Verfahrensgang
VG Köln (Urteil vom 22.11.2002; Aktenzeichen 27 K 8962/99) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 22. November 2002 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 000 € festgesetzt.
Gründe
1. Die allein auf die Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Das angegriffene Urteil verletzt nicht die gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO).
Nach Ansicht der Beschwerde hätte das Verwaltungsgericht den in der mündlichen Verhandlung gestellten förmlichen Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Wehrdienstfähigkeit des Klägers und der insoweit in Rede stehenden angeblichen Erkrankung an einer Sarkoidose II. Grades nicht gemäß § 86 Abs. 2 VwGO ablehnen dürfen.
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht beantragt, zum Beweis der Tatsache, dass er im Zeitpunkt des Erlasses des Beschwerdebescheides nicht unter einer Sarkoidose II. Grades gelitten habe, sowie ferner zum Beweis der Tatsache, dass keine Wehrdienstunfähigkeit vorgelegen habe, jeweils ein Sachverständigengutachten einzuholen. Das Verwaltungsgericht hat die beiden Beweisanträge durch Beschluss in der mündlichen Verhandlung abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, der erste Beweisantrag diene nicht der Bestätigung einer bestimmten Behauptung, sondern sei der Sache nach ein Ausforschungsantrag; angesichts des Akteninhalts und nach dem Vorbringen des Klägers bestünden keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die bislang vorliegenden Befunde fehlerhaft seien. Der zweite Beweisantrag wurde mit den Begründungen abgelehnt, soweit es um die Sarkoidose gehe, sei er vom ersten Antrag umfasst; im Übrigen handele es sich bei der Frage der Wehrdienstfähigkeit nicht um eine dem Sachverständigenbeweis zugängliche Tatsache; es unterfalle im Übrigen dem Beurteilungsspielraum der Beklagten, im Rahmen einer Risikoabschätzung den Kreis der Wehrpflichtigen zu bestimmen.
Die entscheidungserhebliche Frage, ob die dem angefochtenen Entlassungsbescheid vom 3. August 1999 zu Grunde liegende Festsetzung des Tauglichkeitsgrades auf “vorübergehend nicht wehrdienstfähig für 24 Monate” dem Gesundheitszustand des Klägers zutreffend Rechnung trägt, lässt sich nur aufgrund besonderer wehrmedizinischer Sachkunde beantworten. Die Zuordnung ärztlich festgestellter körperlicher Fehler oder Leiden zu den Fehlernummern und Gradationen der Tauglichkeitsbestimmungen der ZDv 46/1 ist dann nicht ohne besondere medizinische Sachkunde möglich, wenn in dem zu beurteilenden Einzelfall aufgrund des Inhalts der vorhandenen ärztlichen Atteste und Stellungnahmen sowie der medizinischen Erfahrungssätze der ZDv 46/1 Anlass zu Abgrenzungszweifeln besteht, die ohne fachkundige Erläuterung nicht ausgeräumt werden können. In solchen Fällen muss das Tatsachengericht in Ermangelung der erforderlichen eigenen besonderen Sachkunde gerichtlichen Sachverständigenbeweis erheben, um den entscheidungserheblichen Sachverhalt pflichtgemäß vollständig aufzuklären (Urteil vom 12. April 1991 – BVerwG 8 C 45.90 – Buchholz 448.0 § 8a WPflG Nr. 53 S. 28 f.; Beschluss vom 17. Januar 1995 – BVerwG 8 B 149.94 – a.a.O. Nr. 56; Beschluss vom 30. August 1996 – BVerwG 8 B 144.96 –; Beschluss vom 18. Dezember 1998 – BVerwG 6 B 108.98 – Buchholz 448.0 § 8a WPflG Nr. 64).
Dagegen bedeutet es keinen Verfahrensfehler, wenn sich das Verwaltungsgericht zur Beurteilung des Gesundheitszustands des Wehrpflichtigen auf im Verwaltungsverfahren eingeholte Sachverständigengutachten stützt, sofern diese im gerichtlichen Verfahren nicht durch substantiiertes Vorbringen in Frage gestellt werden. In einem solchen Fall ist auch die Ablehnung eines entsprechenden Beweisantrags verfahrensfehlerfrei (vgl. Urteil vom 23. Mai 1986 – BVerwG 8 C 10.84 – BVerwGE 74, 222; Beschluss vom 18. Juni 1999 – BVerwG 6 PKH 1.99 – m.w.N.). So lag es hier. Das Verwaltungsgericht hat sich nicht etwa die Sachkunde angemaßt, eine zwischen zwei Fachärzten umstrittene wehrmedizinische Frage zu klären. Vielmehr hat es im angefochtenen Urteil (Seite 8) zu Recht und mit zutreffender Begründung angenommen, dass zwischen den von der Beklagten im Verwaltungsverfahren eingeholten fachärztlichen – radiologischen und internistischen – Beurteilungen des Bundeswehrkrankenhauses Koblenz vom 19. Juli und 12. August 1999 einerseits und der vom Kläger vorgelegten Stellungnahme der Fachärztin für innere Medizin Dr. W.… vom 20. März 2000 andererseits im Ergebnis kein Dissens bestand, soweit es um die Diagnose “Sarkoidose Stadium II” im maßgeblichen Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung (September 1999) ging.
Zur Einholung eines Sachverständigengutachtens war das Verwaltungsgericht auch nicht mit Blick darauf verpflichtet, dass der Kläger in seiner Klagebegründung vom 22. Februar 2000 (Seite 7) ergänzende Untersuchungsmethoden bezeichnet hatte. Denn dass deren Anwendung im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (November 2002) noch geeignet gewesen wäre, die vom Bundeswehrkrankenhaus gestellte Diagnose für den maßgeblichen, mehr als drei Jahre zuvor liegenden Zeitpunkt auszuschließen, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
Das Verwaltungsgericht war ferner nicht gehalten, Sachverständigenbeweis darüber zu erheben, ob der Kläger trotz der bei ihm diagnostizierten Erkrankung gesundheitlich in der Lage war, den Anforderungen des Grundwehrdienstes zu entsprechen. Die ZDv 46/1 ist hier eindeutig, wie das Verwaltungsgericht auf Seite 8 seines Urteils dargelegt hat. In Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Bedeutung der ZDv 46/1 ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Tauglichkeitsbestimmungen der ZDv 46/1 wehrmedizinische Erfahrungssätze enthalten, die die speziellen Anforderungen des Wehrdienstes berücksichtigen und die als solche auch im Verwaltungsrechtsstreit verwertbar sind (Urteil vom 25. November 1988 – BVerwG 8 C 42.87 – Buchholz 448.0 § 8a WPflG Nr. 45; Urteil vom 19. Juli 1989 – BVerwG 8 C 33.88 – a.a.O. Nr. 48; Urteil vom 12. April 1991 – BVerwG 8 C 45.90 – a.a.O. Nr. 53 S. 28, jeweils mit weiteren Nachweisen; Beschluss vom 18. Dezember 1998 – BVerwG 6 B 108.98 – Buchholz 448.0 § 8a WPflG Nr 64).). Eine Abweichung von diesen Erfahrungssätzen durch die Verwaltungsgerichte im Rahmen ihrer Beurteilung nach § 8a WPflG ist zwar nicht ausgeschlossen. Für eine dahingehende Verpflichtung zur Beweiserhebung hätte es auf Seiten des Klägers jedoch eines substantiierten, von spezieller wehrmedizinischer Sachkunde geprägten Vortrags bedurft. Daran fehlte es hier offensichtlich.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.
Unterschriften
Bardenhewer, Büge, Graulich
Fundstellen