Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Beschluss vom 23.09.2008; Aktenzeichen 2 A 66/07) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. September 2008 wird zurückgewiesen.
Der Antrag des Klägers, ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt …, …, beizuordnen, wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 5 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
1. Die allein auf einen Verfahrensmangel gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Rz. 2
1.1 Die Beschwerde rügt, das Oberverwaltungsgericht habe die Berufung, ohne den Kläger persönlich oder die von ihm benannten Zeugen in einer mündlichen Verhandlung anzuhören, durch Beschluss im vereinfachten Berufungsverfahren nach § 130a VwGO zurückgewiesen. Sie sieht darin bei verständiger Würdigung ihres Vorbringens eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) und des Grundsatzes der Mündlichkeit (§ 101 Abs. 1 VwGO). Die geltend gemachten Verfahrensmängel sind schon nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dargelegt. Zudem liegen sie in der Sache nicht vor.
Rz. 3
Das Oberverwaltungsgericht ist unter den Voraussetzungen des § 130a VwGO vom Erfordernis einer mündlichen Verhandlung befreit und kann nach seinem Ermessen ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Aus Art. 103 Abs. 1 GG ergibt sich kein Anspruch auf mündliche Verhandlung oder mündliche Anhörung (vgl. BVerfGE 89, 381 ≪391≫). Der durch Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistete Anspruch auf rechtliches Gehör vermittelt vielmehr das Recht, vor Gericht Anträge zu stellen und Ausführungen zu machen (vgl. BVerfGE 6, 19 ≪20≫; 15, 303 ≪307≫), welches ohne Weiteres auch durch eine schriftliche Anhörung beachtet werden kann. Dementsprechend ist das Prinzip der Mündlichkeit der Verhandlung kein Verfassungsgrundsatz, sondern nur eine – einfachrechtliche – Prozessmaxime (vgl. BVerfGE 15, 303 ≪307≫). Es ist Sache des (einfachen) Gesetzgebers, wieweit er in einem bestimmten Verfahren einen Anspruch auf mündliche Verhandlung einräumen will (vgl. BVerfGE 5, 9 ≪11≫; 25, 352 ≪357≫; 36, 85 ≪87≫). Für das Berufungsverfahren im Verwaltungsprozess schreibt das Gesetz weder eine mündliche Verhandlung noch eine persönliche mündliche Anhörung vor. Vielmehr liegen unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 130a VwGO die Wahl der Verfahrensart und die Form der Anhörung grundsätzlich im Ermessen des Gerichts (vgl. BVerfGE 89, 381 ≪391≫). Dem Anspruch auf rechtliches Gehör wird dadurch genügt, dass die Beteiligten nach § 130a Satz 2 i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO vor der Entscheidung zu hören sind. Ihnen ist Gelegenheit zu geben, sich sowohl zu der Absicht des Gerichts, ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden, als auch zu den tatsächlichen und rechtlichen Fragen des Rechtsstreits zu äußern, was die Stellung von Beweisanträgen einschließt. Die Ermessensentscheidung des Berufungsgerichts nach § 130a VwGO, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, ist revisionsrechtlich nur auf sachfremde Erwägungen und grobe Fehleinschätzungen überprüfbar (vgl. Beschluss vom 3. Februar 1999 – BVerwG 4 B 4.99 – Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 33 ≪S. 2≫ m.w.N.). Demgemäß liegt ein Verfahrensfehler vor, wenn das Berufungsgericht ohne mündliche Verhandlung im vereinfachten Berufungsverfahren durch Beschluss entscheidet, obwohl es die Berufung nicht einstimmig für begründet oder nicht einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, seine Entscheidung auf sachfremden Erwägungen oder groben Fehleinschätzungen beruht oder die Beteiligten nicht ordnungsgemäß angehört wurden.
Rz. 4
In Anwendung dieser rechtlichen Vorgaben hat die Beschwerde, soweit sie sich gegen die Wahl des vereinfachten Berufungsverfahrens nach § 130a VwGO durch das Oberverwaltungsgericht als solches wendet, nichts vorgetragen, was hier auf einen Ermessensfehler hindeutet. Diesbezügliche Anhaltspunkte sind auch ansonsten nicht ersichtlich. Allein der Widerspruch des Klägers gegen eine beabsichtigte Entscheidung nach § 130a VwGO macht diese noch nicht fehlerhaft (vgl. Beschluss vom 11. Dezember 1997 – BVerwG 2 B 117.97 – juris).
Rz. 5
Unsubstanziiert ist auch die Rüge der Beschwerde, das Oberverwaltungsgericht hätte nach dem Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 18. September 2008 nicht ohne erneute Anhörungsmitteilung nach § 130a VwGO entscheiden dürfen. Dazu trägt die Beschwerde lediglich vor (vgl. Beschwerdebegründung S. 6):
“… denn gemäß § 130a VwGO war es anhand der angekündigten Beweisanträge unzulässig, eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich zu halten. Zwar kann das Gericht dann, wenn es einstimmig die Meinung vertritt, eine mündliche Verhandlung sei nicht erforderlich, im Beschlusswege entscheiden.
