Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Beschluss vom 17.01.2008; Aktenzeichen 2 A 3971/06) |
Tenor
Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 17. Januar 2008 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 13 000 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde hat mit der Verfahrensrüge (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) Erfolg. Mit ihren diesbezüglichen Ausführungen beanstandet sie der Sache nach die fehlerhafte Auslegung und Anwendung des § 124a Abs. 6 Satz 3, Abs. 3 Satz 4 VwGO in einer Weise, welche den Anforderungen an die Bezeichnung eines Verfahrensmangels noch genügt (§ 132 Abs. 2 Nr. 3, § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Im Interesse der Verfahrensbeschleunigung verweist der Senat die Sache gemäß § 133 Abs. 6 VwGO unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses an das Berufungsgericht zurück.
Der gerügte Verfahrensfehler liegt vor. Das Berufungsgericht hat überzogene Anforderungen an den Inhalt der nach § 124a Abs. 6 VwGO erforderlichen Berufungsbegründung gestellt und hätte deshalb die Berufung nicht als unzulässig verwerfen dürfen. Nach § 124a Abs. 6 Satz 3, Abs. 3 Satz 4 VwGO muss die Berufungsbegründung einen bestimmten Antrag und die im Einzelnen anzuführenden Berufungsgründe enthalten. Welche Mindestanforderungen an die Berufungsbegründung zu stellen sind, hängt dabei wesentlich von den Umständen des konkreten Einzelfalls ab. Das gesetzliche Erfordernis der Einreichung eines Schriftsatzes zur Berufungsbegründung kann grundsätzlich auch eine auf die erfolgreiche Begründung des Zulassungsantrags verweisende Begründung erfüllen, wenn damit hinreichend zum Ausdruck gebracht werden kann, dass und weshalb das erstinstanzliche Urteil weiterhin angefochten wird (vgl. Beschluss vom 23. September 1999 – BVerwG 9 B 372.99 – Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 12, Urteil vom 18. Juli 2006 – BVerwG 1 C 15.05 – BVerwGE 126, 243 Rn. 10). Unabhängig davon, ob das Oberverwaltungsgericht im Ausgangspunkt bereits diesen Maßstab verkannt hat, meint es jedenfalls in der Sache zu Unrecht, dass die Berufungsbegründung der Klägerin vom 1. Oktober 2007 den gesetzlichen Anforderungen nicht gerecht werde.
Das gilt zunächst, soweit das Oberverwaltungsgericht anführt, die Berufungsbegründung der Klägerin sei nicht hinreichend bestimmt, weil sich daraus nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit entnehmen lasse, wer Berufungsführer sein solle. Dies trifft nicht zu. Zunächst wird nämlich aus der Berufungsbegründung hinreichend deutlich, dass diese sich in der Sache auf die erfolgreiche Begründung des Zulassungsantrags bezieht. Aus dieser wiederum, und zwar sowohl aus dem Schriftsatz der Klägerin vom 16. Oktober 2006 (Zulassungsantrag) als auch aus dem Schriftsatz vom 26. Oktober 2006, mit dem der Zulassungsantrag begründet wird, geht unzweifelhaft hervor, dass allein die Klägerin das Zulassungsverfahren betrieben hat und daher notwendig auch Berufungsführerin sein sollte. Denn sowohl im “Rubrum” als auch im Text dieser Schriftsätze ist lediglich von der Klägerin als der Antragstellerin die Rede.
Zweifel an der alleinigen Antragstellung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht allenfalls selbst verursacht, indem es – entgegen dem insoweit klaren Antrag der Klägerin – in seinem Zulassungsbeschluss vom 5. September 2007 auch die früheren Kläger zu 2 bis 5 in das Rubrum aufgenommen hat. Soweit dies dazu geführt hat, dass auch die Klägerin eingangs ihrer Berufungsbegründungsschrift vom 1. Oktober 2007 auf “die Kläger” Bezug genommen hat, kann ihr dies nicht vorgeworfen werden, sondern hätte allenfalls das Oberverwaltungsgericht dazu veranlassen müssen, etwaigen Zweifeln durch eine klärende Rückfrage nachzugehen. Dass allein die Klägerin Berufungsführerin war, ging im Übrigen aus der Berufungsbegründung auch insofern hervor, als diese ansonsten nur unter Bezugnahme auf “die Klägerin” und ihre Rechtsauffassung verfasst ist. Unabhängig davon folgten aus etwaigen Zweifeln daran, ob auch die früheren Kläger zu 2 bis 5 Rechtsmittelführer sein sollten, keine durchgreifenden Zweifel daran, dass jedenfalls die Klägerin Rechtsmittelführerin war.
