Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Beschwerde. Gegenvorstellung gegen Beschluss des Flurbereinigungsgerichts. Kostenansatz für das Revisionsverfahren. Niederschlagung der Gerichtskosten wegen unrichtiger Sachbehandlung. Entscheidung in fehlerhafter Besetzung der Richterbank des Flurbereinigungsgerichts als unrichtige Sachbehandlung
Leitsatz (amtlich)
Hat das Bundesverwaltungsgericht ein Urteil der Vorinstanz (Flurbereinigungsgericht) wegen nicht vorschriftsmäßiger Besetzung im Sinne von § 138 Nr. 1 VwGO aufgehoben und die Sache zurückverwiesen, so ist es angemessen, von der Erhebung der Gerichtskosten für das Revisionsverfahren abzusehen.
Normenkette
VwGO § 152; GKG § 5 Abs. 1, § 8 Abs. 1 S. 1
Tenor
Die von der Klägerin gegen den Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs – Flurbereinigungsgericht – vom 11. Mai 2000 erhobene weitere Beschwerde, Erinnerung und Gegenvorstellung werden verworfen.
Auf die Erinnerung der Klägerin gegen den Kostenansatz des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Februar 2000 werden die damit erhobenen Kosten niedergeschlagen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens gegen den Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. Mai 2000 trägt die Klägerin. Soweit die Klägerin gegen den Beschluss Erinnerung und Gegenvorstellung erhoben hat, werden Kosten nicht erhoben. Das Verfahren über die Erinnerung gegen den Kostenansatz des Bundesverwaltungsgerichts ist gebührenfrei. Kosten werden insoweit nicht erstattet.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8 000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Mit Urteil vom 15. Mai 1997 wies das Flurbereinigungsgericht die von der Klägerin gegen die Abfindungsregelung im Flurbereinigungsplan erhobene Klage zurück und ließ auf die Beschwerde der Klägerin mit Beschluss vom 30. Juli 1997 die Revision gegen diese Entscheidung zu. Wegen nicht ordnungsgemäßer Besetzung des Flurbereinigungsgerichts im Vorsitz hob das Bundesverwaltungsgericht die genannte Entscheidung mit Urteil vom 29. April 1998 (– BVerwG 11 C 6.97 –) auf und verwies die Sache an das Flurbereinigungsgericht beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof zurück. Die Entscheidung über die Kosten blieb der Schlussentscheidung vorbehalten. Das Flurbereinigungsgericht hat daraufhin mit Urteil vom 13. September 1999 die Klage erneut abgewiesen und entschieden, dass die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen habe. Das dagegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren blieb erfolglos (Beschluss des erkennenden Senats vom 3. Februar 2000 im Verfahren BVerwG 11 B 68.99).
Mit Kostenansatz vom 8. März 2000 stellte das Bundesverwaltungsgericht der Klägerin für das vorangegangene Revisionsverfahren Gerichtskosten in Höhe von 2 825 DM in Rechnung. Daraufhin legt die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten „Beschwerde, Erinnerung, hilfsweise Gegenvorstellung” ein und beantragte, die Gerichtskosten für das Revisionsverfahren BVerwG 11 C 6.97 niederzuschlagen beziehungsweise der Staatskasse aufzuerlegen. Mit Schriftsatz vom 20. März 2000 erhob die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof zusätzlich „Beschwerde, Erinnerung, hilfsweise Gegenvorstellung” gegen die Kostenentscheidung im Urteil des Flurbereinigungsgerichts vom 13. September 1999 und verlangte, die Kosten für die Durchführung des Revisionsverfahrens BVerwG 11 C 6.97 einschließlich des Beschwerdeverfahrens gegen die Nichtzulassung der Revision in der Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 15. Mai 1997 der Staatskasse aufzuerlegen. Mit Beschluss vom 11. Mai 2000 hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof – Flurbereinigungsgericht – die bei ihm erhobenen Rechtsbehelfe gegen die Kostenentscheidung seines Urteils vom 13. September 1999 zurückgewiesen. Dagegen hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin „weitere Beschwerde, Erinnerung, Gegenvorstellung” beim Bundesverwaltungsgericht erhoben.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die Rechtsbehelfe gegen den Beschluss des Flurbereinigungsgerichts vom 11. Mai 2000 sind unzulässig.
Gemäß § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG in Verbindung mit § 152 Abs. 1 VwGO können Entscheidungen des Flurbereinigungsgerichts vorbehaltlich hier nicht einschlägiger Ausnahmen nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden. Eine weitere oder außerordentliche Beschwerde sehen das Flurbereinigungsgesetz und die Verwaltungsgerichtsordnung nicht vor. Soweit – nach ungeschriebenem Prozessrecht – gleichwohl die Zulässigkeit einer außerordentlichen Beschwerde erwogen wird, hat dies stets den Fall einer greifbaren Gesetzwidrigkeit zur Voraussetzung, also eine Situation, in der die angefochtene Entscheidung mit der geltenden Rechtsordnung schlechthin unvereinbar ist (vgl. BVerwGE 33, 209; 43, 364; Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 11. Aufl., vor § 124 Rn. 8 a). Dies kann vom Beschluss des Flurbereinigungsgerichts vom 11. Mai 2000 und der Kostenentscheidung im Urteil des Flurbereinigungsgerichts vom 13. September 1999 bereits deswegen nicht gesagt werden, weil der erkennende Senat zwar die Besetzung des Flurbereinigungsgerichts in der mündlichen Verhandlung vom 15. Mai 1997 als fehlerhaft beanstandet, es sich dabei jedoch keineswegs um einen greifbaren, offensichtlichen Fehler gehandelt hat. Folglich kommt die ausnahmsweise Zulassung eines außerordentlichen Beschwerderechts nicht in Betracht.
