Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung bei der Anordnung von Mehrarbeit und Überstunden. Freiwilligkeit der Ableistung von Überstunden. kollektiver Tatbestand. demokratisches Prinzip und Verantwortungsgrenze
Leitsatz (amtlich)
- Das Mitbestimmungsrecht des Personalrats nach § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG erstreckt sich auch auf die Entscheidung, ob und in welchem Umfang Mehrarbeit oder Überstunden angeordnet werden.
- Deklariert der Dienststellenleiter in der Überstundenanordnung die Ableistung der Überstunden als freiwillig, so wird damit der in § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG vorausgesetzte kollektive Tatbestand nicht in Frage gestellt.
- Soweit Maßnahmen, die dem Katalog der uneingeschränkten Mitbestimmung nach § 75 Abs. 3 BPersVG unterfallen, die Regierungsverantwortung berühren, ist das Modell der eingeschränkten Mitbestimmung nach § 69 Abs. 4 Sätze 3 und 4 BPersVG analog anzuwenden.
Normenkette
BPersVG § 75 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4
Verfahrensgang
VG Frankfurt am Main (Beschluss vom 06.09.2004; Aktenzeichen 22 K 2932/04 (V)) |
Tenor
Die Sprungrechtsbeschwerde des Beteiligten gegen den Beschluss der Fachkammer für Personalvertretungssachen des Bundes beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main vom 6. September 2004 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass sich die Feststellung auf Fallgestaltungen bezieht, die derjenigen vergleichbar sind, die durch die Verfügung des Beteiligten vom 19. Januar 2004 gekennzeichnet war.
Tatbestand
I.
Mit Schreiben vom 23. Dezember 2003 leitete der Beteiligte dem Antragsteller den Entwurf einer Anordnung für Überstunden im Bereich Alg/Alhi/FbW zu und bat, über die Vorlage in der nächsten Sitzung zu beschließen. Mit Schreiben vom 15. Januar 2004 reklamierte der Antragsteller ein volles Mitbestimmungsrecht, verweigerte die Zustimmung zur Anordnung von Überstunden und machte hinsichtlich der Lage und Verteilung der Überstunden einen Alternativvorschlag. Diesen aufgreifend ordnete der Beteiligte mit Verfügung vom 19. Januar 2004 unter Hinweis auf erhebliche Bearbeitungsrückstände für den Zeitraum von acht Wochen, beginnend mit der sechsten Kalenderwoche 2004, Überstunden im Funktionsbereich Alg/Alhi/FbW im Umfang von bis zu 40 Überstunden insgesamt an. Weiter hieß es: “Die Ableistung der Überstunden ist freiwillig. Die Überstunden können von Montag bis Donnerstag zwischen 06:30 Uhr und 18:00 Uhr und Freitag zwischen 06:30 Uhr und 17:00 Uhr abgeleistet werden.” Mit Schreiben vom 9. Februar 2004 stellte der Beteiligte klar, dass nach seiner Auffassung der Antragsteller bei der Anordnung von Überstunden grundsätzlich kein Mitbestimmungsrecht habe, dieses sich vielmehr auf die Festlegung von Lage und Verteilung der Arbeitszeit beschränke.
Das daraufhin angerufene Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass die Mitbestimmung des Antragstellers nach § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG auch Entscheidungen des Beteiligten umfasse, ob Mehrarbeit oder Überstunden angeordnet würden. Zur Begründung hat es ausgeführt: § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG gebe dem Personalrat ein Mitbestimmungsrecht in allen Fragen zu Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit. Was darunter zu verstehen sei, ergebe sich mittelbar auch aus § 75 Abs. 4 BPersVG. Diese Vorschrift gebe unzweideutig zu erkennen, dass bei Nichtvorliegen der dort normierten Ausnahmevoraussetzungen die Mitbestimmung jedenfalls auch die Anordnung von Mehrarbeit oder Überstunden über die bloßen Grundsätze der Dienstplangestaltung hinaus erfasse. Soweit die Verbindlichkeit der Einigungsstellenentscheidung den Anforderungen des demokratischen Prinzips nicht genüge, führe die analoge Anwendung von § 69 Abs. 4 Sätze 3 und 4 BPersVG zu einem verfassungskonformen Ergebnis.
Der Beteiligte trägt zur Begründung seiner Sprungrechtsbeschwerde vor: Der Wortlaut des Mitbestimmungstatbestandes in § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG umfasse nicht die Entscheidung, ob Überstunden zu leisten seien. Er erfasse lediglich die Regelung über die zeitliche Lage von Überstunden. Die Regelung in § 75 Abs. 4 BPersVG führe zu keinem anderen Ergebnis. Diese Bestimmung enthalte keine Ausdehnung des in § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG normierten Mitbestimmungsrechts, sondern eine Einschränkung unter den näher bezeichneten Voraussetzungen. Bei systematischer Auslegung beider Vorschriften könne nur geschlossen werden, dass die Anordnung von Überstunden dann der Mitbestimmung unterliege, wenn damit zugleich deren Lage und Verteilung festgelegt werde.
Der Beteiligte beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und
1. den Antrag abzulehnen,
2. festzustellen, dass die Anordnung von Überstunden und Mehrarbeit nicht der Mitbestimmung des Antragstellers nach § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG unterliege.
