Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 03.04.2014; Aktenzeichen 3 A 871/13) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 3. April 2014 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf die Wertstufe bis zu 16 000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 VwGO) liegen nicht vor.
Der Kläger steht seit 1977 im Dienst der beklagten Stadt. Er wurde mit Wirkung vom 1. Januar 2000 zum Städtischen Sozialrat (Besoldungsgruppe A 13), mit Wirkung vom 1. Januar 2002 zum Städtischen Obersozialrat (Besoldungsgruppe A 14), am 12. Juni 2007 zum Städtischen Sozialdirektor (Besoldungsgruppe A 15) und am 23. Dezember 2011 zum Leitenden Städtischen Sozialdirektor (Besoldungsgruppe A 16), bei gleichzeitiger rückwirkender Einweisung zum 1. Dezember 2011 in die entsprechende Planstelle, ernannt. Am 1. Juni 2007 wurde dem Kläger der Dienstposten eines Abteilungsleiters übertragen, dem im Stellenplan der Beklagten eine nach der Besoldungsgruppe A 16 bewertete Planstelle zugeordnet ist. In den Jahren seit 2002 hatte die Beklagte keine genehmigte Haushaltssatzung. Erstmals am 4. Oktober 2012 für das Jahr 2012 ist wieder eine Haushaltssatzung bekanntgegeben worden.
Den Antrag des Klägers vom 9. Mai 2011, ihm eine Zulage für die Wahrnehmung eines höherwertigen Amtes nach § 46 BBesG zu gewähren, lehnte die Beklagte ab. Widerspruch, Klage und Berufung des Klägers sind erfolglos geblieben.
Das Oberverwaltungsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf die begehrte Zulage für den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 30. November 2011 verneint und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die von § 46 BBesG geforderten „haushaltsrechtlichen Voraussetzungen” für eine Beförderung hätten im streitgegenständlichen Zeitraum nicht vorgelegen. Es habe für den Kläger keine besetzbare Planstelle zur Verfügung gestanden, weil unter den Beschränkungen der vorläufigen Haushaltsführung eine Beförderung von Beamten unzulässig gewesen sei. Der Beförderung des Klägers habe deshalb ein haushaltsrechtliches Hindernis entgegengestanden.
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
Der Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Rechtssache eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf (stRspr, Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 – BVerwG 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 <91> = Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 18 S. 22 und vom 2. Februar 2011 – BVerwG 6 B 37.10 – NVwZ 2011, 507 Rn. 2). Eine Klärung durch eine revisionsgerichtliche Entscheidung ist nach der ständigen Rechtsprechung aller Senate des Bundesverwaltungsgerichts nicht erforderlich, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne Weiteres beantworten lässt (Beschluss vom 24. August 1999 – BVerwG 4 B 72.99 – BVerwGE 109, 268 <270> = Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 228 S. 13). So verhält es sich hier.
Die Fragen
Ist für den Kläger als Leitender Städtischer Sozialdirektor funktionell der Schutzbereich des Art. 11 Abs. 1 EMRK eröffnet?
Ist für den Kläger als Leitender Städtischer Sozialdirektor in personeller Hinsicht der Schutzbereich des Art. 11 Abs. 1 EMRK eröffnet?
Gewährleistet das Gebot des effektiven Rechtsschutzes des Art. 19 Abs. 4 GG oder das Verfassungsgebot des völkerrechtsfreundlichen Verhaltens grundsätzlich die Durchsetzbarkeit der Rechte aus Art. 11 Abs. 1 EMRK?
Erfordert das Gebot der effizienten Durchsetzung des Rechts aus Art. 11 EMRK bis zur gesetzlichen Regelung des Konflikts effektive vorläufige Maßnahmen zur Durchsetzung des Art. 11 EMRK, etwa durch die analoge Anwendung der funktionsbezogenen Zulagenregelung des § 14 TVÖD oder § 14 TV-L?
Verstößt der landesrechtliche § 82 Abs. 1 GO NRW – soweit die Beklagte aus der nach geltendem Recht bestehenden Unmöglichkeit, Rechte des Klägers aus Art. 11 Abs. 1 EMRK geltend zu machen, finanzielle Vorteile zieht – gegen die im Rang eines Bundesgesetzes stehende EMRK und damit gegen Art. 31 GG oder ist eine normhierarchiekonforme Auslegung möglich?
sind – soweit sie in verallgemeinerungsfähiger Form beantwortbar sind – in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt oder nicht entscheidungserheblich.
Die Fragen, ob Beamte dem Schutzbereich des Art. 11 Abs. 1 EMRK unterfallen und ob das Gebot des effektiven Rechtsschutzes des Art. 19 Abs. 4 GG oder das Verfassungsgebot des völkerrechtsfreundlichen Verhaltens die Durchsetzung der Rechte aus Art. 11 Abs. 1 EMRK gewährleisten, zielen auf die Frage, ob Beamten aus Art. 11 EMRK ein Streikrecht zusteht. Diese Frage führt – ungeachtet dessen, ob sie im Streitfall überhaupt entscheidungserheblich wäre – schon deshalb nicht zur Zulassung der Revision, weil sie in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt ist.
