… P.…, dessen Gesellschaftsanteile an der Getränkefabrik G.… R.… Nachf. KG, W.…, in Volkseigentum übergingen, als er im Januar 1953 die DDR verlassen hatte. Zu Gunsten des unmittelbar Geschädigten W.… P.… stellte das Ausgleichsamt H.…-N.… mit Bescheid vom 8. April 1986 einen Wegnahmeschaden für das Betriebsvermögen der Fa. G.… R.… Nachf. KG fest und entschied auf eine Hauptentschädigung in Höhe von 31 670 DM. Die Gesamtentschädigung in Höhe von 73 486,80 DM (31 670,00 DM zzgl. eines Zinszuschlages in Höhe von 41 816,80 DM) wurde mit Erfüllungsbescheid vom 16. September 1986 zu Gunsten der Ehefrau des am 28. Oktober 1967 verstorbenen W.… P.…, E.… P.…, festgelegt, die laut Erbschein des Amtsgerichts H.…-A.… vom 25. April 1984 dessen Alleinerbin geworden war.
Die Eheleute P.… hatten am 17. November 1966 ein am 28. November 1967 eröffnetes handschriftliches gemeinschaftliches Testament errichtet, wonach sie sich gegenseitig als Alleinerben eingesetzt hatten und ihre drei Kinder, W.… P.…, U.… F.… und G.… G.…, die Mutter der Klägerin, nach dem Tode des Letztversterbenden erben sollten.
Am 10. Oktober 1948 hatten die Eheleute P.… bereits ein am 13. Juni 1968 vor dem Staatlichen Notariat in W.… eröffnetes maschinenschriftliches gemeinschaftliches Testament errichtet, wonach sie sich ebenfalls gegenseitig als Alleinerben eingesetzt hatten und ihre drei Kinder nach dem Tode des Letztversterbenden erben sollten. Dieses Testament sah allerdings die Kinder hinsichtlich des Betriebsvermögens der G.… R.… Nachf. KG als Vermächtnisnehmer vor, wobei diese gemäß Ziff. 9 berechtigt sein sollten, “das Testament zu Gunsten ihrer Abkömmlinge auszuschlagen”.
Mit Schreiben vom 29. September 1991 teilte G.… G.…, die Mutter der Klägerin, dem Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen in Halle mit, dass sie gemäß Ziff. 9 des Testaments vom 10. Oktober 1948 auf ihren Erbanteil an der Firma G.… R.… Nachf. KG zu Gunsten der Klägerin verzichtet habe. In dem gleichen Schreiben bevollmächtigte die Klägerin ihren Onkel W.… P.…, ihre Ansprüche aus dem Testament ihres Großvaters W.… P.… vom 10. Oktober 1948 gegenüber dem Landesamt geltend zu machen.
Mit Teilbescheid des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen in Halle vom 17. Januar 1992 wurde festgestellt, dass die Rechte aus der Verstaatlichung der Getränkefabrik G.… R.… Nachf. KG der Getränkefabrik G.… R.… Nachf. i.L. – Abwicklungsbeauftragter W.… P.… – zustehen; als eine der Gesellschafter wird unter Bezug auf das am 13. Juni 1968 vor dem Staatlichen Notariat in W.… eröffnete Testament und den Verzicht der G.… G.… die Klägerin benannt. Mit einem weiteren Bescheid des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen in Halle vom 25. November 1992 wurde unter Bezugnahme auf eine entsprechende Vereinbarung festgelegt, dass der Firma G.… R.… Nachf. i.L., darunter als Gesellschafterin die Klägerin als Mitglied der Erbengemeinschaft nach W.… P.…, Ansprüche in Höhe von 1 710.000 DM zustehen. Nach Abzug der Verbindlichkeiten floss der Restbetrag in Höhe von 150 000 DM an die Gesellschaft.
Mit Rückforderungs- und Leistungsbescheiden vom 8. Dezember 1997 forderte die Beklagte von den drei Kindern der Eheleute P.… jeweils einen Betrag von 23 898,27 DM. Aufgrund des bestandskräftig gewordenen Bescheids gab es vergebliche Vollstreckungsversuche gegen G.… G.…, die Mutter der Klägerin, in deren Verlauf sich herausstellte, dass diese unbekannten Aufenthalts war.
1. Entgegen der Auffassung der Klägerin führt ihre Verfahrensrüge nicht auf einen Zulassungsgrund für die begehrte Revision. Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist nur dann “bezeichnet” (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (vgl. Beschluss vom 10. November 1992 – BVerwG 3 B 52.92 – Buchholz 303 § 314 ZPO Nr. 5; Weyreuther, Revisionszulassung und Nichtzulassungsbeschwerde in der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte, 1971, Rn. 222 m.w.N.). Er setzt voraus, dass die zur Begründung vorgetragenen Tatsachen, ihre Richtigkeit unterstellt, die Mängel ergeben (Beschluss vom 18. März 1982 – BVerwG 9 CB 1076.81 – Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 35).
