Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellung eines Sicherheitsrisikos wegen unvollständiger bzw. unrichtiger Angaben in einer Sicherheitserklärung
Leitsatz (amtlich)
Aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes ist einem Antragsteller in entsprechender Anwendung von § 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 17 Abs. 1 Satz 2 WBO die Möglichkeit eröffnet, seinen Antrag als Untätigkeitsantrag selbst bei Gericht einzubringen, wenn sich die nach § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO zwingend vorgesehene Vorlage durch das Bundesministerium der Verteidigung über einen Zeitraum von einem Monat hinaus verzögert.
Tenor
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Tatbestand
Rz. 1
Der Antragsteller wendet sich gegen die Feststellung eines Sicherheitsrisikos im Rahmen seiner erweiterten Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen (Ü 3).
Rz. 2
Der 1970 geborene Antragsteller ist Reserveoffizier. Zuletzt wurde er im Februar 2020 zum Oberst der Reserve befördert. Seit Juli 2019 ist der Antragsteller auf einen nicht strukturgebundenen Dienstposten in der Personalreserve im Kommando Heer beordert (G3, Referat...). Beruflich ist er als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer in A. und B. tätig. Seinen Wohnsitz hat der Antragsteller seit dem Jahre 2013 in C. (Schweiz).
Rz. 3
Der Antragsteller gab am 10. März 2016 eine Sicherheitserklärung ab. Seinerzeit bekleidete er noch den Rang eines Oberstleutnants und war auf einem nicht strukturgebundenen Dienstposten im Panzergrenadierbataillon... beordert. In Abschnitt 8 ("Beziehungen in Staaten gem. § 13 Abs. 1 Nr. 17 SÜG") der Sicherheitserklärung kreuzte der Antragsteller unter Ziffer 8.2 ("Reisen") das Kästchen "Ja" an und listete für den Zeitraum von 2009 bis zum Zeitpunkt der Abgabe der Sicherheitserklärung 34 Reisen auf. Zu den Reisen vermerkte der Antragsteller jeweils den konkreten Zeitraum, den Zielstaat, den jeweils mit "Dienstreise" umschriebenen Zweck der Reise sowie seine dabei ausgeübte Tätigkeit. Danach hätten ihn 16 Dienstreisen nach China geführt, davon 14 als Repräsentant der chinesischen Urheberrechtsbehörde, des Copyright Protection Center of China (CPCC), und zwei als Steuerberater. Ferner sei er als Steuerberater sechsmal nach Hongkong, viermal nach Russland und als Wirtschaftsprüfer dreimal nach Kasachstan gereist. Weitere fünf Reisen habe er nach Kasachstan unternommen, um jeweils an der Sitzung eines Aufsichtsrats teilzunehmen. Zu seiner Tätigkeit als Repräsentant der CPCC erklärte der Antragsteller ergänzend:
"Ich vertrete im Rahmen meiner beruflichen Beratungstätigkeit zusammen mit weiteren Rechts- und Patentanwälten die staatliche chinesische Copyrightschutzbehörde (CPCC-Copyright Protection Center of China) in den Ländern Deutschland, Schweiz, Österreich und Liechtenstein. Im Rahmen dieser Tätigkeit nehmen wir Marken- und Urheberrecht[s]schutzanmeldungen für China entgegen."
Rz. 4
Unter Ziffer 8.4 ("Sonstige Beziehungen") kreuzte der Antragsteller zu der dort aufgeworfenen Frage "Haben Sie, Ihr Ehegatte/Lebenspartner/Lebensgefährte sonstige Beziehungen in einen dieser Staaten oder zu außerhalb des Gebietes dieser Staaten lebenden Vertretern eines solchen Staates?" das Kästchen mit der Antwortmöglichkeit "Nein" an. Der Abschnitt unter Ziffer 14 enthält die Erklärung "Ich habe die vorstehenden Angaben unter Berücksichtigung der 'Anleitung zum Ausfüllen der Sicherheitserklärung für die erweiterte Sicherheitsüberprüfung und die erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen' gemacht. Sie erfolgten nach bestem Wissen wahrheitsgemäß und vollständig." Es folgen die Erklärung der Zustimmung des Antragstellers zu seiner Sicherheitsüberprüfung, eine Belehrung über die Pflicht zur Mitteilung bestimmter nachträglich eingetretener Umstände sowie die Unterschrift des Antragstellers.
Rz. 5
Am 16. März 2016 leitete der Sicherheitsbeauftragte der Panzerbrigade... in X. für den Antragsteller die erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen (Ü 3) ein. Im Zeitpunkt der Einleitung war der Antragsteller für eine Verwendung als Kommandeur des Panzergrenadierbataillons... vorgesehen.
Rz. 6
Am 24. Juli und am 7. August 2019 wurde der Antragsteller durch das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) befragt. In dem dazu angefertigten Befragungsbericht des BAMAD heißt es, der Antragsteller habe angegeben, bei einer seiner Reisen in die Volksrepublik China den Präsidenten der chinesischen Urheberrechtsbehörde CPCC kennengelernt zu haben. Auf Anregung eines ihm bekannten Rechtsanwalts habe er die Idee verfolgt, den Patent- und Markenschutz für deutsche mittelständische Unternehmen zu vereinfachen und zu beschleunigen. In diesem Zusammenhang sei ein Kontakt zu dem Präsidenten der CPCC hergestellt worden. Ferner habe er einen Neffen des Präsidenten der CPCC kennengelernt. Dieser Neffe habe ihn "und seine Familie" in B. besucht. Zu den Reisen des Antragstellers nach Kasachstan führt der Befragungsbericht an, diese habe der Antragsteller in seiner Eigenschaft als Aufsichtsratsmitglied der "... AG" durchgeführt. Bei dieser Firma handele es sich um eine Handelsorganisation für Traktoren und Landwirtschaftsmaschinen. Die Reisen nach Russland seien nach den Angaben des Antragstellers für eine deutsche Firma durchgeführt worden, die eine Kooperation mit einem russischen Waffenhersteller angestrebt habe.
