Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrenskonzentration. Konzentrationsmaxime. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Bergwerkseigentum. Bodenschätze
Leitsatz (amtlich)
Die Anhörungsbehörde ist nicht befugt, die gesetzliche Auslegungs- und Einwendungsfrist des § 17 Abs. 4 FStrG abweichend zu bestimmen. Wer auf eine derart fehlerhaft zugestandene Fristverlängerung vertraut, kann gemäß § 32 VwVfG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erhalten. Nach Erlaß des Planfeststellungsbeschlusses ist ein derart Betroffener im gerichtlichen Verfahren so zu stellen, wie er mit seinen verspäteten Einwendungen stünde, wenn er nicht präkludiert wäre.
Die Planfeststellungsbehörde ist nach § 75 Abs. 5 Satz 1 VwVfG auch befugt, etwa erforderliche bergrechtliche Entscheidungen zu treffen.
§ 124 Abs. 3 BBergG begründet für den Fall, daß der gleichzeitige Betrieb einer öffentlichen Verkehrsanlage und eines bergrechtlichen Gewinnungsbetriebes ohne eine wesentliche Beeinträchtigung der öffentlichen Verkehrsanlage ausgeschlossen ist, den Vorrang der Errichtung, Erweiterung, wesentlichen Änderung und des Betriebes der öffentlichen Verkehrsanlage vor der Gewinnung von Bodenschätzen, es sei denn, daß das öffentliche Interesse an der Gewinnung der Bodenschätze überwiegt.
Die Verwirklichung des in § 124 Abs. 3 BBergG enthaltenen Vorranges löst als solche keine Entschädigungspflicht aus. Die Regelung verstößt nicht gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG.
Normenkette
VwVfG §§ 32, 75 Abs. 1 S. 1; FStrG § 17 Abs. 4 n.F.; BBergG § 48 Abs. 1, §§ 108, 124 Abs. 3; GG Art. 14 Abs. 1 S. 1
Tenor
Die Klage gegen den Planfeststellungsbeschluß des Beklagten vom 16. Dezember 1997 (Bundesautobahn BAB 38 – Streckenabschnitt Wallhausen – Sangerhausen) wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Klageverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Klageverfahren auf 1 250 000 DM bestimmt.
Tatbestand
I.
Die Klägerin ist Eigentümerin des Bergwerkseigentums im Bergwerksfeld „Wallhausen” (Sachsen-Anhalt). Sie wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluß des Regierungspräsidiums Halle vom 16. Dezember 1997. Mit diesem Beschluß wird der Plan der projektierten Bundesautobahn BAB 38 für den Streckenabschnitt Wallhausen – Sangerhausen auf dem Gebiet der Gemeinden Wallhausen, Brücken, Martinsrieth und Oberröblingen sowie der Stadt Sangerhausen festgestellt. Die projektierte Trasse durchschneidet das Gelände, für welches das klägerische Bergwerkseigentum besteht.
Die Klägerin hat am 14. Januar 1998 Klage erhoben. Mit ihr macht sie die Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses geltend. Dazu trägt sie im wesentlichen vor:
Sie habe das Bergwerkseigentum im September 1993 erworben. Es sei alsbald das für den Abbau erforderliche Raumordnungsverfahren beantragt worden. Am 27. Juni 1997 habe sie dem Bergamt Halle den ersten Hauptbetriebsplan für den Kiessandtageabbau Wallhausen vorgelegt. Der Betriebsplan sei am 5. November 1997 zugelassen worden. Die Verwirklichung des planfestgestellten Vorhabens werde zu ganz erheblichen Verlusten führen, da der Abbau vorhandener Kiese und Kiessande ausgeschlossen werde. Es sei von einem Flächenverlust innerhalb des Bergwerkfeldes von etwa 54 ha auszugehen. Sie müsse von einem Verlust an verwertbaren Lagerstättenvorräten von etwa 1 990 700 t ausgehen. Das entspreche einem Ertragswert von 3 769 000 DM. Ihr Bemühen, einen anderen Trassenverlauf zu erreichen, sei erfolglos geblieben. Die Zahlung einer Entschädigung sei unter Hinweis auf § 124 Abs. 4 BBergG abgelehnt worden.