Die Beschwerde hält dem Verwaltungsgericht einen Verstoß gegen den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör und faires Verfahren (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 1 und 2 VwGO) vor, da das Gericht ihr hätte Gelegenheit geben müssen, sich persönlich zur Echtheit der vermeintlich von ihr unterschriebenen Bevollmächtigung ihres Onkels unter dem Schreiben ihrer Mutter an das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen in Halle vom 29. September 1991 (Blatt 104 d.A., im Sitzungsprotokoll des Verwaltungsgerichts vom 11. Februar 2004 als “dickere blaue Beiakte” bezeichnet) zu äußern und ggf. durch Vorlage eines graphologischen Gutachtens darzulegen, dass die Erklärung nicht von ihr stamme. Das Gericht hätte, da es seine Entscheidung maßgeblich auf die Erklärung vom 29. September 1991 gestützt habe, der Klägerin eine entsprechende Nachlasserklärungsfrist einräumen müssen.
Das Verwaltungsgericht hat – entgegen der Auffassung der Klägerin – keinen Verstoß gegen den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör und faires Verfahren (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 1 und 2 VwGO) begangen und auch – sofern die Rüge der Klägerin darauf zielen sollte – seine Pflichten aus § 86 Abs. 1 und 2 VwGO nicht dadurch verletzt, dass es hinsichtlich der Echtheit der vermeintlich von der Klägerin unterzeichneten Urkunde keinen weiteren Vortrag oder weitere Sachaufklärung für notwendig erachtet hat. Zunächst hat das Gericht, wie die Beschwerde selbst vorträgt und wie sich auch aus dem Sitzungsprotokoll vom 11. Februar 2004 ergibt, die Problematik mit dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausführlich erörtert. Zudem hätte die schon seit dem Vorverfahren anwaltlich und in der mündlichen Verhandlung rechtsbeistandlich vertretene Klägerin Zweifel an der Echtheit der Urkunde längst vortragen können. Davon abgesehen scheitert die Aufklärungsrüge auch daran, dass von einer anwaltlich bzw. rechtsbeistandlich vertretenen Partei im Allgemeinen – so auch hier – erwartet werden kann, dass eine von ihr für notwendig erachtete Sachaufklärung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der gemäß § 86 Abs. 2 VwGO vorgesehenen Form beantragt wird. Wenn der Anwalt bzw. Rechtsbeistand dies versäumt hat, kann sein Mandant eine mangelnde Sachaufklärung nicht mehr erfolgreich rügen (vgl. z.B. Urteil vom 27. Juli 1983 – BVerwG 9 C 541.82 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 146). Ausweislich der Sitzungsniederschrift hat der klägerische Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung am 11. Februar 2004 keine Beweisanträge gestellt und in seinen die mündliche Verhandlung vorbereitenden Schriftsätzen ebenfalls nicht auf eine weitere Sachaufklärung hingewirkt. Zudem ist hinsichtlich der erstmals in der mündlichen Verhandlung im Hinblick auf den Zusatz “geb. P.…” geltend gemachten Zweifel an der Echtheit der Urkunde zu bemerken, dass in der Überschrift hinter dem Namen der Klägerin immerhin der wohl richtige Geburtsname “G.” vermerkt ist. Das lässt jedenfalls die Vermutung plausibel erscheinen, dass es sich bei dem Zusatz “geb. P.…” lediglich um ein (Schreib-) Versehen handelt.
Davon abgesehen kann das angegriffene Urteil nicht auf dem behaupteten Verfahrensfehler beruhen. Die Behauptung der Beschwerde, das Gericht habe seine Entscheidung ausschließlich auf die Urkunde gestützt, deren Echtheit in Zweifel gezogen wurde, ist nämlich unzutreffend. In der Tat zieht das Gericht für seine materielle Rechtsfindung “die Erklärung vom 29. September 1991” heran. Insoweit ist jedoch die auf dem gleichen Blatt Papier befindliche Erklärung der Mutter der Klägerin gemeint, deren Echtheit seitens der Klägerin nicht in Zweifel gezogen wurde. Auf die auf diesem Blatt ebenfalls befindliche bloße Bevollmächtigung des Onkels der Klägerin durch die Klägerin stellt das Verwaltungsgericht seine Entscheidung dem gegenüber nicht ab.
2. Die behauptete Grundsatzbedeutung führt ebenso nicht auf die begehrte Revision. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache nur dann zu, wenn die Beschwerde eine Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, deren zu erwartende revisionsgerichtliche Klärung der Einheit oder Fortentwicklung des Rechts zu dienen vermag. Der Zulassungsgrund ist nur dann hinreichend dargetan, wenn zumindest die konkrete Rechtsfrage bezeichnet wird, die für die Entscheidung erheblich sein soll, und ein Hinweis auf den Grund enthalten ist, der die Anerkennung der grundsätzlichen Bedeutung rechtfertigen soll (vgl. z.B. Beschluss vom 9. Juni 1970 – BVerwG 6 B 22.69 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 62). Daran fehlt es.