Rz. 7
Mit undatiertem Schreiben unterrichtete das BAMAD den Geheimschutzbeauftragten im Bundesministerium der Verteidigung über das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für ein Sicherheitsrisiko. Der Geheimschutzbeauftragte teilte dem Antragsteller daraufhin mit Schreiben vom 31. März 2020 unter Verweis auf die Möglichkeit einer Stellungnahme mit, dass die Ermittlungen des BAMAD sicherheitserhebliche Erkenntnisse ergeben hätten. So pflege er seit zehn Jahren intensive berufliche Kontakte in China, Hongkong, Kasachstan und Russland, die einhergingen mit Reisen in diese Länder. In seiner Sicherheitserklärung habe er diese Reisen zwar erwähnt, aber die unter Ziffer 8.4 gestellte Frage nach "sonstigen Beziehungen" verneint, obwohl er Geschäftsbeziehungen zu dem Präsidenten der chinesischen Urheberrechtsbehörde CPCC aufgebaut und unterhalten habe. Der Neffe dieses Präsidenten habe ihn darüber hinaus zu Hause in B. besucht. Das Profil des Antragstellers in dem sozialen Netzwerk LinkedIn enthalte ferner detaillierte Informationen zu seiner Funktion und seiner Tätigkeit als Reserveoffizier der Bundeswehr. Damit habe er ohne erkennbaren Grund Informationen preisgegeben, die zumindest das Interesse fremder Nachrichtendienste an seiner Person hätten wecken können. Dieses Verhalten deute zumindest auf ein mangelndes Sicherheitsbewusstsein hin. Auf der Plattform LinkedIn habe der Antragsteller schließlich Beiträge anderer Nutzer in polemischer und diffamierender Art kommentiert. Diese Kommentare weckten Zweifel, ob der Antragsteller den Anforderungen der § 10 Abs. 1 und 6 und § 17 SG gerecht werde.
Rz. 8
Der Antragsteller äußerte sich mit Schreiben vom 7. und 28. April 2020 zu den von dem Geheimschutzbeauftragten mitgeteilten Erkenntnissen. Die Ausführungen zu seinen Reisen seien korrekt. Seine Antwort auf die in der Sicherheitserklärung aufgeworfene Frage nach "sonstigen Beziehungen" halte er weiterhin für zutreffend. Er habe keine sonstigen Beziehungen in diese Staaten und unterhalte sie auch nicht zu deren Vertretern außerhalb dieser Staaten. Richtig sei, dass er Kontakt zu dem Präsidenten der CPCC, Herrn D., gehabt und diesen fünf- oder sechsmal getroffen habe. Dieser Kontakt sei aber rein beruflich gewesen und sei von ihm mit seinen Angaben zu Ziffer 8.2 "umfassend offengelegt" worden. Ende 2015/Anfang 2016 seien die Aktivitäten für die CPCC dann von ihm eingestellt worden. Es sei zudem richtig, dass er von dem Neffen des Präsidenten der CPCC in B. besucht worden sei, jedoch nicht zu Hause, sondern in seinem Büro. Für ihn sei fraglich, ob dieser als Vertreter seines Heimatstaates gelte. Die Formulierung der Sicherheitserklärung sei insofern unpräzise. Die Ausführungen des Geheimschutzbeauftragten zu seinem Auftritt bei LinkedIn widersprächen seinem Verständnis als Reservist, der als Mittler zwischen Gesellschaft und Bundeswehr fungieren solle. Ihm sei eine Nachrichtengewinnung durch Geheimdienste über diese Plattform bislang unbekannt gewesen. Er habe jedenfalls sein Profil entsprechend angepasst und alle Verweise auf eine Reservistentätigkeit gelöscht.
Rz. 9
Am 16. Juni 2020 wurde der Antragsteller durch den Geheimschutzbeauftragten im Bundesministerium der Verteidigung persönlich angehört. Von dem Geheimschutzbeauftragten wurde er darauf hingewiesen, in der von ihm abgegebenen Sicherheitserklärung angegeben zu haben, für die CPCC noch tätig zu sein. Im Widerspruch dazu habe er in seiner schriftlichen Stellungnahme ausgeführt, die Geschäftsbeziehungen bereits Ende 2015 bzw. Anfang 2016 beendet zu haben. Hierzu merkte der Antragsteller in der Anhörung an, sich den Widerspruch nicht erklären zu können; eventuell seien die Geschäftsbeziehungen auch zu einem späteren Zeitpunkt im Jahre 2016 beendet worden. In einer nach der Anhörung verfassten Stellungnahme räumte der Antragsteller ein, dass ihm bezogen auf die Beendigung der Geschäftsbeziehungen zur CPCC tatsächlich ein Fehler unterlaufen sei, weil er seine Ausführungen in einer früheren und im Zuständigkeitsbereich des MAD verloren gegangenen Sicherheitserklärung schlicht übernommen und nicht an die im Zeitpunkt der neuerlichen Sicherheitserklärung veränderte Situation angepasst habe. Die Tätigkeit sei jedenfalls im Herbst 2015 beendet worden. In der Stellungnahme wies der Antragsteller überdies darauf hin, dass ihm die "Anleitung zum Ausfüllen der Sicherheitserklärung" trotz seiner anderslautenden Angaben in der Sicherheitserklärung nicht vorgelegen habe. Er bestätige "analog auch mehrmals täglich", dass er die Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Lieferanten bei einer Bestellung zur Kenntnis genommen habe, obwohl er sie "noch nie" gelesen habe. Hätte er die Anleitung vor dem Ausfüllen der Sicherheitserklärung tatsächlich zur Kenntnis genommen, dann wäre es "ggf. zu keiner Fehlinterpretation meinerseits gekommen".
