Entscheidungsstichwort (Thema)
Wahlanfechtung, Anfechtungsbefugnis, kein Wegfall der– durch späteren Verlust der Wahlberechtigung (im Anschluß an BVerwGE 67, 145)
Normenkette
HFVG § 21
Verfahrensgang
Hessischer VGH (Beschluss vom 25.05.1983; Aktenzeichen HPV TL 29/82) |
VG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 30.09.1982; Aktenzeichen I/V-L 2706/82) |
Tenor
Der Beschluß des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs – Fachsenat für Personalvertretungssachen (Land) – vom 25. Mai 1983 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Entscheidung an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
Tatbestand
I.
Die Antragsteller fechten die in der Zeit vom 10. bis 12. Mai 1982 am Abendgymnasium II in Frankfurt am Main durchgeführte Personalratswahl an und beantragen, diese Wahl für ungültig zu erklären. Nachdem sie das Wahlanfechtungsverfahren eingeleitet hatten, endete der Lehrauftrag des Antragstellers zu 1) am Abendgymnasium II; die Antragstellerin zu 2) war für die Zeit vom 1. August 1982 bis 31. Januar 1983 aus dem Abendgymnasium II ausgeschieden.
Das Verwaltungsgericht hat die angefochtene Wahl für ungültig erklärt. Auf die Beschwerde des Personalrats des Abendgymnasiums II, des Beteiligten zu 1), hat der Verwaltungsgerichtshof den Antrag mit der Begründung abgelehnt, die Voraussetzung des § 21 HPVG, daß die Wahl von mindestens drei Wahlberechtigten angefochten werden muß, sei nicht mehr erfüllt, weil der Antragsteller zu 1) die Wahlberechtigung zum Personalrat des Abendgymnasiums II verloren habe und die Antragstellerin zu 2) zeitweise nicht mehr zu dieser Personalvertretung wahlberechtigt gewesen sei.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragsteller, zu deren Begründung sie vortragen: Die Wahlberechtigung als Voraussetzung für die Anfechtung einer Personalratswahl beurteile sich nach der Zeitpunkt der Wahlanfechtung und müsse daher nicht während des gesamten Anfechtungsverfahrens bestehen bleiben. Die Antragsteller beantragen sinngemäß,
den Beschluß des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs – Fachsenat für Personalvertretungssachen (Land) – vom 25. Mai 1983 aufzuheben und die Beschwerde gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main – Fachkammer für Personalvertretungssachen (Land) – vom 30. September 1982 zurückzuweisen.
Der Beteiligte zu 1) verteidigt den angefochtenen Beschluß und beantragt,
die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Der Beteiligte zu 2) stellt keinen Antrag.
Entscheidungsgründe
II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet. Das Beschwerdegericht hat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 HPVG zu Unrecht verneint.
In seinem zu der entsprechenden Vorschrift des § 25 des Personalvertretungsgesetzes für das Land Baden-Württemberg in der Fassung vom 1. Oktober 1975 (GBl. S. 693) ergangenen Beschluß vom 27. April 1983 – BVerwG 6 P 17.81 – (BVerwGE 67, 145) hat der Senat ausgeführt:
„Ein Ausscheiden der Antragsteller zu 1) und zu 3) aus dem Verfahren ist insbesondere nicht dadurch eingetreten, daß diese zwischenzeitlich aus der Dienststelle ausgeschieden und damit jetzt nicht mehr wahlberechtigt sind. Ein späterer, nach Durchführung der Wahl eintretender Wegfall der Wahlberechtigung läßt weder nach dem Wortlaut des Gesetzes noch nach dessen Sinn und Zweck die Anfechtungsbefugnis entfallen. Wahlberechtigt im Sinne des § 25 LPVG sind nach § 11 LPVG alle Beschäftigten, die am Wahltage bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Der Gesetzeswortlaut knüpft somit die Anfechtungsberechtigung an Voraussetzungen, die am Wahltage vorliegen müssen. Nach dem Wortlaut genügt es daher, wenn drei Wahlberechtigte die Wahl anfechten, die an der angefochtenen Wahl teilnehmen durften. Daraus ergibt sich umgekehrt, daß ein Beschäftigter, der bei der Wahl nicht wahlberechtigt war, aber während der Anfechtungsfrist die Voraussetzungen des aktiven Wahlrechts erfüllt, nicht anfechtungsberechtigt ist oder wird. Eine nach dem Wahltage eintretende Veränderung der Wahlberechtigung hat nur für künftige Wahlen Bedeutung; auf die Anfechtungsbefugnis ist sie ohne Einfluß.
Auch für das Bundestagswahlrecht wird die Auffassung vertreten, daß maßgeblicher Zeitpunkt für die Wahlanfechtung die Wahlberechtigung am Wahltage ist (so BT-Beschluß vom 10. März 1966 zu Drs. V/379, Sten. Bericht S. 1265 und BT-Beschluß vom 17. März 1966 zu Drs. V/425, Sten. Bericht S. 1425). Ein späterer Verlust des Wahlrechts hindert danach weder die Einleitung noch die Fortsetzung des Verfahrens. Diese Auffassung wird einhellig in Rechtsprechung und Schrifttum auch zum Kommunalwahlrecht vertreten (Preußisches OVG, Entscheidung vom 9. November 1926 – II B 33.24 – [PrVBl. Bd. 48 S. 456]; OVG Lüneburg, OVGE 23, 429, 430 ff.; BayVGH, VGHE 10, 98, 99; Kunze/Merck, Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg, 3. Aufl. 1980, § 26 KommWG, Anm. 2 a; Schneider, Kommunalwahlrecht, 2. Aufl. 1964, S. 46; Meixner/Prandl, Gemeindewahlgesetz, 12. Aufl. 1975, Anm. 1 zu Art. 36 Bay. GWG; Monz, Kommentar zum KWG Rheinland-Pfalz, 1964 Anm. 3 zu § 42).