Zwar werden in der Beschwerdebegründung einzelne Fragen dargelegt, die grundsätzlich bedeutsam sein sollen. Die Beschwerdebegründung richtet diese Fragen jedoch auf den Tatbestand des vorliegenden Falles aus, statt eine konkrete klärungsbedürftige Fragestellung mit übergeordneter Bedeutung herauszuarbeiten. Damit beschränkt sie sich letztlich darauf, die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts anzugreifen und Parallelfälle zu vermuten. Mit bloßen Angriffen gegen die Rechtsauffassung der Vorinstanz kann jedoch die grundsätzliche Bedeutung nicht dargelegt werden. Das gilt selbst dann, wenn dazu verfassungsrechtliche Erwägungen angeführt werden (vgl. Beschluss vom 21. Februar 1990 – BVerwG 5 B 94.89 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 282).
Davon abgesehen kommt einer Rechtsfrage nicht schon deshalb grundsätzliche Bedeutung zu, weil zu ihr noch keine ausdrückliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vorliegt; auch in einem solchen Fall fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit, wenn sich die Rechtsfrage durch Auslegung der maßgeblichen Rechtsvorschriften anhand der anerkannten Auslegungskriterien ohne weiteres beantworten lässt oder durch die bisherige Rechtsprechung als geklärt angesehen werden kann (Beschluss vom 31. Juli 1987 – BVerwG 5 B 49.87 – Buchholz 436.0 § 69 BSHG Nr. 14). Letzteres trifft auch dann zu, wenn die vorhandene höchstrichterliche Rechtsprechung ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage gibt (Beschluss vom 28. September 1995 – BVerwG 10 B 6.94 –). Ein solcher Fall ist hier gegeben.
Zum einen lässt die Beschwerdebegründung außer Acht, dass der Senat sich mit der Problematik und der Verfassungsproblematik im Hinblick auf § 349 LAG bereits ausführlich in zahlreichen Entscheidungen auseinander gesetzt hat (vgl. etwa Urteile vom 18. Mai 2000 – BVerwG 3 C 9.99 – VIZ 2000, 596 = Buchholz 427.3 § 349 LAG Nr. 8; 22. Oktober 1998 – BVerwG 3 C 19.98 – IFLA 1999, 19 = Buchholz 427.3 § 349 LAG Nr. 7; 22. Oktober 1998 – BVerwG 3 C 37.97 – BVerwGE 107, 294; 19. Juni 1997 – BVerwG 3 C 40.96 – Buchholz 427.3 § 349 LAG Nr. 3; 19. Juni 1997 – BVerwG 3 C 10.97 – BVerwGE 105, 106 = Buchholz 427.3 § 349 LAG Nr. 3; 6. Mai 1997 – BVerwG 3 C 38.96 – Buchholz 427.2 § 349 LAG Nr. 2; 3. November 1994 – BVerwG 3 C 32.93 – Buchholz 427.6 § 20 a BFG Nr. 2). Zur ordnungsgemäßen Darlegung aller in diesem Rahmen noch in einem Revisionsverfahren zu klärenden Rechtsfragen hätte namentlich eine Auseinandersetzung mit dieser Rechtsprechung gehört (vgl. schon Beschluss vom 2. August 1960 – BVerwG 7 B 55.60 – DVBl 1960, 854). Daran fehlt es ebenfalls.
Zum anderen hat sich der Senat in einer neueren Entscheidung, die allerdings der Klägerin zum Zeitpunkt der Beschwerdebegründung noch nicht bekannt sein konnte, mit Problemen des § 349 LAG und explizit mit verfassungsrechtlichen Problemen im Hinblick auf eine mögliche Rückwirkung des 33. Änderungsgesetzes des LAG vom 16. Dezember 1999 (BGBl I S. 2422) befasst (vgl. Urteil vom 15. Juli 2004 – BVerwG 3 C 44.03 –). Danach beruhen die Rückforderungsregelungen insgesamt auf der nicht zu beanstandenden Erwägung des Gesetzgebers, dass durch den nachträglichen Schadensausgleich – etwa in Form der Rückgabe der entzogenen Vermögensgegenstände – der Rechtsgrund für die Gewährung des Lastenausgleichs entfallen ist. Es besteht kein Anlass, jemandem Leistungen zu belassen, die vom Staat als Ausgleich für einen inzwischen anderweitig ausgeglichenen und damit letztlich nicht mehr existenten Vermögensverlust erbracht worden sind. Es handelt sich um die Rückabwicklung einer Vermögensverschiebung, die sich im Nachhinein als nicht mehr gerechtfertigt erweist. Dieser Grundgedanke trägt prinzipiell die Forderung, dass der gesamte als Lastenausgleich gewährte Entschädigungsbetrag zurückzuzahlen ist. Geklärt ist durch diese Entscheidung auch, dass das 33. Änderungsgesetz des LAG vom 16. Dezember 1999 (BGBl I S. 2422) nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot verstößt, obwohl die Neuregelungen zum Teil an einen in der Vergangenheit abgeschlossenen Sachverhalt anknüpfen und ihn für die Zukunft mit der Folge neu regeln, dass eine bei Eintritt des Schadensausgleichs noch nicht bestehende Rückzahlungspflicht Platz greift.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes folgt aus Art. 1 § 72 KostRMoG, § 14 i.V.m § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.
Unterschriften
van Schewick, Dr. Dette, Liebler
Fundstellen