Verfahrensgang
Hessischer VGH (Urteil vom 16.12.2009; Aktenzeichen 6 A 1065/08) |
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 60 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Es liegen weder die nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gerügten Verfahrensmängel vor, noch stellt sich die im Zusammenhang mit der ersten dieser Verfahrensrügen als grundsätzlich im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bezeichnete Rechtsfrage (1.). Schließlich ist auch keine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO erkennbar, auf der das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs beruht (2.).
Rz. 2
1. a) Die Rüge der Beklagten, der Verwaltungsgerichtshof habe verfahrensfehlerhaft durch Sachurteil anstatt durch (klageabweisendes) Prozessurteil entschieden, greift nicht durch. Keiner Klärung bedarf, inwieweit die Rechtsprechung zur Verfahrensfehlerhaftigkeit einer Entscheidung durch Prozess- statt durch Sachurteil (vgl. z.B. Beschlüsse vom 21. Oktober 2004 – BVerwG 3 B 76.04 – juris Rn. 9 und vom 13. August 2009 – BVerwG 7 B 30.09 – juris Rn. 14) auf die umgekehrte Konstellation übertragbar ist. Eine Entscheidung durch Sachurteil statt durch Prozessurteil kann jedenfalls nur dann einen Verfahrensfehler darstellen, wenn sie auf einer fehlerhaften Anwendung prozessualer Vorschriften beruht. Dergleichen zeigt die Beschwerde nicht auf.
Rz. 3
Die Feststellungsklagen der Klägerinnen sind entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht wegen Eingreifens des Subsidiaritätsgrundsatzes (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO) unstatthaft. Gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann die Feststellung nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Eine Feststellungsklage scheidet danach aus, wenn für die Rechtsverfolgung ein unmittelbareres, sachnäheres und effektiveres Verfahren zur Verfügung steht (Urteil vom 24. Juni 2004 – BVerwG 4 C 11.03 – BVerwGE 121, 152 ≪156≫ = Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 3). Davon ist hier nicht deshalb auszugehen, weil sich die von den Klägerinnen begehrte Feststellung, von November 2002 bis Juli 2003 kein erlaubnispflichtiges Versicherungsgeschäft betrieben zu haben, im Wege der Verpflichtungsklage auf Erlass eines feststellenden Verwaltungsaktes erreichen ließe. Dahinstehen kann, inwieweit die Subsidiaritätsklausel des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO im Verhältnis zu einer Verpflichtungsklage auf Erlass eines feststellenden Verwaltungsaktes Anwendung findet (vgl. Sodan, in: ders./Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 43 Rn. 132 ff.; Möstl, in: Posser/Wolff, VwGO, 2008, § 43 Rn. 14). Jedenfalls ermächtigt die von der Beklagten für einschlägig gehaltene Regelung in § 2 Satz 1 Halbs. 1 VAG nur zur Feststellung der (fehlenden) Aufsichtspflichtigkeit eines gegenwärtigen oder zukünftig aufzunehmenden Unternehmens und nicht zur begehrten Feststellung eines vergangenen Rechtsverhältnisses. Der Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage greift daher nicht ein, weil die Klägerinnen ihr auf einen bereits abgeschlossenen Zeitraum bezogenes Klagebegehren nicht mit der Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage, sondern nur mit einer Feststellungsklage erreichen können.
Rz. 4
b) Die Rechtssache weist auch nicht die in diesem Zusammenhang geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf. Die von der Beschwerde im Hinblick auf die Subsidiaritätsklausel des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO für klärungsbedürftig gehaltene Frage,
“Gewährt § 2 Satz 1, 1. Halbsatz VAG einen Anspruch gegen die Beklagte auf Entscheidung darüber, ob der Antragsteller Versicherungsgeschäfte betreibt und daher als Versicherungsunternehmen der Aufsicht der Beklagten und damit der Erlaubnispflicht nach §§ 1, 5 VAG unterliegt?”,
wäre in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich. Wie dargelegt, sind die Feststellungsklagen der Klägerinnen unabhängig davon statthaft, ob § 2 VAG dem potentiell Aufsichtspflichtigen einen Anspruch auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der Aufsichtspflicht einräumt.