Der Antragsteller beantragt,
die Sprungrechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt den angefochtenen Beschluss.
Der Vertreter des Bundesinteresses schließt sich den Ausführungen des Beteiligten an.
Entscheidungsgründe
II.
Die Sprungrechtsbeschwerde des Beteiligten ist nicht begründet. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts beruht nicht auf der Nichtanwendung oder der unrichtigen Anwendung einer Rechtsnorm (§ 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 1, § 96a Abs. 1 Satz 1 ArbGG). Das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers erstreckt sich in den hier in Rede stehenden Fällen auch auf die Frage, ob Mehrarbeit oder Überstunden angeordnet werden.
1. Der im Anhörungstermin des Verwaltungsgerichts gestellte Feststellungsantrag, der auch den Streitgegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens bestimmt, bedarf der Auslegung.
a) Nach seinem Wortlaut könnte dieser Antrag dahin missverstanden werden, dass der Antragsteller für alle denkbaren Fälle der Anordnung von Überstunden und Mehrarbeit in der Dienststelle sein Mitbestimmungsrecht festgestellt wissen will. Einen derartigen Antrag zu stellen, widerspräche jedoch dem erkennbaren Willen und Interesse des Antragstellers. Es kann nicht angenommen werden, dass das Begehren sich auch auf Fallgestaltungen erstrecken soll, in denen es offensichtlich nicht greift, etwa in den Sonderfällen nach § 75 Abs. 4 BPersVG oder bei Maßnahmen, die des erforderlichen kollektiven Bezuges entbehren.
b) Die von der Antragstellung abweichende stattgebende Tenorierung des Verwaltungsgerichts schafft nicht die nötige Klarheit. Seine Feststellung, dass die Mitbestimmung des Antragstellers auch Entscheidungen des Beteiligten umfasst, ob Mehrarbeit oder Überstunden angeordnet werden, entbehrt der erforderlichen Bestimmtheit, weil sie nicht zu erkennen gibt, auf welche Fallgestaltungen sie sich bezieht. Sie ist daher nicht geeignet, den Rechtsfrieden herbeizuführen, der durch eine rechtskräftige gerichtliche Feststellung hergestellt werden soll.
c) Wie der Vortrag des Antragstellers im erstinstanzlichen Verfahren belegt, geht es ihm erkennbar um die Feststellung seines Mitbestimmungsrechts für Fallgestaltungen, die derjenigen vergleichbar sind, die durch die Verfügung des Beteiligten vom 19. Januar 2004 gekennzeichnet war. Durch diese Anordnung sollten Bearbeitungsrückstände in einem Aufgabengebiet durch die dort beschäftigten Mitarbeiter im Wege von Überstunden ausgeglichen werden. Auf solche – auch künftig denkbare – Situationen bezieht sich das Begehren des Antragstellers, wie das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner – auch im Übrigen zutreffenden – Ausführungen zur Zulässigkeit des Feststellungsantrages zu Recht angenommen hat.
2. Das in diesem Sinne aufzufassende Feststellungsbegehren ist begründet. Seine Rechtsgrundlage findet sich im § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG. Danach hat der Personalrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, mitzubestimmen über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage.
a) Gesetzes- und Tarifvorrang stehen dem Mitbestimmungsrecht nicht entgegen. Zwar gibt es für Mehrarbeit und Überstunden gesetzliche und tarifvertragliche Rechtsgrundlagen (vgl. § 72 BBG und § 17 BAT). Diese Regelungen bedürfen jedoch zu ihrem Vollzug einer entsprechenden Anordnung des Dienststellenleiters (vgl. dazu allgemein: Beschluss vom 18. Mai 2004 – BVerwG 6 P 13.03 – BVerwGE 121, 38, 41 m.w.N.).
b) Die Entscheidung des Dienststellenleiters darüber, ob, in welchem Umfang, und zu welchen Zeiten Mehrarbeit oder Überstunden zu leisten sind, betrifft sowohl die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage als auch Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit.
aa) Der Wortlaut des Mitbestimmungstatbestandes lässt eine derartige Auslegung zu.
Die Tatbestandsvariante “Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage” gibt deutlich zu erkennen, dass die wöchentliche Arbeitszeit etwas extern Vorgegebenes ist. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ist daher den einschlägigen gesetzlichen und tariflichen Regelungen zu entnehmen (vgl. § 72 Abs. 1 und 4 BBG i.V.m. § 1 AZV und § 15 Abs. 1 bis 4 BAT). Sie unterliegt nicht der Mitbestimmung des Personalrats (vgl. Beschluss vom 20. Juli 1984 – BVerwG 6 P 16.83 – BVerwGE 70, 1, 2; ebenso zum Betriebsverfassungsrecht: BAG, Beschluss vom 18. August 1987 – 1 ABR 30/86 – BAGE 56, 18, 32 ff.; Beschluss vom 13. Oktober 1987 – 1 ABR 10/86 – BAGE 56, 197, 210 f.; Beschluss vom 22. Juli 2003 – 1 ABR 28/02 – AP Nr. 108 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit Bl. 750). Die Mitbestimmung bezieht sich vielmehr in einem ersten Schritt auf die Verteilung der tariflich oder gesetzlich vorgegebenen regelmäßigen Wochenarbeitszeit auf die einzelnen Wochenarbeitstage, womit zugleich die Dauer der auf den einzelnen Arbeitstag entfallenden Arbeitszeit festgelegt wird (vgl. Beschluss vom 4. April 1985 – BVerwG 6 P 37.82 – Buchholz 238.3 A § 75 BPersVG Nr. 39 S. 36 f.; BAG, Beschluss vom 28. September 1988 – 1 ABR 41/87 – AP Nr. 29 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit Bl. 135). Sodann bestimmt der Personalrat in einem zweiten Schritt – gemäß der Tatbestandsvariante “Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit” – bei der Festlegung der zeitlichen Lage der Arbeitszeit für den einzelnen Arbeitstag mit. Die Dauer der auf den einzelnen Arbeitstag entfallenden Arbeitszeit ist dabei durch die gesetzlichen und tariflichen Bestimmungen über die regelmäßige Wochenarbeitszeit in der Weise determiniert, dass die Summe der für die einzelnen Arbeitstage getroffenen Festlegungen den Vorgaben jener Bestimmungen entsprechen muss.
