Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Rechtsbeschwerde in Kostensachen
Leitsatz (amtlich)
Auch eine zugelassene Rechtsbeschwerde ändert nichts daran, dass sie in Kostensachen nach § 23a Abs. 2 WBO i. V. m. § 158 Abs. 1 VwGO unstatthaft ist.
Verfahrensgang
Truppendienstgericht Nord (Beschluss vom 25.01.2023; Aktenzeichen N5 BLc 3/22 und N 5 RL 1/23) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Soldaten gegen den Beschluss der 5. Kammer des Truppendienstgerichts Nord vom 25. Januar 2023 wird verworfen.
Der Soldat trägt die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand
Rz. 1
Die Rechtsbeschwerde betrifft eine Kostenentscheidung.
Rz. 2
Der Soldat beschwerte sich gegen die Feststellung eines Dienstvergehens in einer Absehensverfügung. Nachdem seine Beschwerde mit Entscheidung vom 6. Juli 2022 zurückgewiesen worden war, erhob er durch seinen Verfahrensbevollmächtigten weitere Beschwerde. Das Truppendienstgericht Nord gab der weiteren Beschwerde mit Beschluss vom 25. Januar 2023 statt und hob die Absehensverfügung sowie den Beschwerdebescheid antragsgemäß auf. Ferner stellte es fest, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten nicht erforderlich war. Die notwendigen Auslagen des Soldaten wurden dem Bund auferlegt mit Ausnahme derjenigen, die durch die Beauftragung des Bevollmächtigten entstanden waren. In der Begründung wird ausgeführt, nach § 42 WDO i. V. m. § 20 Abs. 1 Satz 1, § 16a Abs. 3 WBO habe der Bund nur die notwendigen Aufwendungen des Beschwerdeführers zu tragen. Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten sei nicht erforderlich gewesen. Das Beschwerdeverfahren habe keine schwierigen Sach- und Rechtsfragen aufgeworfen. Der Soldat hätte sich aufgrund der erkennbar unzureichenden Tenorierung und der dünnen Beweislage selbst verteidigen können. Auch sein Bevollmächtigter habe nur einen Satz zur Sache geschrieben. Da der Soldat im Beschwerdebescheid ordnungsgemäß belehrt worden sei, wäre es ihm leicht möglich gewesen, die weitere Beschwerde selbst einzulegen. Das Truppendienstgericht ließ die Rechtsbeschwerde nicht zu und stellte den Beschluss mit einer Rechtsbehelfsbelehrung über die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde am 9. Februar 2023 zu.
Rz. 3
Der Bevollmächtigte des Soldaten beantragte am 8. März 2023 erstens eine Klar- und Richtigstellung des Kostentenors, da nach § 20 Abs. 4 WBO i. V. m. § 140 Abs. 8 Nr. 2 WDO die Kosten eines Rechtsanwalts im gerichtlichen Verfahren stets zu erstatten seien. Zweitens erhob er eine Anhörungsrüge und drittens beantragte er, die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss zuzulassen. Es liege ein Verfahrensmangel in Form einer unzulässigen Überraschungsentscheidung vor. Da im gerichtlichen Verfahren die Anwaltskosten stets zu erstatten seien, habe der Soldat mit dieser Kostenentscheidung nicht rechnen müssen. Dadurch sei sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden. Das Truppendienstgericht hat mit Beschluss vom 26. April 2023 den Anhörungsmangel eingeräumt und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Der Beschluss ist dem Bevollmächtigten am 11. Mai 2023 zugestellt worden. In der am Montag, den 12. Juni 2023 eingegangenen Begründung der Rechtsbeschwerde wiederholt er im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen.
Rz. 4
Der Beschwerdeführer beantragt,
I. den Beschluss des Truppendienstgerichts Nord vom 25. Januar 2023 abzuändern und den Tenor wie folgt neu zu fassen:
1. Der weiteren Beschwerde wird stattgegeben.
2. Die Verfügung des Leiters... vom 24. Mai 2022 hinsichtlich der Feststellung eines Dienstvergehens sowie der Beschwerdebescheid des Leiters... vom 6. Juli 2022 werden aufgehoben.
3. Die dem Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Truppendienstgericht einschließlich der im Vorverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen werden dem Bund auferlegt.
II. Die dem Beschwerdeführer im Rechtsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht entstandenen notwendigen Aufwendungen dem Bund aufzuerlegen.
Rz. 5
Die Bundeswehrdisziplinaranwältin hat sich den Ausführungen des Bevollmächtigten angeschlossen. Die Kostenentscheidung des Truppendienstgerichts sei fehlerhaft. Die von ihm angewandte Regelung des § 16a WBO beziehe sich nur auf Kostenentscheidungen im vorgerichtlichen Verfahren.
Rz. 6
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Beteiligten mit Schreiben vom 18. September 2023 auf den Rechtsmittelausschluss nach § 23a Abs. 2 WBO i. V. m. § 158 Abs. 1 VwGO hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Verfahrensakten des Truppendienstgerichts Nord haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Rz. 7
Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig.
