Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Beschluss vom 29.07.2003; Aktenzeichen 4 OB 268/03) |
VG Hannover (Beschluss vom 21.05.2003) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 29. Juli 2003 geändert.
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover vom 21. Mai 2003 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Beschwerdeverfahren.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 000 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde ist begründet. Das Oberverwaltungsgericht hat zu Unrecht den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten für den vorliegenden Rechtsstreit für zulässig erklärt. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden hat, gehört der Rechtsstreit nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG in der Fassung des 6. Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (6. SGG ÄndG) vom 17. August 2001 – BGBl I S. 2144 – in die Zuständigkeit der Sozialgerichte.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Investitionsaufwendungen für ihr Alten- und Pflegeheim den in der Einrichtung lebenden Pflegebedürftigen nach § 82 Abs. 4 SGB XI ohne Zustimmung des Beklagten gesondert berechnen darf. Materiell entzündet sich der Streit an der Frage, ob der der Klägerin vom Land nach § 13 NPflegeG gewährte bewohnerbezogene Aufwendungszuschuss eine Förderung nach Landesrecht ist, die die zustimmungsfreie gesonderte Berechnung der Investitionsaufwendungen nach § 82 Abs. 4 SGB XI ausschließt.
Für die Klage auf Zustimmung zur gesonderten Berechnung von Investitionsaufwendungen eines Pflegeheims gemäß § 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XI hat der Senat durch Urteil vom 26. April 2002 – BVerwG 3 C 41.01 – NVwZ-RR 2002 S. 607 entschieden, dass dafür der Sozialrechtsweg gegeben sei. Er ist insoweit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gefolgt (vgl. BSG, Beschluss vom 31. Januar 2000 – B 3 SF 1/99 R – NZS 2000 S. 523 f.). In zwei Beschlüssen vom 27. Mai 2003 – BVerwG 3 B 40 und 41.03 – hat er diese Zuständigkeit auch für den Streit über die Notwendigkeit einer Zustimmung nach § 82 Abs. 4 SGB XI angenommen. Allerdings sind diese Entscheidungen noch zu der früheren Fassung des § 51 SGG ergangen, die in Abs. 2 Satz 2 bestimmte, dass die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit auch über Streitigkeiten entscheiden, die in Angelegenheiten nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch entstehen. Diese Formulierung war eine wesentliche Grundlage der Argumentation im Urteil des Senats vom 26. April 2002. Zu Recht weist das Oberverwaltungsgericht darauf hin, dass die Bestimmung inzwischen durch das 6. Änderungsgesetz zum Sozialgerichtsgesetz im Wortlaut verändert worden ist. Diese Änderung rechtfertigt es jedoch nicht, in der Zuständigkeitsfrage von der bisherigen Rechtsprechung abzugehen.
Nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG in der nun maßgeblichen Fassung entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit in Angelegenheiten der sozialen Pflegeversicherung und der privaten Pflegeversicherung (Elftes Buch Sozialgesetzbuch), auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden. Die Neufassung spricht damit ausdrücklich die private und die soziale Pflegeversicherung als Gegenstände an, die der Kompetenz der Sozialgerichte unterfallen. Dies könnte dahin gedeutet werden, dass die gesondert zu berechnenden Investitionsaufwendungen nicht erfasst sind, da sie nicht von den Pflegekassen zu tragen sind (vgl. § 82 Abs. 2 SGB XI).
Eine solche Auslegung erscheint jedoch schon vom Wortlaut der Neufassung her nicht zwingend. Die Benennung der sozialen und der privaten Pflegeversicherung wird nämlich ergänzt durch den Klammerzusatz “Elftes Buch Sozialgesetzbuch”. Dieser Zusatz spricht dafür, dass weiterhin alle Streitigkeiten, die in Angelegenheiten nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch entstehen, vor die Sozialgerichte gehören. Dafür spricht auch die mit der Neufassung verfolgte Absicht des Gesetzgebers. Diese ging lediglich dahin, die Zuständigkeitsregelungen übersichtlicher zu gestalten und, soweit erforderlich, zu ergänzen. Insbesondere sollte durch die hier in Rede stehende Vorschrift klargestellt werden, dass in der privaten Pflege(Pflicht)Versicherung (§§ 110 ff. SGB XI) neben den von Absatz 2 erfassten privatrechtlichen Streitigkeiten auch öffentlich-rechtliche Streitigkeiten, z.B. im Zusammenhang mit dem Risikoausgleich nach § 111 SGB XI, in die Zuständigkeit der Sozialgerichte fallen (vgl. BTDrucks 14/5943 S. 23). Dabei fällt ins Gewicht, dass die Entscheidung des Bundessozialgerichts über die Zuständigkeit der Sozialgerichte für Streitigkeiten nach § 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XI bereits vorlag und veröffentlicht war, als das 6. Änderungsgesetz zum Sozialgerichtsgesetz beraten und beschlossen wurde. Wenn der Gesetzgeber insoweit eine Änderung hätte vornehmen wollen, wäre zu erwarten gewesen, dass er darauf hingewiesen hätte.
Das Oberverwaltungsgericht begründet seine abweichende Auffassung insbesondere auch damit, dass es wegen der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte für sozialhilferechtliche Streitigkeiten nach den §§ 93 ff. BSHG zu divergierenden Entscheidungen über die Höhe der gesondert zu berechnenden und vom Sozialhilfeträger zu übernehmenden betriebsnotwendigen Investitionskosten zwischen Verwaltungsgerichten und Sozialgerichten kommen könne. Es kann offen bleiben, ob eine solche Gefahr auf der Grundlage des derzeit anzuwendenden Rechts tatsächlich besteht. Künftig ist diese Gefahr jedenfalls ausgeschlossen, da durch Art. 38 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27. Dezember 2003 (BGBl I S. 3022) generell die Zuständigkeit in Angelegenheiten der Sozialhilfe mit Wirkung vom 1. Januar 2005 auf die Sozialgerichte übertragen worden ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 2, § 14 GKG.
Unterschriften
van Schewick, Dr. Dette, Liebler
Fundstellen