Der angegriffene Planfeststellungsbeschluß sei rechtswidrig. Er sei abwägungsfehlerhaft zustande gekommen. Die Planfeststellungsbehörde habe die Belange der Klägerin nicht hinreichend berücksichtigt. Ein anderer Trassenverlauf sei durchaus möglich gewesen. Die Planfeststellungsbehörde habe sich mit dem klägerischen Vorschlag, die Trasse im Bereich des Bergwerkseigentums um 400 m bis 500 m zu verschieben, nicht auseinandergesetzt. Die geltend gemachte Hochwertigkeit des Abbaugutes sei – auch entgegen gesetzlichen Vorgaben – nicht berücksichtigt worden. Das gelte insbesondere für die sog. Rohstoffsicherungsklausel des § 48 Abs. 1 BBergG. Aus § 124 Abs. 1 BBergG ergebe sich zudem eine Abwägungsdirektive. Auch dies habe die Planfeststellungsbehörde nicht beachtet.
Das Verfahren der Planfeststellung leide außerdem an rechtlichen Mängeln. Die Planfeststellungsbehörde habe fachbehördliche Äußerungen des Bergamtes Halle/Staßfurt nicht berücksichtigt. Das Bergamt habe mitgeteilt, daß ein Bergbauschutzgebiet nach dem Bergrecht der DDR vorhanden sei. Dieses gelte auf der Grundlage des Einigungsvertrages fort. Die Planfeststellungsbehörde sei nicht befugt gewesen, sich über diese fachbehördliche Stellungnahme hinwegzusetzen (vgl. §§ 69, 108 BBergG). Die Konzentrationswirkung des § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG LSA lasse nämlich die nach § 108 BBergG gegebene Zuständigkeit der Bergamtes unberührt. Ferner sei die Sachverhaltsermittlung der Planfeststellungsbehörde unzureichend gewesen. Die Behörde habe nicht hinreichend berücksichtigt, daß sie, die Klägerin, sich seit 1993 bei dem Regierungspräsidium Halle um ein bergrechtliches Planfeststellungsverfahren bemüht habe. Sie habe damit zu erkennen gegeben, daß sie beabsichtigte, alsbald das erworbene Bergwerkseigentum zu verwerten.
Die Klägerin beantragt,
den Planfeststellungsbeschluß des Regierungspräsidiums Halle vom 16. Dezember 1997 für den geplanten Neubau der Bundesautobahn A 38, Abschnitt Wallhausen – Sangerhausen, Bau-km 17+050 bis 25+640 in den Gemeinden Wallhausen, Brücken, Martinsrieth und Oberröblingen sowie der Stadt Sangerhausen aufzuheben,
hilfsweise den Planfeststellungsbeschluß insoweit aufzuheben, als durch ihn das Bergwerkseigentum der Klägerin im Bergwerksfeld „Wallhausen” durch die im Planfeststellungsbeschluß vorgesehene Autobahntrasse der planfestgestellten A 38 beeinträchtigt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er führt im wesentlichen aus: Der Planfeststellungsbeschluß sei rechtmäßig. Abwägungsfehler bestünden nicht. Die Belange der Klägerin seien berücksichtigt worden. Zu deren Gunsten habe man eine weitere Trassenvariante entwickelt. Konkrete Vorschläge für Trassenvarianten habe die Klägerin nicht dargelegt. Die Forderung nach einer Trassenverschiebung um etwa 400 m bis 500 m werde erstmals mit der Klage vortragen. Das Vorbringen sei als verspätet anzusehen. Einer Verschiebung stünden – wie ergänzend dargelegt wird – andere Belange entgegen.
Der Oberbundesanwalt hat sich eine Beteiligung am Verfahren vorbehalten.
Das Gericht hat mit Beschluß vom 14. Mai 1998 – BVerwG 4 VR 1.98 – einen Antrag der Klägerin auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
II.
1. Das Gericht macht von der ihm durch § 84 VwGO eröffneten Möglichkeit Gebrauch, über die Klage durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Der Streitfall weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf. Die Beteiligten sind vorher gehört worden.
2. Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig. Die Klägerin wird durch den angegriffenen Planfeststellungsbeschluß beschwert. Den von ihr im Anhörungsverfahren erhobenen Einwendungen ist nicht in vollem Umfange Rechnung getragen worden (vgl. PFB S. 67 ff.).
3. Die Klage ist im Haupt- und Hilfsantrag nicht begründet. Der Planfeststellungsbeschluß von 16. Dezember 1997 leidet unter keinen verfahrensrechtlichen oder inhaltlichen Fehlern, welche die Klägerin im Klageverfahren geltend machen kann.
