Verfahrensgang
VG Dresden (Urteil vom 17.05.2006; Aktenzeichen 14 K 3043/99) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 17. Mai 2006 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 828 € festgesetzt.
Tatbestand
I
Der Kläger begehrt die Feststellung seiner Berechtigung nach dem Vermögensgesetz hinsichtlich eines Grundstücks, das von dem Bankhaus B… & F… 1936 veräußert wurde. Das Bankhaus wurde damals in der Rechtsform einer offenen Handelsgesellschaft betrieben. Der Rechtsvorgänger des Klägers, Herr S… F…, war Gesellschafter der OHG. Er war jüdischen Glaubens und musste im Jahre 1937 zwangsweise aus dem Bankhaus ausscheiden.
Mit Teilbescheid vom 27. Juli 1999 lehnte das Sächsische Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen den Antrag des Klägers auf Rückübertragung des ehemaligen Unternehmens der offenen Handelsgesellschaft ab und stellte fest, dass der Kläger stattdessen einen Anspruch auf Entschädigung dem Grunde nach wegen des Verlustes der Beteiligung an der OHG hat. Die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit rechtskräftigem Urteil abgewiesen und zur Begründung insbesondere ausgeführt, der Kläger sei nicht Berechtigter hinsichtlich des Bankhauses, da sein Rechtsvorgänger zu keiner Zeit mehr als 50 v.H. der Anteile an dem Bankhaus innegehabt habe.
Die im vorliegenden Verfahren erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht ebenfalls abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt: Es stehe rechtskräftig fest, dass dem Kläger ein Anspruch auf Rückübertragung des ehemaligen Bankhauses nicht zustehe. Deshalb habe er auch keinen Anspruch auf Restitution des Grundstücks; denn dessen Restitution könnte aufgrund des Vorrangs der Unternehmensrestitution vor der Einzelrestitution nur zusammen mit der Restitution der OHG erfolgen. Ein Anspruch auf Einzelrestitution nach § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG bestehe ebenfalls nicht, da das Grundstück bereits vor der Schädigung des Rechtsvorgängers des Klägers aus dem Vermögen der OHG ausgeschieden sei.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde des Klägers.
Entscheidungsgründe
II
Die Beschwerde ist unbegründet. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, vgl. 1.). Das verwaltungsgerichtliche Urteil weicht nicht ab von einer der in der Beschwerde genannten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, vgl. 2.). Weiter liegt kein geltend gemachter Verfahrensmangel vor (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, vgl. 3.).
1. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. Daran fehlt es hier. Die Beschwerde hält für grundsätzlich klärungsbedürftig die Frage,
ob ein Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft, für den die Voraussetzungen des § 1 Abs. 6 VermG vorliegen, bei Vermögensverlusten der Gesellschaft vor deren Arisierung selbst unmittelbar Berechtigter ist, wenn die “verfolgte Gesellschaft” diesen Anspruch mangels Erreichen des Quorums nicht durchsetzen kann.
Diese Frage lässt sich ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens verneinen. Berechtigter bei der Rückgabe eines Unternehmens ist derjenige, dessen Vermögenswerte von Maßnahmen gemäß § 1 VermG betroffen sind (§ 6 Abs. 1a Satz 1 VermG). War Träger des Unternehmens eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft ist diese Berechtigte (§ 2 Abs. 1 Satz 1 VermG). Das Vermögensgesetz stellt also juristische Personen und Personenhandelsgesellschaften ausdrücklich gleich. Der Berechtigte besteht nur dann als in Auflösung befindlich fort, wenn das erforderliche Quorum zustande kommt (§ 6 Abs. 1a Satz 2 VermG). Ist dies nicht der Fall, kann das Unternehmen nicht zurückgefordert werden (§ 6 Abs. 1a Satz 3 VermG). Wegen des Vorrangs der Unternehmens- vor der Einzelrestitution können dann frühere Gesellschafter des Berechtigten grundsätzlich nicht die Rückgabe einzelner Vermögensgegenstände, die sich im Eigentum des Berechtigten befanden hatten, verlangen (§ 3 Abs. 1 Satz 3 VermG).
Darüber hinaus räumt § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG bei Schädigungen nach § 1 Abs. 6 VermG einen Anspruch auf ergänzende Einzelrestitution ein. Ist – wie hier – eine unmittelbare Beteiligung an einem Unternehmen Gegenstand der Schädigung, besteht ein solcher Anspruch aber nur hinsichtlich der Vermögenswerte, die nach der Entziehung der Beteiligung aus dem Vermögen des Unternehmens ausgeschieden sind (§ 3 Abs. 1 Satz 4 letzter Halbsatz VermG).
