Verfahrensgang

VGH Baden-Württemberg (Aktenzeichen 13 S 1055/98)

 

Tenor

Der Antrag der Kläger, ihnen für das Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision Prozeßkostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt Werner Krempels beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 15. Juli 1999 wird verworfen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren sowie unter Änderung der Streitwertentscheidung des Verwaltungsgerichtshofs für den zweiten Rechtszug auf je 32 000 DM festgesetzt.

 

Gründe

1. Der Antrag auf Bewilligung der Prozeßkostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts kann keinen Erfolg haben, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO in Verbindung mit § 114 Satz 1, § 121 Satz 1 ZPO).

2. Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Sie ist unzulässig und daher zu verwerfen.

Nach § 132 Abs. 2 VwGO kann die Revision nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Berufungsurteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem das Berufungsurteil beruhen kann. Wird – wie hier – die Nichtzulassung der Revision mit der Beschwerde angefochten, muß in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Berufungsurteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Die Prüfung des Senats ist demgemäß auf fristgerecht geltend gemachte Beschwerdegründe beschränkt.

a) Die Beschwerde wird zunächst auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Sache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützt. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt die Bezeichnung einer konkreten Rechtsfrage, die für die Revisionsentscheidung erheblich sein wird, und einen Hinweis auf den Grund, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll. Die Beschwerde muß daher erläutern, daß und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage führen kann. Das Beschwerdevorbringen legt eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dar.

Die Beschwerde hält die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig, „wann Abkömmlinge eines Vertriebenen deutscher Volkszugehörigkeit, die mit einem Aufnahmebescheid in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sind und die im Verteilungsverfahren gemäß § 8 Abs. 4 BVFG in die Nähe der Eltern aus Gründen der Familienzusammenführung zugewiesen worden sind, Deutsche ohne deutsche Staatsangehörigkeit unabhängig davon geworden sind, ob sie selbst Spätaussiedler sind oder nicht”. Von der Klärung dieser Grundsatzfrage hänge die Anwendbarkeit von § 40 a StAG ab. Die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage ergebe sich insbesondere aus der Vielzahl der noch anhängigen Verfahren und aus divergierenden Urteilen von Verwaltungsgerichten und Berufungsgerichten.

Die Beschwerde hat nicht dargetan, daß die aufgeworfene Frage – über die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Erfordernis eines Kausalzusammenhangs zwischen der Eigenschaft als Abkömmling eines aufgenommenen vertriebenen Volksdeutschen und der eigenen Aufnahme entwickelten Grundsätze hinaus (vgl. Urteil vom 12. Mai 1992 – BVerwG 1 C 54.89 – BVerwGE 90, 173 ≪175 ff.≫ = Buchholz 11 Art. 116 GG Nr. 22 S. 18 ff.) – rechtsgrundsätzlicher Klärung bedarf. Die Beschwerde zeigt insbesondere nicht auf, inwiefern hinsichtlich der Verteilung „gemäß § 8 Abs. 4 BVFG in die Nähe … der Eltern” – so der der Klägerin erteilte Registrierschein – eine revisionsgerichtlich bisher nicht beantwortete fallübergreifende Problematik besteht. Sie setzt sich weder mit den Ausführungen des Berufungsurteils auseinander noch erörtert sie, welche rechtsgrundsätzliche Frage sich hier hinsichtlich des Verteilungs- und Zuweisungsverfahrens nach § 8 BVFG stellt. Auch das Beschwerdevorbringen zum Revisionszulassungsgrund der Divergenz führt insoweit nicht weiter. Die Beschwerde meint, die Berücksichtigung familiärer Belange bei der Entscheidung gemäß § 8 Abs. 4 BVFG zwinge zu der Annahme, die familiäre Verbundenheit müsse der wesentliche Grund für die Aufnahme der Kläger gewesen sein. Damit greift sie allenfalls die Rechtsanwendung des Berufungsgerichts an, was indes die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen kann. Im übrigen befaßt sich die Beschwerde auch in diesem Zusammenhang nicht mit der Erwägung des Berufungsurteils, daß die Verteilungsentscheidung keinen Rückschluß auf das Verständnis des Aufnahmebescheids zuläßt.