3.1 Ein durchgreifender Verfahrensfehler besteht nicht. Die Planfeststellungsbehörde war gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG LSA befugt, eine umfassende Entscheidung zu treffen. Das folgt aus der Verfahrenskonzentration, welche der Gesetzgeber anordnet. Danach ist die Planfeststellungsbehörde die „zuständige Behörde” im Sinne der formellen Konzentration der behördlichen Zuständigkeiten (vgl. BVerwG, Beschluß vom 26. Juni 1992 – BVerwG 4 B 1-11.92 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 89 S. 93). Die Planfeststellungsbehörde war demgemäß auch befugt, etwa erforderliche bergrechtliche Entscheidungen zu treffen. Daran war sie insbesondere nicht durch § 108 BBergG gehindert. Eine Zustimmung des Bergamtes war nicht erforderlich (vgl. BVerwG, Beschluß vom 14. Oktober 1996 – BVerwG 4 VR 14.96 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 123). Der Bundesgesetzgeber hat in § 108 BBergG keinen Vorbehalt zugunsten der zuständigen Bergbehörde festgelegt, wie dies etwa in § 14 Abs. 3 Halbsatz 1 WHG zugunsten der Wasserbehörden geschehen ist. Im Hinblick auf das zeitlich frühere und wortgleiche Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes hätte hierfür indes Anlaß bestanden, wenn der Bundesgesetzgeber die Zuständigkeit des Bergamtes von der verfahrensrechtlichen Konzentrationswirkung des § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG (Bund) hätte ausnehmen wollen.
3.2 Auch ein inhaltlicher Fehler ist nicht ersichtlich. Das Gericht prüft hierzu lediglich das Klagevorbringen. Dieses ergibt nicht, daß der Planfeststellungsbeschluß auf einem Abwägungsfehler beruhen könnte.
3.2.1 Die Klägerin ist allerdings entgegen der Annahme des Beklagten nicht mit ihrem Vorbringen gemäß § 17 Abs. 4 FStrG präkludiert. Richtig ist, daß die Klägerin im Verfahren der Planfeststellung keine konkreten Einwendungen erhoben hat. Sie hat sich sowohl in ihrem Schreiben vom 14. Juni 1996 als auch in dem dort in Bezug genommenen Schreiben vom 7. Januar 1994 nur sehr allgemein dagegen gewandt, daß die projektierte Trasse ihr Bergwerkseigentum in erheblicher Weise beeinträchtigen werde. In eine nähere Erörterung eines anderen Trassenverlaufs ist sie hierbei nicht eingetreten. Daraus erwächst der Klägerin indes kein Nachteil. Der Planfeststellungsbehörde ist nämlich im Auslegungsverfahren ein Fehler unterlaufen. Sie hat mit Schreiben vom 23. Mai 1996 der Klägerin unter Fristsetzung nach § 17 Abs. 3 b FStrG die Möglichkeit eingeräumt, eine Stellungnahme abzugeben. Das war unzutreffend, da die Klägerin keine Behörde oder anderweitig eine Trägerin öffentlicher Belange ist. Die Anhörungsbehörde war auch nicht befugt, über die gesetzliche Auslegungs- und Einwendungsfrist abweichend von § 17 Abs. 4 FStrG zu bestimmen. Die Einwendungsfrist besitzt materiellrechtlichen Charakter. Sie steht nicht zur Disposition der Anhörungsbehörde (BVerwG, Urteil vom 24. Mai 1996 – BVerwG 4 A 38.95 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 119 = DVBl 1997, 51; Beschluß vom 17. Februar 1997 – BVerwG 4 VR 17.96 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 127 = LKV 1997, 328). Galt demgemäß objektiv für die Klägerin die allgemeine Auslegungs- und Einwendungsfrist des § 17 Abs. 4 FStrG, so hat sie innerhalb dieser Frist konkrete Einwendungen – die über die genannten Schreiben hinausgingen – nicht erhoben. Die maßgebliche Frist endete nach Wiederholung der Auslegung am 8. Juli 1996. Die Auslegung und die Einwendungsmöglichkeit mit dem Hinweis der Präklusion ist ortsüblich bekanntgemacht worden.