Rz. 8
1. Gemäß § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 158 Abs. 1 VwGO können Kostenentscheidungen nur zusammen mit dem Rechtsmittel in der Hauptsache angefochten werden. Die Vorschrift des § 158 Abs. 1 VwGO bezweckt, die oberen Gerichte von Rechtsmitteln zu entlasten, die nur wegen der Kosten eingelegt werden. Darum greift sie auch ein, wenn ein Verfahrensbeteiligter in der Hauptsache nicht belastet ist, aber formal die Hauptsacheentscheidung einbezieht, um eine Korrektur der Kostenentscheidung zu erreichen (BVerwG, Beschlüsse vom 14. Juni 1999 - 4 B 18.99 - Buchholz 310 § 158 VwGO Nr. 9 S. 2 und vom 19. November 2002 - 7 B 104.02 - juris Rn. 3). So liegt der Fall hier. Denn der Soldat wendet sich in der Sache nur noch gegen die Kostenentscheidung. Soweit er auch in der Hauptsache eine Änderung des Tenors beantragt, ist er dadurch nicht mehr beschwert.
Rz. 9
§ 158 VwGO gilt nach seinem Entlastungszweck für sämtliche Kostenentscheidungen (Wöckel, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 158 Rn. 2). Der Rechtsmittelausschluss greift daher grundsätzlich auch dann, wenn es um die Erstattung der Aufwendungen für einen Bevollmächtigten geht. Zwar anerkennt die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung mehrheitlich eine Ausnahme für den Fall, dass ein Gericht nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren entscheidet. Weil diese Feststellung nicht zur Kostengrundentscheidung gehört, ist sie als Festlegung im Kostenfestsetzungsverfahren nach überwiegender Meinung mit der Beschwerde gemäß § 146 VwGO anfechtbar (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 1967 - 7 C 128.66 - BVerwGE 27, 39 ≪41≫; OVG Greifswald, Beschluss vom 30. April 2002 - 2 O 42.00 - NVwZ 2002, 1129 ≪1129≫ m. w. N.). Dieses Rechtsmittel gibt es jedoch in der Wehrbeschwerdeordnung nicht. Gemäß § 16a Abs. 5 Satz 3 WBO entscheidet der Vorsitzende des Truppendienstgerichts über die Kostenfestsetzung "endgültig".
Rz. 10
Die Unzulässigkeit einer isolierten Anfechtung der Kostenentscheidung ergibt sich in Wehrbeschwerdesachen auch aus § 20 Abs. 4 WBO, der nur die entsprechende Anwendung von § 141 Abs. 1 und 2 WDO, nicht jedoch von § 141 Abs. 5 WDO (Kostenbeschwerde) anordnet (BVerwG, Beschluss vom 26. Februar 2018 - 1 WNB 5.17 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 99 Rn. 14 und vom 16. Mai 2018 - 1 WNB 4.17 - juris Rn. 25). Darum ist in Kostenfragen auch keine Rechtsbeschwerde vorgesehen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28. Februar 1996 - 6 B 65.95 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 362 S. 130 f. und vom 29. Juli 2009 - 5 B 46.09 - juris Rn. 5).
Rz. 11
2. Die Rechtsbeschwerde ist im vorliegenden Fall auch nicht deswegen ausnahmsweise eröffnet, weil das Truppendienstgericht sie durch Beschluss vom 26. April 2023 zugelassen hat. Denn die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist - wie die Zulassung der Revision - nur eine von mehreren Zulässigkeitsvoraussetzungen. Darum beseitigt eine Zulassungsentscheidung aufgrund ihrer Bindungswirkung nach § 22a Abs. 3 WBO nur das gesetzliche Zulassungserfordernis. Sie präjudiziert nicht die anderen Zulassungsvoraussetzungen und überwindet keinen gesetzlichen Rechtsmittelausschluss (vgl. BGH, Beschluss vom 12. September 2002 - III ZB 43/02 - NJW 2002, 3554 ≪3554≫; BVerwG, Beschluss vom 28. März 2006 - 6 C 13.05 - Buchholz 442.041 PostG Nr. 8 Rn. 12; Kraft, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 132 Rn. 9 und 63).