Rz. 5
Die von der Beklagten aufgeworfene Grundsatzfrage ist auch nicht im Hinblick auf das nach § 43 Abs. 1 VwGO für eine Feststellungsklage erforderliche berechtigte Interesse entscheidungserheblich. Dieses lässt sich jedenfalls unter den hier gegebenen Voraussetzungen nicht deswegen in Abrede stellen, weil die Klägerinnen zur Klärung der Frage, ob sie bei Wiederaufnahme ihres Geschäftsmodells der Aufsicht unterliegen würden, eine entsprechende Feststellung der Beklagten nach § 2 VAG hätten beantragen können; denn die Beklagte hat ungeachtet ihres Hinweises, diese Entscheidung bisher nicht vorweggenommen zu haben (S. 6 der Beschwerdebegründung), keinen nachhaltigen Zweifel daran gelassen, dass sie das in Rede stehende Geschäftsmodell für erlaubnispflichtig hält. Angesichts dessen und im Hinblick auf die bereits geführten Prozesse widerspräche es der gebotenen Prozessökonomie, die Klägerinnen auf die vorherige Durchführung eines Verwaltungsverfahrens zu verweisen.
Rz. 6
c) Die weitere Verfahrensrüge, der Verwaltungsgerichtshof habe gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verstoßen, indem er gewichtige Tatsachen übergangen habe, bleibt ebenfalls ohne Erfolg.
Rz. 7
Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Grundsätzlich ist die Sachverhalts- und Beweiswürdigung Teil der materiellrechtlichen Rechtsanwendung. Mit Angriffen gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung kann deswegen ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO regelmäßig nicht begründet werden (stRspr, vgl. z.B. Beschlüsse vom 10. Dezember 2003 – BVerwG 8 B 154.03 – NVwZ 2004, 627 m.w.N. und vom 11. August 2009 – BVerwG 8 B 17.09 – juris Rn. 6). Ein Verfahrensfehler in der Gestalt eines Verstoßes gegen den Grundsatz der richterlichen Überzeugungsbildung liegt aber vor, wenn das Gericht seiner Entscheidung den ermittelten Sachverhalt unrichtig oder unvollständig zugrunde legt und deshalb seine Überzeugungsbildung nicht auf das Gesamtergebnis des Verfahrens stützt (Beschlüsse vom 24. September 2009 – BVerwG 6 B 5.09 – Buchholz 442.066 § 55 TKG Nr. 2 m.w.N. und vom 26. Januar 2010 – BVerwG 8 B 43.09 – juris Rn. 13). Einen solchen Mangel zeigt das Beschwerdevorbringen nicht auf.
Rz. 8
Der Verwaltungsgerichtshof hat angenommen, es fehle an einem erlaubnispflichtigen Versicherungsgeschäft im Sinne der §§ 1, 5 VAG, weil mit den Kunden des Geschäftsmodells der Klägerinnen kein Versicherungsvertrag geschlossen worden sei, der einen Rechtsanspruch auf Leistungen in Form von Auslandskranken- und Unfallschutz einräume. Das Zustandekommen eines solchen Versicherungsvertrages lasse sich weder dem Vortrag der Klägerinnen noch den von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgängen entnehmen. Zur Begründung hat der Verwaltungsgerichtshof darauf abgestellt, nach den Angaben der Klägerinnen seien die Kunden erst nach Abschluss des Vertrages über das Systemlottospiel im Rahmen eines so genannten “Begrüßungspakets” mit einer Werbebroschüre (“Flyer”) über kostenlosen Auslandskranken- und Unfallschutz informiert worden. Selbst wenn diese Information schon bei Vertragsschluss gegeben worden sein sollte, fehle jedenfalls eine Abrede über wesentliche Elemente des Versicherungsvertrages, wie z.B. Leistungsanspruchsvoraussetzungen. Allgemeine Versicherungsbedingungen hätten zwar im Entwurf existiert, seien aber zu keinem Zeitpunkt verwendet worden.