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 27. Februar 2014 – BVerwG 2 C 1.13 – BVerwGE 149, 117, ausgeführt, dass einerseits das umfassende Streikverbot für Beamte als hergebrachter Grundsatz nach Art. 33 Abs. 5 GG Geltung beansprucht (Rn. 23 ff.), andererseits dieses Streikverbot für außerhalb des genuin hoheitlichen Bereichs tätige Beamte mit der Koalitionsfreiheit des Art. 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unvereinbar ist (Rn. 34 ff.) und dass bis zu einer Auflösung dieser Kollisionslage durch den dazu allein berufenen Gesetzgeber das statusbezogene beamtenrechtliche Streikverbot nach wie vor geltendes Recht ist (Rn. 56 ff.).
Damit hat das Bundesverwaltungsgericht klar zum Ausdruck gebracht, dass auch Beamte vom Schutzbereich der Koalitionsfreiheit nach Art. 11 Abs. 1 EMRK erfasst sind, dass aber derzeit die Koalitionsfreiheit des Art. 11 EMRK hinter dem Streikverbot des Art. 33 Abs. 5 GG zurücksteht. Nur der Gesetzgeber, nicht die Judikative, ist befugt, diese Kollisionslage aufzulösen.
Die außerdem aufgeworfene Frage nach der analogen Anwendung von Normen des Tarifrechts zugunsten der Beamten wegen des diesen nach vorrangigem nationalen Recht obliegenden Streikverbots ist auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu verneinen. Die Systemunterschiede der Statusgruppen der Beamten einerseits und der Tarifbeschäftigten andererseits (vgl. nur Urteil vom 21. September 2006 – BVerwG 2 C 22.05 – Buchholz 239.1 § 53 BeamtVG Nr. 15 Rn. 21 m.w.N.) und der strikte Gesetzesvorbehalt im Besoldungs- und Versorgungsrecht (vgl. nur § 2 Abs. 1 BBesG, § 3 Abs. 1 BeamtVG) schließen eine analoge Anwendung von Normen des Tarifrechts zugunsten der Beamten aus. Aus Art. 11 EMRK ergibt sich, anders als die Beschwerde im Hinblick auf § 14 TVöD und § 14 TV-L annimmt, auch mit Blick auf das Senatsurteil vom 27. Februar 2014 (a.a.O.) nichts anderes; danach ist es vielmehr allein dem Gesetzgeber vorbehalten, die Kollisionslage zwischen konventionsrechtlichem Streikrecht und verfassungsrechtlichem Streikverbot aufzulösen.
Deshalb ist die schließlich aufgeworfene Frage nach der Vereinbarkeit des § 82 Abs. 1 GO NRW mit der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht entscheidungserheblich bzw. steht seine Geltung nicht in Frage.
2. Die Revision ist auch nicht wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.
Die Divergenzrüge muss nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO einen in der angefochtenen Entscheidung aufgestellten abstrakten Rechtssatz des revisiblen Rechts bezeichnen, mit dem das Berufungsgericht von einem ebensolchen Rechtssatz in einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts oder einer anderen divergenzfähigen Entscheidung i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO abweicht (stRspr; vgl. etwa Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14).
Dem genügt die in diesem Punkt sehr knappe Beschwerdebegründung nicht. Sie bezeichnet weder einen Rechtssatz des Senats aus dessen in Bezug genommenem Urteil vom 27. Februar 2014 (a.a.O.) noch stellt sie diesem einen abweichenden abstrakten Rechtssatz des Berufungsgerichts gegenüber. Der Vortrag, das Oberverwaltungsgericht habe bestimmte rechtliche Gesichtspunkte nicht geprüft, greift eine – vermeintlich – unrichtige Rechtsanwendung im Einzelfall an, bezeichnet aber keine Divergenz.
Darüber hinaus liegt die behauptete Divergenz auch der Sache nach nicht vor, weil – wie bereits dargelegt – sich dem Urteil des Senats vom 27. Februar 2014 (a.a.O.) keineswegs entnehmen lässt, dass bis zur Auflösung der Kollisionslage zwischen Art. 11 EMRK und Art. 33 Abs. 5 GG Beamte tarifvertragliche Regelungen beanspruchen können.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG und ist in Streitigkeiten über den „Teilstatus” eines Beamten entsprechend der Höhe des zweifachen Jahresbetrags der Differenz zwischen dem innegehabten und dem erstrebten Teilstatus zu bemessen.
Unterschriften
Domgörgen, Dr. von der Weiden, Dr. Hartung
Fundstellen