Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Aktenzeichen 11 D 124/98.AK) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 11. September 2000 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 51 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt erfolglos. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich kein Grund für eine Zulassung der Revision.
1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr der Kläger beimisst.
1.1 Die Beschwerde wirft mehrere Fragen im Zusammenhang mit der Linienbestimmung gemäß § 16 FStrG auf. Sie bemängelt insbesondere das Fehlen einer erneuten Linienbestimmung. Nach den Feststellungen der Vorinstanz war zunächst die Fortführung der planfestgestellten BAB A 4 in östlicher Richtung nach Hessen vorgesehen, die Landesregierung hatte dann aber beschlossen, dies nicht weiterzuverfolgen. Die Beschwerde hält für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob es unter den Umständen des vorliegenden Falls eines erneuten Linienbestimmungsverfahrens bedurft hätte (Begründung S. 5 und 9). Sie möchte ferner geklärt wissen, ob im Planfeststellungsbeschluss von der nach § 16 FStrG bestimmten Linie wesentlich abgewichen werden darf (a.a.O. S. 11).
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist jedoch bereits geklärt, dass die Linienbestimmung nicht zu den Rechtsmäßigkeitsvoraussetzungen der Planfeststellung gehört (BVerwG, Beschluss vom 15. Mai 1996 – BVerwG 11 VR 3.96 – UPR 1996, 353 = Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 13). Die Linienbestimmung ist ein behördeninterner Vorgang, mit dem der Bundesminister für Verkehr planerischen Einfluss auf die Wahrnehmung der den Ländern in Auftragsverwaltung obliegenden Aufgabe der bundesgesetzlichen Ausbauplanung nimmt. Sie geht inhaltlich in die nachfolgende Planfeststellung ein und unterliegt nur mit ihr der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle. Durch die Linienbestimmung wird die Linienführung der Straße nur im Allgemeinen bestimmt, nämlich nur in ihrem grundsätzlichen Verlauf zwischen den vorgesehenen Anfangs- und Endpunkten und daher auch nur in ihrer ungefähren Lage zu berührten und benachbarten Ortschaften und Grundstücken. Der Planfeststellungsbehörde bleibt daher noch ein Spielraum für die konkrete Trassenführung und die Festlegung der Ausbaumerkmale (Urteil vom 28. Februar 1996 – BVerwG 4 A 27.95 – NVwZ 1996, 1011 = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 110).
Allerdings können etwaige Abwägungsmängel auf der Stufe der Linienbestimmung auf das nachfolgende Planfeststellungsverfahren durchschlagen und, sofern sie nicht behoben werden, von Planbetroffenen geltend gemacht werden (Urteil vom 10. April 1997 – BVerwG 4 C 5.96 – BVerwGE 104, 236). Dies hat das Oberverwaltungsgericht jedoch nicht verkannt. Vielmehr hat es festgestellt, der Beklagte habe weder pauschal auf die Linienbestimmung Bezug genommen noch sich gar an die entsprechende ministerielle Entscheidung gebunden gefühlt. Er habe erkennbar eigenständig insbesondere Umweltbelange und in Betracht kommende Varianten geprüft.
Davon abgesehen geht die Fragestellung auf S. 9 der Beschwerdebegründung teilweise von einem unzutreffenden und vom Oberverwaltungsgericht nicht festgestellten Sachverhalt aus; denn die Fortführung der BAB A 4 in östlicher Richtung ist weiterhin im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen, der nach § 1 Abs. 1 Satz 2 des Fernstraßenausbaugesetzes – FStrAbG – in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. November 1993 (BGBl I S. 1878) dem Gesetz als Anlage beigefügt ist, als „vordringlicher Bedarf” ausgewiesen.
1.2 Die Beschwerde hält ferner für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob im Hinblick auf die „geänderte Konzeption” ein neues Planfeststellungsverfahren hätte eingeleitet oder erneut in die Auswahl und Analyse von Trassenvarianten hätte eingetreten werden müssen. Sie beruft sich dabei auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Februar 1996 (– BVerwG 4 A 42.95 (4 VR 23.95) – NVwZ 1996, 905 = UPR 1996, 235 = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 108). In diesem hat der Senat (wie in anderen Entscheidungen – vgl. jüngst das Urteil des Senats vom 27. Oktober 2000 – BVerwG 4 A 18.99 –) hervorgehoben, dass eine Planänderung im Sinne von § 73 Abs. 8 VwVfG vorliegt, wenn durch die Änderung das Gesamtkonzept des Vorhabens nicht berührt bzw. wenn trotz der Änderungen die Identität des Vorhabens gewahrt wird. Die Beschwerde legt nicht dar, dass es vorliegend eines Revisionsverfahrens bedürfte, um eine weitere grundsätzliche Klärung herbeizuführen. Denn es ergibt sich ohne weiteres aus der bisherigen Rechtsprechung, dass eine Änderung auf der der Planfeststellung für ein Straßenbauvorhaben vorgelagerten Planungsstufen nicht notwendig auch zu einer Änderung der Identität des planfestzustellenden Vorhabens führt. Die Begriffe Gesamtkonzept bzw. Identität des Vorhabens beziehen sich auf das planfestzustellende Vorhaben und nicht auf die Bedarfsplanung des Bundes oder des betreffenden Landes. Dies ergibt sich schon daraus, dass § 73 VwVfG die Planfeststellung und nicht Bedarfsplanung, Landesplanung oder Finanzplanung betrifft. Insbesondere in einem Fall, in dem der Straßenverkehr auf längere Zeit nicht auf einem weiteren Abschnitt einer Autobahn weitergeführt, sondern teilweise auf eine vorhandene und teilweise auf eine im selben Zeitpunkt planfestgestellte Bundesstraße geleitet wird, kann auch eine Planänderung gemäß § 73 Abs. 8 VwVfG in Betracht kommen, die durch ein entsprechendes Deckblatt dargestellt wird. Dabei wird es auf die jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalls ankommen, die einer grundsätzlichen Klärung in einem Revisionsverfahren nicht zugänglich sind. Dasselbe gilt für die Frage, welche Trassenalternativen zum Gegenstand der Abwägung zu machen sind. Im Übrigen versteht es sich von selbst, dass der Abwägung einschließlich der Berücksichtigung der Betroffenheit der Anlieger diejenige Verkehrsführung zu Grunde zu legen ist, die durch die Deckblattänderung festgestellt werden soll.
