Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung – des Personalratsbeschlusses. Gruppenbeschluß, Aussetzung eines – auf Antrag einer am Beschluß nicht beteiligten Gruppe
Leitsatz (amtlich)
1. Bei einem Gruppenbeschluß kann auch eine am Beschluß nicht beteiligte Gruppe die Aussetzung gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 LPVG NW (= § 39 Abs. 1 Satz 1 BPersVG) beantragen.
2. In Mitbestimmungsangelegenheiten ist ein Aussetzungsantrag einer am Beschluß nicht beteiligten Gruppe nicht darauf zu überprüfen, ob der Antrag auf Gründe gestützt wird, die bei einer erneuten Beschlußfassung als beachtliche Zustimmungsverweigerungsgründe berücksichtigt werden könnten.
3. Der Vorsitzende eines Personalrats darf einem Aussetzungsantrag jedoch nicht entsprechen, wenn sich die Ausübung des Antragsrechts unzweifelhaft als Rechtsmißbrauch darstellt.
Normenkette
LPVG NW § 35 Abs. 1 S. 1; BPersVG § 39 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Beschluss vom 30.08.1989; Aktenzeichen CL 45/86) |
VG Düsseldorf (Beschluss vom 17.07.1986; Aktenzeichen PVL 26/86) |
Tenor
Der Beschluß des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen – Fachsenat für Landespersonalvertretungssachen – vom 30. August 1989 wird aufgehoben.
Der Beschluß des Verwaltungsgerichts Düsseldorf – Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen – vom 17. Juli 1986 wird dahin geändert, daß auch die Anträge zu 1 und 2 des Antragstellers abgelehnt werden.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 6 000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Gegenstand des Verfahrens sind Fragen der Rechtmäßigkeit einer Aussetzung von Personalratsbeschlüssen.
Dem Personalrat der Stadt Solingen, dem Beteiligten zu 1, gehörten 1986 acht Angestellte, fünf Arbeiter und vier Beamte an. Der Antragsteller ist ein wiedergewählter Vertreter der Beamtengruppe.
Am 11. März 1986 hatte der Beteiligte zu 1 unter dem Tagesordnungspunkt 1.3 darüber zu beschließen, ob er der vom Oberstadtdirektor, dem Beteiligten zu 2, beabsichtigten Einweisung der Stadtassistentin S. (Besoldungsgruppe A 5) in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 6 zustimme. Eine Ausschreibung hatte zuvor nicht stattgefunden. Die Vertreter der Beamtengruppe widersprachen einer gemeinsamen Beschlußfassung und stimmten der beabsichtigten Maßnahme einstimmig zu. Daraufhin beantragte die Mehrheit der Gruppe der Angestellten, den Beschluß auszusetzen. Sie begründete dies damit, daß die Stelle hätte ausgeschrieben werden müssen; andernfalls ergebe sich eine Ungleichbehandlung sowohl gegenüber anderen Beamten als auch gegenüber den Angestellten, da ihnen die Möglichkeit einer Bewerbung genommen werde. In derselben Sitzung hatte der Beteiligte zu 1 weiterhin unter Tagesordnungspunkt 1.4.3 über die beantragte Zustimmung zur Einstellung von 25 Stadtassistenten-Anwärtern zu beschließen. Auch hier beschloß die Gruppe der Beamten allein die Zustimmung. Insoweit beantragten nunmehr die Jugend- und Auszubildendenvertretung und die Gruppe der Angestellten jeweils mehrheitlich die Aussetzung des Beschlusses. Beide forderten, daß zunächst einmal geklärt werden müsse, ob es gerechtfertigt sei, nur fünf Auszubildende für den Beruf des Verwaltungsfachangestellten und 25 Stadtassistentenanwärter einzustellen. Der Vorstand des Beteiligten zu 1 behandelte die Beschlüsse zu beiden Tagesordnungspunkten als ausgesetzt.
