Verfahrensgang
VG Dresden (Urteil vom 13.03.2002; Aktenzeichen 14 K 2024/99) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 13. März 2002 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 59 822 EUR festgesetzt.
Gründe
Der Kläger beansprucht nach dem Vermögensgesetz die Rückgabe eines Grundstücks, das als Teil eines Grünstreifens zwischen den Wohnbauten und der angrenzenden Straße in die flurstücksübergreifende Neubebauung eines Aufbaugebiets einbezogen wurde. Die Beklagte stellte die Entschädigungsberechtigung fest und lehnte die Rückübertragung ab, weil das Grundstück im komplexen Wohnungsbau verwendet worden sei. Der nach erfolglosem Widerspruch erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht stattgegeben, soweit ein Teil des Grundstücks im Wege der Vermögenszuordnung der Beklagten übertragen worden war; im Übrigen hat es die Klage wegen des Restitutionshindernisses der Verwendung im komplexen Wohnungsbau (§ 5 Abs. 1 Buchst. c VermG) abgewiesen. Die Revision gegen sein Urteil hat das Verwaltungsgericht nicht zugelassen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg.
Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die Beschwerde beimisst. Die Beschwerde möchte geklärt wissen,
- ob “die Änderung der Zweckbestimmung eines entzogenen Grundstücks als Trennfläche zwischen den Nutzungen (hier: Grünstreifen zwischen Wohnbebauung und Verkehrsnutzung) seine ‘Einbeziehung’ in den komplexen Wohnungsbau ‘i.S. eines gesteigerten städtebaulichen Zusammenhangs’ bewirken” könne und
- ob “– in Zweifelsfällen, wie sie sich bei nicht unmittelbar zu Wohnzwecken genutzten Grundstücken ergeben – eine Abwägung des öffentlichen Interesses an der Bestandserhaltung mit dem (privaten) Restitutionsinteresse im Einzelfall vorzunehmen” sei.
Dieses Vorbringen führt nicht auf Rechtsfragen von grundsätzlicher, über den konkreten Einzelfall hinausgreifender Bedeutung. Die Voraussetzungen einer restitutionsausschließenden Verwendung von Grundstücken und Gebäuden im komplexen Wohnungsbau sind in der Rechtsprechung des Senats geklärt. § 5 Abs. 1 Buchst. c VermG dient dem Zweck, bestimmte rechtliche oder tatsächliche Veränderungen der Nutzungsart oder Zweckbestimmung eines entzogenen Grundstücks oder Gebäudes nicht dadurch in Frage zu stellen, dass die früheren Eigentumsverhältnisse wiederbegründet werden. Der Ausschlusstatbestand setzt demgemäß voraus, dass das Grundstück oder Gebäude eine Änderung der Zweckbestimmung erfahren hat, die im öffentlichen Interesse aufrechterhalten werden soll. Eine derart geänderte Zweckbestimmung liegt in der Einbeziehung des Grundstücks oder Gebäudes in eine planerische und städtebauliche, durch eine komplexe Vielfalt der Bebauung und Nutzung gebildete Einheit, die nicht dadurch gefährdet werden soll, dass durch Rückübertragungen einzelne Bestandteile aus dem komplexen Ganzen herausgelöst werden. Regelungsziel ist damit die Erhaltung eines gesteigerten städtebaulichen Zusammenhangs aus Wohnbauten und sonstiger dem gemeinschaftlichen Wohnen dienender Grundstücksnutzung, der vernünftigerweise nicht trennbar ist (vgl. Urteil vom 1. Dezember 1995 – BVerwG 7 C 27.94 – BVerwGE 100, 77 ≪80 f.≫; Urteil vom 10. Juni 1998 – BVerwG 7 C 27.97 – Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 16; Urteil vom 11. Januar 2001 – BVerwG 7 C 11.00 – Buchholz 428 § 4 Abs. 1 VermG Nr. 5).
Das Verwaltungsgericht hat auf der Grundlage dieser Rechtsprechung angenommen, dass das in Rede stehende Grundstück im Rahmen des komplexen Wohnungsbaus verwendet wurde. Entsprechend der in dem Aufbaugebiet verwirklichten städtebaulichen Grundkonzeption, die durch großzügige Freiflächen zwischen den Gebäuden und begrünte Abstandsflächen zur Straße gekennzeichnet sei, sei es i.S. einer “verbundenen” Nutzung als Grünfläche in die Umgebungsbebauung einbezogen worden. Zwischen der Wohnbebauung und dem Grünstreifen mit seiner den Wohngebäuden zugeordneten Funktion, die Wohnnutzung weiträumig von den Verkehrsflächen zu trennen, bestehe damit ein gesteigerter städtebaulicher Zusammenhang, der vernünftigerweise nicht trennbar sei.