Weiter hat sich die Beschwerde nicht hinreichend damit auseinandergesetzt, daß die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage nur den Kreis der Aussiedler betrifft, die unter der Geltung des am 1. Juli 1990 in Kraft getretenen Aussiedleraufnahmegesetzes im Wege des Aufnahmeverfahrens vor dem 1. Januar 1993 die in § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG genannten Gebiete verlassen haben. Die Aufnahme von Ehegatten und Abkömmlingen deutscher Volkszugehöriger, die nach dem 31. Dezember 1992 die Vertreibungsgebiete verlassen (Spätaussiedler i.S. von § 4 BVFG), ist durch das Kriegsfolgenbereinigungsgesetz neu gestaltet worden (vgl. § 4 Abs. 3, § 7 Abs. 2, § 8 Abs. 1, § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG; vgl. hierzu und zum folgenden auch die Beschlüsse vom 17. Juli 1998 – BVerwG 1 B 68.98 – sowie vom 17. August 1999 und 28. Oktober 1999 – BVerwG 1 B 47.99 –). Für Aussiedler im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG finden zwar die vor dem 1. Januar 1993 geltenden Vorschriften nach der Übergangsvorschrift des § 100 BVFG mit bestimmten Maßgaben weiterhin Anwendung (vgl. Urteil vom 16. Februar 1993 – BVerwG 9 C 25.92 – BVerwGE 92, 70 ≪72 f.≫ = Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 70 S. 72). Im Hinblick auf den durch die Stichtagsregelung abgeschlossenen Personenkreis der Aussiedler handelt es sich bei den hier heranzuziehenden Vorschriften des Aussiedleraufnahmegesetzes und des § 94 BVFG a.F. aber um auslaufendes Recht. Daran ändert auch die für Altfälle geltende Übergangsvorschrift des § 40 a StAG nichts, die das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 116 Abs. 1 GG erfordert. Mit anderen Worten sind Fragen zum Tatbestandsmerkmal des Art. 116 Abs. 1 GG „Aufnahme gefunden”, die nach auslaufendem Recht zu beantworten sind und deshalb die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen, nach Inkrafttreten des § 40 a StAG revisionszulassungsrechtlich nicht anders zu beurteilen als zuvor. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Rechtsfragen bei auslaufendem Recht trotz anhängiger Fälle regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung, da die Zulassungsvorschrift des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nur eine für die Zukunft geltende Klärung herbeiführen soll (Beschluß vom 20. September 1995 – BVerwG 6 B 11.95 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 6 m.w.N.). Von dieser Regel sind zwar Ausnahmen anerkannt, doch läßt sich dem Beschwerdevorbringen nicht entnehmen, daß hier eine solche Ausnahme vorliegt. Es ist nicht erkennbar, daß die Klärung der genannten Fragen für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft Bedeutung haben könnte (vgl. Beschluß vom 22. September 1995, a.a.O., m.w.N.); die Aufnahmeverfahren unter der Geltung des Aussiedleraufnahmegesetzes sind abgeschlossen. Es ist nicht einmal dargetan und ersichtlich, daß die Klärung auch nur für eine erhebliche Anzahl von Fällen bedeutsam wäre (vgl. Beschluß vom 27. Februar 1997 – BVerwG 5 B 155.96 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 15). Die von der Beschwerde insoweit gemachten Angaben lassen keinen konkreten Bezug zu dem Personenkreis erkennen, für den die aufgeworfene Frage erheblich sein soll. Die Beschwerde unterscheidet bei ihren Zahlenangaben und bei der Wiedergabe von Gerichtsentscheidungen nicht in der gebotenen Weise nach dem jeweils anwendbaren Recht.

b) Die Beschwerde rügt ferner eine Abweichung von der Rechtsprechung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO. Eine die Zulassung der Revision rechtfertigende Divergenz im Sinne der vorgenannten Vorschrift liegt nur vor, wenn das Berufungsgericht mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der Rechtsprechung der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abgerückt ist. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt in diesem Zusammenhang, daß in der Beschwerdebegründung ausgeführt wird, daß und inwiefern das Berufungsgericht seine Entscheidung auf einen in der genannten Weise widersprechenden Rechtssatz gestützt hat. Daran fehlt es.

Die Beschwerde macht geltend, das Berufungsurteil weiche von dem bereits erwähnten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Mai 1992 (a.a.O.) ab und beruhe auf dieser Abweichung. Das Bundesverwaltungsgericht habe dort entschieden, daß ein Abkömmling eines Vertriebenen deutscher Volkszugehörigkeit dann Deutscher i.S. des Art. 116 Abs. 1 GG geworden sei, wenn die familiäre Verbundenheit den wesentlichen Grund der Aufnahme bilde. Das Berufungsgericht nehme an, daß dieses Urteil unberücksichtigt bleiben müsse, weil die Voraussetzungen für eine Einbeziehung der Klägerin in das Verteilungsverfahren als Spätaussiedler überprüft und bejaht worden seien. Das Berufungsgericht gehe also in Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur dann von einem nachgewiesenen Kausalzusammenhang aus, wenn die Spätaussiedlereigenschaft oder die Eigenschaft als Spätaussiedler und deutscher Volkszugehöriger nicht geprüft worden sei. Es verkenne dabei, daß Abkömmlinge eines deutschen Volkszugehörigen beziehungsweise eines Vertriebenen deutscher Volkszugehörigkeit sowohl den einen als auch den anderen Status haben könnten.