Daraufhin hat der Antragsteller das Beschlußverfahren eingeleitet und unter anderem beantragt
festzustellen, daß
- die in der 87. Sitzung des Beteiligten zu 1 am 11. März 1986 unter Tagesordnungspunkt 1.3 aufgrund des Aussetzungsantrages der Mehrheit der Vertreter der Angestelltengruppe erfolgte Aussetzung rechtswidrig gewesen ist,
- die in derselben Sitzung aufgrund der Aussetzungsanträge der Mehrheit der Vertreter der Angestelltengruppe und der Jugend- und Auszubildendenvertretung erfolgten Aussetzungen zu Tagesordnungspunkt 1.4.3 rechtswidrig gewesen sind.
Das Verwaltungsgericht hat einen weiteren Antrag (zu 3.) rechtskräftig abgelehnt, jedoch den Anträgen zu 1. und 2. stattgegeben, weil in diesen Fällen eine erhebliche Beeinträchtigung wichtiger Interessen der Gruppe der Angestellten nicht geltend gemacht worden sei.
Dagegen hat der Beteiligte zu 1 Beschwerde eingelegt.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Es ist davon ausgegangen, daß nach § 35 Abs. 1 Satz 1 LPVG NW die Aussetzung auch solcher Beschlüsse verlangt werden könne, die gemäß § 34 Abs. 2 LPVG NW nur von den Vertretern einer Gruppe gefaßt worden seien. Dabei komme es nicht darauf an, ob objektiv wichtige Interessen derjenigen Beschäftigten erheblich beeinträchtigt würden, deren Gruppenvertreter im Personalrat die Aussetzung beantragten, sondern darauf, ob die Gruppenvertreter diese Voraussetzung aus ihrer Sicht für gegeben hielten. Der Personalrat dürfe aber Anträgen, die offensichtlich unbegründet seien, weil sie sich z.B. auf Gründe stützten, die mit der Gruppe nichts zu tun hätten, nicht entsprechen. Eine Aussetzung habe zu unterbleiben, wenn sie mit Gründen beantragt werde, die bei einer erneuten Beschlußfassung in der Angelegenheit nicht berücksichtigt werden könnten. Unter diesem Gesichtspunkt erwiesen sich die Aussetzungen beider Beschlüsse als rechtswidrig. Bei der Einweisung der Stadtassistentin in eine A-6- Planstelle sei auch aus der Sicht der Gruppenvertreter selbst bei großzügiger Betrachtung nicht ersichtlich, wie hierdurch wichtige Interessen der Angestellten erheblich beeinträchtigt worden sein sollten, die der Personalrat im Rahmen der Mitbestimmung nach § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LPVG NW geltend machen könne. Etwas anderes käme möglicherweise etwa dann in Betracht, wenn eine Planstelle mit einem Beschäftigten einer Gruppe besetzt werden solle, für welche die Planstelle nicht vorgesehen sei. Ein solcher Fall liege hier aber nicht vor. Falls eine Gruppe meine, gegenüber einer anderen Gruppe zahlenmäßig benachteiligt zu werden, könne sie dies allenfalls bei der Aufstellung des Stellenplans geltend machen, der gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 der Gemeindehaushaltsverordnung die im Haushaltsjahr erforderlichen Stellen der Beamten und der nicht nur vorübergehend beschäftigten Angestellten und Arbeiter auszuweisen habe. Ähnliches gelte hinsichtlich der die 25 Stadtassistenten- Anwärter betreffenden Aussetzungen. Auch die diesbezüglichen Anträge seien offensichtlich unbegründet gewesen, weil die dafür vorgetragenen Gründe außerhalb des durch den Mitbestimmungstatbestand vorgegebenen Rahmens lägen und folglich eine etwa darauf gestützte Zustimmungsverweigerung unbeachtlich wäre. Die Mitbestimmung bei der Einstellung (§ 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LPVG NW) beziehe sich allein auf die Eingliederung, auf die auszuübende Tätigkeit und – bei Angestellten und Arbeitern – auf die Eingruppierung. Gegenstand der Mitbestimmung sei hingegen nicht die Art des Beschäftigungsverhältnisses.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Rechtsbeschwerde, mit welcher der Beteiligte zu 1 die unrichtige Anwendung des § 35 Abs. 1 LPVG NW rügt. Die Vorschrift sehe weder eine Beschlußfassung des Personalrats über einen Aussetzungsantrag noch ein Nachprüfungsrecht des Personalrats zur materiellen Rechtmäßigkeit des Aussetzungsantrages vor, zumal eine Begründung des Antrages nicht vorgeschrieben sei und er durchaus auch auf subjektive Auffassungen gestützt werden dürfe. Darüber hinaus widerspreche es Sinn und Zweck der Vorschrift, den Personalrat nach einer Mehrheitsentscheidung sogleich mehrheitlich darüber entscheiden zu lassen, ob er einen gegen diese Entscheidung beschlossenen und auf subjektive Gründe gestützten Aussetzungsantrag als offensichtlich unbegründet ansehe. Bei Beschlüssen einer Gruppe könne es für die übrigen Mitglieder des Personalrats ohnehin nur darum gehen, vor einer erneuten Beschlußfassung eine abermalige Beratung zu erzwingen. Angesichts der eintretenden Zeitverzögerung von nur einer Woche müsse ein Rückgriff auf die allgemeine Grenze des Rechtsmißbrauchs ausreichen.
