Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Urteil vom 22.01.1997; Aktenzeichen 9 L 7643/95) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 22. Januar 1997 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 74 558,87 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde des Klägers ist unbegründet. Der Rechtssache kommt weder die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch hat die Beschwerde die Voraussetzungen für die Revisionszulassung wegen eines Verfahrensmangels hinreichend bezeichnet (§ 132 Abs. 2 Nr. 3, § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
1. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. Daran fehlt es hier.
a) Die zunächst sinngemäß aufgeworfene Frage,
ob eine Beitragskalkulation zu einer rechtmäßigen Beitragsgrundlage führen könne, wenn bei der Aufwandsermittlung ein „namhafter Überhangbetrag durch die Korruptionshaltung des zwischenzeitlich rechtskräftig verurteilten seinerzeitigen Klärwärters beachtlich geworden ist”,
vermittelt der Sache keine grundsätzliche Bedeutung. Ihre Klärung wäre in dem beabsichtigten Revisionsverfahren nicht zu erwarten. Denn das Berufungsgericht hat weder zu der angeblichen Korruption als solcher noch zur Höhe des angeblichen Bestechungsgeldes noch zur Auswirkung der angeblichen Bestechung auf die objektive Angemessenheit des davon betroffenen Rechnungspostens tatsächliche Feststellungen getroffen. Erst auf der Grundlage derartiger Tatsachenfeststellungen läßt sich jedoch die Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Frage beurteilen. Das Oberverwaltungsgericht hat entgegen der Darstellung der Beschwerde die mit der angeblichen Korruption verbundenen Tatsachen auch nicht als unstreitig angesehen, sondern vielmehr im Zusammenhang mit diesem Vorwurf des Klägers ausdrücklich von einer „These des Klägers” sowie davon gesprochen, das weitere Berufungsvorbringen des Klägers bestehe „aus bloßen Behauptungen, die von ihm nicht näher begründet worden sind” (vgl. Berufungsurteil S. 4 und 5). Hat aber das Berufungsgericht Tatsachen, die vorliegen müßten, damit die mit der Nichtzulassungsbeschwerde angesprochene Rechtsfrage sich in einem Revisionsverfahren stellen könnte, nicht getroffen, kann die Revision nicht im Hinblick auf diese Rechtsfrage wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden (Beschluß vom 30. Juni 1992 – BVerwG 5 B 99.92 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 309 S. 43).
Im übrigen ist die zutreffende Auffassung des Berufungsgerichts, daß an die Überprüfung von Beitragskalkulationen – soweit ihnen Wertungen und Prognosen zugrunde liegen – die für die rechtliche Kontrolle von Prognoseentscheidungen entwickelten Maßstäbe anzulegen sind (vgl. Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 579), nicht klärungsbedürftig. Danach führt nicht jeder – erst im nachhinein erkannte und erkennbare – Fehler zwangsläufig zur Rechtswidrigkeit der Prognose bzw. hier der Beitragskalkulation. Zwar gebietet der insoweit einschlägige Grundsatz der anlagen- und kostenbezogenen Erforderlichkeit (vgl. Driehaus, a.a.O., Rn. 582 a und 348 f.), daß die Beitragspflichtigen nicht zu den Kosten überflüssiger Maßnahmen und nicht zu überhöhten – also nicht angemessenen – Aufwendungen für an sich notwendige Maßnahmen herangezogen werden. Den Gemeinden steht jedoch bei der Beurteilung der Angemessenheit sowohl der Maßnahmen als solcher wie auch der dafür entstandenen Aufwendungen ein weiter Ermessensspielraum zu; demgemäß ist derjenige Aufwand im Rahmen der Beitragskalkulation berücksichtigungsfähig, den die Gemeinde bei sachgemäßer Ermessensausübung für erforderlich halten durfte. Die Angemessenheit der Kosten – um die es nach dem Beschwerdevorbringen im vorliegenden Fall wohl allein gehen dürfte – ist im Hinblick auf den Ermessensspielraum der Gemeinden nur ausnahmsweise dann zu verneinen, wenn sich die Gemeinde bei der Vergabe der Aufträge oder bei der Durchführung der Baumaßnahmen offensichtlich nicht an das Gebot der Wirtschaftlichkeit gehalten hat und dadurch augenfällige Mehrkosten entstanden sind, d.h. wenn die Kosten in für die Gemeinde e r k e n n b a r e r Weise eine grob unangemessene Höhe erreichen, also sachlich schlechthin unvertretbar sind (vgl. zum Erschließungsbeitragsrecht: Urteil vom 14. Dezember 1979 – BVerwG 4 C 28.76 – BVerwGE 59, 249 ≪253≫). Daß die unangemessene Überhöhung einzelner Rechnungsposten infolge der Überwälzung angeblicher Bestechungsgelder im Rahmen der Beitragskalkulation für den Beklagten im vorliegenden Fall erkennbar gewesen wäre, trägt die Beschwerde selbst nicht vor; entsprechende Tatsachenfeststellungen hat das Berufungsgericht – wie dargelegt – nicht getroffen.