Die Mitbestimmung nach § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG vollzieht sich im Ansatz nach demselben Schema, wenn Mehrarbeit oder Überstunden zu leisten sind. Beides ist als Überschreitung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit definiert (vgl. § 72 Abs. 2 Satz 1 BBG und § 17 Abs. 1 Unterabsatz 1 BAT). Steht daher fest, dass und wie viele zusätzliche Arbeitsstunden wöchentlich anfallen, so erstreckt sich das Mitbestimmungsrecht des Personalrats in jedem Falle darauf, wie diese auf die einzelnen Wochentage verteilt werden und zu welcher Uhrzeit sie stattfinden sollen (vgl. Beschluss vom 20. Juli 1984 a.a.O. S. 3 f.; Beschluss vom 9. Oktober 1991 – BVerwG 6 P 12.90 – Buchholz 250 § 75 BPersVG Nr. 74 S. 61).
Damit ist jedoch nicht gesagt, dass der Wortlaut des Mitbestimmungstatbestandes in § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG die Mitbestimmung des Personalrats darüber ausschließt, ob und in welchem Umfang Mehrarbeit oder Überstunden angeordnet werden. Dies zeigt wiederum der Vergleich mit den mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen zur Regelung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit. Der Wortlaut des Mitbestimmungstatbestandes lässt es nicht nur zu, er ist sogar darauf angelegt, dass der Personalrat bei Ausübung seines Mitbestimmungsrechts bei Verteilung und arbeitstäglicher Festlegung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit zugleich die Einhaltung der einschlägigen gesetzlichen und tariflichen Bestimmungen überwacht (vgl. Beschluss vom 20. Juli 1984 a.a.O. S. 3; Beschluss vom 9. Oktober 1991 a.a.O.; Beschluss vom 23. Januar 1996 – BVerwG 6 P 54.93 – Buchholz 250 § 76 BPersVG Nr. 35 S. 10; BAG, Beschluss vom 28. September 1988 a.a.O.). Schlägt z.B. der Dienststellenleiter einen Dienstplan vor, in welchem die für die Angestellten der Dienststelle anzuwendenden tariflichen Regelungen zur regelmäßigen Arbeitszeit in § 15 Abs. 1 bis 4 BAT nicht beachtet worden sind, so kann und muss der Personalrat dem widersprechen. In gleicher Weise lässt der Wortlaut der Regelung in § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG zu, dass der Personalrat im Rahmen seines Mitbestimmungsrechts bei der Verteilung und Festlegung zusätzlicher Arbeitsstunden prüft, ob die in der Dienststelle anzuwendenden Vorschriften in § 72 Abs. 2 Satz 1 BBG und § 17 Abs. 1 Unterabsatz 1 und 2 BAT (oder vergleichbaren tarifvertraglichen Vorschriften) eingehalten sind.
bb) Der systematische Zusammenhang mit der Regelung in § 75 Abs. 4 BPersVG gebietet dies. Diese Vorschrift lautet: “Muss für Gruppen von Beschäftigten die tägliche Arbeitszeit (Abs. 3 Nr. 1) nach Erfordernissen, die die Dienststelle nicht voraussehen kann, unregelmäßig und kurzfristig festgesetzt werden, so beschränkt sich die Mitbestimmung auf die Grundsätze für die Aufstellung der Dienstpläne, insbesondere für die Anordnung von Dienstbereitschaft, Mehrarbeit und Überstunden.” Die Bestimmung bezieht sich ausdrücklich auf den Mitbestimmungstatbestand nach § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG. Sie beschränkt unter bestimmten Ausnahmevoraussetzungen – fehlende Voraussehbarkeit dienstlicher Erfordernisse, Notwendigkeit kurzfristiger und unregelmäßiger Festsetzung der Arbeitszeit – die Mitbestimmung auf die Grundsätze für die Anordnung von Mehrarbeit und Überstunden. Der Gesetzgeber offenbart an dieser Stelle ein Verständnis von Mitbestimmungstatbestand nach § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG, wonach bei Fehlen der in § 75 Abs. 4 BPersVG bezeichneten Ausnahmevoraussetzungen, insbesondere bei Voraussehbarkeit der dienstlichen Erfordernisse, die Anordnung von Mehrarbeit und Überstunden im Einzelfall, also nicht nur in Bezug auf die Grundsätze, mitbestimmungspflichtig ist. Dabei enthält die Rechtsfolgenaussage keine Einschränkungen: § 75 Abs. 4 BPersVG spricht nicht etwa von “Festlegung der zeitlichen Lage von Mehrarbeit und Überstunden”, sondern von “Anordnung von Mehrarbeit und Überstunden”. Nach den im Gesetzeswortlaut zum Ausdruck gekommenen Vorstellungen des Gesetzgebers hat der Personalrat im Zusammenhang mit der Verteilung und Festlegung der Arbeitszeit auch darüber mitzubestimmen, ob und in welchem Umfang Mehrarbeit und Überstunden angeordnet werden (ebenso bereits Beschluss vom 3. Dezember 2001 – BVerwG 6 P 12.00 – Buchholz 251.4 § 83 HmbPersVG Nr. 1 S. 9 unter Bezugnahme auf den Beschluss vom 26. April 1988 – BVerwG 6 P 19.86 – Buchholz 251.6 § 75 NdsPersVG Nr. 2 S. 2).