Der Beteiligte zu 1 beantragt sinngemäß,
den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 30. August 1989 aufzuheben und die Anträge des Antragstellers unter Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 17. Juli 1986 zurückzuweisen.
Der Antragsteller beantragt,
die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, daß ein Aussetzungsrecht in Gruppenangelegenheiten generell nicht in Betracht komme. Im übrigen verteidigt er den angefochtenen Beschluß. Entgegen der Meinung der Rechtsbeschwerde hält er die materielle Überprüfung eines Aussetzungsantrages durch den Personalrat für möglich und sinnvoll. Wenn der Wortlaut des § 35 Abs. 1 Satz 1 LPVG NW davon spreche, daß der Beschluß „auszusetzen ist”, müsse jedenfalls davon ausgegangen werden, daß noch etwas zu veranlassen sei. In der Literatur sei anerkannt, daß wenigstens eine stichwortartige Begründung des Aussetzungsbegehrens verlangt werden könne. Selbst die auch vom Beteiligten zu 1 zugestandene Möglichkeit der Abwehr eines Rechtsmißbrauchs setze eine gewisse Plausibilitätskontrolle voraus. Vergleichbares müsse aber auch bei Aussetzungsanträgen möglich sein, wenn sie offensichtlich unbegründet seien, weil sie auf Gründe gestützt würden, die bei einer Zustimmungsverweigerung unbeachtlich seien. Da in diesen Fällen die vom Gesetzgeber angestrebte Verständigung innerhalb des Personalrats von vornherein nicht in Betracht komme, müsse solchen rechtswidrigen Anträgen wirksam begegnet werden können.
Der Oberbundesanwalt beteiligt sich am Verfahren. Er meint, daß nicht nur ein gemeinsamer Beschluß des Plenums, sondern auch der Beschluß einer oder zweier Gruppen in Gruppenangelegenheiten Gegenstand einer Aussetzung sein könne. Im übrigen erscheine zwar ein über die formelle Überprüfung hinausgehendes Prüfungsrecht, das nach allgemeiner Meinung nur dem Personalratsvorsitzenden zustehen könne, vor allem bei mutwilligen und schikanösen Aussetzungsanträgen in Fällen besonderer Dringlichkeit wünschenswert. Ein solches materielles Prüfungsrecht führe jedoch zu Abgrenzungsschwierigkeiten und laufe auch auf eine funktionswidrige Erweiterung der Kompetenzen des Personalratsvorsitzenden hinaus. Da eindeutig mutwilligen und schikanösen Anträgen außerdem durch Ausschlußverfahren gemäß § 25 LPVG NW begegnet werden könne, bestehe kaum ein praktischer Bedarf an einer das formelle Prüfungsrecht überschreitenden Überprüfung der Aussetzungsanträge.
Entscheidungsgründe
II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und – unter Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung – zur Ablehnung der noch rechtshängigen Anträge des Antragstellers. Der Beschluß des Beschwerdegerichts verletzt § 35 Abs. 1 Satz 1 LPVG NW.