Dem Oberverwaltungsgericht kann auch nicht gefolgt werden, soweit es der Klägerin vorwirft, ihre Berufungsbegründungsschrift vom 1. Oktober 2007 habe nicht mit der gebotenen Klarheit erkennen lassen, in welchem Umfang das Urteil des Verwaltungsgerichts im Berufungsverfahren zur Überprüfung gestellt werden sollte. Vielmehr hätte das Oberverwaltungsgericht, das von Amts wegen das Klagebegehren im Sinne des wahren Rechtsschutzziels zu ermitteln hat (vgl. § 88 VwGO), aus der Berufungsbegründung und der damit in Bezug genommenen erfolgreichen Begründung des Zulassungsantrags wie auch vor dem Hintergrund seines Zulassungsbeschlusses das Klageziel der Klägerin dahin bestimmen können und müssen, dass diese im Berufungsverfahren jedenfalls die Verurteilung der Beklagten zur erneuten (Ermessens-)Entscheidung über das Wiederaufgreifen des Verfahrens erstrebte. Die Klägerin hat nämlich bereits in der Begründung des Zulassungsantrags einen entsprechenden Ermessensausfall der Beklagten moniert. Das Oberverwaltungsgericht hat auf dieses Vorbringen mit Beschluss vom 5. September 2007 die Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen und zur Begründung angeführt, es bestünden ernstliche Zweifel an der Feststellung des Verwaltungsgerichts, die Entscheidung der Beklagten, das Verfahren nicht nach § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 oder § 49 VwVfG wiederaufzugreifen, lasse keinen Ermessensfehler erkennen. Wenn sich dann die Berufungsbegründungsschrift der Klägerin vom 1. Oktober 2007 – wie auch das Oberverwaltungsgericht einräumt – im Wesentlichen auf Angriffe zur mangelnden Ermessensausübung in der Entscheidung der Beklagten, das Verfahren nicht wiederaufzugreifen, beschränkt, durfte das Oberverwaltungsgericht an dem hierauf bezogenen Rechtsmittelbegehren der Klägerin keine durchgreifenden Zweifel hegen. Andernfalls hätte es, seiner prozessualen Fürsorgepflicht Rechnung tragend, derartige Zweifel innerhalb der bei Eingang der Berufungsbegründung noch laufenden Begründungsfrist aufklären müssen. Stattdessen hat es in einem Anhörungsschreiben gemäß § 130a VwGO vom 9. Oktober 2007 die Position der Klägerin noch bekräftigt, indem es darauf hingewiesen hat, dass es die Berufung im Hinblick auf den Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über das Wiederaufgreifen des Verfahrens nach allgemeinen Grundsätzen (§ 51 Abs. 5 VwVfG) einstimmig für begründet halte.
Da die Beschwerde schon wegen des Verstoßes gegen § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache führt, bedarf es keiner Entscheidung über die weiteren von der Klägerin geltend gemachten Revisionszulassungsgründe. Insoweit wird von einer weiteren Begründung abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG. Die von der Klägerin begehrte Erteilung eines Aufnahmebescheides wird mit 5 000 € und die begehrte Einbeziehung in diesen Aufnahmebescheid mit 2 000 € je einzubeziehender Person in Ansatz gebracht (vgl. bereits Urteil vom 13. September 2007 – BVerwG 5 C 25.06 – Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 110, Beschlüsse vom 7. Februar 2007 – BVerwG 5 B 178.06 – Buchholz 360 § 52 GKG Nr. 4 und vom 28. April 2008 – BVerwG 5 B 31.08 – juris Rn. 3 m.w.N.).
Unterschriften
Hund, Prof. Dr. Berlit, Dr. Störmer
Fundstellen