Rz. 10
Mit Bescheid vom 27. August 2020, dem Antragsteller am 2. September 2020 eröffnet, schloss der Geheimschutzbeauftragte im Bundesministerium der Verteidigung die Sicherheitsüberprüfung mit der Feststellung eines Sicherheitsrisikos ab. Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers hinsichtlich der Ausübung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG seien zu bejahen, weil er wahrheitswidrig die Frage unter Ziffer 8.4 nach "sonstige Beziehungen" mit "Nein" beantwortet habe, obwohl er vielfältige Kontakte zu Firmen, staatlichen Stellen und Personen in China, Hongkong und Kasachstan gehabt habe und noch unterhalte. Die Angaben zu Ziffer 8.2 ("Reisen") enthielten die erforderlichen Angaben zu den geschäftlichen Kontakten nicht, weil dort lediglich Reisezeitpunkte und die von dem Antragsteller dabei jeweils wahrgenommene Funktion angegeben worden seien. Schon die von dem Antragsteller behauptete Fehlinterpretation der Fragestellung erscheine als zweifelhaft. Sie hätte jedenfalls durch eine Lektüre der Anleitung zum Ausfüllen der Sicherheitserklärung ohne Weiteres vermieden werden können.
Rz. 11
Durch seine Unterschrift unter die Sicherheitserklärung habe der Antragsteller darüber hinaus erklärt, die Angaben unter Berücksichtigung der Ausfüllanleitung sowie wahrheitsgemäß und vollständig gemacht zu haben. Die Einlassung des Antragstellers, eine Ausfüllanleitung nie erhalten und somit nicht gelesen zu haben, sei kein Entschuldigungsgrund. Er habe Gelegenheit gehabt, die Ausfüllanweisung bei seinem Sicherheitsbeauftragten nachzufordern. Der weitere Hinweis des Antragstellers auf seinen Umgang mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Lieferanten zeuge von einem mangelnden Sicherheitsempfinden bzw. -bewusstsein und sei angesichts der damit einhergehenden "selbstverständlichen" Gleichsetzung mit einer Sicherheitserklärung "verstörend". Der Geheimschutzbeauftragte hob des Weiteren hervor, dass der Antragsteller in seiner Sicherheitserklärung auf einem Ergänzungsblatt bekundet habe, die CPCC in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Liechtenstein noch aktuell zu vertreten und Marken- und Urheberrechtsschutzanmeldungen für China entgegenzunehmen. Mit seiner Stellungnahme im Rahmen seiner Anhörung sei allerdings bekannt geworden, dass die Geschäftsbeziehung zur CPCC schon Ende 2015 bzw. Anfang 2016 beendet worden sei.
Rz. 12
Über die tatsächlichen Anhaltspunkte für Zweifel im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG hinaus lägen auch sicherheitserhebliche Erkenntnisse für eine besondere Gefährdung des Antragstellers bei Anbahnungs- oder Werbungsversuchen vor, die sich insbesondere aus den Reisen nach China und Kasachstan ergeben würden. Die dargestellten sicherheitserheblichen Erkenntnisse und die daraus resultierenden tatsächlichen Anhaltspunkte wögen schwer. Die Zweifel an der Zuverlässigkeit begründeten sich im Wesentlichen auf den unwahren und unvollständigen Angaben in der Sicherheitserklärung. Die dabei von dem Antragsteller gezeigte fehlende Sorgfalt und das bei ihm offensichtlich fehlende Bewusstsein für sicherheitserhebliche Belange erlaubten derzeit keine positive Prognose. Durchgreifende und in der Person des Antragstellers begründete Belange, die geeignet erscheinen könnten, von der Feststellung eines Sicherheitsrisikos abzusehen, seien nicht zu ersehen. Eine andere Maßnahme als die Feststellung eines Sicherheitsrisikos, etwa eine Auflagenentscheidung, komme bei dem Antragsteller, insbesondere mit Blick auf seine Stellung als Reservedienstleistender, nicht in Betracht. Die bestehende Sicherheitsrisikolage sei weder durch Fürsorge- noch durch andere Maßnahmen zu beseitigen.
Rz. 13
Gegen den Bescheid des Geheimschutzbeauftragten im Bundesministerium der Verteidigung hat der Antragsteller mit Schreiben vom 4. September 2020, beim Bundesministerium der Verteidigung eingegangen am 8. September 2020, die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt. Mit Schreiben vom 21. Mai 2021 hat der Bevollmächtigte des Antragstellers das Bundesministerium der Verteidigung nach über mehrere Monate geführter Korrespondenz zur Frage des zutreffenden Rechtsweges aufgefordert, den gestellten Antrag dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorzulegen. Der Bevollmächtigte des Antragstellers hat mit Schreiben vom 23. Juli 2021 eine "Untätigkeitsklage" beim Bundesverwaltungsgericht erhoben. Den mit Schreiben vom 4. September 2020 gestellten Antrag des Antragstellers hat das Bundesministerium der Verteidigung mit seiner Stellungnahme vom 27. August 2021 dem Senat vorgelegt.
Rz. 14
Der Antragsteller wiederholt und vertieft sein bisheriges Vorbringen. Er macht geltend, der Bescheid sei bereits formell rechtswidrig, weil die sachbearbeitende Referentin wegen bestimmter in dem Bescheid gewählter Formulierungen und ihrer darin zum Ausdruck kommenden Antipathie gegen ihn als befangen anzusehen sei. Die getroffene Entscheidung begegne auch durchgreifenden materiell-rechtlichen Bedenken. Für die Feststellung eines Sicherheitsrisikos genügten die von dem Geheimschutzbeauftragten vorgetragenen tatsächlichen Anhaltspunkte nicht. Bereits die zugrunde gelegten Ermittlungen des BAMAD und ihre Darstellung in den vom Bundesministerium der Verteidigung vorgelegten Unterlagen des Bundesamtes seien mit zahlreichen Mängeln behaftet.