cc) Die Entstehungsgeschichte steht nicht entgegen.
Das Betriebsverfassungsgesetz vom 15. Januar 1972, BGBl I S. 13, enthält in § 87 Abs. 1 Nr. 2 einen Mitbestimmungstatbestand, der mit demjenigen in § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG nahezu wortgleich ist. Daneben hat es in § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG einen weiteren arbeitszeitbezogenen Mitbestimmungstatbestand eingeführt: “vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit”. Einen vergleichbaren Mitbestimmungstatbestand hat das Bundespersonalvertretungsgesetz vom 15. März 1974 nicht in den Katalog seines § 75 Abs. 3 aufgenommen. Daraus hat das Bundesarbeitsgericht abgeleitet, der Gesetzgeber habe in § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG die Mitbestimmung auf die Verteilung der Lage der Arbeitszeit beschränken wollen (Urteil vom 18. Oktober 1994 – 1 AZR 503/93 – AP Nr. 11 zu § 615 BGB Kurzarbeit). Diese Schlussfolgerung wäre zwingend, wenn der Gesetzgeber sich im Bundespersonalvertretungsgesetz einer Aussage zur Mitbestimmung des Personalrats bei Mehrarbeit und Überstunden überhaupt enthalten hätte. Dies ist aber nicht der Fall.
Bereits § 67 Abs. 1 Buchst. a des Personalvertretungsgesetzes (PersVG) vom 5. August 1955, BGBl I S. 477, kannte ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats bei Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit. Eine § 75 Abs. 4 BPersVG vergleichbare Regelung traf schon § 67 Abs. 2 PersVG, allerdings ohne einen Hinweis auf die Anordnung von Mehrarbeit und Überstunden. Die bis heute unverändert geltende Fassung sowohl des Mitbestimmungstatbestandes nach § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG als auch der Regelung in § 75 Abs. 4 BPersVG geht zurück auf den Antrag des Innenausschusses des Deutschen Bundestages vom 5. Dezember 1973 (BTDrucks 7/1339 S. 34 f.). Der Bericht des Ausschusses vom 6. Dezember 1973 enthält dazu keine spezielle Begründung. Immerhin wird bei der Wiedergabe der grundsätzlichen Erwägungen betont, dass Kernstück der Neuregelung die Erweiterung der Mitbestimmungsbefugnisse der Personalvertretung ist und dass dort, wo Grundsätze des öffentlichen Dienstes nicht entgegenstanden, die Angleichung an die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes vorgenommen wurde (BTDrucks 7/1373 S. 2). Danach kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Gesetzgeber durch den Zusatz in § 75 Abs. 4 BPersVG bei der arbeitszeitbezogenen Mitbestimmung des Personalrats eine Rechtslage schaffen wollte, die mit derjenigen nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG grundsätzlich gleichwertig ist.
dd) Sinn und Zweck der Mitbestimmung in § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersG gebieten ein solches Verständnis. Durch dieses Mitbestimmungsrecht soll dem Personalrat zum einen ermöglicht werden, darauf hinzuwirken, dass berechtigte Wünsche einzelner Beschäftigter hinsichtlich der zeitlichen Lage ihrer Arbeitszeit in Einklang mit den dienstlichen Erfordernissen gebracht, d.h. im Rahmen des Möglichen berücksichtigt werden. Zum anderen ist es Aufgabe des Personalrats im Rahmen der arbeitszeitbezogenen Mitbestimmung, die Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen gesetzlichen und tariflichen Bestimmungen zu überwachen (vgl. Beschluss vom 20. Juli 1984 a.a.O. S. 3 f.; Beschluss vom 9. Oktober 1991 a.a.O. S. 61). Da diese Bestimmungen generell der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeitszeitgestaltung dienen (vgl. § 1 Nr. 1 Arbeitszeitgesetz vom 6. Juni 1994, BGBl I S. 1170), zielt die arbeitszeitbezogene Mitbestimmung letztlich auf den Schutz der Beschäftigten vor übermäßiger zeitlicher Inanspruchnahme (vgl. Beschluss vom 23. Januar 1996 a.a.O. S. 10, Beschluss vom 12. August 2002 – BVerwG 6 P 17.01 – Buchholz 251.7 § 72 NWPersVG Nr. 29 S. 41).
