Verfahrensgang
Thüringer OVG (Beschluss vom 08.05.2014; Aktenzeichen 6 PO 308/13) |
Tenor
Die Beschwerde des Beteiligten gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 8. Mai 2014 wird zurückgewiesen.
Gründe
Rz. 1
Die auf die Zulassungsgründe einer entscheidungserheblichen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (1.), der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage (2.) und der Abweichung (3.) gestützte Beschwerde nach § 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 92a Satz 1 ArbGG gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 8. Mai 2014 hat keinen Erfolg.
Rz. 2
1. Die Rechtsbeschwerde ist nicht gemäß § 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 92 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 ArbGG im Hinblick auf eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs des Beteiligten auf Gewährung rechtlichen Gehörs zuzulassen. Eine solche wird nicht durch das Vorbringen aufgezeigt, das Oberverwaltungsgericht habe das rechtliche Vorbringen des Beteiligten nicht (zutreffend) zur Kenntnis genommen, wenn es dessen Vortrag in den Gründen zu I. seiner Entscheidung dahingehend wiedergebe, dass der Vorsitzende der Antragstellerin Rechte im eigenen Namen geltend mache und nicht als Vertreter eines fremden Rechts – nämlich der Geschäftsführung – auftrete und ein Fall unzulässigen Prozessstandschaft, nicht der zulässigen Prozessvertretung vorliege.
Rz. 3
Der verfassungsrechtlich durch Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistete Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BVerwG, Beschluss vom 30. Dezember 2013 – 6 PB 19.13 – PersV 2014, 269 Rn. 4). Das Gericht ist allerdings nicht gehalten, sich mit jedem Vorbringen in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu befassen. Vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht den von ihm entgegengenommenen Vortrag der Beteiligten in seine Erwägungen einbezogen hat. Nur wenn besondere Umstände den eindeutigen Schluss zulassen, dass es die Ausführungen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen hat, wird der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 5. Februar 1999 – 9 B 797.98 – Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 4 S. 3).
Rz. 4
Gemessen daran, scheidet der gerügte Verfahrensverstoß schon deshalb aus, weil sich der eindeutige Schluss verbietet, das Oberverwaltungsgericht habe das Vorbringen des Beteiligten nicht zur Kenntnis genommen. Das Gericht knüpft mit den wiedergegebenen Ausführungen erkennbar an dessen Vorbringen mit Schriftsatz vom 30. Januar 2014 an. Darin wird vorgetragen, dass derjenige, der im eigenen Namen fremde Rechte geltend mache, in Prozessstandschaft, nicht aber in Stellvertretung handele, da Letztere die Geltendmachung eines fremden Rechts im fremden Namen betreffe. Der Vorsitzende der Antragstellerin habe hingegen eindeutig ein fremdes Recht im eigenen Namen und nicht unter Hinweis auf eine Stellvertretung bzw. im Namen der gesamten Geschäftsführung geltend gemacht.
Rz. 5
Soweit das weitergehende Vorbringen der Beschwerde dahingehend zu verstehen sein sollte, dass beanstandet wird, dass das Oberverwaltungsgericht dem Standpunkt des Beteiligten, es müsse für die Annahme einer Stellvertretung im Wege der Auslegung klar und eindeutig zu ermitteln sein, dass die Geltendmachung nicht eines gemeinschaftlichen Rechts im eigenen Namen, sondern eines fremden Rechts im Wege der Stellvertretung objektiv gewollt gewesen sei, eine solche eindeutige Auslegungsmöglichkeit vorliegend indes nicht bestanden habe, nicht die erforderliche Bedeutung beigemessen habe, so wird damit im Kern gerügt, dass das Beschwerdegericht eine abweichende Rechtsauffassung vertreten habe. Damit kann indes eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht begründet werden (BVerwG, Beschluss vom 6. August 2012 – 5 B 55.12 – juris Rn. 3).
Rz. 6
2. Die Beschwerde zeigt auch nicht in einer den Darlegungsanforderungen gerecht werdenden Weise auf, dass die Rechtsbeschwerde wegen einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage mit grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen ist.
Rz. 7
Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 92 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG kommt einer Rechtsfrage nur zu, wenn mit ihr eine für die erstrebte Rechtsbeschwerdeentscheidung erhebliche Frage aufgeworfen wird, die im Interesse der Einheit und Fortbildung des Rechts der Klärung bedarf. Die Rechtsfrage muss zudem klärungsfähig sein, was der Fall ist, wenn sie in der Rechtsbeschwerdeinstanz beantwortet werden kann.