Rz. 15
Die auf dieser Grundlage vorgenommene Würdigung sei rechtswidrig. Er habe keine bewusst falsche Erklärung unter Ziffer 8.4 abgegeben. Bereits zu Ziffer 8.2 habe er seine beruflichen Reisen und Beziehungen nach China offengelegt, sodass er die Frage nach weiteren Beziehungen nur als solche nicht-beruflicher Art habe verstehen können. Der Kontakt zu dem Präsidenten der CPCC sei von ihm unter Ziffer 13 der Sicherheitserklärung angegeben worden; sie erschließe sich ohne Weiteres aus seiner Angabe, dass er Repräsentant dieser Behörde gewesen sei. Die Ergänzung habe sich auf Ziffer 8 der Erklärung bezogen, also auch auf die "sonstigen Beziehungen" unter Ziffer 8.4. Er habe insofern lediglich ein Kreuz falsch gesetzt. Aus heutiger Sicht möge es als nachlässig zu bewerten sein, dass er die "Ausfüllanleitung zur Sicherheitserklärung", die ihn zu einem anderen Verständnis der unter Ziffer 8.4 gestellten Frage geführt hätte, seinerzeit nicht bei dem Sicherheitsbeauftragten angefordert habe. Es könne ihm indessen nicht zum Nachteil gereichen, dass ihm der Sicherheitsbeauftragte die Anleitung nicht übermittelt habe.
Rz. 16
Eine angabepflichtige "enge Verbindung" habe jedenfalls zu keinem Repräsentanten der chinesischen Urheberrechtsbehörde bestanden. Die fünf geschäftlichen Kontakte zu deren Leiter über einen Zeitraum von drei Jahren wiesen auf keine solche "enge Verbindung". Neben den Kontakten zu dem Präsidenten der CPCC und dessen Neffen, einem "untergeordneten" Mitarbeiter der CPCC, dessen Dienste als Dolmetscher er in beruflichen Zusammenhängen in Anspruch genommen habe, seien keine weiteren Geschäftsbeziehungen ermittelt worden. Es bleibe nach den von dem Geheimschutzbeauftragten getroffenen Feststellungen unklar, welche Kontakte zu welchen weiteren Personen aufgebaut und gepflegt worden sein sollen. Im Rahmen der Gesamtwürdigung seines Verhaltens seien die während seiner gesamten Dienstzeit erfolgten positiven Beurteilungen durch seine Vorgesetzten, ferner der Umstand, dass seine Auslandskontakte während seines langjährigen Dienstes als Reservist nie beanstandet worden seien, und seine Stellung als Reservist nicht hinreichend berücksichtigt worden. Ferner habe der Geheimschutzbeauftragte kein milderes Mittel, wie etwa die Entziehung einer Sicherheitsstufe, in Erwägung gezogen.
Rz. 17
Der Antragsteller beantragt,
die angefochtene Entscheidung des Antragsgegners vom 27. August 2020 (Feststellung eines Sicherheitsrisikos) aufzuheben und dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Rz. 18
Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Rz. 19
Es verteidigt den angefochtenen Bescheid und tritt dem Antrag entgegen.
Rz. 20
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Rz. 21
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.
Rz. 22
1. Der Antrag ist zwar zulässig.
Rz. 23
a) Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 SÜG kann durch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung vor den Wehrdienstgerichten mit dem Ziel der Aufhebung des entsprechenden Bescheides angefochten werden. Die aus § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO (hier in Verbindung mit § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) folgende Zuständigkeit der Wehrdienstgerichte für Streitigkeiten, die die dienstliche Verwendung eines Soldaten betreffen, erstreckt sich auch auf die Überprüfung sicherheitsrechtlicher Bescheide im Sinne des § 14 Abs. 3 SÜG, weil mit der Feststellung des Geheimschutzbeauftragten über die Frage des Bestehens eines Sicherheitsrisikos im Kern über die sicherheitsrechtliche Eignung eines Soldaten für eine bestimmte dienstliche Verwendung entschieden wird (BVerwG, Beschluss vom 29. September 2022 - 1 WB 28.21 - juris Rn. 15 m. w. N.). Das gilt auch für die Feststellung eines Sicherheitsrisikos gegenüber einem aus dem aktiven Dienst ausgeschiedenen Soldaten, der - wie hier - auf einen Dienstposten der Personalreserve beordert wurde und entsprechend zur Heranziehung zu Dienstleistungen eingeplant ist. Auch für den hiergegen gerichteten Antrag ist gemäß § 17 Abs. 1 WBO der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten - hier nach § 21 Abs. 1 WBO zum Bundesverwaltungsgericht - eröffnet (so mit ausführlicher Begründung BVerwG, Beschluss vom 20. März 2012 - 1 WB 23.11 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 83 Rn. 24).
Rz. 24
b) Der Antragsteller hat ferner einen statthaften Untätigkeitsantrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. In der Rechtsprechung des Senats und in der Literatur ist anerkannt, dass einem Antragsteller aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) in entsprechender Anwendung von § 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 17 Abs. 1 Satz 2 WBO die Möglichkeit eröffnet ist, seinen Antrag als Untätigkeitsantrag selbst bei Gericht anzubringen, wenn sich die nach § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO zwingend vorgesehene Vorlage durch das Bundesministerium der Verteidigung über einen Zeitraum von einem Monat hinaus verzögert (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 19. Januar 1994 - 1 WB 27.93 - Rn. 20, vom 8. November 1994 - 1 WB 26.94 - Rn. 33, vom 24. Mai 2000 - 1 WB 3.00 - Rn. 10 und vom 20. September 2006 - 1 WB 33.06 - Rn. 16; Dau/Scheuren, WBO, 7. Aufl. 2020, § 21 Rn. 23; Bachmann, in: Franke/Weiß, GKÖD I, Stand 2017, § 21 WBO Rn. 34).
Rz. 25
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos in dem Bescheid des Geheimschutzbeauftragten im Bundesministerium der Verteidigung vom 27. August 2020 erweist sich noch als rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten.
