Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 05.12.2007; Aktenzeichen 3 S 918/06) |
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 5. Dezember 2007 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 940 467,93 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Revision ist weder nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache noch nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen.
1. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass für die Entscheidung des vorinstanzlichen Gerichts eine konkrete, fallübergreifende Rechtsfrage von Bedeutung war, die auch für die Entscheidung im Revisionsverfahren erheblich wäre und aus Gründen der Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der bedeutsamen Fortentwicklung des Rechts der Klärung bedarf (vgl. Beschluss vom 2. Oktober 1961 – BVerwG 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 ≪91 f.≫; stRspr). Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind.
a) Die Frage, was Gegenstand einer Einigung nach § 110 Abs. 2 BauGB sein kann, führt nicht zur Zulassung der Revision, weil sie nicht den notwendigen Konkretisierungsgrad aufweist. Sie ist so abstrakt-offen formuliert, dass sie nur für eine Mehrzahl gedachter Fälle nach Art eines Lehrbuchs beantwortet werden könnte. Das ist nicht Aufgabe eines Revisionsverfahrens.
Die Frage, ob sich die Beteiligten im Rahmen des § 110 Abs. 2 BauGB nur darüber verständigen dürfen, was nach § 86 BauGB Gegenstand der Enteignung sein kann und ohne die Einigung in einem Enteignungsbeschluss (§ 113 Abs. 2 BauGB) geregelt werden könnte, ist zwar hinreichend konkret, bedarf aber keiner Klärung, da sie der Verwaltungsgerichtshof im Sinne der Beklagten dahin beantwortet hat, dass ein Einigungsvertrag nicht nur dasjenige enthalten darf, was nach § 113 Abs. 2 BauGB notwendiger Bestandteil eines Enteignungsbeschlusses ist. Der Verwaltungsgerichtshof ist davon ausgegangen, dass in einer Einigungsbeurkundung über den nach § 113 Abs. 2 BauGB notwendigen Mindestinhalt hinaus zusätzliche Regelungen vereinbart werden dürfen (UA S. 20). Er hat allerdings die hier getroffenen Zusatzvereinbarungen einer rechtlich selbständigen Bewertung unterzogen (UA S. 20, 22). Die Beklagte beanstandet die Aufspaltung der Einigungsbeurkundung in Vertragsbestandteile, die nach § 113 Abs. 2 BauGB notwendig sind, und ergänzende Vertragsbestandteile als künstlich und betont den Vergleichscharakter der Einigung, durch den der Zusammenhang zwischen den Vereinbarungen über die zu leistenden Ausgleichsbeiträge und den die Grundstücksübertragung betreffenden Teilen der beurkundenden Einigung hergestellt werde. Damit übt sie eine einzelfallbezogene Kritik an der vorinstanzlichen Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung. Mit ihr kann die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht begründet werden.
b) Die Frage, ob eine Ausführungsanordnung nach § 117 BauGB teilnichtig sein kann, obwohl kein Nichtigkeitsgrund des § 44 Abs. 1 und 2 VwVfG vorliegt, rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision, weil sie sich in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Ausführungsanordnung des Regierungspräsidiums Freiburg weder ausdrücklich noch konkludent als teilnichtig verworfen. Er ist vielmehr davon ausgegangen, dass die Ausführungsanordnung insgesamt wirksam ist. Entgegen der Darstellung der Beklagten hat er nicht festgestellt, dass die Ausführungsanordnung des Regierungspräsidiums Freiburg den gesamten Inhalt der getroffenen Einigung, also auch den wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage unwirksamen Teil, umfassen sollte und umfasst hat. Nach seinen Feststellungen im Tatbestand des Urteils ist Gegenstand der Ausführungsanordnung der Enteignungsbehörde vom 3. Dezember 1997 in der Gestalt des Ergänzungsbescheides vom 20. März 1998 allein die Verpflichtung der Kläger zur lastenfreien Übertragung des neu gebildeten Flurstücks 4../10 und die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung eines Kaufpreises in Höhe von 1 745 124 DM (UA S. 5). Damit korrespondierend hat der Verwaltungsgerichtshof in den Entscheidungsgründen angenommen, dass die Ausführungsanordnung nur diejenigen, in ihrer Wirksamkeit nicht bezweifelten Regelungen der Einigungsbeurkundung umsetzt, die nach § 110 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 113 Abs. 2 BauGB deren notwendiger Bestandteil waren (UA S. 20). Die Feststellung, dass die Ausführungsanordnung auch die Höhe und Verrechnung der zunächst aufgrund der Entwicklungssatzung geltend gemachten Ausgleichsbeiträge zum Gegenstand hat, enthält das angefochtene Urteil nicht.
c) Die als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnete Frage “hinsichtlich der Bestandskraft von Beitragsbescheiden” entbehrt jeglicher Konkretisierung und vermag deshalb die Zulassung der Revision nicht zu rechtfertigen.
