Verfahrensgang
OVG des Saarlandes (Urteil vom 19.09.2019; Aktenzeichen 2 C 324/18) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem auf die mündliche Verhandlung vom 19. September 2019 ergangenen Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 30 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Der Antragsteller wendet sich gegen die Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet "Söterbachtal" (L 6408-302) vom 12. Dezember 2017 (Amtsbl. I S. 2064). Die Vorinstanz hat den Normenkontrollantrag zurückgewiesen.
Rz. 2
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.
Rz. 3
I. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde zumisst.
Rz. 4
Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 ≪91≫).
Rz. 5
1. Die Beschwerde möchte der Sache nach grundsätzlich klären lassen,
ob ein Oberverwaltungsgericht inzidenter die Frage zu prüfen hat, ob ein Gebiet rechtmäßig als FFH-Gebiet gemeldet worden ist, wenn die Erklärung dieses Gebietes zu einem Natur- oder Landschaftsschutzgebiet damit begründet wird, dass das Gebiet als FFH-Gebiet besonders geschützt werden müsse.
Rz. 6
a) Grundsätzlichen Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde mit dieser Frage nicht auf. Soweit sie nicht bereits geklärt ist, lässt sie sich auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. August 1999 - 4 B 72.99 - BVerwGE 109, 268 ≪270≫ und vom 14. Oktober 2019 - 4 B 27.19 - ZfBR 2020, 173 Rn. 6).
Rz. 7
Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts kommt es für die Wirksamkeit einer Landschaftsschutzgebietsverordnung nicht darauf an, ob eine frühere Meldung als FFH-Gebiet zu Recht erfolgt ist, sondern darauf, ob die zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung vorliegenden Unterlagen die Festlegung als Landschaftsschutzgebiet nach den Kriterien des § 18 des Gesetzes zum Schutz der Natur und Heimat im Saarland (Saarländisches Naturschutzgesetz - SNG) tragen (UA S. 13). Grundsätzlicher Klärungsbedarf im revisiblen Recht ist damit nicht aufgeworfen: Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG erfolgt die Unterschutzstellung von Teilen der Natur und Landschaft durch Erklärung. Diese Erklärung bestimmt nach § 22 Abs. 1 Satz 2 BNatSchG u.a. den Schutzzweck. Schutzzwecke der verfahrensgegenständlichen Verordnung sind nach deren § 2 die Erhaltung, Wiederherstellung und Entwicklung eines günstigen Erhaltungszustandes (Erhaltungsziele) einschließlich der räumlichen Vernetzung im Einzelnen benannter, teils prioritärer Lebensraumtypen und Arten sowie die Erhaltung, Entwicklung oder Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts und der Regenerationsfähigkeit und nachhaltigen Nutzungsfähigkeit der Naturgüter sowie die Vielfalt, Eigenart und Schönheit der Landschaft. Damit erklärt die Verordnung Ziele nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BNatSchG zu ihrem Schutzzweck (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Januar 2018 - 4 BN 30.17 - NuR 2018, 488 Rn. 5 f.). Das nationale Recht ermächtigt den Verordnungsgeber, diese Ziele mit dem Erlass einer Schutzgebietsverordnung zu verfolgen, seine Verordnung also mit diesen Zielen zu begründen.
Rz. 8
Allerdings schützt die verfahrensgegenständliche Verordnung Lebensräume und bestimmte Arten, die auch in den Anhängen I und II der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206 S. 7) in der Fassung der Richtlinie 2006/105/EG des Rates vom 20. November 2006 (ABl. L 363 S. 368 - FFH-RL) genannt sind. Dennoch beurteilt sich nach nationalem Recht, ob die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 BNatSchG gegeben sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. August 2018 - 4 BN 8.18 - Buchholz 406.403 § 26 BNatSchG 2010 Nr. 1 Rn. 13 f.). Denn der Erhalt, die Entwicklung und Wiederherstellung schutzwürdiger Lebensräume und der darin beheimateten Arten kann nach nationalem Recht auch dann Schutzzweck einer Unterschutzstellung sein, wenn die Meldung des Gebiets an die Europäische Kommission nach Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 FFH-RL rechtsfehlerhaft gewesen sein sollte. Ob die am Normerlass Beteiligten von einer rechtmäßigen Meldung ausgegangen sind, ist insoweit unerheblich. Denn für die richterliche Kontrolle einer auf § 26 Abs. 1 BNatSchG gestützten Landschaftsschutzgebietsverordnung kommt es auf das Ergebnis des Rechtsetzungsverfahrens, also auf die erlassene Vorschrift in ihrer regelnden Wirkung an, nicht aber auf die die Rechtsnorm tragenden Motive desjenigen, der an ihrem Erlass mitgewirkt hat (BVerwG, Urteil vom 29. November 2018 - 4 CN 12.17 - BVerwGE 164, 16 Rn. 9).