Rz. 26
a) Maßgeblich für die gerichtliche Kontrolle ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Vorlage des Antrags (stRspr, vgl. z. B. BVerwG, Beschluss vom 11. März 2008 - 1 WB 37.07 - BVerwGE 130, 291 Rn. 35). Bis zu diesem Zeitpunkt können in Ergänzung der Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten und mit dessen Zustimmung tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Sicherheitsrisikos, einschließlich der dabei zu treffenden Prognose, in das Verfahren eingeführt werden (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27. September 2007 - 1 WDS-VR 7.07 - Buchholz 402.8 § 14 SÜG Nr. 13 Rn. 23, vom 30. Januar 2014 - 1 WB 47.13 - juris Rn. 29 und vom 17. April 2019 - 1 WB 3.19 - juris Rn. 22). Hat ein Antragsteller - wie hier - seinen Antrag als Untätigkeitsantrag eingelegt, besteht die Möglichkeit des Nachschiebens von tatsächlichen Anhaltspunkten nur bis zum Eingang dieses Antrags. Die mit einem zeitlich nachfolgenden Vorlageschreiben des Bundesministeriums der Verteidigung vorgetragenen Ergänzungen können deshalb nicht berücksichtigt werden.
Rz. 27
Die Überprüfung von Angehörigen der Bundeswehr auf Sicherheitsbedenken ist eine vorbeugende Maßnahme, die Sicherheitsrisiken nach Möglichkeit ausschließen soll (stRspr, vgl. z. B. BVerwG, Beschluss vom 11. März 2008 - 1 WB 37.07 - BVerwGE 130, 291 Rn. 23 m. w. N.). Dabei obliegt es der zuständigen Stelle - hier: dem Geheimschutzbeauftragten im Bundesministerium der Verteidigung -, aufgrund einer an diesem Zweck der Sicherheitsüberprüfung orientierten Gesamtwürdigung des Einzelfalls die ihr übermittelten Erkenntnisse im Hinblick auf die vorgesehene Tätigkeit zu bewerten (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 14 Abs. 3 Satz 1 und 2 SÜG).
Rz. 28
Dem Geheimschutzbeauftragten steht bei der Entscheidung, ob in der Person eines Soldaten ein Sicherheitsrisiko festzustellen ist, ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob der Geheimschutzbeauftragte von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (stRspr, z. B. BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 2011 - 1 WB 12.11 - BVerwGE 140, 384 Rn. 24 ff. m. w. N.).
Rz. 29
Wegen der präventiven Funktion der Sicherheitsüberprüfung und wegen des hohen Ranges der zu schützenden Rechtsgüter liegt ein Sicherheitsrisiko bereits dann vor, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für einen der Tatbestände des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SÜG bestehen. Dabei hat im Zweifel das Sicherheitsinteresse Vorrang vor anderen Belangen (§ 14 Abs. 3 Satz 3 SÜG). Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos, die zugleich eine Prognose über die künftige Zuverlässigkeit und Integrität des Soldaten darstellt, darf sich jedoch nicht auf eine vage Vermutung oder eine rein abstrakte Besorgnis stützen. Dabei gibt es keine "Beweislast", weder für den Soldaten dahingehend, dass er die Sicherheitsinteressen der Bundeswehr bisher gewahrt hat und künftig wahren wird, noch für die zuständige Stelle, dass der Soldat diesen Erwartungen nicht gerecht geworden ist oder ihnen künftig nicht gerecht werden wird (stRspr, z. B. BVerwG, Beschluss vom 30. Mai 2012 - 1 WB 58.11 - juris Rn. 30; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 - BVerfGE 39, 334 ≪353≫).
Rz. 30
b) Nach diesen Maßstäben ist die Feststellung eines Sicherheitsrisikos durch den hierfür zuständigen Geheimschutzbeauftragten beim Bundesministerium der Verteidigung (§ 3 Abs. 1 Satz 2 SÜG, Nr. 2418 ZDv A-1130/3) noch rechtmäßig erfolgt.
Rz. 31
aa) Der angefochtene Bescheid leidet nicht an formellen Mängeln.
Rz. 32
(1) Der Antragsteller hatte Gelegenheit, sich vor Feststellung des Sicherheitsrisikos zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen persönlich zu äußern (§ 14 Abs. 3 Satz 4 SÜG i. V. m. § 6 Abs. 1 SÜG; vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 26. November 2013 - 1 WB 57.12 - BVerwGE 148, 267 Rn. 54 ff.). Davon machte er am 16. Juni 2020 auch Gebrauch.
Rz. 33
(2) Soweit der Antragsteller im hiesigen Verfahren rügt, dass ihm wesentliche Inhalte der Sicherheitsakte des BAMAD vorenthalten worden seien und er dadurch in seiner Verteidigung in einer dem Prinzip des fairen Verfahren nach Art. 6 Abs. 1 EMRK verletzenden Weise unzumutbar beschränkt worden sei, bestehen aus Sicht des Senats schon Zweifel daran, ob der Antragsteller mit diesem Einwand durchdringen kann.
Rz. 34
Nach der Rechtsprechung des Senats genügt es für die Zwecke der Rechtsverteidigung im Sicherheitsüberprüfungsverfahren in der Regel, dass dem Betroffenen die Tatsachenbehauptungen bekannt gegeben werden, die Sicherheitsbedenken auslösen. Denn der Betroffene kann sich dann bereits im behördlichen Verfahren dagegen zur Wehr setzen und aus seiner Sicht unzutreffende Tatsachenbehauptungen des MAD bestreiten. Will der Geheimschutzbeauftragte gleichwohl darauf gestützt ein Sicherheitsrisiko feststellen, muss er gegebenenfalls im Prozess die Anknüpfungstatsachen beweisen und vorhandene Beweismittel offenlegen. Damit ist auch ohne Kenntnis der Akten des MAD für eine ausreichende Waffengleichheit im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK gesorgt (BVerwG, Beschluss vom 31. Januar 2018 - 1 WB 24.17 - NVwZ 2019, 65 Rn. 22 unter Hinweis auf EGMR, Regner gegen Tschechische Republik, Nr. 35289/11, Entscheidung vom 19. September 2017, Rn. 146-148, dort zur Einschränkbarkeit des Prinzips des fairen Verfahrens bei Sicherheitsüberprüfungen).