Rz. 9
Dass der Verwaltungsgerichtshof bei der Darlegung seiner Überzeugungsbildung nicht ausdrücklich auf die in der Beschwerdebegründung (S. 14 bis 16) angeführten Kundenanschreiben eingegangen ist, lässt nicht darauf schließen, er habe den entscheidungserheblichen Tatsachenstoff unrichtig oder unvollständig zugrunde gelegt. Aus dem Beschwerdevorbringen geht nicht hervor, inwieweit sich aus dem zitierten Schreiben vom 31. Mai 2002 (Beiakte 3 = Verwaltungsvorgang Q 32 – VAG ≪15721≫ Bd. 3, Bl. 275), das auf “Unfallschutz-Vertragsbedingungen” Bezug nimmt, ein durch den – vom Verwaltungsgerichtshof angenommenen – Vertragsschluss mit der Klägerin zu 2. begründeter Rechtsanspruch der Kunden gegenüber einer der Klägerinnen ableiten lassen könnte. Denn es handelt sich um “Unfallschutzbedingungen zwischen der Firma L… und der T… AG”. Daraus folgt nicht, dass diese Versicherungsbedingungen auch Gegenstand einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung mit den Lottospielkunden geworden wären. Nichts anderes gilt, soweit die Beklagte geltend macht, im Zuge der in den Verwaltungsvorgängen dokumentierten Schadensbearbeitung werde auf “Unfallschutz-Vertragsbedingungen” verwiesen. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass der Verwaltungsgerichtshof den Aspekt der Schadensbearbeitung unberücksichtigt gelassen hätte. Er hat in diesem Zusammenhang darauf abgestellt, ein Rechtsanspruch der Lottospieler auf Gewährung bestimmter Versicherungsleistungen lasse sich (auch) nicht aus der Behauptung der Klägerin zu 2. ableiten, dass “selbstverständlich” ein zivilrechtlicher Anspruch bestehe und sie die von ihr versprochenen Leistungen bei Vorliegen der Voraussetzungen “natürlich” erbringe (UA S. 19).
Rz. 10
Ein Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO folgt auch nicht daraus, dass sich die angegriffene Entscheidung nicht ausdrücklich mit den beiden auf S. 20 der Beschwerdebegründung bezeichneten Kundenanschreiben (Beiakte 1 = Verwaltungsvorgang Q 32 – VAG ≪15721≫ Bd. 1, Bl. 30 und 36) befasst. Der Verwaltungsgerichtshof hatte nach seiner insoweit maßgeblichen materiellrechtlichen Auffassung keinen Anlass, näher auf diese Kundenschreiben einzugehen, weil das erste nur auf einen Versicherungsschutz durch einen Dritten (“unseren Vertragspartner”) verweist und das zweite auf den “Flyer” Bezug nimmt, aus dem sich nach der Auslegung der Vorinstanz keine Rechtsansprüche herleiten lassen.
Rz. 11
Diese Annahme ist ihrerseits verfahrensfehlerfrei. Der Einwand der Beklagten, der Verwaltungsgerichtshof übergehe gewichtige Angaben in dem “Flyer”, trifft nicht zu. Aus der Sicht der Vorinstanz war allein erheblich, dass dem “Flyer” keine Angaben zu den wesentlichen Vertragsbestandteilen zu entnehmen sind.
