Verfahrensgang
VG Gera (Urteil vom 11.06.2008; Aktenzeichen 2 K 2/06 Ge) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 11. Juni 2008 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 400 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die allein geltend gemachten Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor.
Rz. 2
Die Beschwerde verkennt, dass Gegenstand des Wiederaufnahmeverfahrens nur die von der Klägerin neu vorgelegten Urkunden und die Frage sein können, ob diese Urkunden bei rechtzeitiger Vorlage in der mündlichen Verhandlung des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens zu einer für die Klägerin günstigeren Entscheidung geführt hätten (§ 153 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 580 Nr. 7b ZPO).
Rz. 3
Dies hat das Verwaltungsgericht hinsichtlich des von der Klägerin nachträglich vorgelegten Zwischenberichts vom 19. Mai 1949 an den Leiter der DWK, Dr. L…, verneint. Dabei hat das angefochtene Urteil andere Schlüsse aus dem Inhalt der Urkunde gezogen als die Klägerin. Darin liegt weder ein Verstoß gegen gesetzliche Beweisregeln, noch verletzt dies die Klägerin in ihrem Recht auf rechtliches Gehör. Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet zwar das Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und ernsthaft in seine Erwägung einzubeziehen (Urteil vom 29. November 1985 – BVerwG 9 C 49.85 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 177). Daraus folgt aber kein Anspruch, dass das Gericht auch der rechtlichen Argumentation der Klägerin folgt. Denn der Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs bietet keinen Schutz dagegen, dass das Gericht das Vorbringen der Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts unberücksichtigt lässt (Urteil vom 18. Mai 1995 – BVerwG 4 C 20.94 – BVerwGE 98, 235 ≪238≫; Beschluss vom 18. April 2008 – BVerwG 8 B 105.07 – ZOV 2008, 168 f.). Die Beschwerde setzt sich mit den Ausführungen des angefochtenen Urteils, dass der Inhalt des Zwischenberichts von der Klägerin nicht richtig erfasst worden sei, nicht auseinander, sondern wiederholt überwiegend ihre bisherigen Darlegungen.
Rz. 4
Auch aus der weiteren von der Klägerin vorgelegten neuen Urkunde, dem Schreiben des Bundesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 14. Dezember 2005, hat das Verwaltungsgericht ohne Verstoß gegen gesetzliche Beweisregeln kein für die Klägerin günstigeres Ergebnis herleiten können. Das Verwaltungsgericht hat den Inhalt des Schreibens, dass auf den dem Bundesamt vorliegenden SMAD-Schutzlisten für das Land Thüringen keine Originalbestätigungen der SMA Thüringens sowie der SMAD zu finden sind, nicht verkannt. Es legt ihn auch seinen Überlegungen fehlerfrei zugrunde, stellt aber die Erforderlichkeit einer solchen Bestätigung in Frage und zieht – entgegen der Auffassung der Klägerin – nicht den Schluss, dass die in den Schutzlisten genannten Vermögenswerte nicht von dem Schutzwillen der SMAD erfasst waren oder dass diese SMAD-Listen manipuliert oder verfälscht waren. Ein Verfahrensfehler liegt darin nicht. Bei der Prüfung, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, ist die materiell-rechtliche Auffassung des Verwaltungsgerichts zugrunde zu legen, dass es einer Bestätigung der Listen durch die sowjetische Besatzungsmacht nicht bedurfte. Die Beschwerde setzt sich auch insoweit mit der Urteilsbegründung nicht auseinander, sondern wiederholt ihren abweichenden Standpunkt.
Rz. 5
Schließlich verletzt das angefochtene Urteil auch nicht die von der Klägerin angeführten gesetzlichen Beweisregeln der §§ 418, 438 ZPO i.V.m. §§ 98, 173 Abs. 1 VwGO hinsichtlich der von der Klägerin im Wiederaufnahmeverfahren vorgelegten Urkunden des Staatlichen Archivs der Russischen Föderation, denen es nichts für eine der Klägerin günstigere Entscheidung entnehmen konnte.