b) Die weitere Frage,
ob die Erhebung eines Kanalanschlußbeitrags bei landwirtschaftlich genutzten Grundstücken insoweit mit Art. 14 GG vereinbar ist, als die Beitragsberechnung über den zu Wohnzwecken genutzten Hausbereich hinaus auch auf die landwirtschaftlich genutzten Grundstücksteilflächen abstellt,
ist nicht klärungsbedürftig. Die Vereinbarkeit der Beitragserhebung in derartigen Fällen mit Art. 14 GG ist ohne weiteres zu bejahen. Eines Revisionsverfahrens bedarf es hierzu nicht. Das Bundesverfassungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß Art. 14 GG nicht das Vermögen als solches gegen Eingriffe durch die Auferlegung von Geldleistungspflichten schützt (vgl. schon BVerfGE 4, 7 ≪17≫); die Eigentumsgarantie schützt danach zwar den Bestand der durch die Rechtsordnung anerkannten einzelnen Vermögenswerte, nicht jedoch das Vermögen als solches gegenüber Maßnahmen der öffentlichen Gewalt (BVerfGE 75, 108 ≪154≫). Die Erhebung von Abgaben kann deshalb allenfalls dann gegen Art. 14 GG verstoßen, wenn die Geldleistungspflicht den Pflichtigen übermäßig belastet und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigt (BVerfGE 14, 221 ≪241≫); das wäre dann der Fall, wenn die Abgabe erdrosselnde, konfiskatorische Wirkung hätte (BVerfGE 63, 343 ≪368≫). Bei dem hier zu beurteilenden Kanalanschlußbeitrag ist diese Wirkung schon deshalb ohne weiteres auszuschließen, weil der auf die nur landwirtschaftlich genutzte Grundstücksteilfläche entfallende – bei weitem überwiegende – Beitragsanteil in Höhe von 57 918,25 DM gemäß § 6 Abs. 10 NKAG auf Antrag zinslos gestundet werden kann und hier auch tatsächlich bis zur Nutzungsänderung oder Veräußerung dieser Grundstücksteilflächen etc. gestundet worden ist. Dem gesetzlichen Erfordernis einer aufschiebend bedingten Sicherungshypothek für den Fall einer über den Zeitraum von vier Jahren hinausreichenden Stundung (§ 6 Abs. 10 Satz 4 NKAG) kommt ersichtlich keine enteignende Wirkung zu. Die Beitragserhebung wäre im übrigen auch nicht mit Blick auf Art. 2 Abs. 1 GG (vgl. hierzu BVerfGE 87, 153 ≪169≫) zu beanstanden.
2. Das Berufungsurteil leidet auch nicht an dem geltend gemachten Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Der Aufklärungsrüge (§ 86 Abs. 1 VwGO) ist nicht näher nachzugehen, weil die Beschwerde insoweit dem Darlegungsgebot des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht genügt. Die Aufklärungsrüge setzt danach die Darlegung voraus,
- welche Tatsachen auf der Grundlage der materiellrechtlichen Auffassung des Berufungsgerichts ermittlungsbedürftig gewesen wären,
- welche Beweismittel zu welchen Beweisthemen zur Verfügung gestanden hätten,
- aufgrund welcher Anhaltspunkte sich die unterbliebene Beweisaufnahme dem Berufungsgericht hätte aufdrängen müssen,
- welches Ergebnis diese Beweisaufnahme voraussichtlich erbracht hätte,
- inwiefern das Berufungsurteil unter Zugrundelegung der materiellrechtlichen Auffassung des Oberverwaltungsgerichts auf der unterbliebenen Sachaufklärung beruhen kann und
- daß die Nichterhebung der Beweise vor dem Tatsachengericht rechtzeitig gerügt worden ist.
An alledem fehlt es. Die erhobene Aufklärungsrüge stellt vielmehr allein darauf ab, das Oberverwaltungsgericht habe rechtliche Erwägungen angestellt, die nicht auf einem festgestellten Sachverhalt beruhten. Dieser Vorwurf – der eher auf eine vermeintliche Verletzung des Überzeugungsgebots zielt – verkennt die wirkliche Aussage und den Argumentationszusammenhang des Berufungsurteils. Zu Unrecht geht die Beschwerde nämlich davon aus, das Berufungsgericht habe festgestellt, daß der Kläger später Teile seines nunmehr erschlossenen Baulandes veräußern werde. Mit dieser Formulierung (vgl. Berufungsurteil S. 4) hatte das Oberverwaltungsgericht entgegen der Auffassung der Beschwerde erkennbar keine Erwägungen aus der „Phantasiesphäre des Gerichts” ohne „sachverhaltsbezogene Realitätsanbindung” angestellt und auch keinen „allgemeinen Lebenserfahrungsgrundsatz” formuliert, „daß alle Landwirte ihr Ackerland zu Bauland machen”. Vielmehr hatte das Oberverwaltungsgericht mit der von der Beschwerde nunmehr beanstandeten Erwägung lediglich den Einwand des Klägers gegen das vermeintliche Mißverhältnis zwischen Beitragshöhe und Vorteil zu widerlegen versucht und in diesem Zusammenhang ausgeführt, daß der auf die bislang nur landwirtschaftlich genutzten Flächen entfallende Beitragsanteil für die Dauer dieser landwirtschaftlichen Nutzung auf Antrag gestundet werden könne und deshalb erst dann zu zahlen sei, w e n n der Kläger später diese Teilflächen veräußere; dann stünde der Zahlungspflicht aber als „Gegenwert” der wegen des Kanalanschlusses voraussichtlich erhöhte Verkaufserlös gegenüber. Aus der Sicht des Bundesrechts ist an dieser in sich schlüssigen und einsichtigen Argumentation nichts zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 13, 14 GKG.
Unterschriften
Dr. Honnacker, Sailer, Krauß
Fundstellen