Da sämtliche Vorschriften wie auch der hier in Frage stehende § 25 LPVG den Wahlberechtigten das Anfechtungsrecht einräumen und die Interessenlage darüber hinaus ebenfalls die gleiche ist, ist kein vernünftiger Grund ersichtlich, weshalb allein für das Personalvertretungsrecht eine andere Auslegung geboten sein soll.
Das für ein Wahlanfechtungsverfahren zu fordernde Rechtsschutzinteresse entfällt entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts nicht durch den Verlust der Wahlberechtigung. Im Beschlußverfahren nach dem Arbeitsgerichtsgesetz ist das Rechtsschutzbedürfnis in der Regel nach anderen Maßstäben zu beurteilen, als dies im Zivil- oder Verwaltungsprozeß der Fall ist. Das folgt aus dem meist vorhandenen objektiven Charakter des Beschlußverfahrens, das keine Parteien, sondern nur den Antragsteller und weitere Beteiligte kennt (BVerwGE 7, 140, 142). Das gilt insbesondere für das Wahlanfechtungsverfahren, weil es nicht dem Einzelinteresse, sondern dem Allgemeininteresse dient. Wäre nämlich die Verfolgung subjektiver Rechte Gegenstand des Verfahrens, müßte auch der einzelne zu Unrecht von der Wahl ausgeschlossene Beschäftigte sie anfechten können (BVerwG, Beschluß vom 15. März 1968 – BVerwG 7 P 3.67 – [PersV 1968, 161, 162]). Das Anfechtungsrecht der Gewerkschaften zeigt ebenfalls, daß das Rechtsschutzinteresse nicht eine persönliche Beschwer voraussetzt. Im Vordergrund steht vielmehr das Allgemeininteresse an der Ordnungsmäßigkeit der Wahl des Personalrats (BVerwG, Beschluß vom 7. Juli 1961 – BVerwG 7 P 9.60 – [ZBR 62, 21]). Auch zu anderen Wahlanfechtungsverfahren wird die gleiche Auffassung vertreten; ein über das allgemeine Interesse jedes Wahlberechtigten an dem ordnungsgemäßen Zustandekommen seiner Vertretung hinausgehendes Interesse wird nicht gefordert (BVerwGE 48, 251, 254).
Auch der Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses kann daher nicht dazu führen, daß den Antragstellern die Antragsbefugnis verlorengegangen ist; vielmehr ist festzustellen, daß das Allgemeininteresse an der Feststellung der Rechtmäßigkeit der Zusammensetzung des Personalrats bestehen bleibt. Die im Gesetz den Wahlberechtigten zuerkannte Anfechtungsbefugnis steht somit jedem Beschäftigten zu, der zu der angefochtenen Wahl wahlberechtigt war.”
Die von dem Personalrat des Abendgymnasiums II hiergegen vorgetragenen rechtlichen Gesichtspunkte geben dem Senat keinen Anlaß, seine Rechtsauffassung zu ändern. Sie verkennen, daß eine Wahl – auch die Wahl eines Personalrats – ihrem Wesen nach ein punktuelles Geschehnis ist mit der Folge, daß alle Rechtsfragen, die an Verlauf und Ergebnis der Wahlhandlung anknüpfen, auf der Grundlage des Sach- und Rechtsstandes zum Zeitpunkt der Wahl zu beurteilen sind. Die von dem Personalrat vorgetragenen Bedenken lassen weiter außer Betracht, daß es alleiniges Ziel einer Wahlanfechtung ist und nur sein kann, die Beachtung der Wahlvorschriften durchzusetzen und so eine diesen Vorschriften entsprechende Zusammensetzung des zu wählenden Gremiums zu erreichen. Der Wahlberechtigte soll sich dagegen wehren dürfen, daß ein Gremium, welches aus einer fehlerhaften Wahl hervorgegangen ist, die er sich zurechnen lassen muß, seine Arbeit aufnimmt. Dabei ist es zum einen – angesichts des Wahlgeheimnisses – ohne Belang, ob er sein Wahlrecht ausgeübt hat oder nicht, und kommt es zum anderen nicht darauf an, ob er später noch von der Arbeit des zu wählenden Gremiums betroffen ist. Aus der dargelegten rechtlichen Sicht ist schließlich auch kein Widerspruch darin zu erblicken, daß ein Personalratsmitglied zwar sein Amt beim Ausscheiden aus der Dienststelle verliert, als im Zeitpunkt der Wahl Wahlberechtigter aber weiter anfechtungsbefugt bleibt. Denn anders als die rechtlich und zeitlich auf die Wahlhandlung bezogene Wahlanfechtungsbefugnis setzt die Zugehörigkeit zum Personalrat als ein auf die Dauer der Wahlperiode dieses Gremiums bezogener, an die Dienststellenzugehörigkeit gebundener Status diese Zugehörigkeit voraus.
Da das Beschwerdegericht den von den Antragstellern gerügten Verstoß gegen die Vorschriften des Wahlrechts – aus seiner rechtlichen Sicht zutreffend – nicht geprüft hat, insoweit also eine materielle Sachbehandlung in der zweiten Tatsacheninstanz unterblieben ist, und sich andererseits nicht feststellen läßt, daß die behaupteten Wahlfehler ohne Einfluß auf das Wahlergebnis geblieben sind, ist die Sache zur nochmaligen Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Dr. Becker, Dr. Schinkel, Nettesheim, Ernst, Dr. Seibert
Fundstellen