Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Beschluss vom 10.04.2007; Aktenzeichen 3 BV 07.344) |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 10. April 2007 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1 375,80 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision kann keinen Erfolg haben. Der Beklagte hat weder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO dargelegt noch einen Verfahrensmangel gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO bezeichnet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch Beschluss gemäß § 130a VwGO das erstinstanzliche Urteil bestätigt, das dem Kläger ergänzende Besoldungsleistungen zur Deckung des Mehrbedarfs seines dritten Kindes für die Jahre 2002, 2003 und 2004 auf der Grundlage der Vollstreckungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts unter Ziffer 2 der Entscheidungsformel seines Beschlusses vom 24. November 1998 – 2 BvL 26/91 u.a. – (BVerfGE 99, 300 ≪304≫) zugesprochen hat.
Der Beklagte hält die Frage für rechtsgrundsätzlich bedeutsam, ob diese Vollstreckungsanordnung für die hier maßgebenden Jahre gegenstandslos geworden ist. Er bejaht diese Frage mit der Begründung, die vom Bundesverfassungsgericht vorgegebene Methode zur Berechnung des Nettoeinkommens und des kinderbezogenen Mehrbedarfs der Beamten könne aufgrund der in der Beschwerdebegründung dargelegten Rechtsänderungen nicht mehr angewandt werden.
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf (Beschluss vom 2. Oktober 1961 – BVerwG 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 ≪91≫; stRspr). Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich nicht, dass diese Voraussetzungen hier vorliegen:
Soweit es um ergänzende Besoldungsleistungen für das dritte Kind und weitere Kinder im Jahr 2003 geht, hat der Senat die rechtsgrundsätzliche Bedeutung der vom Beklagten aufgeworfenen Frage bereits in dem Beschluss vom 29. Mai 2007 – BVerwG 2 B 3.07 – verneint. Zur Begründung hat der Senat darauf abgestellt, das nach der Berechnungsmethode des Bundesverfassungsgerichts maßgebende besoldungs-, sozial- und steuerrechtliche Regelungsgefüge im Jahr 2003 könne die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung schon deshalb nicht rechtfertigen, weil die Regelungen für die Zeit ab dem Jahr 2004 durch eine in vielfacher Weise anders gestaltete Gesamtregelung abgelöst worden seien. Damit handele es sich um ausgelaufenes Recht, für das regelmäßig kein Bedarf an revisionsgerichtlicher Klärung anzuerkennen sei. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil der Beschluss vom 29. Mai 2007 den Verfahrensbeteiligten bekannt ist (vgl. § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO). An der darin vertretenen Rechtsauffassung wird festgehalten. Sie beansprucht gleichermaßen Geltung für Rechtsfragen, die ergänzende Besoldungsleistungen für das Jahr 2002 betreffen.
Soweit es um ergänzende Besoldungsleistungen im Jahr 2004 geht, besteht kein Bedarf an der Durchführung eines Revisionsverfahrens, weil die vom Beklagten aufgeworfene Rechtsfrage aufgrund des Urteils des Senats vom 17. Juni 2004 – BVerwG 2 C 34.02 – (BVerwGE 121, 91≪95 ff.≫) ohne weiteres beantwortet werden kann. In diesem Urteil hat der Senat ausgeführt:
Durch die Vollstreckungsanordnung habe das Bundesverfassungsgericht den Verwaltungsgerichten die Befugnis eingeräumt, Beamten im Hinblick auf den Mehrbedarf für das dritte Kind und weitere Kinder ergänzende Besoldungsleistungen über die gesetzlich vorgesehenen Beträge hinaus zuzusprechen. Die Verwaltungsgerichte seien mit Wirkung vom 1. Januar 2000 für die Zukunft verpflichtet, im Falle weiterhin unzureichender Gesetzgebung Besoldungsansprüche unmittelbar zuzuerkennen. Selbst quantitativ beachtliche Anstrengungen des Gesetzgebers führten nicht ohne weiteres dazu, dass die Vollstreckungsanordnung obsolet werde. Verbleibe trotz der Bemühungen um eine Verbesserung der finanziellen Situation kinderreicher Beamter ein verfassungswidriges Besoldungsdefizit, so hätten die benachteiligten Beamten ab dem 1. Januar 2000 einen unmittelbar verfassungsbegründeten und durch die Vollstreckungsanordnung formell legitimierten Anspruch auf erhöhte familienbezogene Besoldung. Dies gelte jedenfalls solange, wie ein einheitlicher Zusatzbetrag für das dritte und jedes weitere Kind gesetzlich vorgesehen und schon nach dem Rechenwerk in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24. November 1998 a.a.O. ≪323 ff.≫ absehbar sei, dass dieser Betrag nicht für alle Besoldungsgruppen den verfassungsrechtlichen Anforderungen genüge. Die Vollstreckungsanordnung entfalle, wenn der Gesetzgeber aus eigener Kompetenz die Maßstäbe gebildet und Parameter festgelegt habe, nach denen die Besoldung der kinderreichen Beamten bemessen und der Bedarf eines dritten und jedes weiteren Kindes ermittelt werde.
