Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 01.10.2008; Aktenzeichen 1 A 1262/07) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 1. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf die Wertstufe bis 65 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
1. Der Kläger war von 1999 bis 2004 hauptamtlicher Bürgermeister der Beklagten. Sein Antrag auf Anerkennung von (Vor-)Dienstzeiten als ruhegehaltfähig nach § 66 Abs. 9 BeamtVG blieb in den Vorinstanzen erfolglos. Zur Begründung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, es könne dahingestellt bleiben, ob die Zeiten anerkennungsfähig seien, denn dem Kläger fehle für eine solche Entscheidung das Sachbescheidungsinteresse. Nützlich sei eine Entscheidung über ruhegehaltfähige Vordienstzeiten nur einem Ruhestandsbeamten. Der Kläger sei aber mit Ablauf seiner Amtszeit kraft Gesetzes entlassen und befinde sich daher nicht im Ruhestand. Dies ergebe sich aus § 96 Abs. 2 BRRG i.V.m. § 195 Abs. 4 Satz 3 Halbs. 2 LBG NRW in der Fassung des Gesetzes zur Änderung der Kommunalverfassung vom 17. Mai 1994 (GVBl NRW S. 270, 308; künftig: a.F.), mit dem das Land von der Ermächtigung in § 25 Abs. 1 Satz 4 BRRG Gebrauch gemacht habe. Auch bei Anerkennung der Zeiten sei er nicht als in den Ruhestand getreten zu betrachten. Dienstzeiten nach § 66 Abs. 9 BeamtVG seien bei der Berechnung der Dienstzeiten im Sinne des § 195 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 bis 3 LBG NRW a.F. generell außer Ansatz zu lassen (vgl. § 4 BeamtVG). Die Änderungen durch Art. VII Nr. 2 des Gesetzes zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung – GO-Reformgesetz – vom 9. Oktober 2007 (GVBl NRW S. 380, 391) seien nicht auf Bürgermeister anzuwenden, deren Amtszeiten vor Inkrafttreten des GO-Reformgesetzes abgelaufen seien. Im Übrigen sei er bis zum Ablauf seiner Amtszeit nicht im Besitz einer Anerkennungsentscheidung gewesen.
Rz. 2
2. Die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde ist unbegründet.
Rz. 3
Der Kläger hält für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob die sogenannten förderlichen Zeiten im Sinne des § 66 Abs. 9 Satz 1 BeamtVG bei der Berechnung der Dienstzeiten nach § 195 Abs. 4 Satz 3 LBG NRW a.F. zu berücksichtigen seien und somit zu den Voraussetzungen für den Eintritt in den Ruhestand von Bürgermeistern beitragen könnten. Zu klären sei, ob sogenannte förderliche Zeiten im Sinne des § 66 Abs. 9 Satz 1 BeamtVG lediglich geeignet seien, einen bestehenden Versorgungsanspruch zu erhöhen oder aber einen solchen – wie in seinem Fall – erst zu begründen. Hierbei werde von Bedeutung sein, inwieweit über den Gesetzeswortlaut hinaus der gesetzgeberische Wille zum Tragen kommen könne. Es werde also die Frage zu klären sein, ob ein im Gesetzgebungsverfahren verfolgter offensichtlicher Wille durch eine am Gesetzeswortlaut orientierte Auslegung vollständig überlagert werden könne. Der Gesetzgeber habe Versorgungsansprüche schon nach einer Wahlperiode entstehen lassen wollen, um geeignete Kandidaten auch außerhalb des öffentlichen Dienstes zu gewinnen. Dies werde durch die Auslegung des Berufungsgerichts verhindert.
Rz. 4
a) Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf. Gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO obliegt es dem Beschwerdeführer, diese Voraussetzungen darzulegen (Beschluss vom 2. Oktober 1961 – BVerwG 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 ≪91≫; stRspr). Diese Voraussetzungen sind bereits nicht erfüllt.