Ebenso wenig können eine Gegenvorstellung oder die Erinnerung gegen den angefochtenen Beschluss vom 11. Mai 2000 als zulässig angesehen werden. Bei der Gegenvorstellung als einem nicht förmlichen Rechtsbehelf handelt es sich um ein Instrument der Selbstkontrolle eines Gerichts (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 22. November 1993 – BVerwG 11 C 24.93 – NJW 1994, S. 674). Daraus ergibt sich, dass die Gegenvorstellung stets nur bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten werden soll, erhoben und durchgeführt werden kann. Wird sie zurückgewiesen, so kann dagegen zulässigerweise allenfalls weitere Gegenvorstellung bei demselben Gericht, nicht jedoch ein solcher Rechtsbehelf bei dem denkbaren Rechtsmittelgericht eingelegt werden.
Eine Erinnerung schließlich ist nach § 5 Abs. 1 GKG gegen den Kostenansatz, nicht jedoch gegen die Kostenentscheidung in einem Urteil und auch nicht gegen einen Beschluss zulässig, mit dem das erkennende Gericht eine Änderung seiner Kostenentscheidung abgelehnt hat.
2. Soweit die Klägerin Beschwerde, Erinnerung, hilfsweise Gegenvorstellung gegen den Kostenansatz des Bundesverwaltungsgerichts erhebt, sieht der Senat diese Rechtsbehelfe als Einlegung einer Erinnerung nach § 5 Abs. 1 GKG an. Diese Erinnerung ist zulässig und begründet. Zwar entspricht der Kostenansatz vom 8. März 2000 der Kostenentscheidung in dem rechtskräftigen Urteil des Flurbereinigungsgerichts vom 13. September 1999; doch kann die Klägerin gleichwohl im Erinnerungsverfahren die Niederschlagung der ihr insoweit aufgebürdeten Gerichtskosten verlangen.
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG werden Kosten nicht erhoben, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären. Diese Voraussetzung ist erfüllt. Die Revision der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil des Flurbereinigungsgerichts vom 15. Mai 1997 hat zur Aufhebung dieses Urteils und zur Zurückverweisung der Sache geführt. Hierfür ist entscheidungserheblich gewesen, dass das angefochtene Urteil gemäß § 138 Nr. 1 VwGO als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen war, weil das Flurbereinigungsgericht im Vorsitz nicht vorschriftsmäßig besetzt war. Die bei diesem wesentlichen Verfahrensverstoß vorliegende unrichtige Sachbehandlung hat zur Durchführung des Revisionsverfahrens geführt und damit Kosten verursacht, die bei richtiger Sachbehandlung nicht entstanden wären (vgl. zur Niederschlagung der Kosten des Revisionsverfahrens in einem Fall der Versagung rechtlichen Gehörs durch die Vorinstanz: BVerwG, Beschluss vom 6. November 1989 – BVerwG 3 C 9.86 – Buchholz 360 § 8 GKG Nr. 3; zur Niederschlagung der Kosten des Revisionsverfahrens bei fehlerhafter Besetzung der Richterbank auch: BGH, Urteil vom 5. Juni 1985 – BGH VIII ZR 135/84 – NJW 1985, S. 2336 = Kosten-Rechtsprechung Band II § 8 GKG Nr. 58; BGH, Beschluss vom 14. Dezember 1977 – BGH 3 StR 443/77 – Kosten-Rechtsprechung Band II § 8 GKG Nr. 10). Ohne dass es auf ein Verschulden der Beteiligten oder eine objektive Offensichtlichkeit des Fehlers ankommt, steht damit für die Frage der Niederschlagung von Gerichtskosten nach § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG der Verfahrensfehler in der Form eines absoluten Revisionsgrundes nach § 138 Nr. 1 VwGO denjenigen Fällen gleich, in denen ein offensichtliches Versehen des Gerichts zu verzeichnen ist oder ein Gericht in offen zu Tage tretender Weise gegen eindeutige gesetzliche Normen verstößt (vgl. zu diesem Maßstab: BFH, Beschluss vom 30. November 1992 – BFH X B 50/92 – Kosten-Rechtsprechung Band II § 8 GKG Nr. 112).
3. Die Kostenentscheidung für das Rechtsbehelfsverfahren gegen den Beschluss des Flurbereinigungsgerichts vom 11. Mai 2000 ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Im Übrigen folgt die Kostenentscheidung aus § 5 Abs. 6 GKG.
Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1, § 14 Abs. 1 Satz 1 GKG. Nachdem die Klägerin für das seinerzeitige Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof und das Revisionsverfahren beim Bundesverwaltungsgericht die Festsetzung außergerichtlicher Kosten in Höhe von 4 853,29 DM beantragt hat und die vom Bundesverwaltungsgericht erhobenen Gerichtskosten sich auf 2 825 DM belaufen, geht der Senat davon aus, dass die Klägerin mit ihrem Vorgehen gegen die Kostenentscheidung aus dem rechtskräftigen Urteil des Flurbereinigungsgerichts vom 13. September 1999 eine Kostenentlastung im Umfang von 8 000 DM erstrebt.
Unterschriften
Hien, Kipp, Prof. Dr. Rubel
Fundstellen
DÖV 2001, 42 |
DVBl. 2001, 310 |
SächsVBl. 2001, 32 |