Die Frage, in welcher Weise eine Rückabwicklung zu erfolgen hat, wenn im Falle der Nichtigkeit eines öffentlich-rechtlichen Vertrages vom Bestehen eines allgemeinen Erstattungsanspruchs auszugehen ist, dient der Beklagten als Anknüpfungspunkt für die an den Senat gerichtete Forderung, in einem Revisionsverfahren seine Rechtsprechung zum Ausschluss eines Erstattungsanspruchs durch den Grundsatz von Treu und Glauben (Urteil vom 16. Mai 2000 – BVerwG 4 C 4.99 – BVerwGE 111, 162) fortzuentwickeln. Die Beklagte zeigt aber nicht auf, inwieweit das Revisionsverfahren geeignet wäre, dem Begriff von Treu und Glauben in seinem abstrakten Gehalt zusätzliche Konturen zu verleihen. Sie beschränkt sich darauf, die vorinstanzliche Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung als fehlerhaft zu beanstanden. Das reicht zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht aus.
d) Die Frage nach der Reichweite der Beweiswirkung einer öffentlichen Urkunde nach § 98 VwGO, § 415 ZPO ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung, weil sich die Antwort unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Ist die Urkunde über eine vor der Behörde oder Urkundsperson abgegebene Erklärung errichtet, begründet sie vollen Beweis des beurkundeten Vorgangs. Die Beklagte bedient sich der Grundsatzrüge nur als Vorwand, um die Würdigung des Verwaltungsgerichtshofs anzugreifen, die Aussage in der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor der Enteignungsbehörde, die Vorsitzende habe unter Hinweis auf die ausführliche gerichtliche Prüfung im Hauptsacheverfahren durch das Verwaltungsgericht Freiburg, welches die Rechtmäßigkeit der Satzung bejaht habe, die von Rechtsanwalt T… wiederholten Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entwicklungssatzung ausräumen können, nehme an der Beweiskraft nach § 415 ZPO teil.
2. Der gerügte Aufklärungsmangel (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegt nicht vor.
Die Beklagte kritisiert, dass der Verwaltungsgerichtshof ihren in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag abgelehnt hat, den Altbürgermeister F… und die Vorsitzende B… zu der Frage zu vernehmen, ob die Einigungsbeurkundung die Auseinandersetzung um die Rechtmäßigkeit der Entwicklungssatzung habe beenden sollen. Sie meint, dass die von der Vorinstanz angeführten Gründe für die Ablehnung des Beweisantrags eine unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung enthielten. Dieser Vorwurf ist unbegründet.
Der Verwaltungsgerichtshof ist aufgrund des Inhalts des Protokolls über die mündliche Verhandlung vor der Enteignungsbehörde, der Regelungen der Einigungsbeurkundung selbst sowie der gesamten Umstände des Verfahrens zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beteiligten übereinstimmend von der Gültigkeit der Entwicklungssatzung ausgegangen sind (UA S. 28). Er hat die Beweislage als “eindeutig” angesehen und deshalb eine Vernehmung der von der Beklagten angebotenen Zeugen für entbehrlich gehalten.
In dieser Begründung liegt keine unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung. Ein Gericht darf zwar grundsätzlich von einer Beweisaufnahme nicht deshalb absehen, weil es vom Gegenteil der unter Beweis gestellten Tatsache überzeugt ist oder den Sachverhalt bereits für geklärt hält. Auch die bloße Unwahrscheinlichkeit einer behaupteten Tatsache rechtfertigt es nicht, eine Beweisaufnahme zu unterlassen (vgl. Urteil vom 11. April 1991 – BVerwG 3 C 73.89 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 229 m.w.N.). Ein Beweisantrag kann jedoch dann ausnahmsweise abgelehnt werden, wenn aufgrund eines bereits erhobenen Beweises die entscheidungserheblichen Tatsachen mit einer solchen Gewissheit feststehen, dass die Überzeugung des Gerichts durch die beantragte weitere Beweiserhebung – ihr Erfolg unterstellt – nicht mehr erschüttert werden kann (Urteile vom 11. April 1991 – BVerwG 3 C 73.89 – a.a.O. und vom 11. Dezember 1981 – BVerwG 4 C 71.79 – NVwZ 1982, 244). Der Verwaltungsgerichtshof hat die Einzelheiten des Sachverhalts sorgfältig beleuchtet und nachvollziehbar dargelegt, dass sich aus den Vereinbarungen in der Einigungsbeurkundung, der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor der Enteignungsbehörde und den Umständen und dem Ablauf des Verfahrens ein so klares Bild über die damaligen Motive der Beteiligten und damit die objektive Geschäftsgrundlage für die abgegebenen Erklärungen der Beteiligten ergebe, dass die Vernehmung der von der Beklagten benannten Zeugen die gerichtliche Überzeugung nicht hätte beeinflussen können. Mit dieser Einschätzung verletzt der Verwaltungsgerichtshof die in der Rechtsprechung zum Verbot einer vorweggenommenen Beweiswürdigung aufgestellten Grundsätze nicht.
Ob der Verwaltungsgerichtshof gegen § 86 Abs. 3 VwGO verstoßen hat, indem er die Beklagte nicht darauf aufmerksam gemacht hat, dass ihr Beweisantrag zu einer bestimmten Sachverhaltsfrage kein geeignetes Beweisthema enthält, kann offen bleiben. Der Verwaltungsgerichtshof hat der Beklagten vorgehalten, keine konkreten Äußerungen oder sonstigen konkreten Umstände benannt zu haben, aus denen sich im Falle ihrer Erweislichkeit ergeben hätte, dass die Kläger nach Eintritt in die Erörterung über die Entschädigungshöhe erneut Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entwicklungssatzung gehegt hätten und diese Zweifel durch den Abschluss des Vergleichs hätten ausgeräumt werden sollen (UA S. 29). Die Verfahrensrüge scheitert daran, dass die Beklagte im Beschwerdeverfahren dazu schweigt, wie sie den Mangel ihres Beweisantrags nach einem entsprechenden Hinweis durch den Verwaltungsgerichtshof behoben hätte. Dass der Verwaltungsgerichtshof den Beweisantrag zu Unrecht für konkretisierungsbedürftig gehalten habe, kann nicht mit der Verfahrensrüge geltend gemacht werden. Das wäre ein materiellrechtlicher Fehler.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.
Unterschriften
Dr. Paetow, Prof. Dr. Rojahn, Gatz
Fundstellen