Es ist aber verpflichtet, die Parteien anzuhören. Dieses ist im vorliegenden Verfahren nicht geschehen. Zwar hat der Senat mit Schreiben vom 05.06.2008 auf § 130a VwGO hingewiesen. Nachdem der Kläger hierzu mit Schriftsatz vom 13.06.2008 Stellung genommen und Beweisanträge angekündigt hatte, hat der Senat mit Hinweisschreiben vom 28.08.2008 den Kläger darauf hingewiesen, dass weiterer Vortrag erforderlich ist.
Dieses ist mit Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 18.09.2008 geschehen, so dass der Prozessbevollmächtigte davon ausgehen durfte, dass, was auch erforderlich war, eine neue Anhörung nach § 130a i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 bis 5 BVFG erforderlich sei.
Nach ständiger Rechtsprechung ist eine weitere Anhörungsmitteilung vor allem dann notwendig, wenn ein förmlicher Beweisantrag gestellt wird. Eine erneute Anhörung ist nur dann entbehrlich, wenn der Beweisantrag oder das sonstige Vorbringen unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Gerichts nicht entscheidungserheblich ist.”
Rz. 6
Damit wird der behauptete Verfahrensmangel der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend bezeichnet. Die Beschwerde zeigt nicht substanziiert und schlüssig auf, welchen Vortrag der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Einzelnen im Schriftsatz vom 18. September 2008 gehalten hat und welches konkrete Vorbringen dem Oberverwaltungsgericht unter Berücksichtigung der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. z.B. Beschluss vom 15. Mai 2008 – BVerwG 2 B 77.07 – NVwZ 2008, 1025 m.w.N.) Anlass für eine erneute Anhörungsmitteilung sein musste.
Rz. 7
Unabhängig davon lässt sich der geltend gemachte Verfahrensmangel auch in der Sache nicht feststellen. Der Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 18. September 2008 gab dem Oberverwaltungsgericht keine Veranlassung für eine erneute Anhörungsmitteilung. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beschränkte sich im Wesentlichen auf eine Wiederholung des bisherigen Vorbringens des Klägers (s. a. Beschluss vom 22. Juni 2007 – BVerwG 10 B 56.07 – juris). Der Schriftsatz enthielt keinen entscheidungserheblichen Tatsachenvortrag und auch keine Beweisangebote, die nicht schon in früherem Vortrag enthalten waren und von dem Berufungsgericht in dem Hinweis vom 28. August 2008, durch den die Anhörung zu einer Entscheidung nach § 130a VwGO vom 5. Juni 2008 ergänzt worden war, berücksichtigt worden sind.
Rz. 8
1.2 Soweit die Beschwerde auch dahingehend verstanden werden möchte, der Anspruch auf rechtliches Gehör sei unabhängig von der Wahl des vereinfachten Berufungsverfahrens nach § 130a VwGO verletzt worden, entspricht sie ebenfalls schon nicht dem Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Sie setzt sich nicht damit auseinander, dass das Berufungsgericht in seiner Entscheidung im Einzelnen ausgeführt hat, weshalb es die von ihr vermisste weitere Beweiserhebung zu den Sprachkenntnissen des Klägers (Einnahme eines Augenscheins und Anhörung von Zeugen, Beschwerdebegründung S. 6 a.E.) nicht für erforderlich gehalten hat. Es hat seine Entscheidung insoweit maßgeblich auf das Ergebnis der persönlichen Anhörung des Klägers im September 2003 vor dem Generalkonsulat in St. Petersburg gestützt (BA S. 5 ff.) und ausgeschlossen, dass der weitere Vortrag des Klägers “seiner Schlüssigkeit und Substanz nach” ein abweichendes Ergebnis begründen könnte (a.a.O. S. 6).
Rz. 9
1.3 Entsprechendes gilt, soweit mit der Beschwerde unabhängig vom Ausschluss der mündlichen Verhandlung nach § 130a VwGO ein Verfahrensmangel unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des gerichtlichen Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1 VwGO) geltend gemacht werden soll.
Rz. 10
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).
Rz. 11
2. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ist abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung, wie sich aus den oben genannten Gründen ergibt, nicht die erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht bietet (§ 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff., 121 ZPO).
Rz. 12
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung zur Streitwertbemessung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG (Auffangwert, s.a. Nr. 49.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 7./8. Juli 2004, NVwZ 2004, 1327).
Unterschriften
Hund, Prof. Dr. Berlit, Stengelhofen
Fundstellen