Rz. 12
Die weiter in diesem Zusammenhang erhobene Rüge, der Verwaltungsgerichtshof habe bei der Auslegung des “Flyers” gegen anerkannte Auslegungsregeln verstoßen, führt ebenfalls nicht auf einen Verfahrensfehler. Ein Verstoß gegen die allgemeinen Auslegungsgrundsätze der §§ 133, 157 BGB stellt regelmäßig keinen Verfahrensmangel, sondern eine Verletzung materiellen Rechts dar (Beschlüsse vom 30. April 2008 – BVerwG 7 B 6.08 – juris Rn. 7 und vom 15. Juni 2010 – BVerwG 8 B 8.10 – juris Rn. 4).
Rz. 13
Die Beschwerde legt auch nicht dar, dass der Verwaltungsgerichtshof denkfehlerhaft angenommen hat, von einem Rechtsanspruch auf Gewährung bestimmter Versicherungsleistungen allein aufgrund des Inhalts des “Flyers” hätten die Lottospielkunden nicht ausgehen können. Ein Tatsachengericht hat nicht bereits dann gegen die Denkgesetze verstoßen, wenn es nach Meinung des Beschwerdeführers unrichtige oder fernliegende Schlüsse gezogen hat. Ebenso wenig genügen objektiv nicht überzeugende oder sogar unwahrscheinliche Schlussfolgerungen. Es muss sich vielmehr um einen Schluss handeln, der aus Gründen der Logik schlechthin unmöglich ist (Beschlüsse vom 30. April 2008 a.a.O. Rn. 8 und vom 15. Juni 2010 a.a.O. Rn. 6). Ein derartiger Denkfehler ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen nicht. Die Beklagte stellt der berufungsgerichtlichen Sachverhaltswürdigung lediglich ihre eigene Bewertung entgegen, wie bereits an den Formulierungen “… liegt es also keineswegs ohne Weiteres auf der Hand …” und “… legen mindestens ebenso das Gegenteil nahe” deutlich wird.
Rz. 14
d) Schließlich hat die Beklagte auch nicht gegen die Begründungspflicht des § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO verstoßen.
Rz. 15
Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind in dem Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Dies verlangt, dass in den Urteilsgründen die tatsächlichen Umstände und rechtlichen Erwägungen wiedergegeben werden, die das Gericht bestimmt haben, die Voraussetzungen für seine Entscheidung als erfüllt anzusehen. Wie umfangreich und detailliert dies zu geschehen hat, lässt sich nicht abstrakt umschreiben. Im Allgemeinen genügt es, wenn der Urteilsbegründung entnommen werden kann, dass das Gericht eine vernünftige und der jeweiligen Sache angemessene Gesamtwürdigung und Beurteilung vorgenommen hat (Beschlüsse vom 12. Juli 1999 – BVerwG 9 B 374.99 – Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 43 und vom 26. Januar 2010 a.a.O.). Die Begründungspflicht ist verletzt, wenn die Entscheidungsgründe rational nicht nachvollziehbar, sachlich inhaltslos oder sonst wie unbrauchbar sind (vgl. Beschlüsse vom 25. Februar 2010 – BVerwG 8 B 81.09 – juris Rn. 4 und vom 1. Juni 2010 – BVerwG 6 B 77.09 – juris Rn. 15, jeweils m.w.N.). Gemessen daran liegt ein Verstoß gegen die Begründungspflicht nicht vor. Die angegriffene Entscheidung stellt die für die richterliche Überzeugung leitenden Erwägungen unter hinreichender Auseinandersetzung mit dem Tatsachenstoff nachvollziehbar dar.
Rz. 16
2. Die von der Beklagten geltend gemachte Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ebenfalls nicht gegeben.
Rz. 17
Eine solche Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt vor, wenn die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz widersprochen hat (stRspr, vgl. z. B. Beschlüsse vom 20. Dezember 1995 – BVerwG 6 B 35.95 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 9 = NVwZ-RR 1996, 712 und vom 19. Oktober 2006 – BVerwG 9 B 11.06 – juris Rn. 4). Die Beschwerde muss darlegen, dass und inwiefern dies der Fall ist. Das Aufzeigen einer lediglich fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht oder eines der anderen aufgeführten Gerichte in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, rechtfertigt die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO hingegen nicht (z.B. Beschlüsse vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 und vom 20. August 2010 – BVerwG 8 B 27.10 – juris Rn. 6 m.w.N.).