Rz. 35
Ob der Geheimschutzbeauftragte im Bundesministerium der Verteidigung diesen Maßgaben im Sicherheitsüberprüfungsverfahren im hinreichenden Maße gerecht geworden ist, bedarf hier indessen keiner Klärung, weil das Bundesministerium der Verteidigung im vorliegenden Verfahren sowohl den Befragungsbericht als auch das interne Votum des BAMAD - wenn auch mit Schwärzungen - vorgelegt hat. Aus dem ungeschwärzten Inhalt dieser Unterlagen lassen sich die von dem Geheimschutzbeauftragten im Bundesministerium der Verteidigung in der angefochtenen Entscheidung verwerteten Informationen entnehmen. Der Antragsteller hatte Gelegenheit, sich mit diesen Erkenntnissen auseinanderzusetzen und seine Verteidigung darauf einzustellen. Damit ist seinem Anspruch auf Eröffnung der wesentlichen Entscheidungsgrundlagen für die Inanspruchnahme effektiven Rechtsschutzes im hinreichenden Maße genügt.
Rz. 36
(3) Ohne Erfolg wendet der Antragsteller ein, der Bescheid des Geheimschutzbeauftragten im Bundesministerium der Verteidigung sei wegen der Befangenheit der zuständigen Sachbearbeiterin formell rechtswidrig. Denn hierfür fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten.
Rz. 37
Für das Verfahren der Sicherheitsüberprüfung als Verwaltungsverfahren kann zur Bestimmung des Begriffs der Besorgnis der Befangenheit in Ermangelung entsprechender Vorschriften im Sicherheitsüberprüfungsgesetz auf die zu § 21 VwVfG entwickelten Maßstäbe zurückgegriffen werden. Die Besorgnis der Befangenheit ist nach § 21 Abs. 1 Satz 1 VwVfG gegeben, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiliche Amtsführung zu rechtfertigen. Die Besorgnis der Befangenheit aus der subjektiven Sicht des von einer behördlichen Entscheidung Betroffenen genügt insoweit allerdings nicht. Vielmehr ist auf die Sicht eines objektiven Dritten abzustellen (vgl. zur Beurteilung der Voreingenommenheit eines Beurteilers BVerwG, Beschluss vom 19. Juli 2018 - 1 WB 31.17 - Buchholz 449.2 § 2 SLV 2002 Nr. 24 Rn. 31). Dabei können etwa unsachliche und verletzende Äußerungen die Annahme einer tatsächlichen Voreingenommenheit rechtfertigen (Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 23. Aufl. 2022, § 21 Rn. 18).
Rz. 38
Gemessen daran rechtfertigen die von dem Antragsteller im Einzelnen aufgeführten und in dem angefochtenen Bescheid verwendeten Formulierungen die Annahme einer tatsächlichen Voreingenommenheit der Sachbearbeiterin nicht. Die auch in ihrem Kontext zu betrachtenden Wendungen auf den Seiten 7 ("...,... auf Grund der Tatsache, dass das Internet nichts vergisst,..."), 11 ("Verstörend ist jedoch zudem die selbstverständliche Gleichsetzung der Sicherheitserklärung mit AGBs und die fehlende Erkenntnis, dass dies nicht gleichzusetzen ist." und "Sie haben durch die unwahren/unvollständigen Angaben im Kernbereich der Zuverlässigkeit versagt,..."), 13 ("Ob Ihr Verhalten (schon) die Qualität eines Dienstvergehens erfüllt, sei dahingestellt,..." und "... Kompromate wie bspw. finanzielle Probleme, Spielsucht...") und 15 ("Die in Ihrem Fall vorliegenden sicherheitserheblichen Erkenntnisse... wiegen schwer.") mögen zugespitzt erscheinen, lassen sich aber ohne Weiteres noch als sachlich und, gemessen an den Maßstäben des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes mit seinen Anforderungen an die Zuverlässigkeit der betroffenen Person, auch als fachbezogen würdigen. Dafür, dass die Äußerungen, wie der Antragsteller meint, von Antipathie geprägt sein könnten oder als beleidigend erachtet werden müssten, hat der Senat jedenfalls keinen Anhalt, der plausibel erscheinen könnte.
Rz. 39
bb) Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Der Geheimschutzbeauftragte hat diese Feststellung jeweils entscheidungstragend sowohl auf Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG) als auch auf eine besondere Gefährdung des Antragstellers bei möglichen Anbahnungs- oder Werbungsversuchen ausländischer Nachrichtendienste (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a SÜG) gestützt. Aus Sicht des Senats hält die Entscheidung einer gerichtlichen Überprüfung schon wegen der Zuverlässigkeitszweifel im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG stand, sodass es einer Erörterung der zweiten entscheidungstragenden Begründung nicht bedarf.
Rz. 40
(1) Der Geheimschutzbeauftragte ist nicht von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Er legt seiner Bewertung im Wesentlichen zugrunde, dass der Antragsteller in seiner Sicherheitserklärung vom 16. März 2016 in wesentlichen Punkten unvollständige bzw. falsche Angaben gemacht hat. Dieser Sachverhalt ist zutreffend festgestellt.
Rz. 41
Der Antragsteller hat unter Nr. 8.4 der Sicherheitserklärung die Kontakte, die er zu dem Präsidenten der chinesischen Urheberrechtsbehörde CPCC und zu Personen in Kasachstan unterhalten hat, nicht angegeben. Er hat zudem auf einem Ergänzungsblatt zu der Sicherheitserklärung ausgeführt, die CPCC in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Liechtenstein aktuell zu vertreten und dabei Anmeldungen zum Marken- und Urheberrechtsschutz entgegenzunehmen, obwohl im Erklärungszeitpunkt, wie sich aus einer späteren Stellungnahme des Antragstellers ergeben hat, keine Geschäftsbeziehungen zu der CPCC mehr bestanden haben.