1. Das Oberverwaltungsgericht ist mit Recht von der Zulässigkeit der Anträge ausgegangen. Wie die Stellung der Vorschrift im dritten Abschnitt des zweiten Kapitels des Personalvertretungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen zeigt, regelt § 35 Abs. 1 Satz 1 LPVG NW eine Frage der Geschäftsführung des Personalrats. Darüber haben nach § 79 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 LPVG NW die Verwaltungsgerichte im personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahren zu entscheiden. Auch die Antragsbefugnis des Antragstellers und das Rechtsschutzbedürfnis hat das Oberverwaltungsgericht unter zutreffender Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Recht bejaht. Zwar war hier die Wochenfrist des § 35 Abs. 1 Satz 1 LPVG NW bei Antragstellung längst abgelaufen. Der konkrete Anlaß des Verfahrens hatte sich also erledigt. Das Beschwerdegericht hat jedoch festgestellt, daß sich die Streitfrage jederzeit wieder stellen kann, weil die Vertreter der Gruppe der Angestellten und die Auszubildenden- und Jugendvertretung wiederholt die Aussetzung von Beschlüssen beantragt haben und sich dies in der Zukunft wiederholen kann. Unter diesen Voraussetzungen ist nach der Rechtsprechung des beschließenden Senats (vgl. Beschluß vom 27. Februar 1986 – BVerwG 6 P 32.82 – Buchholz 238.37 § 79 NWPersVG Nr. 3) ein Rechtsschutzinteresse anzunehmen.
2. Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts sind auch die noch rechtshängigen Anträge zu 1. und 2. nicht begründet.
Ausgangspunkt der rechtlichen Würdigung ist § 35 Abs. 1 Satz 1 LPVG NW. Nach dieser Vorschrift ist dann, wenn die Mehrheit der Vertreter einer Gruppe oder der Jugend- und Auszubildendenvertretung einen Beschluß des Personalrats als eine erhebliche Beeinträchtigung wichtiger Interessen der durch sie vertretenen Beschäftigten erachtet, auf ihren Antrag der Beschluß auf die Dauer einer Woche vom Zeitpunkt der Beschlußfassung an auszusetzen. In dieser Frist soll gemäß Satz 2 dieser Vorschrift, gegebenenfalls mit Hilfe der unter den Mitgliedern vertretenen Gewerkschaften, eine Verständigung versucht werden.
a) Bei der Auslegung der genannten Regelung ist das Oberverwaltungsgericht zunächst zutreffend davon ausgegangen, daß die Aussetzung nicht nur bei Beschlüssen des Personalratsplenums in gemeinsamen Angelegenheiten in Betracht kommt. Nach einer in der Literatur zum Personalvertretungsrecht nahezu einhellig vertretenen Auffassung ist der Aussetzungsantrag auch dann zulässig, wenn ihm in Gruppenangelegenheiten ein Beschluß der Vertreter der betroffenen Gruppe(n) vorausgegangen ist und der Antrag von den Vertretern einer anderen Gruppe gestellt wird (vgl. Bay.VGH, Beschluß vom 14. Dezember 1983 – Nr. 17 C 82 A. 1282 – PersV 1985, 340 ≪341≫; Altvater/Bacher/Hörter/Sabottig/Schneider, BPersVG, 3. Aufl., § 39 Rdnr. 2; Dietz/Richardi, Bundespersonalvertretungsgesetz, 2. Aufl., § 39 Rdnr. 5; Fischer/Goeres in: Fürst GKÖD K § 39 Rdnr. 4; Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/ Widmaier, Bundespersonalvertretungsgesetz, 7. Aufl., § 39 Rdnr. 5; Lorenzen/Haas/Schmitt, Bundespersonalvertretungsgesetz, § 39 Rdnr. 4. Dieser Auffassung ist zu folgen. Für das nordrhein-westfälische Landesrecht gelten insoweit keine Besonderheiten:
aa) Im Wortlaut des § 35 Abs. 1 Satz 1 LPVG NW ist zwar nur von einem Beschluß des Personalrats die Rede, bei dem die Aussetzung beantragt werden kann. Auch der nach § 34 Abs. 2 Satz 1, zweiter Halbsatz LPVG NW ergehende Gruppenbeschluß ist aber ein solcher des Personalrats. Denn diesem Beschluß hat nach dem ersten Halbsatz der genannten Vorschrift eine gemeinsame Beratung (im Plenum) des Personalrats zwingend vorauszugehen. Ein Gruppenbeschluß kann gem. § 29 Abs. 2 LPVG NW auch nur vom Vorsitzenden im Namen des Personalrats mit Wirkung für und gegen diesen ausgeführt werden.