Rz. 8
Nach § 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 92a Satz 2 i.V.m. § 72a Abs. 3 Nr. 1 ArbGG muss die Begründung der auf den Zulassungsgrund des § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG gestützten Nichtzulassungsbeschwerde die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage und deren Entscheidungserheblichkeit enthalten. Dieses Darlegungserfordernis setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Rechtsbeschwerdeentscheidung erheblichen Rechtsfrage sowie die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht. Die Beschwerde muss substantiiert erläutern, dass und inwiefern die Rechtsbeschwerdeentscheidung zur Klärung einer bisher vom Bundesverwaltungsgericht nicht beantworteten, fallübergreifenden und entscheidungserheblichen Rechtsfrage führen kann. Die Begründungspflicht verlangt, dass sich die Beschwerde mit den Erwägungen des angefochtenen Beschlusses, auf die sich die aufgeworfene Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung bezieht, substantiiert auseinandersetzt. Es bedarf auch der substantiierten Auseinandersetzung mit den Gründen bereits ergangener einschlägiger Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts. Soweit sich die Vorinstanz mit der von der Beschwerde als grundsätzlich angesehenen Frage beschäftigt hat, gehört zu der erforderlichen Durchdringung des Prozessstoffes die Erörterung sämtlicher Gesichtspunkte, die im Einzelfall für die erstrebte Zulassung der Rechtsbeschwerde rechtlich Bedeutung haben können. In der Begründung ist auch substantiiert aufzuzeigen, aus welchen Gründen der Rechtsauffassung, die der aufgeworfenen Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung zugrunde liegt, zu folgen ist (zum Vorstehenden vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 2014 – 5 PB 1.14 – juris Rn. 4). Den vorstehenden Anforderungen genügt die Begründung der Beschwerde nicht.
Rz. 9
a) Hinsichtlich der als rechtsgrundsätzlich aufgeworfenen Frage,
ob „die Annahme einer prozessualen Stellvertretung und konkludenten Bevollmächtigung im Wege der Auslegung auch möglich ist, wenn grundsätzlich zwei Möglichkeiten bestehen, fremde Rechte geltend zu machen, nämlich einmal im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft und zum anderen im Wege der prozessualen Stellvertretung”,
kann dahingestellt bleiben, ob die Beschwerde insoweit bereits deshalb unzulässig ist, weil sich ihrer Begründung nicht entnehmen lässt, dass die aufgeworfene Rechtsfrage Tragweite über den konkreten Einzelfall hinaus aufweist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortbildung des Rechts weiterer höchstrichterlicher Klärung bedürfte. Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde kommt insoweit bereits deshalb nicht in Betracht, weil die als rechtsgrundsätzlich aufgeworfene Frage sich auf einen Sachverhalt bezieht, den die Vorinstanz nicht festgestellt hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 2006 – 6 B 27.06 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 35 Rn. 8 zur Nichtzulassungsbeschwerde nach § 133 Abs. 1 VwGO). Der aufgeworfenen Frage liegt die Annahme zugrunde, dass die Wahlanfechtungserklärung des Vorsitzenden der Antragstellerin Ausdruck entweder einer gewillkürten Prozessstandschaft oder einer „prozessualen Stellvertretung” sein könne. Zu den Voraussetzungen einer gewillkürten Prozessstandschaft (vgl. BAG, Urteil vom 19. Februar 2014 – 5 AZR 1049/12 – juris Rn. 22 m.w.N.), insbesondere zu dem Bestehen eines eigenen rechtsschutzwürdigen Interesses des Vorsitzenden der Antragstellerin, hat das Oberverwaltungsgericht jedoch keine tatsächlichen Feststellungen getroffen, ohne dass dies von dem Beteiligten mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden wäre. Selbst wenn es hier ausnahmsweise der Feststellung eines Sachverhalts, von dem die als grundsätzlich aufgeworfene Frage ausgeht, nicht bedürfen sollte, weil die entsprechenden Tatsachen unstreitig sind, würde das Vorbringen des Beteiligten im Übrigen deshalb nicht den Darlegungsanforderungen genügen, weil es sich nicht mit der aufgeworfenen Rechtsfrage und der hierzu bestehenden Rechtsprechung insbesondere zu den Voraussetzungen einer gewillkürten Prozessstandschaft substantiiert und in einer über den Einzelfall hinausreichenden Weise auseinandersetzt.