Rz. 9
Abweichendes folgt nicht daraus, dass die Verordnung als Ermächtigungsgrundlage § 32 Abs. 2 und 3 BNatSchG benennt. Nach § 32 Abs. 2 BNatSchG sind die in die Liste nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 3 FFH-RL aufgenommenen Gebiete entsprechend den jeweiligen Erhaltungszielen zu geschützten Teilen von Natur und Landschaft im Sinne des § 20 Abs. 2 BNatSchG zu erklären. Die Beschwerde zieht nicht in Zweifel, dass das Gebiet in die Liste nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 3 FFH-RL aufgenommen worden ist, sondern beanstandet, dass die im Verfahren vorausgehende Meldung nach Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 FFH-RL fehlerhaft gewesen sei. Sie zeigt jedoch nicht auf, warum die Kommissionsliste wegen möglicher Fehler im nationalstaatlichen Meldeverfahren unwirksam sein sollte, obwohl sich die Meldung an die Kommission jedenfalls nach Erstellung der Kommissionsliste als ein in der Vergangenheit liegender vorbereitender verwaltungsinterner Akt darstellt (BVerwG, Beschlüsse vom 7. April 2006 - 4 B 58.05 - Buchholz 406.400 § 33 BNatSchG Nr. 1 Rn. 5 und vom 12. Juni 2008 - 7 B 24.08 - Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 146 Rn. 8).
Rz. 10
b) Hiervon unabhängig könnte die Revision nicht zugelassen werden, weil Tatsachen, die vorliegen müssten, damit sich die mit der Nichtzulassungsbeschwerde angesprochenen Frage in einem Revisionsverfahren stellen könnte, von der Vorinstanz nicht festgestellt worden sind (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 17. März 2000 - 8 B 287.99 - BVerwGE 111, 61 ≪62≫ und vom 21. Januar 2016 - 4 BN 36.15 - juris Rn. 12). Das Oberverwaltungsgericht hat keine Feststellungen getroffen, die einen Rechtsfehler im Meldeverfahren ergeben.
Rz. 11
Die Beschwerde verhilft nicht zum Erfolg, dass sie die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen zum Inhalt ihrer Grundsatzrüge macht und auf diesem Wege das Unterlassen solcher Ermittlungen beanstandet. Es hätte dem Antragsteller insoweit oblegen, in der Tatsacheninstanz Anträge zur Sachverhaltsaufklärung zu stellen. Denn der Einwand fehlender tatrichterlicher Feststellungen kann einer Beschwerde nicht entgegengehalten werden, wenn eine in der Vorinstanz ordnungsgemäß beantragte Sachverhaltsaufklärung nur deswegen unterblieben ist, weil das Tatsachengericht eine als rechtsgrundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage anders als der Beschwerdeführer beantwortet und deswegen die Beweisaufnahme als nicht entscheidungserheblich abgelehnt hat (BVerwG, Beschlüsse vom 17. März 2000 - 8 B 287.99 - BVerwGE 111, 61 ≪62≫ und vom 21. Januar 2016 - 4 BN 36.15 - juris Rn. 13). Dass solche Anträge gestellt worden sind, legt die Beschwerde nicht dar; auch das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19. September 2019 verzeichnet keinen auf eine solche Ermittlung gerichteten Beweisantrag (vgl. § 105 VwGO i.V.m. § 160 Abs. 2 ZPO, dazu BVerwG, Beschluss vom 10. März 2011 - 9 A 8.10 - Buchholz 310 § 105 VwGO Nr. 57 Rn. 2).