1.3 Die weiter gestellte Frage, ob bei einer Änderung der Straßenplanung durch ein Deckblatt ein einheitliches Grunderwerbsverzeichnis erstellt werden muss, aus dem die Grundstückseigentümer ihre Betroffenheit erkennen können, entzieht sich ebenfalls einer grundsätzlichen Klärung. Planunterlagen können im Einzelfall so unübersichtlich werden, dass der in § 73 Abs. 1 Satz 2 VwVfG normierten Verpflichtung, die vom Vorhaben betroffenen Grundstücke erkennen zu lassen, nicht genügt wird. Dabei wird es jeweils auf die Besonderheiten der erstellten Planunterlagen ankommen; rechtsgrundsätzliche Fragen lässt die Beschwerde nicht erkennen. Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht insoweit nicht einmal Anlass gesehen, auf diesen Punkt näher einzugehen, im Zusammenhang mit der Prüfung der Bestimmtheit der Festsetzungen aber ausgeführt, es sei nicht ersichtlich, dass bei der Gesamtschau der ursprünglich ausgelegten Unterlagen und der Deckblätter Unklarheiten verblieben (Urteil S. 16). Diese Feststellungen sind nicht zum Gegenstand einer Verfahrensrüge gemacht worden, so dass das Beschwerdegericht auch in einem Revisionsverfahren von ihnen auszugehen hätte.
1.4 Schließlich hält die Beschwerde sinngemäß für klärungsbedürftig, ob ein Abwägungsfehler vorliegt, wenn zwei aneinander grenzende Abschnitte gebildet werden und der Baubeginn jeweils vom Baubeginn des anderen Abschnitts abhängig gemacht wird. Sie weist auf das „Restrisiko” hin, dass ein Planungsabschnitt gefährdet sei, wenn der betreffende Planfeststellungsbeschluss auf Grund der sofortigen Vollziehbarkeit ausgenutzt, aber im Hauptsacheverfahren aufgehoben werden könnte. Die von der Beschwerde umschriebene Regelung ist jedoch nur in dem Planfeststellungsbeschluss für die HT-Straße enthalten. Insoweit ist der Kläger nicht klagebefugt (OVG-Urteil S. 12 ff.). Hiergegen erhebt die Beschwerde auch keine Einwendungen. In dem die BAB A 4 und die Ableitung des Verkehrs zur HT-Straße betreffenden Planfeststellungsbeschluss ist dagegen die weitergehende Einschränkung enthalten, dass mit dem Bau der entsprechenden Streckenabschnitte erst begonnen werden darf, wenn der Planfeststellungsbeschluss für den anschließenden Abschnitt der HT-Straße bestandskräftig ist (Urteil S. 3 und S. 24 f.) Den übrigen Streckenteilen der BAB A 4 mit dem Abzweig zur B 54 kommt nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ohnehin eine selbständige Verkehrsbedeutung zu.
2. Soweit die Beschwerde eine unzureichende Erforschung des Sachverhalts durch das Berufungsgericht rügt, ist sie unzulässig. Der insoweit geltend gemachte Verfahrensmangel ist nur dann im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. November 1992 – BVerwG 3 B 52.92 – Buchholz 303 § 314 ZPO Nr. 5). Hinsichtlich des von der Beschwerde behaupteten Aufklärungsmangels hätte dementsprechend substantiiert dargelegt werden müssen, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären; weiterhin hätte dargelegt werden müssen, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, entweder auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen. Denn die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen, zu kompensieren (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 23. Mai 1986 – BVerwG 8 C 10.84 – BVerwGE 74, 222 ≪223≫).
Die Beschwerde stellt zunächst lediglich in den Raum, es sei nicht überprüft worden, ob die Mehrkosten eines Tunnels nicht durch Einsparungen für den Brückenbau kompensiert werden könnten. Zum einen lässt demgegenüber bereits die Formulierung im Planfeststellungsbeschluss, dieMehrkosten eines Tunnels betrügen … Millionen DM darauf schließen, dass die Kosten eines Tunnels denen der Brückenbauwerke gegenübergestellt worden sind, wie dies auch allein sachgerecht ist. Zum anderen stellt das Oberverwaltungsgericht ausdrücklich fest, es sei weder substantiiert geltend gemacht noch ersichtlich, dass bei dem Kostenvergleich Brückenbauwerke außer Betracht geblieben seien (Urteil S. 22 f.). Damit setzt die Beschwerde sich nicht substantiiert auseinander.
Auch der weitere Beschwerdevortrag, es spreche vieles dafür, dass der ökologische Fachbeitrag nicht vollständig sei, genügt in keiner Weise dem Darlegungserfordernis (vgl. hierzu OVG-Urteil S. 22).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 14 Abs. 1 und 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Gaentzsch, Rojahn, Jannasch
Fundstellen