Verfahrensgang
VG Berlin (Urteil vom 17.05.2006; Aktenzeichen 25 A 237.03) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin zu 2 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. Mai 2006 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin zu 2 trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
1. Die Rechtssache hat nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die Klägerin zu 2 wirft insoweit die Frage auf,
ob Zwangsversteigerungen in der Zeit zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 den Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 6 VermG erfüllen, wenn sie ohne Verfahrensbeteiligung staatlicher (Verfolgungs-)Behörden durchgeführt wurden.
Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht, weil sie sich unmittelbar aus dem Gesetz und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beantworten lässt, ohne dass es hierfür der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte. § 1 Abs. 6 Satz 1 VermG gewährt einen vermögensrechtlichen Wiedergutmachungsanspruch Bürgern und Vereinigungen, die in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 aus rassischen, politischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen verfolgt wurden und deshalb ihr Vermögen infolge von Zwangsverkäufen, Enteignungen oder auf andere Weise verloren haben. Zu den Vermögensverlusten auf andere Weise gehören auch Zwangsversteigerungen. Eine rassische Verfolgung des Eigentümers war nicht nur ursächlich für den Vermögensverlust in der Zwangsvollstreckung, wenn der verfolgende Staat selbst als Gläubiger am Zwangsversteigerungsverfahren beteiligt war. Die Verfolgung des Eigentümers kann auch auf andere Weise für seinen Rechtsverlust in einer Zwangsversteigerung ursächlich geworden sein. Wie das Verwaltungsgerichts unter Bezug auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zutreffend ausführt, ist ein Eigentumsverlust während der nationalsozialistischen Zeit unter anderem dann verfolgungsbedingt gewesen, wenn der verfolgte Eigentümer nicht in der Lage gewesen war, die Zwangsversteigerung durch freie und ungehinderte Ausübung von Rechten abzuwenden, die einem nichtverfolgten Eigentümer zur Verfügung gestanden hätten, der nicht das Opfer von Verfolgungsmaßnahmen war (Urteile vom 27. Juni 2002 – BVerwG 7 C 28.01 – Buchholz 428 § 1 Abs. 6 VermG Nr. 16 und vom 14. April 2005 – BVerwG 7 C 11.04 – Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 43). Die Verfahrensbeteiligung staatlicher (Verfolgungs-)Behörden an der Zwangsversteigerung ist dabei nicht entscheidungserheblich.
Die Verfolgungslage war aber auch dann ursächlich für den Verlust des Vermögenswertes in der Zwangsversteigerung, wenn diese wegen einer Verbindlichkeit betrieben wurde, die ein Verfolgter gerade aufgrund seiner Verfolgungssituation eingehen musste oder die er wegen seiner Verfolgungssituation nicht mehr erfüllen konnte. Auch in diesen Fällen ist die in § 1 Abs. 6 Satz 1 VermG vorausgesetzte Verfolgung ursächlich für den Vermögensverlust geworden. Hier hat das Verwaltungsgericht in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die beiden jüdischen Gesellschafter der OHG, die Eigentümer des Grundstücks war, verfolgungsbedingt Deutschland hatten verlassen müssen, dadurch ebenfalls verfolgungsbedingt von der Verwaltung des Grundstücks ausgeschlossen und deshalb nicht mehr im Stande waren, aus den Erträgnissen des Grundstücks die dinglich gesicherten Verbindlichkeiten zu erfüllen. Unter diesen Umständen kommt es für die Frage einer Verfolgungsbedingtheit des Vermögensverlustes nicht darauf an, dass das Zwangsversteigerungsverfahren von einem privaten Gläubiger betrieben wurde.
2. Das Urteil des Verwaltungsgerichts weicht nicht im Verständnis von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO von den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ab, die die Klägerin zu 2 in ihrer Beschwerde bezeichnet hat.
a) Die Klägerin zu 2 entnimmt dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Oktober 2003 – BVerwG 7 C 62.02 – (BVerwGE 119, 145) sowie dem Urteil vom 24. November 2004 – BVerwG 8 C 15.03 – (BVerwGE 122, 219) den Rechtssatz, eine wirksame (rechtzeitige) Anmeldung eines vermögensrechtlichen Anspruchs durch die Beigeladene erfordere stets die Angabe des jüdischen Voreigentümers. Einen solchen Rechtssatz enthalten die beiden Entscheidungen indes nicht. Sie gehen vielmehr übereinstimmend davon aus, ein Restitutionsantrag müsse den Vermögensgegenstand, auf den das Restitutionsbegehren zielt, so genau bezeichnen, dass zumindest im Wege der Auslegung ermittelt werden kann, was der Antragsteller beansprucht. Diese Anforderung ist stets ohne weiteres erfüllt, wenn ein zurückbegehrtes Grundstück nach Gemeinde, Straße und Hausnummer genau bezeichnet wird, wie dies hier in der Anmeldung der Beigeladenen geschehen ist. Beide von der Klägerin zu 2 benannte Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts befassen sich im Übrigen nur mit den (weiteren) Voraussetzungen, unter denen die Globalanmeldungen vermögensrechtlicher Ansprüche durch die Beigeladene die Anforderungen des § 30 Abs. 1 Satz 1 und des § 30a Abs. 1 Satz 1 VermG erfüllen, die auf bestimmte Akten und Unterlagen verweisen, aus denen sich zwar zahlreiche Vermögenswerte ergeben können, die jedoch von der Beigeladenen nur insoweit beansprucht werden, als sie einem jüdischen Voreigentümer gehört haben.
b) Das Verwaltungsgericht ist ferner nicht entscheidungserheblich von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Juni 2002 – BVerwG 7 C 28.01 – (Buchholz 428 § 1 Abs. 6 VermG Nr. 16) abgewichen. Die Klägerin zu 2 entnimmt dieser Entscheidung zu Unrecht die Aussage, Juden seien erst seit dem Frühjahr 1941 generell nicht mehr in der Lage gewesen, durch freie und ungehinderte Ausübung der Schuldnerrechte die Zwangsversteigerung abzuwenden. Sie hält deshalb dem Verwaltungsgericht vor, es habe zu Unrecht die Aussagen des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 27. Juni 2002 auf eine Zwangsversteigerung im Jahre 1940 bezogen. Das Bundesverwaltungsgericht hat in jenem Urteil klargestellt, dass eine Zwangsversteigerung einen Vermögensverlust auf andere Weise dann darstellt, wenn jüdischen Schuldnern der Schutz nach § 5 der Schuldnerschutzverordnung nicht mehr gewährt worden ist und sie deshalb gehindert waren, die Zwangsversteigerung abzuwenden. Zwar mag es seinerzeit um eine Zwangsversteigerung im Jahre 1941 gegangen sein. Das Bundesverwaltungsgericht hat aber in einer späteren Entscheidung, die das Verwaltungsgericht hier auch zutreffend angeführt hat, die tatsächliche Feststellung eines Verwaltungsgerichts revisionsrechtlich nicht beanstandet, dass § 5 der Schuldnerschutzverordnung in maßgeblicher Anknüpfung an die Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens vom 3. Dezember 1938 mit Blick auf deren Regelungen jüdischen Schuldner die Schutzwürdigkeit in Zwangsversteigerungsverfahren allgemein aberkannt hätten (Urteil vom 14. April 2005 – BVerwG 7 C 11.04 – Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 43). Im Übrigen stellen diese Erwägungen des Verwaltungsgerichts lediglich eine selbständig tragende zusätzliche Begründung dar.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 GKG.
Unterschriften
Gödel, Postier, Dr. Hauser
Fundstellen