Die Angriffe der Beschwerde gegen die Anwendung der höchstrichterlich entwickelten Grundsätze zur Verwendung von Grundstücken oder Gebäuden im komplexen Wohnungsbau sind einzelfallbezogen. Sie geben zu weiterer rechtsgrundsätzlicher Klärung des Ausschlusstatbestands keinen Anlass. Das gilt namentlich für die Bewertung des Grünstreifens als einer mit der Wohnbebauung verbundenen Nutzung. Eine der Wohnnutzung dienende Grünfläche kann – ähnlich wie Abstandsflächen, Gemeinschaftseinrichtungen oder Spielplätze – mit ihr eine vernünftigerweise nicht trennbare Einheit bilden (vgl. Urteil vom 6. Dezember 1996 – BVerwG 7 C 20.96 – Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 12); weist die Grünfläche den erforderlichen funktionalen Bezug zur Wohnnutzung auf, kommt es nicht darauf an, ob sie sich innerhalb des Wohngebiets oder an dessen Rand befindet. Für die Auslegung des § 5 Abs. 1 Buchst. c VermG unerheblich ist die Frage, ob eine derart in die Umgebungsbebauung einbezogene verbundene Nutzung dem aus heutiger Sicht zeitgemäßen Städtebau entspricht; denn diese Vorschrift stellt nicht auf die aktuellen städtebaulichen Zielsetzungen, sondern auf eine entsprechend den Vorstellungen der DDR in der Vergangenheit entstandene planerische und städtebauliche Einheit ab. Dabei ist davon auszugehen, dass die “Verwendung” von Grundstücken oder Gebäuden im komplexen Wohnungsbau zu einer Änderung ihrer Zweckbestimmung führt, die entsprechend der gesetzlichen Wertung eine Rückübertragung generell ausschließen soll. Liegt eine solche Verwendung vor, ist darum entgegen der Ansicht der Beschwerde für eine konkrete Abwägung des öffentlichen Interesses an der Bestandserhaltung mit dem gegenläufigen Restitutionsinteresse im Einzelfall kein Raum. Ebenso wenig lässt sich der DDR-typische Begriff der Verwendung im komplexen Wohnungsbau anhand der bundesrechtlichen Vorgaben für den Inhalt von Flächennutzungsplänen (§ 5 Abs. 2 BauGB) erfassen und begrenzen.
Die Revision ist auch nicht wegen der behaupteten Abweichung (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen. Das Beschwerdevorbringen ergibt nicht, dass das Verwaltungsgericht einen abstrakten Rechtssatz aufgestellt hat, der einem ebensolchen, den bezeichneten Divergenzentscheidungen zugrunde liegenden Rechtssatz widerspricht. Anders als die Beschwerde meint, hat das Verwaltungsgericht die Verwendung des entzogenen Grundstücks im komplexen Wohnungsbau damit begründet, dass der Grünstreifen durch seine der Wohnbebauung dienende Funktion in den städtebaulichen Zusammenhang einbezogen sei; darum kann keine Rede davon sein, es habe ein “funktional nicht aufeinander bezogenes Nebeneinander von Wohnen und sonstigen Nutzungen” ausreichen lassen. Eine Divergenz liegt auch nicht in der Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Änderung der Zweckbestimmung, die das Grundstück durch seine Verwendung im komplexen Wohnungsbau erfahren hat, im öffentlichen Interesse aufrecht zu erhalten sei; das steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats, wonach der in der DDR-Praxis weit verstandene Begriff des komplexen Wohnungsbaus entsprechend dem Zweck des § 5 Abs. 1 Buchst. c VermG auf solche Maßnahmen einzugrenzen ist, die zu einer Einbeziehung des Grundstücks oder Gebäudes in eine planerische und städtebauliche, durch eine komplexe Vielfalt der Bebauung und Nutzung gebildete, als Wohnungsbau zu kennzeichnende und wegen dieser Prägung vor restitutionstypischer Gefährdung geschützte Einheit geführt haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Gödel, Kley, Herbert
Fundstellen