Rz. 18
a) Der von der Beklagten gerügte Rechtssatzwiderspruch zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Juli 1980 – BVerwG 1 A 9.78 – (Buchholz 452.00 § 1 VAG Nr. 11) ist nicht ersichtlich. Der Verwaltungsgerichtshof hat seiner Entscheidung den vom Bundesverwaltungsgericht formulierten Begriff des Versicherungsgeschäfts, auf den sich die Beschwerde bezieht, ausdrücklich zugrunde gelegt (UA S. 13, letzter Absatz). Einen abstrakten Rechtssatz des Inhalts, dass “nur mit einer Erlaubnis für das Betreiben von Versicherungsgeschäften nach § 5 VAG versehene Unternehmen Versicherungsgeschäfte betreiben und als Versicherungsunternehmen zu qualifizieren sind”, hat er dagegen nicht aufgestellt. Fehl geht die Annahme der Beklagten, der vorstehende Rechtssatz sei dem angegriffenen Urteil im Hinblick auf die darin zitierte Passage aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 5. September 2006 – I-4 U 208/05 – zu entnehmen. Bereits in den Ausführungen des Oberlandesgerichts findet sich der von der Beschwerde formulierte Rechtssatz nicht. Das Oberlandesgericht verhält sich in der zitierten Urteilspassage nicht zu den Voraussetzungen, unter denen von einem Versicherungsunternehmen im Sinne des Versicherungsaufsichtsgesetzes auszugehen ist. Im Übrigen kann auch keine Rede davon sein, der Verwaltungsgerichtshof habe sich die Erwägung des Oberlandesgerichts,
“Tatsächlich kann bei einer Treusorge kein Versicherungsschutz bestanden haben, (…) weil die Treusorge unstreitig nicht über die erforderliche aufsichtsrechtliche Genehmigung für das Betreiben des Versicherungsgeschäfts verfügt …”,
zu eigen gemacht. Er hat die zitierte Urteilspassage allein zur Bekräftigung seiner Einschätzung angeführt, dass den Lottospielkunden Versicherungsschutz lediglich vorgespiegelt worden sei und dass sich Rechtsansprüche auf Gewährung bestimmter Leistungen den von den Klägerinnen verwendeten Vertragsunterlagen oder Werbematerialien nicht entnehmen ließen (vgl. UA S. 19, zweiter Absatz).
Rz. 19
Eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zeigt die Beklagte auch nicht mit ihrem Vorbringen auf, die angegriffene Entscheidung weiche in Bezug auf die Anforderungen an das Vorliegen versicherungsrechtlicher Rechtsansprüche von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Juli 1980 (a.a.O.) ab. Entgegen dem Beschwerdevorbringen lässt sich dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nicht der Rechtssatz entnehmen, dass “Regelungen über die Abwicklung von Versicherungsfällen nicht erforderlich sind, um einen Rechtsanspruch auf bestimmte Leistungen im Falle des Eintritts eines ungewissen Ereignisses und ein Versicherungsgeschäft anzunehmen”. Die angeführte Entscheidung verhält sich zu dieser Frage nicht. Die Beschwerde räumt selbst ein, dass für den vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Streitfall unerheblich war, ob für die dort in Rede stehende Geschäftstätigkeit Vertragsregelungen über die Abwicklung von Versicherungsfällen bestanden.