bb) Gegenüber Beschlüssen, die nicht vom Plenum gefaßt wurden, sind Aussetzungsanträge auch dann statthaft, wenn sie von Vertretern einer Gruppe gestellt werden, die an der Beschlußfassung weder beteiligt waren noch hätten beteiligt werden müssen. Das wird an Sinn und Zweck des § 35 Abs. 1 LPVG NW erkennbar. Allein auf den Schutz einer am Beschluß zwar beteiligt gewesenen, aber überstimmten Minderheit kann das Antragsrecht schwerlich ausgerichtet sein. Dagegen spricht der gruppenspezifische Charakter des Antragsrechts.
Mit der Regelung über die Aussetzung ist zumindest auch ein die Vorschrift des § 34 Abs. 2 LPVG NW ergänzender Gruppenschutz bezweckt. Dieser weitergehende Schutzzweck wiederum kann sich schwerlich in einer Sicherung der (Allein- oder Mit–) Entscheidungsrechte erschöpfen, die der dazu berechtigten Gruppe nach § 34 Abs. 2 LPVG NW zustehen. Eine Verletzung dieser Entscheidungsrechte hätte ohnehin die Unwirksamkeit des Personalratsbeschlusses zur Folge. Für diese Fälle bedarf es also nicht noch des ergänzenden Schutzes in der schwachen Form eines nur suspensiv wirkenden Vetorechts. Die gegen eine unwirksame Entscheidung gewährte Aussetzung würde sogar ins Leere gehen. Dies spricht dafür anzunehmen, daß die Regelung auch die nur mittelbar berührten Interessen einer Gruppe schützt, die mangels unmittelbarer Betroffenheit durch die beabsichtigte Maßnahme an der Beschlußfassung über die Zustimmung nicht beteiligt gewesen ist (vgl. auch Fischer/Goeres a.a.O.; Faber in: Ballerstedt/Schleicher/ Faber/Eckinger, Bayerisches Personalvertretungsgesetz, Art. 39 Rdnr. 1; Lorenzen/Haas/Schmitt a.a.O. § 39 Rdnr. 11; a.M.: Germelmann, Personalvertretungsgesetz Berlin, § 34 Rdnr. 7).
b) Ebenfalls zutreffend ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, daß es für die Beurteilung des Aussetzungsbegehrens nicht darauf ankommt, ob tatsächlich – bei objektiver Würdigung – wichtige Interessen der Gruppe erheblich beeinträchtigt werden, sondern vielmehr darauf, ob diese Vertreter eine solche Beeinträchtigung aus ihrer Sicht für gegeben halten. Dies ergibt sich ohne weiteres aus dem Wortlaut der Vorschrift. Dieser knüpft an den Begriff „erachten” an. Darin kommt nach allgemeiner Meinung zum Ausdruck, daß allein die subjektive Vorstellung bzw. die Meinung der antragstellenden Vertreter maßgeblich ist. Das schließt grundsätzlich auch subjektive Rechtsauffassungen und damit zwangsläufig auch Rechtsirrtümer über die Beeinträchtigung wichtiger Interessen ein (so ausdrücklich: Germelmann a.a.O. § 34 Rdnr. 24). Der vereinzelt vertretenen Auffassung, wonach zwischen einem der subjektiven Einschätzung zugänglichen Merkmal der „erheblichen Beeinträchtigung” und einem objektiven Merkmal der „wichtigen Interessen” zu unterscheiden sein soll (vgl. Havers a.a.O. § 35 Erl. 3), ist nicht zu folgen. Eine derartige Auslegung ist mit dem Wortlaut des Gesetzes nicht zu vereinbaren. Dieser knüpft daran an, daß die Antragsberechtigten einen Beschluß des Personalrats „als eine erhebliche Beeinträchtigung wichtiger Interessen der durch sie vertretenen Beschäftigten” erachten. Danach bezieht sich das „Erachten” auf beide Merkmale. Außerdem würde die hier abgelehnte Unterscheidung in der Praxis zu kaum überwindbaren Schwierigkeiten führen.