Solche Bestimmungen, die dem Schutz der Beschäftigten vor physischer und psychischer Überbeanspruchung dienen und über deren Einhaltung der Personalrat zu wachen hat, sind auch § 72 Abs. 2 Satz 1 BBG und § 17 Abs. 1 Unterabsatz 2 BAT bzw. vergleichbare für Beschäftigte des öffentlichen Dienstes geltende Vorschriften. Indem diese Bestimmungen Mehrarbeit und Überstunden auf “dringende Fälle” bzw. “Ausnahmefälle” beschränken und vom Erfordernis “zwingender dienstlicher Verhältnisse” abhängig machen, wollen sie verhindern, dass die Beschäftigen auf Dauer über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus dienstlich in Anspruch genommen werden (vgl. Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, Bundesbeamtengesetz, § 72 Rn. 21; Uttlinger/Breier/Kiefer/Hoffmann/Dassau, Bundesangestelltentarifvertrag, § 17 Rn. 1 und 5). Eine auf die zeitliche Lage der Überstunden beschränkte Mitbestimmung trägt weder dem Anliegen der den Mitbestimmungstatbestand ausfüllenden arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen noch dem Zweck des Mitbestimmungstatbestandes selbst, die Beschäftigten vor übermäßiger Belastung zu schützen, hinreichend Rechnung. Die Belastung der Beschäftigten tritt vorrangig dadurch ein, dass Mehrarbeit bzw. Überstunden in bestimmtem Umfang angeordnet werden. Die zeitliche Lage der zusätzlichen Arbeitsstunden ist demgegenüber unter Belastungsaspekten eher nachrangig.
ee) Verfassungsrecht gebietet es nicht, die Mitbestimmung auf die zeitliche Lage der Mehrarbeit oder Überstunden zu beschränken. Das demokratische Prinzip verlangt nicht, Mitbestimmungstatbestände restriktiv zu interpretieren. Soweit die Regierungsverantwortung berührt ist, ist dem nicht durch Ausschluss, sondern durch Einschränkung der Mitbestimmung nach den Regeln zur Verantwortungsgrenze Rechnung zu tragen (vgl. Beschluss vom 3. Dezember 2001 a.a.O. S. 7 ff. Beschluss vom 19. Mai 2003 – BVerwG 6 P 16.02 – Buchholz 250 § 78 BPersVG Nr. 19 S. 5; Beschluss vom 18. Mai 2004 a.a.O. S. 49 f.). Dies ist hier möglich, wie weiter unten aufzuzeigen sein wird.
ff) An seiner entgegenstehenden, in der Rechtsbeschwerdebegründung zitierten Rechtsprechung hält der Senat, wie er bereits in seinem Beschluss vom 3. Dezember 2001 (a.a.O.) zu erkennen gegeben hat, nicht länger fest. Soweit diese Rechtsprechung im einfachen Recht ihre Grundlage hatte (vgl. Beschluss vom 20. Juli 1984 a.a.O. S. 2 ff.; Beschluss vom 9. Oktober 1991 – BVerwG 6 P 12.90 – a.a.O. S. 60 ff.; Beschluss vom 9. Oktober 1991 – BVerwG 6 P 21.89 – Buchholz 250 § 75 BPersVG Nr. 75 S. 70 f.), war sie, wie die Bezugnahmen auf den Beschluss vom 5. Februar 1971 – BVerwG 7 B 16.70 – (BVerwGE 37, 173, 174 f.) zeigen, noch durch die Unterscheidung zwischen mitbestimmungspflichtigen formellen und mitbestimmungsfreien materiellen Arbeitsbedingungen geprägt. Diese Unterscheidung hat der Senat im Beschluss vom 9. Dezember 1998 – BVerwG 6 P 6.97 – (BVerwGE 108, 135, 147) in Übereinstimmung mit der langjährigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aufgegeben. Soweit die tatbestandsmäßige Beschränkung der Mitbestimmung bei Überstunden und Mehrarbeit ihre Grundlage in verfassungsrechtlichen Erwägungen zur staatlichen Aufgabenerfüllung hatte (vgl. Beschluss vom 9. Oktober 1991 – BVerwG 6 P 12.90 – a.a.O. S. 62; Beschluss vom 8. Mai 1992 – BVerwG 6 P 22.91 – Buchholz 251.4 § 86 HmbPersVG Nr. 4; Beschluss vom 23. Januar 1996 a.a.O. S. 11), ist ihr durch die im vorherigen Absatz aufgeführte neuere Senatsrechtsprechung zur Berücksichtigung der Verantwortungsgrenze der Boden entzogen.
c) Der Mitbestimmungstatbestand ist hier ferner nicht ausgeschlossen, weil die den Anlassfall und damit den streitigen Feststellungsantrag prägende Anordnung des Beteiligten vom 19. Januar 2004 die Ableistung der Überstunden für freiwillig erklärt hat.