Rz. 42
Der im Überprüfungsverfahren ursprünglich erhobene Vorwurf gegen den Antragsteller, in der Sicherheitserklärung auch unerwähnt gelassen zu haben, von dem Neffen des Präsidenten der CPCC in B. besucht worden zu sein, ist von dem Geheimschutzbeauftragten im Rahmen seiner Bewertung eines Sicherheitsrisikos dagegen nicht mehr aufgegriffen und als sicherheitserheblich erachtet worden; soweit dieser Umstand in dem angefochtenen Bescheid angeführt wird, dient dies ersichtlich nur der illustrierenden Beschreibung der Beziehungen zwischen dem Antragsteller und dem Präsidenten der CPCC.
Rz. 43
Der nach alledem maßgebliche Sachverhalt, den der Geheimschutzbeauftragte seiner Entscheidung als sicherheitserheblichen Umstand zugrunde gelegt hat, wird als solcher vom Antragsteller nicht bestritten, sondern lediglich abweichend bewertet.
Rz. 44
(2) Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Geheimschutzbeauftragte in diesem Sachverhalt tatsächliche Anhaltspunkte für Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG) erkannt hat. Mit dieser Einschätzung hat er weder den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt noch allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt.
Rz. 45
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kommt der Pflicht, in dienstlichen Angelegenheiten die Wahrheit zu sagen (§ 13 Abs. 1 SG), ein besonderes Gewicht für die sicherheitsrechtliche Beurteilung zu (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 14. Dezember 2010 - 1 WB 13.10 - Rn. 29 und vom 31. Januar 2018 - 1 WB 24.17 - NVwZ 2019, 65 Rn. 30). Nicht nur, aber gerade auch im Umgang mit geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen muss sich die militärische Führung auf die Richtigkeit abgegebener Meldungen, Erklärungen und Aussagen sowie auf die unaufgeforderte Erfüllung von Meldepflichten jederzeit und grundsätzlich ohne weitere Nachprüfung verlassen können. Zu den der Wahrheitspflicht unterliegenden dienstlichen Angelegenheiten im Sinne des § 13 Abs. 1 SG gehört auch die im Überprüfungsverfahren abzugebende Sicherheitserklärung (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28. Februar 2012 - 1 WB 28.11 - juris Rn. 35 und vom 30. Januar 2014 - 1 WB 32.13 - juris Rn. 34 ff.).
Rz. 46
Ohne Rechtsfehler hat der Geheimschutzbeauftragte in den unvollständigen bzw. unzutreffenden Angaben in der Sicherheitserklärung einen vorsätzlichen oder zumindest auf grober Nachlässigkeit beruhenden gravierenden Verstoß gegen die Wahrheitspflicht erkannt. Anders als der Antragsteller meint, trifft es nicht zu, dass er seiner Wahrheitspflicht bereits mit den ergänzenden Angaben zu Ziffer 8.2 der Sicherheitserklärung im hinreichenden Maße entsprochen hat. Seine Darstellung, dass sich diese Ergänzungen ganz allgemein auf Ziffer 8 und damit auch auf die Frage in Ziffer 8.4 bezögen, verfängt schon deshalb nicht, weil die ergänzenden Bemerkungen ausdrücklich mit der Formulierung "Ergänzung zu Tz. 8.2 Reisen in Staaten gem. § 13 Abs. 1 Nr. 17 SÜG" überschrieben sind. Der weitere Einwand des Antragstellers, seine unter Ziffer 13 an mehreren Stellen enthaltene Erklärung, als Repräsentant der CPCC nach China gereist zu sein, lege es nahe, dass er auch Kontakte zu dem Präsidenten der chinesischen Urheberrechtsbehörde unterhalten habe, überzeugt ebenfalls nicht. Mit dieser Sichtweise wird fälschlicherweise unterstellt, dass der Dienstherr über Kenntnisse der internen Strukturen und Gepflogenheiten dieser Behörde und ihres Präsidenten verfügt. Zudem wird damit ausgeblendet, dass die Sicherheitserklärung gerade dazu dient, sicherheitsrelevante Beziehungen offenzulegen. Die Angaben des Erklärungspflichtigen müssen demgemäß aus sich heraus verständlich sein und dürfen sich nicht auf vage Angaben beschränken, aus denen der Dienstherr Schlüsse ziehen könnte.
Rz. 47
Zutreffend hat der Geheimschutzbeauftragte die Kontakte des Antragstellers zu dem Präsidenten der CPCC und zu Personen in Kasachstan als "sonstige Beziehungen" im Sinne der Nummer 8.4 der Sicherheitserklärung beurteilt. In der "Anleitung zum Ausfüllen der Sicherheitserklärung für die erweiterte Sicherheitsüberprüfung und die erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen" (Anlage C 3 A 1130/3) heißt es, dass unter "sonstige Beziehungen" im Sinne der Frage Nr. 8.4 "z.B. geschäftliche, gesellschaftliche, kulturelle, sportliche oder wissenschaftliche" Beziehungen zu Personen in einem in der Staatenliste genannten Staat zu verstehen sind. Daran gemessen können die besagten Kontakte zu dem Präsidenten CPCC - wie letztlich auch der Antragsteller in Kenntnis dieser Umschreibung nicht verkennt - ohne Weiteres als geschäftliche Beziehungen betrachtet werden. Im Übrigen erscheint eine Fehlinterpretation des Begriffs nach Auffassung des Senats schon bei einer Gegenüberstellung der Begriffe "Reisen" und "Sonstige Beziehungen" als fernliegend. Diese Begriffe haben aus Sicht eines verständigen Lesers unterschiedliche Bedeutungen und können deshalb nicht verwechselt werden. Der Einwand des Antragstellers, er habe zu dem Präsidenten der CPCC keine "enge Verbindung" unterhalten, führt nicht weiter. Auch wenn nach dem allgemeinen Sprachgebrauch unter den Begriff der "Beziehungen" keine einmaligen oder flüchtigen Kontakte fallen, schließt die beispielhafte Aufzählung in der Ausfüllanleitung ein Verständnis der Frage aus, dass es bei mehrfachen erheblichen Kontakten für das Vorliegen einer Beziehung auf eine bestimmte persönliche Vertrautheit oder Intimität der Beziehung ankommt (BVerwG, Beschluss vom 31. Januar 2018 - 1 WB 24.17 - NVwZ 2019, 65 Rn. 31).