Rz. 10
b) Mit dem Vorbringen,
„als entscheidungserhebliche Rechtsfrage mit grundsätzlicher Bedeutung lieg[e] dem Beschluss des Thüringer Oberverwaltungsgerichts auch die Annahme zugrunde, es sei bei der Durchführung der Wahl zum Personalrat gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren verstoßen worden, ohne da[ss] eine Berichtigung des Wahlverfahrens erfolgen oder ein Einflu[ss] auf das Wahlergebnis ausgeschlossen werden könne (Vergleich § 25 BPersVG)”,
wird schon keine bestimmte, höchstrichterlich noch ungeklärte und für die Rechtsbeschwerdeentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufgeworfen, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukäme.
Rz. 11
c) Die Rechtsbeschwerde ist auch nicht, worauf die Beschwerde „hinweist”, zur Klärung der Frage zuzulassen,
„ob der Begriff der ‚in der Regel Beschäftigten’ im Sinne des § 16 BPersVG im Lichte der Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.10.2008 über Leiharbeit, insbesondere dort Art. 7 Abs. 1[,] richtlinienkonform dahingehend auszulegen ist, da[ss] bei der Ermittlung der Beschäftigten diejenigen Beschäftigten mitzuzählen sind, denen Tätigkeiten in den gemeinsamen Einrichtungen (hier: Jobcenter Su., H., So. und W. – Standort B. und E.) und der gemeinsamen Einrichtung Stadt E. zugewiesen sind”.
Rz. 12
Der Vortrag, „nach der genannten Richtlinie [sei] eine Auslegung in diesem Sinne geboten, da Leiharbeitnehmer bei der Berechnung der Arbeitnehmervertretungen des Leiharbeitsunternehmens zu berücksichtigen [seien]”, genügt nicht im Ansatz den Anforderungen an die erforderliche Durchdringung des Prozessstoffes.
Rz. 13
3. Ebenso wenig ist die Rechtsbeschwerde wegen Divergenz zuzulassen. Auch insoweit wird die Beschwerdebegründung den Bezeichnungsanforderungen des § 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 92a Satz 2 i.V.m. § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ArbGG nicht gerecht.
Rz. 14
Nach den gemäß § 83 Abs. 2 BPersVG entsprechend anzuwendenden § 92 Abs. 1 Satz 2 und § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn der angefochtene Beschluss von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, des Bundesverwaltungsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung eines anderen Senats desselben Oberverwaltungsgerichts bzw. Verwaltungsgerichtshofs oder eines anderen Oberverwaltungsgerichts bzw. Verwaltungsgerichtshofs abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht. In der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ist die Entscheidung, von der der angefochtene Beschluss abweicht, zu bezeichnen (§ 92a Satz 2 i.V.m. § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ArbGG). Eine die Rechtsbeschwerde eröffnende Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen abstrakten, inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung eines der aufgeführten Gerichte aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28. März 1994 – 6 PB 22.93 – AP Nr. 8 zu § 92a ArbGG 1979 und vom 28. Juli 2014 – 5 PB 1.14 – juris Rn. 9, jeweils m.w.N.). Eine solche Divergenz kann auch dann anzunehmen sein, wenn beide Entscheidungen auf der Grundlage von verschiedenen, aber inhaltsgleichen Rechtsnormen ergangen sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Januar 2004 – 6 PB 10.03 – Buchholz 251.2 § 91 BlnPersVG Nr. 2 S. 1 f.). Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung der Rechtssätze, die das betreffende Gericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt den Zulässigkeitsanforderungen nicht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 2014 – 5 PB 1.14 – juris Rn. 9). Gemessen daran ist die Beschwerde nicht ausreichend begründet.
Rz. 15
Zwei Beschlüssen des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Dezember 1997 (– 8 B 240.97 –) und vom 22. März 2001 (– 8 B 262.00 –) wird der Rechtssatz entnommen, „da[ss] eine fehlerhafte Parteibezeichnung grundsätzlich nur dann unschädlich ist, wenn der Fehler für das Gericht und den Beklagten offensichtlich und eine Auslegung aufgrund der übrigen Angaben die Identifizierung des richtigen Klägers möglich ist”. Die Beschwerde versäumt es, diesem Rechtssatz einen abweichenden, den angefochtenen Beschluss tragenden abstrakten Rechtssatz des Oberverwaltungsgerichts gegenüberzustellen. Das bloße Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung der Rechtssätze des Bundesverwaltungsgerichts im Einzelfall genügt den Anforderungen an die Darlegung einer Divergenz nicht.
Rz. 16
4. Von einer weiteren Begründung wird nach § 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 92a Satz 2 i.V.m. § 72a Abs. 5 Satz 5 Alt. 1 ArbGG abgesehen.
Unterschriften
Vormeier, Dr. Fleuß, Dr. Harms
Fundstellen