aa) Grundsätzlich gilt, dass die Bereitschaft von Beschäftigten zu einer mitbestimmungspflichtigen Tätigkeit an der Mitbestimmungspflichtigkeit nichts ändert, die Freiwilligkeit also das Mitbestimmungsrecht des Personalrats nicht ausschließt (vgl. BAG, Beschluss vom 27. November 1990 – 1 ABR 77/89 – AP Nr. 41 zu § 87 BetrVG Nr. 72 Bl. 30).
bb) An der Freiwilligkeit scheitert ferner nicht der in § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG vorausgesetzte kollektive Tatbestand. Ein solcher liegt immer dann vor, wenn sich eine Regelungsfrage stellt, die die Interessen der Beschäftigten unabhängig von der Person und den individuellen Wünschen des Einzelnen berührt. Die Zahl der betroffenen Beschäftigten ist nicht erheblich, sondern allenfalls ein Indiz dafür, dass ein kollektiver Tatbestand vorliegt (vgl. Beschluss vom 12. August 2002 a.a.O. S. 35). Bei zusätzlichem Arbeitsbedarf ist immer die Frage zu beantworten, ob und in welchem Umfang zur Abdeckung dieses Arbeitsbedarfs Überstunden geleistet werden sollen oder ob die Neueinstellung eines Beschäftigten zweckmäßiger wäre. Weiter ist zu entscheiden, wann und von wem die Überstunden geleistet werden sollen. Diese Regelungsprobleme bestehen unabhängig von der Person und den individuellen Wünschen eines einzelnen Beschäftigten (vgl. BAG, Beschluss vom 27. November 1990 a.a.O. Bl. 29 R; Beschluss vom 16. Juli 1991 – 1 ABR 69/90 – AP Nr. 44 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit Bl. 38). In einer solchen Situation befand sich der Beteiligte bei Erlass seiner Anordnung vom 19. Januar 2004. Er hatte zu klären, ob, in welchem Umfang, wann und von wem die im Aufgabengebiet Alg/Alhi/FbW aufgetretenen erheblichen Bearbeitungsrückstände durch Überstunden bewältigt werden sollten. Der Regelungsbedarf war durch die von der Dienststelle zu erfüllenden öffentlichen Aufgaben bestimmt und damit unabhängig von der Person und den individuellen Wünschen eines einzelnen Beschäftigten. Diese kollektiv geprägte Regelungsproblematik verlor ihren Charakter nicht dadurch, dass der Beteiligte sich in Bezug auf die abzuleistenden Überstunden für das Prinzip der Freiwilligkeit entschied (vgl. BAG, Beschluss vom 10. Juni 1986 – 1 ABR 61/84 – BAGE 52, 160, 170; Beschluss vom 27. November 1990 a.a.O. Bl. 30 f.; Beschluss vom 16. Juli 1991 a.a.O. Bl. 37). Anders kann es sich verhalten, wenn die Dienststelle ohne ein entsprechendes dienstliches Erfordernis Überstunden von einem einzelnen Beschäftigten auf dessen Wunsch entgegennimmt, etwa weil dieser aus persönlichen Gründen Arbeitsbefreiung zu einem späteren Zeitpunkt anstrebt. Ein solcher oder vergleichbarer Sachverhalt lag hier nicht vor. Vielmehr wandte sich die Überstundenanordnung vom 19. Januar 2004 an alle Beschäftigten des Aufgabengebiets. Mit der Bemerkung, die Ableistung der Überstunden sei freiwillig, wurde jedem dieser Beschäftigten die Gelegenheit gegeben, Überstunden zu leisten und damit dem zusätzlichen Arbeitsbedarf Rechnung zu tragen. Der ausschließlich dienstliche, durch das Bedürfnis nach zeitgerechter Aufgabenerfüllung geprägte Charakter der Anordnung wurde dadurch nicht in Frage gestellt.
Soweit sich aus dem Senatsbeschluss vom 2. Juni 1992 – BVerwG 6 P 14.90 – (Buchholz 250 § 75 BPersVG Nr. 78) Abweichendes ergibt, wird daran mit Rücksicht auf die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum kollektiven Tatbestand bei Überstundenanordnungen nicht festgehalten (vgl. generell zur Anwendung dieses Maßstabs bereits: Beschluss vom 12. August 2002 a.a.O.; im Ergebnis bereits ebenso: Beschluss vom 30. Januar 1996 – BVerwG 6 P 50.93 – Buchholz 251.5 § 74 HePersVG Nr. 1 S. 7).
3. Dahinstehen kann, ob der Antragsteller im vorliegenden Fall ein uneingeschränktes Mitbestimmungsrecht hat oder ob die Mitbestimmung unter dem Gesichtspunkt des demokratischen Prinzips der Einschränkung unterliegt. Auch in letzterem Fall hält das Bundespersonalvertretungsgesetz eine Regelung bereit, die eine verfassungskonforme Lösung sicherstellt.