Rz. 12
3. Die Rechtsbeschwerde ist auch nicht nach dem prozessualen Grundsatz der Meistbegünstigung ausnahmsweise statthaft. Das Meistbegünstigungsprinzip stellt eine Ausprägung der verfassungsrechtlichen Grundsätze der allgemeinen Gleichheit vor dem Gesetz und des Vertrauensschutzes dar. Es greift zunächst in den Fällen inkorrekter Entscheidungen ein. Hat ein Gericht eine der Form nach unrichtige Entscheidung gewählt, steht der Partei dasjenige Rechtsmittel zur Wahl, welches nach der Art der ergangenen Entscheidung statthaft ist, und außerdem das Rechtsmittel, das bei einer in der richtigen Form getroffenen Entscheidung gegeben wäre (BVerwG, Beschluss vom 9. Dezember 2022 - 2 WNB 1.22 - Buchholz 450.2 § 20 WDO 2002 Nr. 7 Rn. 8 m. w. N.). Über die Fälle inkorrekter Entscheidungen hinaus kommt es immer dann zur Anwendung, wenn für den Rechtsmittelführer eine Unsicherheit, das einzulegende Rechtsmittel betreffend, besteht, sofern diese auf einem Fehler oder einer Unklarheit der anzufechtenden Entscheidung oder auf einem unzutreffenden Hinweis des Gerichts beruht (BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2002 - VIII ZB 27/02 - BGHZ 152, 213 ≪216≫ und Urteil vom 5. November 2003 - VIII ZR 10/03 - NJW 2004, 1598 ≪1599≫). Dies setzt jedoch voraus, dass die Prozesspartei auf Anregung des Gerichts den falschen anstelle des statthaften Rechtsbehelfs ergreift. Legt sie neben dem falschen zugleich den richtigen Rechtsbehelf ein, ist die zusätzliche Eröffnung des von der Rechtsordnung nicht vorgesehenen Rechtsbehelfs nach dem Sinn des Meistbegünstigungsprinzips nicht geboten (BGH, Urteil vom 13. Dezember 2004 - II ZR 249/03 - BGHZ 161, 343 ≪347 f.≫).
Rz. 13
So liegen die Dinge hier. Der Bevollmächtigte des Soldaten hat mit Schreiben vom 8. März 2023 gleichzeitig Nichtzulassungsbeschwerde und Anhörungsrüge erhoben. Er wurde zwar dann durch die unrichtige Zulassung der Rechtsbeschwerde im Beschluss des Truppendienstgerichts vom 26. April 2023 zu der unzutreffenden Annahme verleitet, dass die Rechtsbeschwerde in Kostensachen statthaft sein könnte. Er hat aber dadurch den nach dem Gesetz für den Fall der unanfechtbaren Kostenentscheidung vorgesehenen Rechtsbehelf der Anhörungsrüge gemäß § 23a Abs. 3 WBO i. V. m. § 152a VwGO nicht verloren.
Rz. 14
4. Soweit im vorliegenden Fall eine Versäumung der zweiwöchigen Frist für die Anhörungsrüge in Rede steht, ist die Verspätung jedenfalls nicht durch die Zulassungsentscheidung des Truppendienstgerichts verursacht. Inwieweit andere unvermeidbare Fristversäumnisgründe im Sinne des § 7 WBO vorliegen, wird das Truppendienstgericht zu prüfen haben (zur Anwendbarkeit dieser Vorschrift vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. August 2019 - 2 WNB 5.19 - Buchholz 450.1 § 7 WBO Nr. 8 Rn. 6 ff.). Dabei kommt eine Anwendung des § 7 Abs. 2 WBO wegen einer im vorliegenden Fall irreführenden Rechtsbehelfsbelehrung in Betracht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. November 2012 - 1 WB 3.12 - NZWehrr 2013, 168 ≪169 f.≫). Die im Beschluss vom 25. Januar 2023 erteilte Rechtsbehelfsbelehrung über die Möglichkeit der Erhebung einer Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht allgemein formuliert worden, sondern ausdrücklich an den Bund und den Beschwerdeführer gerichtet (vgl. dazu BVerwG, Beschlüsse vom 11. März 2010 - 7 B 36.09 - Buchholz 310 § 58 VwGO Nr. 89 Rn. 15 f.). Sie ist für den in der Sache beschwerten Bund richtig. Sie ist aber für den Soldaten unrichtig und irreführend, weil er aufgrund des Rechtsmittelausschlusses gerade keine Nichtzulassungsbeschwerde erheben kann. Es dürfte auch nicht auszuschließen sein, dass der Bevollmächtigte des Soldaten bei einer korrekten Belehrung sich die für Anhörungsrügen geltende Zwei-Wochen-Frist notiert hätte.
Rz. 15
5. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens sind nach § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 154 Abs. 2 VwGO vom Beschwerdeführer zu tragen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Februar 2018 - 1 WRB 2.17 - Buchholz 450.1 § 23a WBO Nr. 5 Rn. 2). Die Gerichtskosten des gebührenfreien Verfahrens, die hier allerdings nur Schreibauslagen umfassen, sind nach § 21 GKG wegen unrichtiger Sachbehandlung niederzuschlagen. Denn das Truppendienstgericht hat die Rechtsbeschwerde zu Unrecht zugelassen. Die außergerichtlichen Kosten des Soldaten können nicht teilweise oder ganz erstattet werden, weil es bei einem kostenverursachenden Verschulden des Gerichts an einer Rechtsgrundlage dafür fehlt (BVerwG, Beschluss vom 4. Juni 1991 - 4 B 189.90 - juris Rn. 2; OVG Bautzen, Beschluss vom 17. Februar 2020 - 4 E 13/20.A - juris Rn. 6; Wöckel, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 155 Rn. 14).
Fundstellen
Haufe-Index 16020125 |
NVwZ 2024, 349 |