Rz. 48
Der Geheimschutzbeauftragte hat seinen Beurteilungsspielraum im vorliegenden Zusammenhang auch nicht deshalb verkannt, weil er den Umstand, dass dem Antragsteller nach seinem eigenen Bekunden die bereits erwähnte Ausfüllanleitung im Zeitpunkt der Abgabe der Sicherheitserklärung nicht vorgelegen habe, zu Lasten des Antragstellers gewürdigt hat. Dem Geheimschutzbeauftragten ist darin zuzustimmen, dass es dem Antragsteller schon im eigenen Interesse oblegen hätte, sich der inhaltlichen Bedeutung der einzelnen Fragestellungen mit Hilfe der Ausfüllanleitung noch vor Ausfüllen der Sicherheitserklärung zu vergewissern und sich die Anleitung gegebenenfalls vorlegen zu lassen. So hat er sich selbst in eine für ihn unsichere Situation begeben, für die nicht der Dienstherr bzw. der für die Übermittlung der Ausfüllanleitung zuständige Sicherheitsbeauftragte die Verantwortung trägt. Der Verzicht darauf, bei dem Sicherheitsbeauftragten um eine Vorlage der Anleitung nachzusuchen, ist im Übrigen auch von dem Antragsteller rückblickend als nachlässig beurteilt worden.
Rz. 49
Nach alledem ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Geheimschutzbeauftragte das Verhalten des Antragstellers im Umgang mit einer Sicherheitserklärung als sorgfaltswidrig und von mangelndem Sicherheitsempfinden gekennzeichnet erachtet hat.
Rz. 50
(3) Rechtlich unbedenklich ist schließlich, dass aus den unvollständigen bzw. unwahren Angaben im Sicherheitsermittlungsverfahren prognostisch auf Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers geschlossen wurde und dass der damit einhergehenden Gefährdung von Sicherheitsinteressen Vorrang vor den Interessen des Antragstellers gegeben wurde.
Rz. 51
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kommt der Pflicht, in dienstlichen Angelegenheiten die Wahrheit zu sagen (§ 13 Abs. 1 SG), ein besonderes Gewicht für die sicherheitsrechtliche Beurteilung zu (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 14. Dezember 2010 - 1 WB 13.10 - Rn. 29 und vom 31. Januar 2018 - 1 WB 24.17 - NVwZ 2019, 65 Rn. 30). Nicht nur, aber gerade auch im Umgang mit geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen muss sich die militärische Führung auf die Richtigkeit abgegebener Meldungen, Erklärungen und Aussagen sowie auf die unaufgeforderte Erfüllung von Meldepflichten jederzeit und grundsätzlich ohne weitere Nachprüfung verlassen können. Hiernach begegnet die von dem Geheimschutzbeauftragten getroffene Einschätzung, dass die mit den unvollständigen bzw. unwahren Angaben in der Sicherheitserklärung offenbar werdende mangelnde Sorgfalt und das damit verbundene fehlende Bewusstsein für Belange der militärischen Sicherheit keine positive Prognose erlaube, keinen durchgreifenden Bedenken.
Rz. 52
Nicht zu beanstanden ist, dass der Geheimschutzbeauftragte den dienstlichen Leistungen des Antragstellers und den positiven Stellungnahmen seiner Vorgesetzten keine Bedeutung beigemessen hat. Die dienstlichen Beurteilungen bewerten (retrospektiv) die vom Antragsteller auf seinem Dienstposten erbrachten Leistungen, nicht vorbeugend das Risikopotential. Zu dessen Einschätzung sind nicht die dienstlichen Vorgesetzten, sondern ist der Geheimschutzbeauftragte berufen (BVerwG, Beschluss vom 2. September 2020 - 1 WB 3.20 - Buchholz 402.8 § 14 SÜG Nr. 17 Rn. 36 m. w. N.).
Rz. 53
Konkrete und praktikable Möglichkeiten, statt der Feststellung eines Sicherheitsrisikos lediglich Auflagen, Einschränkungen oder personenbezogene Sicherheitshinweise festzusetzen (Nr. 2605 Abs. 1 und 2602 ZDv A-1130/3) oder dem vorliegenden Sicherheitsrisiko durch Fürsorgemaßnahmen zu begegnen (Nr. 2608 ZDv A-1130/3), sind weder vom Antragsteller aufgezeigt noch sonst ersichtlich. Soweit der Antragsteller die Entziehung lediglich einer Sicherheitsstufe als milderes Mittel anführt, hat das Bundesministerium der Verteidigung zutreffend darauf hingewiesen, dass das Gesetz eine derartige "Abstufung" nicht vorsieht und die Feststellung eines Sicherheitsrisikos eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit ausschließt. Nach alledem ist nicht zu beanstanden, dass der Geheimschutzbeauftragte dem Sicherheitsinteresse Vorrang eingeräumt hat (§ 14 Abs. 3 Satz 3 SÜG, Nr. 2605 Abs. 4 ZDv A-1130/3). Es sind auch keine für den Antragsteller sprechenden Gesichtspunkte zu ersehen oder geltend gemacht, die eine Verkürzung der grundsätzlich fünfjährigen Wirkungsdauer (Nr. 2609 ZDv A-1130/3) verlangen würden.
Fundstellen
JZ 2023, 539 |
NZWehrr 2023, 345 |