Dieses und das weitere Vorbringen der Beschwerde entspricht nicht den erwähnten Darlegungsanforderungen. Die Beschwerde stellt dem zitierten Rechtssatz Rechtsausführungen des Berufungsgerichts gegenüber, die keinen abweichenden abstrakten Rechtssatz enthalten. Das Berufungsgericht hat im übrigen das erwähnte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Mai 1992 ausdrücklich seinen Ausführungen zugrunde gelegt.

Entsprechendes gilt, soweit die Beschwerde geltend macht, daß, während das Bundesverwaltungsgericht „ein irgendwie geartetes Verhalten einer Behörde”, das als Grundlage die familiäre Verbundenheit habe, als Aufnahmefinden ansehe, das Berufungsgericht darüber hinaus den Erlaß eines Verwaltungsakts darüber verlange, daß aufgrund der familiären Verbundenheit Aufnahme gefunden werde. Insoweit fehlt es auch an den erforderlichen näheren Ausführungen, welche Darlegungen des Berufungsgerichts gemeint sind.

c) Die Beschwerde macht weiter geltend, das Berufungsurteil könne auf einem Verfahrensmangel beruhen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Der Kläger (richtig: die Klägerin) habe zum Beweis der Tatsachen, die als Grundlage der Aufnahme gedient hätten, substantiierte Beweisanträge gestellt. Ihr sei insoweit rechtliches Gehör zu gewähren gewesen.

Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet die Gerichte, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidung zu berücksichtigen. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung kann aber nur festgestellt werden, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich ergeben, daß dies nicht geschehen ist. Solche Umstände zeigt die Beschwerde nicht auf.

Auch wenn man die Beschwerde dahin versteht, daß insoweit ein Aufklärungsmangel gerügt werden soll, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Mit der Aufklärungsrüge muß dargetan werden, welche Beweise angetreten worden sind oder welche Ermittlungen sich dem Berufungsgericht von seiner materiellen Rechtsauffassung aus hätten aufdrängen müssen, welche Beweismittel in Betracht gekommen wären, welches Ergebnis eine Beweisaufnahme mutmaßlich gehabt hätte und inwiefern dieses Ergebnis zu einer günstigeren Entscheidung hätte führen können. Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Die Beschwerde macht geltend, daß man auch nach der Rechtsprechung des Berufungsgerichts nur zu dem Ergebnis hätte kommen können, daß die Aufnahme kausal auf der familiären Verbundenheit beruhe, wenn durch die Einholung einer Stellungnahme des Bundesverwaltungsamts, das die Registrierung vorgenommen habe und die damals aufnehmende Behörde gewesen sei, festgestellt worden sei, daß die familiäre Verbundenheit der „überwiegende Aufnahmegrund in die Nähe der Eltern” gewesen sei. Damit und mit ihrem weiteren Vorbringen hat die Beschwerde einen Aufklärungsmangel nicht dargetan. Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, daß der Umstand, daß das Bundesverwaltungsamt die Klägerin maßgeblich deshalb in den Aufnahmebescheid vom 13. Februar 1991 einbezogen habe, weil es sie für eine Vertriebene deutscher Volkszugehörigkeit gehalten habe, aus dem Aufnahmebescheid selbst und den vorangegangenen Verwaltungsverfahren hinreichend deutlich werde. Es hat – bezogen auf seine materielle Rechtsauffassung ohne Verfahrensfehler – dargelegt, der in Rede stehende Beweisantrag lasse nicht erkennen, welche darüber hinausgehenden, nicht aktenkundigen Erkenntnisse eine schriftliche Stellungnahme des Bundesverwaltungsamts erbringen könne; auf etwaige Absichten und Motive des damaligen Sachbearbeiters komme es nicht an, denn maßgeblich sei allein, was eine am „Empfängerhorizont” orientierte objektive Auslegung der behördlichen Erklärung ergebe.

Die Beschwerde zeigt auch nicht auf, daß das Berufungsgericht gegen seine Aufklärungspflicht verstoßen hat, indem es den Vater nicht als Zeugen vernommen hat. Das Berufungsgericht hat – wiederum bezogen auf seine materielle Rechtsauffassung verfahrensfehlerfrei – dargelegt, daß maßgeblich allein der erklärte Wille der Behörde sei; insoweit könne der Vater der Klägerin offensichtlich keine relevanten Kenntnisse beisteuern.

d) Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, §§ 159, 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 25 Abs. 2, § 13 Abs. 1 GKG (vgl. Beschluß vom 14. März 1997 – BVerwG 1 B 234.96 – Buchholz 360 § 13 GKG Nr. 93) in Verbindung mit einer entsprechenden Anwendung des § 5 ZPO.

 

Unterschriften

Gielen, Mallmann, Gerhardt

 

Fundstellen

Dokument-Index HI565809

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