Rz. 20
b) Soweit die Beklagte eine Abweichung vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. November 1986 – BVerwG 1 A 45.83 – (Buchholz 452.00 § 1 VAG Nr. 12) geltend macht, kann dies die Zulassung der Revision ebenfalls nicht rechtfertigen. Es fehlt bereits an der Gegenüberstellung entscheidungstragender abstrakter Rechtssätze, die voneinander abweichen könnten. Die Beschwerde knüpft an die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs an,
“… von einem Rechtsanspruch auf Gewährung bestimmter Versicherungsleistungen allein aufgrund des Inhalts des Flyers (…) konnten die (Lottospieler) (…) nicht ausgehen”
und
“Allein aus der Behauptung der Klägerin zu 2., dass ‘selbstverständlich’ ein zivilrechtlicher Anspruch bestehe und sie die von ihr versprochenen Leistungen ‘natürlich’ erbringe, wenn die Voraussetzungen (u.a. Unfall oder Krankheit auf einer Auslandsreise) gegeben seien, lässt sich ein Rechtsanspruch der Lottospieler auf Gewährung bestimmter Leistungen nicht ableiten”.
Rz. 21
Sie sieht darin einen Widerspruch zu den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts,
“Die für die Auslegung der Satzung mit heranzuziehende Praxis des Klägers zeigt jedoch, dass dieser Ausdruck lediglich dahin zu verstehen ist, dass der Kläger den Fördermitgliedern für die von ihnen zu tragenden Kosten Versicherungsschutz – sei es durch Vermittlung einer Versicherung, sei es durch Abschluss einer Versicherung für fremde Rechnung – zu verschaffen hat”.
Rz. 22
Weder bei den Ausführungen in der angegriffenen Entscheidung noch bei der in Bezug genommenen Passage aus dem bundesverwaltungsgerichtlichen Urteil handelt es sich um abstrakte Rechtssätze. Vielmehr knüpft die Beschwerde jeweils an Erwägungen an, die die Subsumtion im konkreten Einzelfall betreffen. Damit zeigt sie keine Divergenz auf. Aber selbst wenn man der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts mit der Beklagten den Rechtssatz entnimmt, “dass die Praxis eines möglichen Betreibers von Versicherungsgeschäften nicht nur für sich allein zu würdigen ist, sondern auch bei der Würdigung der übrigen Geschäftsunterlagen von Bedeutung ist”, führt dies mangels davon abweichender abstrakter Rechtssatzformulierung in dem angegriffenen Urteil nicht auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO. Die Beschwerde rügt der Sache nach eine (vermeintlich) fehlerhafte Rechtssatzanwendung durch das Berufungsgericht. Ein solcher Subsumtionsfehler ist jedoch keine Divergenz im Sinne des Revisionsrechts.
Rz. 23
c) Gleiches gilt im Ergebnis für die von der Beklagten angenommene Abweichung von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Januar 1990 – BVerwG 4 C 21.89 – (BVerwGE 84, 257 = Buchholz 445.4 § 10 WHG Nr. 4). Insoweit stellt die Beschwerde den vorstehend zitierten Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs den aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts abgeleiteten Rechtssatz gegenüber, dass bei der Auslegung von Willenserklärungen auch außerhalb des Erklärungsaktes liegende Umstände mit zu berücksichtigen seien. Damit bezeichnet die Beklagte keinen Rechtssatzwiderspruch, sondern wendet der Sache nach ein, der Verwaltungsgerichtshof habe die Maßgaben des Bundesverwaltungsgerichts zur Auslegung von Willenserklärungen fehlerhaft angewandt. Einen abstrakten Rechtssatz des Inhalts, “dass eine Willenserklärung aus sich selbst heraus auszulegen ist und bei dieser Auslegung weitere Umstände im Verhältnis zwischen den Parteien nicht zu berücksichtigen sind”, hat der Verwaltungsgerichtshof entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht aufgestellt. Vielmehr hat er sinngemäß mit dem Empfängerhorizont argumentiert, der diese weiteren Umstände einbezieht.
Rz. 24
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Kley, Dr. Held-Daab, Dr. Kuhlmann
Fundstellen