Die Anordnung von Überstunden ist ein Unterfall der arbeitszeitbezogenen Maßnahmen, für welche ein uneingeschränktes, mit dem Letztentscheidungsrecht der Einigungsstelle verbundenenes Mitbestimmungsrecht des Personalrats grundsätzlich verfassungsgemäß ist (vgl. Beschluss vom 28. März 2001 – BVerwG 6 P 4.00 – BVerwGE 114, 103, 112 f.; Beschluss vom 3. Dezember 2001 a.a.O. S. 9). Freilich müssen Entscheidungen, die im Einzelfall wegen ihrer Auswirkungen auf das Allgemeinwohl wesentlicher Bestandteil der Regierungsgewalt sind, einem parlamentarisch verantwortlichen Amtsträger vorbehalten bleiben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 1995 – 2 BvF 1/92 – BVerfGE 93, 37, 71). Dass bei den vom streitigen Feststellungsbegehren erfassten Fallgestaltungen jene Voraussetzungen gegeben sind, kann – ohne dass es auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen der entsprechenden Voraussetzungen entscheidungserheblich ankäme – in Betracht gezogen werden.
Eine Regelung, die bei der arbeitszeitbezogenen Mitbestimmung in die Regierungsverantwortung berührenden Angelegenheiten das Letztentscheidungsrecht der parlamentarisch verantwortlichen Stelle sichert, enthält das Bundespersonalvertretungsgesetz nicht. § 69 Abs. 4 Satz 3 BPersVG, der die Kompetenz der Einigungsstelle auf eine Empfehlung an die oberste Dienstbehörde begrenzt, bezieht sich nicht auch auf den Mitbestimmungstatbestand nach § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG. Die Regelung ist hier aber analog heranzuziehen (ebenso bereits zum Hamburgischen Personalvertretungsrecht: Beschluss vom 24. April 2002 – BVerwG 6 P 3.01 – BVerwGE 116, 216, 222 ff.; vgl. ferner: Beschluss vom 24. April 2002 – BVerwG 6 P 4.01 – Buchholz 251.4 § 86 HmbPersVG Nr. 9 S. 23 f.; Beschluss vom 18. Juni 2002 – BVerwG 6 P 12.01 – Buchholz 251.7 § 72 NWPersVG Nr. 28 S. 31 f.; Beschluss vom 18. Mai 2004 a.a.O. S. 48 ff.).
a) Indem das Bundespersonalvertretungsgesetz keine Vorsorge dafür trifft, in Angelegenheiten, die grundsätzlich der uneingeschränkten Mitbestimmung zugänglich sind, im Einzelfall aber die Regierungsverantwortung berühren können, das Letztentscheidungsrecht der parlamentarisch verantwortlichen Stelle sicherzustellen, enthält es eine planwidrige Lücke.
Das Bundespersonalvertretungsgesetz trägt dem demokratischen Prinzip dadurch Rechnung, dass es in bestimmten Angelegenheiten die Kompetenz der Einigungsstelle auf eine Empfehlung begrenzt. § 69 Abs. 4 Satz 3 BPersVG verweist auf die Fälle der §§ 76 und 85 Abs. 1 Nr. 7 BPersVG. Es handelt sich dabei um die Personalangelegenheiten der Beamten und bedeutende organisatorische Angelegenheiten. Teilweise werden solche Angelegenheiten in § 78 BPersVG der Mitwirkung zugeordnet, welche gegenüber der Mitbestimmung wegen Fehlens eines Einigungsstellenverfahrens die schwächere Beteiligungsform ist (§ 72 BPersVG). Dadurch wird ein Regelungskonzept sichtbar, welches einen Teil der Beteiligungstatbestände der uneingeschränkten und einen anderen Teil der eingeschränkten Mitbestimmung bzw. der Mitwirkung zuweist. Wie aus den Materialen ersichtlich (BTDrucks 7/176 S. 26, S. 33 zu § 69, S. 34 zu § 75; 7/1373 S. 6 zu § 69), wollte der Gesetzgeber auf diese Weise den damals bekannten Anforderungen aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts genügen (Urteil vom 27. April 1959 – 2 BvF 2/58 – BVerfGE 9, 268, 282 ff.).
Dem Gesetzgeber ist bei der Verabschiedung des Bundespersonalvertretungsgesetzes vom 15. März 1974 nicht bewusst gewesen, dass er aus verfassungsrechtlichen Gründen Vorsorge auch für den Fall treffen muss, dass Angelegenheiten, die grundsätzlich der uneingeschränkten Mitbestimmung zugänglich sind, im Einzelfall die Regierungsverantwortung berühren. Dieses Erfordernis wurde vom Bundesverfassungsgericht im zitierten Beschluss vom 24. Mai 1995 – über 20 Jahre nach Verabschiedung des Bundespersonalvertretungsgesetzes – ausgesprochen.
b) Die hierdurch entstandene Gesetzeslücke durch analoge Anwendung des § 69 Abs. 4 Satz 3 BPersVG zu schließen, entspricht dem mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers. Dieser hat durch die Aufnahme der Arbeitszeitangelegenheiten in den Katalog der uneingeschränkten Mitbestimmung zum Ausdruck gebracht, dass er in diesen Angelegenheiten ein höchstmögliches Maß an Mitbestimmung für wünschenswert hält. Es ist anzunehmen, dass er sich für Einzelfälle, in denen sich dieses Ziel aus verfassungsmäßigen Gründen nicht verwirklichen lässt, jedenfalls für das Modell der eingeschränkten Mitbestimmung nach § 69 Abs. 4 Satz 3 BPersVG entschieden hätte. Diese Annahme kommt dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers näher als der Ausschluss der Mitbestimmung. Dass er sich anstelle des Verfahrens, in welchem auf der letzten Stufe der Beschluss der Einigungsstelle den Charakter einer Empfehlung an die oberste Dienstbehörde hat, für ein anderes Verfahren, etwa ein Aufhebungsrecht der obersten Dienstbehörde, entschieden hätte, ist nicht erkennbar. Für eine solche Annahme gibt es schon deswegen keine Grundlage, weil das Bundespersonalvertretungsgesetz ein derartiges Evokationsrecht an keiner Stelle vorsieht. Zudem hat der Gesetzgeber die Einführung eines Evokationsrechts ausdrücklich diskutiert, sich aber dagegen entschieden, weil er einen wesentlichen Unterschied zum Modell des § 69 Abs. 4 Satz 3 BPersVG nicht gesehen hat (BTDrucks 7/1373 S. 6 zu § 69).