Rz. 5
aa) Die Beschwerdebegründung genügt schon nicht den Darlegungsanforderungen gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Der Kläger setzt sich nicht mit den tragenden rechtlichen Erwägungen des Berufungsgerichts auseinander, sondern stellt dessen am Wortlaut orientierten Auslegungsergebnis ohne weiterführende Begründung seine abweichende, naturgemäß ihm günstige Rechtsauffassung in bloßer Frageform entgegen. Zum von ihm nicht näher belegten, behaupteten gesetzgeberischen Willen wiederholt er seine Ausführungen aus dem Berufungsverfahren, mit denen sich das Berufungsgericht auseinandergesetzt hat. Es hat sein Auslegungsergebnis neben dem Wortlaut auch auf die Systematik der Regelungen, deren Sinn und Zweck und ergänzend auf die Entstehungsgeschichte (UA S. 15u bis 17) gestützt.
Rz. 6
bb) Unabhängig davon lassen sich die vom Kläger aufgeworfenen Fragen ohne Weiteres aus dem Wortlaut des Gesetzes beantworten. Sie sind im Übrigen bereits in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, soweit es um die Frage geht, inwieweit über den Gesetzeswortlaut hinaus der gesetzgeberische Wille zum Tragen kommen könne. Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung die strikte Bindung an den Gesetzeswortlaut gerade im Besoldungs- und Versorgungsrecht (§ 2 BBesG, § 3 BeamtVG) hervorgehoben (so zuletzt im Urteil vom 27. März 2008 – BVerwG 2 C 30.06 – (BVerwGE 131, 29 ≪36≫ = Buchholz 239.1 § 56 BeamtVG Nr. 6, Rn. 25 m.w.N.).
Rz. 7
Der Wortlaut des § 195 Abs. 4 Satz 3 LBG NRW a.F. ist eindeutig. Zutreffend hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass § 195 Abs. 4 LBG NRW a.F. abschließend die Fälle des Eintritts von Bürgermeistern in den Ruhestand regelt. Der 1953 geborene Kläger, der außer seiner fünfjährigen Amtszeit keine weiteren Zeiten in einem Beamtenverhältnis verbracht hatte, erfüllte zum Zeitpunkt des Endes seiner Amtszeit (§ 195 Abs. 2 Satz 2 LBG NRW a.F.) keine der dort genannten Voraussetzungen, so dass er zu entlassen war. Nach § 195 Abs. 4 Satz 1 und 2 LBG NRW a.F. erfolgt eine Zurruhesetzung, wenn der Bürgermeister das 68. Lebensjahr vollendet und zu diesem Zeitpunkt eine mindestens achtjährige ruhegehaltfähige Dienstzeit abgeleistet hat, anderenfalls ist er zu entlassen. Diese Regelungen erfassen nur die hier nicht vorliegende Fallgestaltung, dass der Bürgermeister vor Ablauf seiner Amtszeit aus Altersgründen ausscheidet. Satz 3 der Vorschrift enthält weitere drei Alternativen, unter denen auch bei Ablauf der Amtszeit statt einer Entlassung eine Zurruhesetzung erfolgt. Nach Nr. 1 muss der Bürgermeister mindestens das 45. Lebensjahr vollendet und eine achtjährige ruhegehaltfähige Dienstzeit abgeleistet oder nach Nr. 2 eine ruhegehaltfähige Dienstzeit im Sinne des § 6 BeamtVG von 18 Jahren erreicht oder schließlich nach Nr. 3 als Beamter auf Zeit eine Gesamtdienstzeit von acht Jahren erreicht haben. Da der Kläger selbst unter Einbeziehung der von ihm erstrebten Anrechnung der Vordienstzeiten nur weitere vier Jahre vorzuweisen hätte, kommt § 195 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 LBG NRW a.F. ersichtlich nicht in Betracht. § 195 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 LBG NRW a.F. lässt ebenfalls eine Ein- oder Anrechnung von Vordienstzeiten nicht zu, denn die Vorschrift spricht von einer “abgeleisteten Dienstzeit”. Hierzu zählen nur solche Zeiten, in denen der Betroffene in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis gestanden hat. Zutreffend hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber bei einer anderen Absicht andere Begriffe verwandt hätte, wie er dies in Nr. 2 des § 195 Abs. 4 Satz 3 LBG NRW a.F. getan hat. So hätte er statt von “Dienstzeit” von “zu berücksichtigenden oder einzurechnenden Zeiten” sprechen oder diese Zeiten in Bezug nehmen können. Auch § 195 Abs. 4 Satz 3 Nr. 3 LBG NRW a.F. hat einen eindeutigen Wortlaut. Danach ist nur die Dienstzeit maßgeblich, die der Bürgermeister in einem Beamtenverhältnis auf Zeit verbracht hat. Andere öffentliche Dienstverhältnisse oder gar berücksichtigungsfähige sonstige Zeiten sind nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht in die Berechnung der Gesamtdienstzeit einzurechnen.
