Verfahrensgang

Bayerischer VGH (Aktenzeichen 14 N 95.2130)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Juli 2000 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 40 000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Der Antragsteller wendet sich im Normenkontrollverfahren gegen einen Bebauungsplan, mit dem in einem Abstand von 130 m zu seinem landwirtschaftlichen Betrieb mit etwa 140 Stück Rindvieh ein allgemeines Wohngebiet ausgewiesen wird. Er befürchtet immissionsschutzrechtliche Auflagen infolge der heranrückenden Wohnbebauung. Der Verwaltungsgerichtshof hat den Normenkontrollantrag abgelehnt, weil bei dieser Entfernung weder Geruchs- noch Lärmbeeinträchtigungen der künftigen Wohnnutzung durch den landwirtschaftlichen Betrieb zu befürchten seien. Dem Betrieb verbleibe auch die Möglichkeit einer angemessenen Erweiterung. Mit der Beschwerde erstrebt der Antragsteller die Zulassung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde ist nicht begründet. Die in der Beschwerdeschrift geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

1. Die Entscheidung des Normenkontrollgerichts kann nicht im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auf dem in der Beschwerdeschrift geltend gemachten Verfahrensfehler beruhen.

a) Die Beschwerde rügt, das Normenkontrollgericht habe gegen Art. 19 Abs. 4 GG verstoßen, weil es über den Normenkontrollantrag vom 29. Juni 1995 gegen den am 26. Juni 1995 ortsüblich bekannt gemachten Bebauungsplan erst nach fünf Jahren entschieden habe. Dieser Bebauungsplan ist indes nicht Gegenstand der Normenkontrollentscheidung, sondern der nach erneuter Beschlussfassung am 29. Juli 1999 bekannt gemachte Bebauungsplan gleichen Inhalts. Das beruht darauf, dass das Normenkontrollgericht die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 19. März 1999 darauf hingewiesen hatte, dass Zweifel an der Gültigkeit des Bebauungsplans vom 26. Juni 1995 bestünden, weil es an der erforderlichen Anzeige des Bebauungsplans beim Landratsamt als Genehmigungsbehörde fehle und der Plan erst nach seiner Bekanntmachung vom Bürgermeister ausgefertigt worden sei. Daraufhin hatte die Antragsgegnerin den Bebauungsplan am 27. Juni 1999 erneut beschlossen und das weitere Verfahren nach dem inzwischen in Kraft getretenen Baugesetzbuch in der ab 1. Januar 1998 geltenden Fassung durchgeführt.

Der Antragsteller sieht sich in seinem Recht auf Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit dadurch verletzt, dass bei einer Entscheidung vor dem 1. Januar 1998 seinem Antrag hätte entsprochen und der verfahrensfehlerhafte Bebauungsplan von 1995 hätte für nichtig erklärt werden müssen. Durch den Hinweis auf die Verfahrensfehler habe das Normenkontrollgericht der Antragsgegnerin die Möglichkeit einer Heilung gegeben, wie sie erst durch § 215 a Abs. 1 BauGB und § 47 Abs. 5 Satz 4 VwGO seit 1. Januar 1998 eröffnet worden sei.

Anhaltspunkte dafür, dass das Normenkontrollgericht das Verfahren vor dem 1. Januar 1998 aus Gründen, die nicht in seiner Arbeitsbelastung liegen, nicht weiter betrieben hätte, sind jedoch nicht ersichtlich. Im Übrigen ist ein Gericht nicht gehindert, auch schon vor der mündlichen Verhandlung rechtliche Hinweise zu geben. Es bleibt einem Antragsgegner dann unbenommen, schon während eines laufenden Normenkontrollverfahrens erkannte Mängel der Norm zu beheben. In diesem Fall ist Gegenstand des Normenkontrollverfahrens der – inhaltlich unveränderte – Bebauungsplan, wie er nach Behebung des Mangels wirksam in Kraft gesetzt worden ist (BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 1999 – BVerwG 4 CN 1.98 – DVBl 2000, 793; NVwZ 2000, 807; ZfBR 2000, 199). Daher könnte die Normenkontrollentscheidung auch nicht auf dem gerügten Verfahrensfehler beruhen.