Entgegen der Auffassung der Beschwerde besteht dabei kein Unterschied zwischen Personenhandelsgesellschaften und Kapitalgesellschaften. Die Unterschiede zwischen beiden sind vermögensrechtlich insoweit ohne Bedeutung. Sowohl Kapitalgesellschaften als auch Personenhandelsgesellschaften konnten wegen einer hohen aber nicht über 50 % liegenden Beteiligung von Juden in der NS-Zeit als “jüdische Unternehmen” angesehen und verfolgt worden sein. Dadurch können sowohl den Gesellschaftern einer Handelsgesellschaft als auch denen einer Kapitalgesellschaft erhebliche wirtschaftliche Schäden entstanden sein. Dennoch können sowohl die Gesellschafter der Kapitalgesellschaft als auch die der Personenhandelsgesellschaft eine Rückübertragung (bzw. Feststellung der Entschädigungsberechtigung) nur unter den oben genannten Voraussetzungen verlangen. Unterschiede zwischen Personenhandels- und Kapitalgesellschaften, die es erfordern oder zumindest rechtfertigen könnten, deren Gesellschafter im Vermögensrecht insoweit unterschiedlich zu behandeln, bestehen somit nicht.
2. Eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt nur dann vor, wenn die Vorinstanz mit einem ihre Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Vorschriften des revisiblen Rechts widersprochen hat. Auch daran fehlt es hier.
Das verwaltungsgerichtliche Urteil weicht nicht ab von dem Urteil des Senats vom 23. Februar 2006 – BVerwG 7 C 4.05 – (zur Veröffentlichung in Buchholz unter 428 vorgesehen). Dieses Urteil befasst sich mit der Frage, wann die JCC als Rechtsnachfolger eines geschädigten Unternehmens Berechtigter im Sinne des Vermögensgesetzes ist (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 4 VermG). Im Anschluss an das Urteil vom 19. September 2002 – BVerwG 7 C 21.01 – (Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 51) wird darin ausgeführt, dass es in diesem Falle nicht der Wiederbelebung des Unternehmensträgers nach § 6 Abs. 1a Satz 2 VermG bedarf. Einen davon abweichenden Rechtssatz enthält das Urteil des Verwaltungsgerichts weder ausdrücklich noch sinngemäß. Auf die in den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts angesprochenen Fragen kam es hier nicht an, weil es nicht um die Rechtsnachfolge der JCC geht und weil darüber hinaus rechtskräftig feststeht, dass der Kläger nicht Berechtigter hinsichtlich des Unternehmens der OHG ist.
Das angefochtene Urteil weicht auch nicht ab von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. März 2006 – BVerwG 8 C 15.05 – (zur Veröffentlichung in Buchholz unter 428 vorgesehen). In diesem Urteil geht es um die Schädigung von Mitgliedern einer “rassisch gemischten” Erbengemeinschaft. Von Rechtssätzen dieser Entscheidung abweichende Rechtssätze enthält das angegriffene Urteil weder ausdrücklich noch sinngemäß. Auch hierauf kam es hier nicht an. Für die Schädigung von Unternehmen enthält das Vermögensgesetz Sonderregelungen, auf die für Erbengemeinschaften gemachte Aussagen des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich nicht übertragbar sind.
3. Eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) liegt ebenfalls nicht vor. Der Prüfung, ob das angefochtene Urteil auf einem Verfahrensmangel – insbesondere einer Verletzung der Aufklärungspflicht – beruht, muss die materiellrechtliche Beurteilung der Vorinstanz selbst dann zugrunde gelegt werden, wenn diese sich als unzutreffend erweisen sollte (stRspr, vgl. Urteil vom 4. November 1994 – BVerwG 8 C 28.93 – Buchholz 454.71 § 7 WoGG Nr. 1). Die Beschwerde hätte deshalb darlegen müssen, wieso nach der materiellrechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts eine weitere Sachverhaltsaufklärung notwendig gewesen wäre. Stattdessen führt sie aber aus, wieso eine weitere Sachverhaltsaufklärung notwendig wäre, wenn man von der nach Auffassung der Beschwerde richtigen, aber dem Verwaltungsgericht widersprechenden materiellrechtlichen Auffassung ausgeht.
Die Ausführungen des Klägers zu den Kosten sind offensichtlich auf das angestrebte Revisionsverfahren bezogen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 GKG.
Unterschriften
Sailer, Krauß, Neumann
Fundstellen