c) Schließlich kann dem Oberverwaltungsgericht mit Einschränkungen noch darin zugestimmt werden, daß Anträgen nicht entsprochen werden kann, die es als „offensichtlich unbegründet” bezeichnet hat. Das Oberverwaltungsgericht sieht einen solchen Fall beispielsweise als gegeben an, wenn der Antrag auf Gründe gestützt wird, die mit den Interessen der von den Antragstellern vertretenen Gruppe oder der Jugend- und Auszubildendenvertretung nichts zu tun haben (vgl. Fischer/Goeres a.a.O. K § 39 Rdnr. 16). Dem ist zu folgen, wenn damit nur die Fälle gemeint sind, in denen sich aus Erläuterungen zum Antrag ohne weiteres ergibt, daß die antragstellenden Gruppenvertreter sich ausdrücklich und allein – gleichsam „rein altruistisch” – auf Interessen von Beschäftigten einer anderen Gruppe berufen. Solche Aussetzungsanträge sind nach den Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Satz 1 LPVG NW eindeutig unzulässig. Darum geht es hier jedoch nicht.
d) Mit § 35 Abs. 1 Satz 1 LPVG NW nicht mehr zu vereinbaren ist jedoch die tragende Begründung der Beschwerdeentscheidung, ein offensichtlich unbegründeter Antrag liege schon dann vor, wenn dieser auf Gründe gestützt werde, die bei einer erneuten Beschlußfassung deshalb nicht berücksichtigt werden könnten, weil sie außerhalb des Mitbestimmungstatbestandes lägen und daher eine entsprechend begründete Zustimmungsverweigerung als unbeachtlich anzusehen wäre.
aa) Diese Auffassung ließe sich allenfalls dann rechtfertigen, wenn ein Aussetzungsantrag entgegen den bisherigen Ausführungen allein dann zulässig wäre, wenn von der beabsichtigten Maßnahme Interessen der von den antragstellenden Gruppenvertretern repräsentierten Beschäftigten unmittelbar betroffen würden. Nur unter dieser Voraussetzung nämlich werden Interessen der Gruppe mit beachtlichen Zustimmungsverweigerungsgründen identisch sein. Dies aber ist bei einem Aussetzungsantrag einer am Beschluß rechtmäßig nicht beteiligten und daher von der beabsichtigten Maßnahme voraussetzungsgemäß nur mittelbar betroffenen Gruppe nicht möglich. „Wichtige Interessen” einer Gruppe von Beschäftigten sind nicht nur im Rahmen der ihnen gewährten Mitbestimmungs rechte möglicherweise „erheblich beeinträchtigt”, sondern etwa auch dann, wenn zu befürchten ist, daß der Beschluß der anderen Gruppe als ein Präzedenzfall die Wahrnehmung der eigenen gruppenspezifischen Interessen beeinflußt (z.B. wenn die Vertreter der Beamtengruppe den Einstellungen ohne vorherige Ausschreibung zustimmen, während die Vertreter der Angestelltengruppe dafür eintreten, an dem Prinzip der vorherigen Ausschreibung generell festzuhalten). Wollte man die Berufung auf solcherart beeinträchtigte Interessen zur Rechtfertigung eines Aussetzungsantrages nicht genügen lassen, so käme eine Aussetzung bei Beschlüssen einer einzelnen Gruppe schlechterdings nicht in Betracht (vgl. in diesem Sinne: Germelmann a.a.O. § 34 Rdnr. 7; ferner Ilbertz, Personalvertretungsgesetz Berlin, 2. Aufl., § 34 Rdnr. 2). Auch gegenüber solchen Beschlüssen wird aber in der personalvertretungsrechtlichen Literatur nahezu einhellig und – wie ausgeführt wurde – mit Recht ein Aussetzungsrecht zugunsten der Vertreter anderer Gruppen bejaht.