c) Das – gegebenenfalls eingeschränkte – Mitbestimmungsrecht des Personalrats bei der Anordnung von Überstunden lässt die Regelung in § 75 Abs. 4 BPersVG unberührt. Liegen deren Voraussetzungen vor, so beschränkt sich die Mitbestimmung auf die Grundsätze für die Anordnung von Mehrarbeit und Überstunden. Diese Voraussetzungen lagen im Anlassfall unstreitig nicht vor. Demnach bezieht sich die vorliegende Senatsentscheidung ebenso wenig wie der durch sie bestätigte Beschluss des Verwaltungsgerichts auf Fallgestaltungen, in denen die Voraussetzungen des § 75 Abs. 4 BPersVG gegeben sind. Ein Gegensatz zur Bemerkung am Ende des Senatsbeschlusses vom 23. Januar 1996 (a.a.O. S. 11), der sich im Übrigen auf das hier nicht interessierende systematische Verhältnis zwischen der eingeschränkten Mitbestimmung bei Maßnahmen zur Hebung der Arbeitsleistung gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BPersVG und der arbeitszeitbezogenen Mitbestimmung bezog, besteht entgegen der Auffassung des Beteiligten nicht.
4. Mit der vorliegenden Entscheidung weicht der Senat nicht im Sinne von § 2 Abs. 1 RsprEinhG vom Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 18. Oktober 1994 (a.a.O.) ab. Eine nach jener Vorschrift erhebliche Abweichung liegt nur vor, wenn es für die eine wie die andere Entscheidung auf den Punkt, in dem die Meinungen auseinander gehen, tragend ankommt (vgl. Urteil vom 10. Februar 1978 – BVerwG 4 C 25.75 – Buchholz 445.4 § 31 WHG Nr. 4 S. 5 f.; BFH, Urteil vom 21. Februar 1991 – V R 11/91 – juris Rn. 32; Urteil vom 14. November 2000 – VII R 85/99 – BFHE 193, 254, 261). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Das Bundesarbeitsgericht hat in der zitierten Entscheidung selbstständig tragend darauf abgestellt, dass die fragliche “Betriebsvereinbarung” – unbeschadet ihrer Gültigkeit – schon deswegen nicht anwendbar war, weil sie das Arbeitsverhältnis der dortigen Klägerin aus zeitlichen Gründen nicht erfasste. Die Ausführungen zum Mitbestimmungsrecht des Personalrats nach § 75 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 BPersVG waren daher für das der Klage stattgebende Ergebnis nicht erheblich.
5. Aus den unter 1. dargestellten Gründen ist klarzustellen, dass sich die gerichtliche Entscheidung im vorliegenden Verfahren auf Fallgestaltungen beschränkt, die derjenigen vergleichbar sind, die durch die Verfügung des Beteiligten vom 19. Januar 2004 gekennzeichnet war. Der erstinstanzliche Tenor war um diese Maßgabe zu ergänzen.
6. Der Widerantrag des Beteiligten ist unzulässig. Dies folgt zwar nicht bereits aus dem Gesichtspunkt der anderweitigen Rechtshängigkeit gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO, weil der Widerantrag nicht lediglich eine spiegelbildliche Leugnung des primären Feststellungsantrages darstellt (vgl. dazu BAG, Beschluss vom 8. Juni 2004 – 1 ABR 13/03 – AP Nr. 13 zu § 87 BetrVG Gesundheitsschutz; Beschluss vom 13. Oktober 2004 – 7 ABR 56/03 – juris Rn. 28 jeweils m.w.N.). Vielmehr ist dieser Antrag nach den Ausführungen des Beteiligten im Rechtsbeschwerdeverfahren erkennbar darauf gerichtet, den Ausschluss der Mitbestimmung bei der Anordnung von Überstunden nicht nur für dem Anlassfall vergleichbare Fälle, sondern für alle denkbaren Fallgestaltungen gerichtlich feststellen zu lassen. Da ein derartiger Antrag in der Vorinstanz nicht gestellt worden ist, handelt es sich aber um eine im Rechtsbeschwerdeverfahren unzulässige Antragsänderung (§ 81 Abs. 3, § 87 Abs. 2 Satz 3, § 92 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 ArbGG).
Unterschriften
Bardenhewer, Hahn, Büge, Graulich, Vormeier
Fundstellen
ZTR 2005, 545 |
PersV 2006, 24 |
RiA 2005, 246 |
DVBl. 2005, 1523 |
NPA 2006 |