Daraus wird deutlich, dass der Senat den Zweck der Vollstreckungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. November 1998 darin sieht, den Gesetzgeber zur Beseitigung des vom Gericht zum wiederholten Mal festgestellten verfassungswidrigen Besoldungsdefizits anzuhalten. Dieser Zweck würde offensichtlich verfehlt, wenn ihre Geltung für die Folgejahre von dem unveränderten Fortbestand der besoldungs-, steuer- und kindergeldrechtlichen Lage des Jahres 2000 abhängig gemacht würde. Zweckwidrig wäre es auch, die Vollstreckungsanordnung schon deshalb für gegenstandslos zu erklären, weil der Gesetzgeber Maßnahmen getroffen hat, die für sich genommen zu einer finanziellen Besserstellung von Beamten mit mehr als zwei Kindern führen. Vielmehr beansprucht die Vollstreckungsanordnung Geltung, solange sich bei Anwendung der vom Bundesverfassungsgericht bindend vorgegebenen Berechnungsmethode im Ergebnis ein verfassungswidriges Besoldungsdefizit zum Nachteil kinderreicher Beamter ergibt, d.h. der Familienzuschlag einer Besoldungsgruppe für das dritte und jedes weitere Kind verfassungswidrig zu niedrig festgesetzt ist. Dies setzt zwangsläufig voraus, dass die Berechnungsmethode ungeachtet der inzwischen eingetretenen Rechtsänderungen noch sinnvoll anwendbar ist.
Soweit ersichtlich wird diese Rechtsauffassung von der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung einhellig geteilt. Sie liegt auch der Berufungsentscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zugrunde. Davon ausgehend sind die in der Beschwerdebegründung angeführten Rechtsänderungen nicht geeignet, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu begründen. Zudem hat der Beklagte keine Anhaltspunkte dargelegt, die darauf hindeuten, dass die Berechnungsmethode obsolet geworden sein könnte. Hierzu ist ergänzend zu bemerken:
Die Berechnungsmethode des Bundesverfassungsgerichts sieht eine pauschale Berücksichtigung der steuerlichen Belastungen auf der Grundlage der besonderen Lohnsteuertabelle für Beamte vor. Demzufolge bleiben steuerrechtliche Vorteile, die sich aus individuellen Umständen ergeben, bei der Ermittlung, ob ein Besoldungsdefizit besteht, außer Betracht. Dies betrifft die vorübergehend bestehende Möglichkeit, erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten gemäß § 33c EStG als außergewöhnliche Belastungen steuerlich abzusetzen.
Die vom Beklagten weiter angeführte Erhöhung der Freibeträge gemäß § 32 Abs. 6 EStG hat nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht zur Beseitigung des verfassungswidrigen Besoldungsdefizits geführt. Diese Feststellungen hat sich der Verwaltungsgerichtshof zu Eigen gemacht, sodass sie den Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO binden.
Auch der Umstand, dass Bund und Länder seit dem Jahr 2003 die jährlichen Sonderzahlungen in eigener Zuständigkeit und demzufolge in unterschiedlicher Höhe regeln, führt offensichtlich nicht zur Unanwendbarkeit der vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Berechnungsmethode. Denn das anzusetzende Nettoeinkommen kann auf der Grundlage der für den jeweiligen Beamten maßgeblichen landesrechtlichen Vorschriften ermittelt werden.
Schließlich liegt eine maßgebende Änderung der Berechnungsgrundlagen auch nicht darin, dass der Wohngeld- und Mietenbericht der Bundesregierung nicht mehr in einem zweijährigen, sondern in einem vierjährigen Turnus erscheint. Der in diesem Bericht abgedruckte Mietindex des Statistischen Bundesamtes kann nach wie vor herangezogen werden, um die durchschnittlichen kinderbezogenen Unterkunftskosten zu ermitteln. Hierfür müssen die im Mietindex genannten Beträge durch Anwendung von Prozentsätzen, die die Entwicklung der Mieten ausdrücken, auf das jeweilige Jahr umgerechnet werden (vgl. Urteil vom 17. Juni 2004 a.a.O. ≪102≫).
Entgegen der vom Beklagten vertretenen Rechtsauffassung stellt es keinen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO dar, dass der Verwaltungsgerichtshof das Berufungsverfahren nicht gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG ausgesetzt hat, um die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Die Frage, ob ein Verfahrensmangel vorliegt, ist stets auf der Grundlage der entscheidungserheblichen materiellrechtlichen Auffassung des Gerichts zu beantworten, bei dem das Verfahren anhängig gewesen ist. Nach dem insoweit maßgebenden Rechtsstandpunkt des Verwaltungsgerichtshofs hat kein Anlass für eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht bestanden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 3 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Kugele, Groepper, Dr. Heitz
Fundstellen