Auch das vom Antragsteller angestrebte Revisionsverfahren könnte nur den Plan von 1999 zum Gegenstand haben. Das entspricht auch der Interessenlage des Antragstellers, wie er mit seiner Antragsumstellung zum Ausdruck gebracht hat. Er bekämpft den Bebauungsplan wegen seines Inhalts, der in der geltenden Fassung unverändert gegenüber dem Plan von 1995 geblieben ist. Er will auch durch das mit der Beschwerde angestrebte Revisionsverfahren nur die Feststellung der Nichtigkeit des Bebauungsplans von 1999 erreichen, und zwar wegen der von ihm geltend gemachten, durch den Plan aufgeworfenen Immissionsproblematik. Seinem Rechtsschutzinteresse ist gerade damit gedient, dass das Normenkontrollgericht den Plan inhaltlich überprüft hat. Hätte das Normenkontrollgericht vor 1998 die Nichtigkeit des Bebauungsplans wegen vorliegender Verfahrensfehler festgestellt, hätte die Antragsgegnerin die Fehler in gleicher Weise wie geschehen beheben und den Bebauungsplan erneut in Kraft setzen können (§ 215 Abs. 3 BauGB a.F.; vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Mai 1993 – BVerwG 4 N 2.92 – BVerwGE 92, 266; DVBl 1993, 1096; ZfBR 1994, 27). Der Antragsteller hätte sodann zur Wahrung des von ihm geltend gemachten Rechts auf Abwehr der heranrückenden Wohnbebauung einen neuen Normenkontrollantrag gegen den Bebauungsplan von 1999 stellen müssen. Das ist ihm erspart geblieben.

Der Antragsteller ist – entgegen der Darstellung in der Beschwerdeschrift – auch nicht mit zusätzlichen Prozesskosten dadurch belastet worden, dass das Normenkontrollgericht den Bebauungsplan von 1995 nicht für nichtig erklärt hat; damit sind lediglich der Antragsgegnerin Kosten erspart geblieben. Die Kostenfolge des Misserfolgs seines Normenkontrollantrags beruht darauf, dass die materiellrechtlichen Einwände des Antragstellers gegen den Bebauungsplan von 1999 – wie schon gegen den von 1995 – vom Normenkontrollgericht nicht für begründet gehalten worden sind.

Es wäre dem Antragsteller auch möglich gewesen, den Rechtsstreit nach der Heilung des Bebauungsplans durch die Antragsgegnerin für erledigt zu erklären. Dann wären die Kosten des Verfahrens nach § 161 Abs. 2 VwGO der Antragsgegnerin aufzuerlegen gewesen. Dies entsprach vorliegend jedoch nicht der Interessenlage des Antragstellers, so dass er folgerichtig seinen Antrag umgestellt hat, daher aber auch hinsichtlich der Kosten letztlich unterlegen ist.

b) Die Beschwerde rügt, das Normenkontrollgericht habe gegen § 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO verstoßen, weil es durch Urteil entschieden hat, obwohl es „selbst eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich gehalten hat und somit nach § 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO die Entscheidung durch Beschluss zu ergehen hat”. Damit ist ein Verfahrensfehler nicht geltend gemacht. § 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO gestattet es dem Normenkontrollgericht, statt durch Urteil durch Beschluss zu entscheiden, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Es verbietet dem Normenkontrollgericht nicht, aufgrund einer mündlichen Verhandlung durch Urteil zu entscheiden, obwohl es – zunächst oder zwischenzeitlich – eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Entscheidung aufgrund einer mündlichen Verhandlung bietet jedenfalls höhere Gewähr dafür, dass die Beteiligten umfassend rechtliches Gehör finden, als die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung. Sie erfüllt überdies zweifelsfrei die Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention – EMRK – (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 1999 – BVerwG 4 CN 9.98 – DVBl 2000, 807; NVwZ 2000, 810; ZfBR 2000, 188). Sie ist deshalb gegenüber einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, auch wenn dafür die Voraussetzungen vorliegen, nicht verfahrensfehlerhaft.

c) Die Beschwerde rügt, das Normenkontrollgericht habe gegen das Gebot ausreichender Sachaufklärung (§ 86 VwGO) verstoßen, weil es kein Sachverständigengutachten zu dem erforderlichen Abstand zwischen dem Betrieb des Antragstellers und der geplanten Wohnbebauung aus Gründen des Schutzes vor Geruchsbelästigungen eingeholt habe. Die Rüge ist unbegründet. Dem Normenkontrollgericht lag die Ermittlung des Amtes für Landwirtschaft auf der Grundlage des Entwurfs der VDI-Richtlinie 3473 „Emissionsminderung Tierhaltung – Rinder” vor, die zu einem Abstand von 135 m – statt, wie nach dem angegriffenen Bebauungsplan, von 130 m – gelangte. Es hielt den Richtlinien-Entwurf aufgrund einer entsprechenden Aussage des zuständigen Fachausschusses des VDI für nicht anwendbar und zog deshalb eine Untersuchung der Bayerischen Landesanstalt für Landtechnik der Technischen Universität München-Weihenstephan „Geruchsfahnenbegehungen an Rinderställen” (Gelbes Heft 63, herausgegeben vom Bayer. Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 1999) heran. Daraus ergab sich, dass bei einer Entfernung von mehr als 120 m in – wie hier gegeben – relativ ebenem, unbebautem Gelände Gerüche aus der Rinderhaltung nicht mehr wahrnehmbar sind, und zwar bei bis zu 500 Stück Rindvieh in konventionellen Ställen und bei bis zu 200 Stück Rindvieh in Offenställen. Ein Sachverständigengutachten hätte das Normenkontrollgericht nur dann einholen müssen, wenn Umstände vorgelegen hätten, die Zweifel an der Verwertbarkeit dieser Untersuchung begründeten, oder wenn sich dem Gericht solche Umstände hätten aufdrängen müssen. Das ist indes nicht der Fall. Aus dem Beschluss des Senats vom 8. Juli 1998 – BVerwG 4 B 38.98 – (NVwZ 1999, 63; Buchholz 310 § 86 VwGO Nr. 290; BauR 1998, 1207), auf den sich die Beschwerde beruft, ergibt sich nichts anderes. Er betrifft eine gänzlich andere Fallgestaltung und überdies die Heranziehung der VDI-Richtlinie 3471 (Schweinehaltung).

