Entscheidungsstichwort (Thema)
Bodenreform. Bodenreformeigentum. Arbeitseigentum. Vererblichkeit. Enteignung. Legalenteignung
Leitsatz (amtlich)
Eine entschädigungslose Enteignung im Sinne von § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG liegt auch dann nicht vor, wenn davon ausgegangen wird, daß die Vererblichkeit des Bodenreformeigentums erst durch die Besitzwechsel-Verordnung von 1951 beseitigt worden ist.
Normenkette
GG Art. 14; VermG § 1 Abs. 1 Buchst. a; BesitzwechselVO (DDR) 1951
Verfahrensgang
VG Greifswald (Urteil vom 10.01.1995; Aktenzeichen 4 (3) A 1269/93) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 10. Januar 1995 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 59 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die Klägerin begehrt die Rückübertragung von Bodenreformflächen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Die Beschwerde der Klägerin, mit der sie die Zulassung der Revision erstrebt, muß ebenfalls erfolglos bleiben. Dem Beschwerdevorbringen läßt sich die behauptete Rechtsgrundsätzlichkeit der Sache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht entnehmen.
Die Beschwerde wendet sich vor allem mit rechtlichen Angriffen gegen die dem angefochtenen Urteil zugrundeliegenden Erwägungen. Mit solchen Angriffen kann nur die zugelassene Revision, nicht aber die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision begründet werden. Bei wohlwollender Auslegung des Vortrags der Klägerin läßt sich dem Beschwerdevorbringen allenfalls die Frage entnehmen, ob eine entschädigungslose Enteignung im Sinne von § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG auch dann vorliege, wenn einem zunächst als „Voll-Eigentum” begründeten Bodenreformeigentum durch später erlassene Rechtsvorschriften nachträglich die Vererbbarkeit genommen werde. Diese Frage würde sich jedoch in einem Revisionsverfahren schon deshalb nicht stellen, weil sie von falschen rechtlichen Voraussetzungen ausgeht. Wie der beschließende Senat in seinem Urteil vom 25. Februar 1994 – BVerwG 7 C 32.92 – (BVerwGE 95, 170 = Buchholz 112 § 1 VermG Nr. 17) ausgeführt hat, war das Ziel der in der DDR durchgeführten Bodenreform die „Liquidierung des feudal-junkerlichen Großgrundbesitzes” und die Schaffung neuer selbständiger Bauernwirtschaften für landlose und landarme Bauern, Landarbeiter, kleine Pächter, Flüchtlinge und Umsiedler. Zu diesem Zweck wurde ein Bodenfonds gebildet, in den entschädigungslos enteigneter Grundbesitz sowie der dem Staat gehörende landwirtschaftliche Grundbesitz überführt wurden. In diesem Sinne wurde auch im Lande Mecklenburg-Vorpommern verfahren, wie sich aus der Verordnung Nr. 19 über die Bodenreform im Lande Mecklenburg-Vorpommern vom 5. September 1945 (Amtsblatt M-V 1946 Nr. 1 S. 14 – BRVO –) ergibt. Um die mit der Bodenreform verfolgten Ziele nachhaltig zu sichern, unterlag das den Neubauern zugeteilte Bodenreformeigentum umfassenden Verfügungsbeschränkungen nach Maßgabe des Art. VI BRVO. Unter diesen Umständen kann im Gegensatz zum Vorbringen der Beschwerde keine Rede davon sein, daß mit der erstmaligen Zuteilung von Bodenreformeigentum „Voll-Eigentum” entstanden sei; dies liegt auch deshalb auf der Hand, weil es sich nicht um erworbenes, sondern um staatlich zugeteiltes „Arbeitseigentum” handelte, dessen Kern die unentgeltliche Nutzung des Bodens war. Angesichts dessen kann selbst dann von einer entschädigungslosen „Enteignung” im Sinne von § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG keine Rede sein, wenn dem Bodenreformeigentum im Blick auf die mit diesem Rechtsinstitut verfolgte staatspolitische Zielsetzung die Vererblichkeit erst durch die Besitzwechselverordnung von 1951 genommen worden sein sollte. Es handelte sich in diesem Fall um eine nachträgliche, am Institutszweck ausgerichtete Ausformung des Bodenreformeigentums, die nicht den individuellen Zugriff des Staates auf privates Eigentum zum Gegenstand hatte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO; die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 14 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Franßen, Dr. Paetow, Dr. Brunn
Fundstellen