Rz. 12
2. Die Beschwerde sieht grundsätzlichen Klärungsbedarf,
ob eine Verordnung über ein Landschaftsschutzgebiet ordnungsgemäß verkündet wird, wenn sie für die räumliche Geltung bestimmter Gebote und Verbote auf eine Detailkarte verweist, die bei der obersten Naturschutzbehörde und in den Räumen einer Gemeindeverwaltung eingesehen werden könne.
Rz. 13
Die Frage ist in der Rechtsprechung bereits beantwortet und führt daher nicht zur Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Für einen Normgeber besteht die Möglichkeit, bei bloß grober Umschreibung des Geltungsbereichs einer Norm im Wortlaut, auf eine an einer zu benennenden Amtsstelle niedergelegte und dort in den Dienststunden für jedermann einsehbare Landkarte zu verweisen, deren archivmäßige Verwahrung zu sichern ist, und so die Gebietsabgrenzung anzugeben. Dies gilt sowohl für einen Satzungsgeber (BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2018 - 7 C 18.16 - Buchholz 445.20 WasserverbandsR Nr. 6 Rn. 10) als auch für einen Verordnungsgeber (BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1967 - 4 C 105.65 - BVerwGE 26, 129 ≪130 f.≫ zu einer Landschaftsschutzverordnung).
Rz. 14
3. Die Beschwerde misst der Frage grundsätzliche Bedeutung zu,
ob § 26 Abs. 1 BNatSchG es gebietet, die naturschutzfachlichen Feststellungen und Maßstäbe, welche die Erforderlichkeit eines Schutzgebietes ergeben sollen, aufzuzeigen und zu dokumentieren.
Rz. 15
Die Frage ist in der Rechtsprechung des Senats bereits beantwortet: Bundesrecht ordnet nicht an, dass Landschaftsschutzgebietsverordnungen eine Begründung beizufügen ist. Der Verordnungsgeber ist daher nicht verpflichtet, seine Erwägungen zu dokumentieren, die ihn zum Erlass einer Landschaftsschutzgebietsverordnung bewogen haben (BVerwG, Urteil vom 29. November 2018 - 4 CN 12.17 - BVerwGE 164, 16 Rn. 9).
Rz. 16
II. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen.
Rz. 17
Die Beschwerde rügt eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO. Das Oberverwaltungsgericht habe sich nicht mit dem Einwand befasst, die Verordnung erlaube das Mähen erst, wenn im Einzelnen genannte Pflanzen zur Hälfte oder zu einem Drittel abgeblüht seien, und sei insoweit zu unbestimmt. Der Vorwurf ist unbegründet, weil sich das Oberverwaltungsgericht mit diesem Vortrag auseinandergesetzt hat (UA S. 16).
Rz. 18
Der Antragsteller sieht ferner den Anspruch auf rechtliches Gehör und den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt, weil das Oberverwaltungsgericht die Forderung nach Vorlage weiterer Akten zur Erforderlichkeit der Unterschutzstellung übergangen habe. Dies bleibt ohne Erfolg. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Beteiligtenvorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Deshalb müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (stRspr, BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 2014 - 4 C 35.13 - NVwZ 2015, 656 Rn. 42). Solche Umstände fehlen: Das Oberverwaltungsgericht hat die Forderung nach einer weiteren naturschutzfachlichen Dokumentation zur Kenntnis genommen (UA S. 5), ist ihr aber - unter Annahme eines Gestaltungsspielraums des Normgebers - angesichts der Feststellungen der Lebensraumtypen und ihrer Kennzeichnung in den Karten nicht nachgekommen (UA S. 16 und 19). Es hat sich darüber hinaus mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Oktober 2018 - 1 BvR 2523/13 u.a. - (BVerfGE 149, 407) auseinandergesetzt (UA S. 19), auf den der Antragsteller in dem als übergangen gerügten Sachvortrag verwiesen hatte (S. 4 des Schriftsatzes vom 4. September 2019).
Rz. 19
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13903305 |