Rz. 8
Zutreffend hat das Berufungsgericht außerdem ausgeführt, dass auch § 66 Abs. 9 Satz 1 BeamtVG eindeutig ist. Diese Vorschrift regelt die Berücksichtigung von Zeiten als ruhegehaltfähig, betrifft also nur die Berechnung des Ruhegehalts nach § 4 Abs. 3 BeamtVG. Ein Ruhegehalt erhält aber nur, wer in den Ruhestand getreten ist.
Rz. 9
b) Überdies betreffen die vom Kläger aufgeworfenen Fragen ausgelaufenes Recht. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn zu erwarten ist, dass die Entscheidung im künftigen Revisionsverfahren dazu dienen kann, die Rechtseinheit in ihrem Bestand zu erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern (vgl. Beschluss vom 2. Oktober 1961 – BVerwG 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 ≪91≫, stRspr). Beide Ziele sind nicht erreichbar, wenn sich die Fragen – wie hier – auf ausgelaufenes Recht beziehen. Fragen zur Auslegung und Anwendung ausgelaufenen Rechts haben deshalb nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ungeachtet anhängiger Fälle regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung, da die Revisionszulassung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO eine für die Zukunft maßgebende Klärung herbeiführen soll (vgl. u.a. Beschlüsse vom 10. Mai 1991 – BVerwG 2 B 50.91 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 297 S. 33, vom 20. Dezember 1995 – BVerwG 6 B 35.95 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 9 S. 11 und vom 19. Februar 2004 – BVerwG 2 B 56.03 –). Ob ausnahmsweise etwas anderes gilt, wenn das ausgelaufene Recht noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in unabsehbarer Zukunft von Bedeutung ist (vgl. Beschluss vom 20. Dezember 1995 a.a.O.), mag auf sich beruhen. Für eine solche Sachlage ist der Beschwerdeführer jedenfalls darlegungspflichtig (vgl. u.a. Beschluss vom 20. Dezember 1995 a.a.O. S. 11 f. m.w.N.). Es müssen zumindest Anhaltspunkte für eine erhebliche Zahl von Altfällen dargetan oder ersichtlich sein (vgl. Beschluss vom 20. Dezember 1995 a.a.O. S. 12). Auch diese Anforderungen erfüllt die Beschwerde nicht, da sie sich auf eine feststellbare und damit abgrenzbare Zahl von Fällen beruft.
Rz. 10
c) Dass das Berufungsgericht in einem früheren Urteil (vom 24. Februar 2006 – 1 A 3122/04 –) die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der mit der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen zugelassen hat, ist unerheblich.
Rz. 11
Die Nebenentscheidungen folgen aus § 154 Abs. 2 VwGO und § 52 Abs. 3, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.
Unterschriften
Groepper, Dr. Heitz, Thomsen
Fundstellen