Tenor
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die Plangenehmigung der Antragsgegnerin vom 12. April 2000 wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 50 000 DM festgesetzt.
Gründe
A.
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Anfechtungsklage gegen die Plangenehmigung des Eisenbahn-Bundesamtes vom 12. April 2000 für den Bau einer Funksystem-Basisstation im Bahnhof Dresden-Neustadt. Mit ihrer Klage macht sie geltend, für die Erteilung dieser Genehmigung sei gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 BauGB ihr Einvernehmen erforderlich gewesen, das sie ausdrücklich verweigert habe. Jedenfalls sei die Plangenehmigung abwägungsfehlerhaft, da die Antragsgegnerin den Belang der Antragstellerin, eine Beeinträchtigung ihres Ortsbildes durch den geplanten Funkmast zu vermeiden, nur unzulänglich in die planungsrechtliche Abwägung eingestellt habe.
B.
Der Antrag ist zulässig, jedoch unbegründet. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Plangenehmigung, das Grundlage des in § 5 Abs. 2 Satz 1 VerkPBG geregelten Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage ist, überwiegt das Interesse der Antragstellerin an der Beibehaltung des bisherigen Zustandes bis zur endgültigen Entscheidung über ihre Klage.
Bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ergibt sich, dass die Erfolgsaussichten der Klage nur gering sein dürften.
1. Dass die angefochtene Plangenehmigung an einem Verfahrensfehler leidet, der ihre Aufhebung auf die Klage der Antragstellerin hin rechtfertigen könnte, ist nach dem derzeitigen Erkenntnisstand unwahrscheinlich. Das in § 18 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AEG vorgeschriebene Benehmen mit der Antragstellerin, das im Gegensatz zum Einvernehmen keine Willensübereinstimmung erfordert (vgl. BVerwGE 92, 258 ≪262≫ zu § 9 BNatSchG), wurde hergestellt. Das Einvernehmen der Antragstellerin wäre gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 BauGB nur erforderlich gewesen, wenn die Anwendung dieser Vorschrift nicht durch § 38 Satz 1 BauGB ausgeschlossen war. Dies ist der Fall, wenn das Plangenehmigungsverfahren, das gemäß § 18 Abs. 2 Satz 2 AEG bei Erteilung der Plangenehmigung die Rechtswirkungen der Planfeststellung auslöst, ein Vorhaben von überörtlicher Bedeutung betraf. Überwiegendes spricht dafür, dass das hier in Rede stehende Vorhaben nicht des Einvernehmens der Gemeinde bedarf, weil es überörtliche Bedeutung hat.
Nach der bis Ende 1997 geltenden Fassung des § 38 BauGB wäre das nach bundesrechtlichem Fachplanungsrecht genehmigte Vorhaben gemäß Satz 1 der Bestimmung generell aus dem Anwendungsbereich der §§ 29 bis 37 BauGB ausgenommen gewesen. Zu dem – hier nicht einschlägigen – damaligen Satz 2 des § 38 BauGB, wonach u.a. bei Planfeststellungsverfahren „für überörtliche Planungen” auf den Gebieten des Verkehrs-, Wege- und Wasserrechts nach landesrechtlichen Vorschriften die §§ 29 ff. BauGB keine Anwendung fanden, hatte das Bundesverwaltungsgericht zunächst darauf abgestellt, ob der überörtliche Träger der Planungshoheit nach den für ihn maßgeblichen Planungsgesetzen die Aufgabe und die Befugnis habe, Planungen von überörtlicher Bedeutung mit Verbindlichkeit auch für die Ortsplanung zu erlassen; sei dies zu bejahen, dann handele es sich bei seinen Planfeststellungsbeschlüssen um eine überörtliche Planung auch dann, wenn sie im konkreten Fall über das Gebiet einer Gemeinde nicht hinausreiche (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. April 1981 – BVerwG 4 C 11.79 – Buchholz 406.11 § 38 BBauG Nr. 1 S. 4 f.). Hiervon abweichend stellte das Gericht später darauf ab, ob die in Rede stehende Planung die städtebauliche Steuerungsfunktion der Gemeinde angesichts „überörtlicher” und damit raumbedeutsamer Bezüge voraussichtlich überfordere; das sei jedenfalls regelmäßig dann anzunehmen, wenn das Vorhaben das Gebiet von zumindest zwei Gemeinden tatsächlich berühre (vgl. BVerwGE 79, 318 ≪320 f.≫).