bb) Auch wenn sich das Aussetzungsbegehren – wie hier – gegen die beschlossene Zustimmung zu einer beabsichtigten Maßnahme wendet, zwingt die Bindung der Mitbestimmungsorgane an beachtliche Gründe, die nach dem Gesetz eine Verweigerung der Zustimmung rechtfertigen können, nicht zu einer anderen Würdigung. Diese Bindung kann zwar der Möglichkeit einer Änderung der Entscheidung und damit dem Rahmen einer Verständigung zwischen den Gruppen enge Grenzen setzen. Die mit dem Aussetzungsantrag geltend gemachten Interessen der Beschäftigten einer nur mittelbar betroffenen Gruppe müssen deshalb aber noch nicht stets und von vornherein als vollkommen belanglos eingestuft werden. Auch wenn sie nicht allein ausschlaggebend sein können, besteht selbst in diesen Fällen immer noch die Möglichkeit, daß sie einen sachlichen Anlaß zu einer Neubewertung der unmmittelbar berührten Interessen durch die zur Beschlußfassung berufenen Gruppenvertreter bieten. Im übrigen setzt eine Verständigung weder eine Entscheidungsalternative noch gar die Möglichkeit eines irgendwie gearteten Kompromisses voraus.
Auch insoweit entspricht die hier zugrunde gelegte Auslegung Sinn und Zweck des § 35 Abs. 1 LPVG NW. Neben dem Gruppen- und Minderheitenschutz dient die Regelung auch der Förderung sachgerechter Entscheidungen (vgl. Havers a.a.O. Erl. 3 zu § 35). Dies verdeutlicht insbesondere die Regelung in § 35 Abs. 1 Satz 2 LPVG NW. Allein zu diesem Zweck sollen die Sachkunde und Erfahrung der unter den Mitgliedern des Personalrats oder Jugend- und Auszubildendenvertretung vertretenen Gewerkschaften beim Verständigungsversuch nutzbar gemacht werden. Auch die Verpflichtung der beteiligten Gruppen auf das Konsensprinzip (§ 35 Abs. 1 Satz 2 LPVG NW) soll im genannten Sinne fördernd wirken. Sie soll dazu beitragen, Meinungsverschiedenheiten gütlich beizulegen und durch die einvernehmliche Bereinigung der Angelegenheit die Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit auch innerhalb des Personalrats zu bewahren (vgl. Fischer/Goeres a.a.O. K § 39 Rdnr. 20; Ballerstedt/Schleicher/Faber/Eckinger a.a.O. Art. 39 Rdnrn. 22 a, 34).
cc) Für das Auslegungsergebnis sprechen schließlich auch die vom Oberbundesanwalt in den Vordergrund gerückten Praktikabilitätserwägungen. Wie er mit Recht hervorgehoben hat, richtet sich der Aussetzungsantrag als Angelegenheit der Geschäftsführung an den Vorsitzenden des Personalrats. Nur diesem kann daher ein Prüfungsrecht zustehen (vgl. Altvater/Bacher/Hörter/Sabottig/Schneider a.a.O. § 39 Rdnr. 6; Dietz/Richardi a.a.O. § 39 Rdnrn. 20, 23; Fischer/Goeres a.a.O. K § 39 Rdnr. 16; Grabendorff/ Windscheid/Ilbertz/Widmaier a.a.O. § 39 Rdnr. 16; Germelmann a.a.O. § 34 Rdnrn. 20, 24). Da aber der Personalratsvorsitzende im allgemeinen der Repräsentant einer Mehrheit im Personalrat ist, liegt es nahe, den Umfang seiner Überprüfungsbefugnis bei Anträgen, die dem Gruppen- und Minderheitenschutz dienen, von vornherein zu begrenzen. Darüber hinaus ist es auch nur in Ausnahmefällen sinnvoll, den Vorsitzenden, der nach § 29 Abs. 2 LPVG NW die laufenden Geschäfte führt und den Personalrat lediglich im Rahmen der von diesem gefaßten Beschlüsse vertritt, in derart schwerwiegender Weise auf den Gang des Willensbildungsprozesses Einfluß nehmen zu lassen. Vor allem aber muß berücksichtigt werden, daß dem Vorsitzenden für die von ihm zu treffende Entscheidung nur ein kurzer Zeitraum zur Verfügung steht. Demgemäß muß seine Entscheidungsbefugnis auf eindeutig zu beantwortende Fragestellungen bei unzweifelhaften Sachverhalten beschränkt sein.
3. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts erweist sich schließlich auch nicht unter einem anderen Gesichtspunkt als zutreffend. Der sowohl vom Antragsteller als auch vom Beteiligten zu 1) vertretenen und in der personalvertretungsrechtlichen Literatur vorherrschenden Auffassung ist zwar darin zu folgen, daß einem Aussetzungsbegehren durch den Vorsitzenden auch dann nicht stattzugeben ist, wenn sich die Ausübung des Antragsrechts unzweifelhaft als Rechtsmißbrauch darstellt (vgl. Faber a.a.O. Art. 39 Rdnr. 22; Dietz/ Richardi a.a.O. § 39 Rdnrn. 20, 21 u. 31; wohl auch Fischer/Goeres a.a.O. K § 39 Rdnrn. 15, 16; Grabendorff/ Windscheid/Ilbertz/Widmaier a.a.O. § 39 Rdnrn. 6, 8). Da ein entsprechender Antrag unzulässig wäre, erstreckt sich das Prüfungsrecht des Vorsitzenden auch auf diese Frage. Der Vorsitzende wird dadurch auch nicht etwa überfordert. In derart eindeutigen Fällen ist es ihm zuzumuten, auch in der nur kurzen Zeitspanne, die für die Überprüfung zur Verfügung steht, darüber zu entscheiden, ob aus seiner Sicht ein Rechtsmißbrauch vorliegt.
Ein solcher Rechtsmißbrauch liegt jedoch nur vor, wenn der Aussetzungsantrag offensichtlich mutwillig oder zu sachfremden Zwecken gestellt wird, etwa mit dem erkennbaren Ziel einer Verschleppungsabsicht, oder wenn in der Antragstellung nach den objektiven Umständen des Einzelfalles ein unzweifelhaft widersprüchliches Verhalten zutage tritt. Für eine derartige Annahme läßt der vom Oberverwaltungsgericht festgestellte Sachverhalt keine Anhaltspunkte erkennen. Allein der Umstand, daß Gründe, die für eine Verweigerung der Zustimmung beachtlich sein könnten, nicht vorgebracht worden sind, rechtfertigt den Schluß auf einen Rechtsmißbrauch noch nicht. Es müßten weitere Gesichtspunkte hinzutreten. Von einem Rechtsmißbrauch könnte etwa eher dann ausgegangen werden, wenn es sich etwa um besonders dringliche Angelegenheiten handeln würde oder wenn besondere Schwierigkeiten für ein erneutes, rechtzeitiges Zusammentreten der Personalvertretung bestünden und sich gleichwohl die antragstellenden Gruppenvertreter beharrlich jeglicher Einsicht in eine eindeutige Sach- und Rechtslage verschließen würden. Für derartige zusätzliche Gesichtspunkte ist hier aber nichts dargetan oder sonst ersichtlich. Insbesondere ist ein irgendwie gearteter Nutzen einer denkbaren Verzögerungstaktik oder ein auch nur potentieller Nachteil für die Gruppe der Beamten nicht erkennbar.
Einer Zurückverweisung zum Zwecke weiterer Sachverhaltsaufklärung bedarf es bei dieser Sachlage nicht. Vielmehr kann der Senat in der Sache abschließend entscheiden. Dies führt dazu, daß auf die Rechtsbeschwerde die Anträge des Antragstellers zurückzuweisen sind.
4. Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 10 Abs. 1 BRAGO in Verbindung mit § 8 Abs. 2 BRAGO.
Unterschriften
Niehues, Nettesheim, Seibert, Albers, Vogelgesang
Fundstellen