Rz. 6
Die Klägerin verkennt grundsätzlich die Beweisregeln der §§ 418 ff. ZPO. Die Anbringung einer Apostille bezieht sich auf die Echtheit der Urkunde, d.h. die Zuordnung der Auskunft zum Staatlichen Archivdienst Russlands, nicht aber auf die Echtheit der in der Auskunft erwähnten Ausländerschutzlisten. Ebenso verkennt die Klägerin die Reichweite des § 418 ZPO. Zwar begründen nach Absatz 1 der Vorschrift öffentliche Urkunden den vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen. Dies gilt – wie sich aus Absatz 3 ergibt – allerdings nur, wenn das Zeugnis auf eigener Wahrnehmung der Behörde beruht (die abweichenden Voraussetzungen des Absatzes 3 liegen hier ersichtlich nicht vor). Hierunter könnte allenfalls die Wahrnehmung fallen, dass im Staatlichen Archiv der Russischen Föderation keine Originale der Listen vorliegen, “die uns durch Sie übermittelt wurden” und dass “das Original des in dieser Kopie vorliegenden Dokuments, das mit der Unterschrift des stellvertretenden Leiters der Verwaltung der Sowjetischen Militäradministration K… versehen ist, … in den Beständen der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland des Landes Thüringen im Staatlichen Archiv der Russischen Föderation verwahrt” wird. Dagegen werden von der Regelung des § 418 ZPO Schlussfolgerungen oder Bewertungen der Behörde nicht erfasst. Rechtsfehlerfrei geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass es sich bei der Erklärung in dem Schreiben vom 28. November 2005, bei den Listen handele es sich nicht um offizielle Listen mit Angaben über das Eigentum ausländischer Staatsbürger und diese Listen seien weder von der sowjetischen Militäradministration in Berlin noch von der sowjetischen Militäradministration des Landes Thüringen bestätigt oder verschickt worden, nicht um eine eigene Wahrnehmung der Behörde, sondern um eine Schlussfolgerung handelt. Dass das Verwaltungsgericht diese Folgerung nicht teilt, weil es davon ausgeht, dass auch ohne Vorliegen der Originale der SMAD-Listen im Staatsarchiv diese als Anlage dem Schreiben der SMAD vom 11. Mai 1949 beigefügt gewesen sein können, verstößt nicht gegen gesetzliche Beweisregeln und ist auch ansonsten nicht verfahrensfehlerhaft. Das gilt auch für die von der Beschwerde vermisste ausdrückliche Bestätigung.
Rz. 7
Soweit die Beschwerde darüber hinaus einen Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs wegen Sachverhaltsverkürzung und Nichtbeachtung von Sachvortrag rügt, verkennt sie, dass das Gebot rechtlichen Gehörs zwar das Gericht verpflichtet, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und ernsthaft in seine Erwägung einzubeziehen, nicht aber, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen (BVerwG, Urteil vom 29. November 1985 a.a.O.). Auch im Tatbestand ist gem. § 117 Abs. 3 VwGO der Sach- und Streitstand nur seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen und wegen der Einzelheiten auf den Inhalt der Akten zu verweisen. Das hat das Verwaltungsgericht getan. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht insbesondere den schriftsätzlichen Vortrag der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, soweit nicht gegenteilige Anhaltspunkte vorhanden sind (BVerfG, Beschluss vom 3. April 1979 – 1 BvR 733/78 – BVerfGE 51, 126 ≪129≫). An solchen Anhaltspunkten fehlt es hier. Im Tatbestand des Urteils ist der Vortrag der Klägerin zur Fälschung der “Weimarer Liste” und dazu, dass die britische Staatsangehörigkeit der Frau L… nicht belegt sei, kurz wiedergegeben (UA S. 7 u. 8). Auch in den Entscheidungsgründen ist das Verwaltungsgericht auf beide Gesichtspunkte eingegangen (UA S. 15, 16 ff.). Auf den Umstand, ob Frau L… britische Staatsangehörige, Mitglied der Commonwealths oder Staatsangehörige der Südafrikanischen Union war, kam es für das Verwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich an. Allein der Umstand, dass das Verwaltungsgericht die von der Klägerin vorgelegten Urkunden anders gewürdigt hat, als es nach Ansicht der Beschwerde richtig gewesen wäre, und den im Wiederaufnahmeverfahren nicht relevanten wiederholenden Sachvortrag unberücksichtigt gelassen hat, rechtfertigt eine solche Annahme nicht.
Rz. 8
Inwieweit der in § 86 Abs. 1 VwGO normierte Untersuchungsgrundsatz verletzt sein soll, wird von der Beschwerde nicht dargelegt. Es ist weder ersichtlich, welche Ermittlungen sich im Rahmen der Restitutionsklage dem Gericht hätten aufdrängen müssen, noch hat die Klägerin selbst Beweisanträge gestellt.
Rz. 9
Hinsichtlich der von der Beschwerde nach Ablauf der Begründungsfrist des § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO vorgelegten berichtigten Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 24. März 2004 in den Verwaltungsstreitsachen 2 K 1470/96 GE und 2 K 1577/01 GE ist von vornherein ein Zusammenhang mit dem Wiederaufnahme- und dem vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht erkennbar.
Rz. 10
Von einer weitergehenden Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ab.
Rz. 11
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 47, 52 GKG.
Unterschriften
Gödel, Dr. Pagenkopf, Dr. von Heimburg
Fundstellen