2. Die Rechtssache hat nicht die in der Beschwerdeschrift geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

a) Die Beschwerde hält für klärungsbedürftig die Frage, ob ein Abwägungsfehler dann vorliegt, wenn der maßgebliche Zweck des Bebauungsplans nach Auffassung des Plangebers in der Deckung eines dringenden Wohnbedarfs der Bevölkerung besteht, dies tatsächlich jedoch nicht vorliegt. Die Frage wäre in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig, weil sie Tatsachen voraussetzt, die vom Normenkontrollgericht nicht festgestellt sind. Das Normenkontrollgericht hat, wie die Beschwerde selbst hervorhebt, festgestellt, dass die Antragsgegnerin 1995 von einer Anzeige des seinerzeitigen Bebauungsplans gemäß § 2 Abs. 6 BauGB-MaßnahmenG abgesehen hat, weil der Bebauungsplan der Deckung eines dringenden Wohnbedarfs diene und aus dem Flächennutzungsplan entwickelt sei. Das Normenkontrollgericht hatte seinerzeit Zweifel, ob diese Voraussetzungen vorlagen und hat die Antragsgegnerin auf diese Zweifel hingewiesen. Das Normenkontrollgericht hat weiter festgestellt, dass die Antragsgegnerin den Bebauungsplan 1999 mit der Maßgabe neu beschlossen hat, dass das weitere Verfahren nach dem neuen Recht durchzuführen ist. Dass die Erfüllung eines dringenden Wohnbedarfs ein die Abwägung maßgeblich bestimmender Zweck des Bebauungsplans, nämlich gerade auch 1999, gewesen wäre, ist vom Normenkontrollgericht nicht festgestellt.

b) Die Beschwerde bezeichnet im Zusammenhang mit einer Kritik an den Ausführungen des Normenkontrollgerichts zu dem aus Immissionsschutzgründen erforderlichen Abstand zwischen einem landwirtschaftlichen Betrieb der Rinderhaltung einerseits und Wohnbebauung andererseits als klärungsbedürftig die Frage, „welche verbindlichen Maßstäbe derzeit und in Zukunft für die Beurteilung einer dem Gebot der Konfliktbewältigung gerecht werdenden Abstandsfläche im Rahmen des Abwägungsgebots des § 1 Abs. 6 BauGB als maßgeblich heranzuziehen sind”. Diese Frage wäre in einem Revisionsverfahren nicht in der Weise klärungsfähig, dass allgemein gültige Maßstäbe aufgestellt werden könnten. Ein Gericht hat für die Beurteilung erforderlicher Abstände zwischen Wohnbebauung und landwirtschaftlicher Tierhaltung die immissionsschutzfachlich anerkannten Methoden zu beachten und gegebenenfalls immissionsschutzfachlichen Sachverstand heranzuziehen. Was im Einzelnen geboten ist, hängt im Wesentlichen von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rechtsgrundsätzlichen Klärung. Das Normenkontrollgericht hat seine Beurteilung, dass ein Abstand von 130 m zur Vermeidung sowohl von Geruchs- wie von Lärmbelästigungen ausreichend – auch für eine angemessene Erweiterung der Rinderhaltung – ist, auf mehrere fachliche Aussagen, Untersuchungen und Stellungnahmen gestützt. Darüber hinausgehend ließe sich an rechtlichen Maßstäben nichts Weiteres hinzufügen.

Gleiches gilt für die weitere als klärungsbedürftig bezeichnete Frage, auf welche Kriterien zur Beurteilung des erforderlichen Abstands abzustellen ist, wenn „derzeit der Entwurf der VDI-Richtlinie 3473 nicht anwendbar ist”.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 14 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

 

Unterschriften

Gaentzsch, Rojahn, Jannasch

 

Fundstellen

ZfBR 2001, 287

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