Zu der Neufassung des § 38 BauGB durch das Bau- und Raumordnungsgesetz vom 18. August 1997 (BGBl I S. 2081), wonach nicht mehr zwischen bundesrechtlich und landesrechtlich geregelten Planungsverfahren unterschieden wird und wonach es nicht mehr auf die Überörtlichkeit der Planung, sondern auf die überörtliche Bedeutung des Vorhabens ankommt, liegt Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts noch nicht vor. Der veränderte Wortlaut spricht allerdings dafür, nicht mehr auf die voraussichtliche planerische Kraft der im Einzelfall betroffenen Gemeinde abzustellen, sondern überörtliche Bezüge eines Vorhabens für die Zuerkennung des in § 38 BauGB zum Ausdruck gebrachten grundsätzlichen Vorrangs der Fachplanung gegenüber der Planungshoheit der Gemeinde generell ausreichen zu lassen. Solche überörtlichen Bezüge sind bei dem Bau von Betriebsanlagen der Eisenbahn in der Regel gegeben. Diese Auslegung entspräche auch der Entstehungsgeschichte des Bau- und Raumordnungsgesetzes, die nicht erkennen lässt, dass der Gesetzgeber den bis dahin geltenden Ausschluss der Notwendigkeit des Einvernehmens der Gemeinde bei nach § 18 AEG planfeststellungs- bzw. plangenehmigungsbedürftigen Vorhaben bewusst ändern wollte (vgl. BTDrucks 13/6392, S. 60 f.). Auch im rechtswissenschaftlichen Schrifttum wird für die Abgrenzung zwischen örtlicher und überörtlicher Fachplanung nach der Neufassung des § 38 BauGB eine typisierende Betrachtungsweise bevorzugt, wonach die durch ein Fachplanungsgesetz begründete nicht-gemeindliche, überörtliche Planungszuständigkeit die überörtliche Bedeutung des Vorhabens indiziert (vgl. Gaentzsch in: NVwZ 1998, S. 889 ≪896≫; Schmaltz in: Schrödter, BauGB, 6. Aufl. 1998, § 38 Rn. 7; Dippel in: NVwZ 1999, S. 921 ≪926≫; Runkel in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Februar 2000, § 38 Rn. 33).
Das hier genehmigte Vorhaben weist durch seine Einbettung in ein überregionales Eisenbahn-Funknetz, das die Errichtung von Basisstationen nach technisch in bestimmter Weise vorgegebenen, auch die räumliche Zuordnung zueinander und zu den Gleisen betreffenden Kriterien erfordert, überörtliche Bezüge auf, die es zumindest nahe legen, ihm überörtliche Bedeutung beizumessen. Darauf, dass die Ausführung des konkret genehmigten Vorhabens sich auf das Gebiet der Antragstellerin beschränkt, kann es dagegen sinnvollerweise nicht ankommen.
2. Eine Verletzung des materiellen Rechts, die einen Anspruch der Antragstellerin auf Aufhebung der angefochtenen Plangenehmigung begründen könnte, lässt sich dem Antragsvorbringen nicht entnehmen. Dieses weist insbesondere nicht auf Mängel bei der durch § 18 Abs. 1 Satz 2 AEG gebotenen Abwägung hin, die gemäß § 20 Abs. 7 Satz 1 AEG erheblich – also offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen – sind und nicht durch schlichte Planergänzung behoben werden können.
Im Rahmen ihrer Beteiligung am Verwaltungsverfahren hatte die Antragstellerin insoweit nur pauschal geltend gemacht, der geplante Funkmast am vorgesehenen Standort beeinträchtige das Ortsbild, und vorgeschlagen, die Nutzung des bestehenden Schornsteins des ehemaligen Lokschuppens an der Rückseite des Bahnhofs zu prüfen. In der Plangenehmigung wurde hierzu im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Die vorhandene bahneigene bauliche Infrastruktur sei hinsichtlich der Eignung für die Errichtung der Basisstation geprüft worden. Die Gebäude in unmittelbarer Gleisnähe, nämlich Empfangsgebäude und Halle des Bahnhofs, ständen unter Denkmalschutz; außerdem seien daran umfangreiche Sanierungsarbeiten geplant, die den geforderten unterbrechungsfreien Betrieb einer Basisstation unmöglich machten. Der Eigentümer des vorgeschlagenen Schornsteins habe der Nutzung für eine Antenneninstallation nicht zugestimmt. Der Schornstein sei nicht für eine mehr als 20-jährige Nutzung durch die Beigeladene verfügbar. Deshalb gebe es zum geplanten Standort keine Alternative.
Hierzu hat die Antragstellerin im gerichtlichen Verfahren lediglich vorgetragen, dass die angeblich geringere Nutzungsdauer des Schornsteins durch Sanierungsmaßnahmen jederzeit verlängert werden könne. Insoweit weist die Antragsgegnerin jedoch zu Recht darauf hin, dass der bauliche Zustand des Schornsteins ein unwägbares Risiko darstelle. Ein offensichtlicher Abwägungsmangel lässt sich insoweit unter diesen Umständen nicht feststellen. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass die von der Antragstellerin geltend gemachten städtebaulichen Belange nicht angemessen berücksichtigt wurden. Dass die Antragsgegnerin sich in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen Belangs entschieden hat, stellt als solches keinen Abwägungsmangel dar (vgl. BVerwGE 48, 56 ≪64≫; stRspr).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 13 Abs. 1 Satz 1, § 20 Abs. 3 GKG (vgl. Nrn. I.7, II.33.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit ≪NVwZ 1996, S. 563 ff.≫).
Unterschriften
Hien, Dr. Storost, Kipp
Fundstellen