Aus der Fristversäumnis erwächst der Klägerin nicht der Nachteil der Präklusion. Zugunsten der Klägerin gilt § 32 VwVfG LSA. Ihr wäre wegen Versäumnis der Einwendungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Mai 1996 – BVerwG 4 A 38.95 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 119 = DVBl 1997, 51). Die Fristversäumnis war unverschuldet. Die Klägerin hat auf die inhaltliche Richtigkeit des behördlichen Schreibens vom 23. Mai 1996 vertrauen dürfen. Dieses Schreiben enthielt keinen Hinweis auf eine Präklusion im Sinne des § 17 Abs. 4 Satz 1 FStrG. Zwar kann der Klägerin eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht unmittelbar gewährt werden, nachdem der Planfeststellungsbeschluß erlassen wurde. Das mag in seinen Einzelheiten indes dahinstehen. Jedenfalls ist die Klägerin im gerichtlichen Verfahren hinsichtlich ihres rechtzeitigen Klagevorbringens so zu stellen, wie sie mit ihrem Vorbringen stünde, wenn sie nicht formal präkludiert wäre. Insoweit ist dieses Vorbringen im gerichtlichen Verfahren dahin zu prüfen, ob es einen Abwägungsfehler aufzuzeigen vermag. Das ist zu verneinen:
3.2.2 Das Klagevorbringen weist einen rechtserheblichen Abwägungsmangel nicht auf. Die Planfeststellungsbehörde hat die Belange der Klägerin in jeder Hinsicht gesehen und in ihre Abwägung eingestellt. Das ergibt zum einen die Begründung des Planfeststellungsbeschlusses selbst. Dies ergibt sich zum anderen aber auch aus dem von der Klägerin vorgetragenen Inhalt des Anhörungsverfahrens.
3.2.2.1 Die Planfeststellungsbehörde hat Trassenvarianten ausführlich geprüft (vgl. PFB S. 34 ff.). Sie hat dabei insbesondere die Erörterung von Trassenvarianten aus der landespflegerischen Beurteilung vom 15. Dezember 1994 in ihre planerischen Erwägungen eingestellt. In dem Verfahren der landespflegerischen Beurteilung war die Klägerin beteiligt. Die Planfeststellungsbehörde hat auch gesehen, daß der erwogene Trassenverlauf die Rohstoffgewinnung beeinträchtigen werde (vgl. PFB S. 36). Einen Ausschluß jeder Beeinträchtigung hat sie allerdings für nicht möglich gehalten.
Das klägerische Vorbringen, das sich für eine Verschiebung der projektierten Trasse um 400 m bis 500 m ausspricht, ist im Hinblick auf die vorhandenen planerischen Erwägungen nicht geeignet, – für sich genommen – einen Abwägungsfehler aufzuweisen. Daß eine Trassenverschiebung für die Klägerin in ökonomischer Sicht günstig wäre, ist nicht zweifelhaft. Dies hat die Klägerin ausführlich dargelegt. Das war der Planfeststellungsbehörde jedoch auch in den Einzelheiten bekannt. Das ergibt sich unter anderem aus dem Schreiben des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin an die Planfeststellungsbehörde vom 6. November 1996. In diesem Schreiben wird näher dargelegt, in welchem Umfang der geplante Bau der Bundesautobahn die vorhandenen Lagervorräte blockieren werde. In dem genannten Schreiben führt die Klägerin dieselben Folgen an, die sie mit der Klage vorbringt. Danach steht fest, daß von einem Ermittlungsfehler zu Lasten der Klägerin nicht ausgegangen werden kann.
Die Beklagte vermag übrigens in ihrer Klageerwiderung auch einleuchtende Gründe dafür anzuführen, weshalb eine der Klägerin günstigere Trassenführung zu einer Benachteiligung anderer gewichtiger Belange führen müßte. Dazu wird die Nähe der Gemeinde Wallhausen oder dort vorhandener Wohngebiete genannt. Diese Erwägung ist im Hinblick auf das Trennungsprinzip des § 50 BImSchG grundsätzlich berechtigt. Das gilt unabhängig von einer näheren Festlegung des Lärmschutzes nach den Vorschriften der Verkehrslärmschutzverordnung vom 12. Juni 1990 (BGBl I S. 1036).
3.2.2.2 Die Planfeststellungsbehörde hat ferner geprüft, ob die Hochwertigkeit der Lagerstätte zu einer anderen Abwägung hinsichtlich des Trassenverlaufs zwinge. Das hat sie verneint. Die Klägerin kann mithin nicht geltend machen, die Planfeststellungsbehörde sei der Frage der Rohstoffsicherung nicht nachgegangen. Die Planfeststellungsbehörde hat auch die besondere Bedeutung dieser Klausel gesehen. Das entspricht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juli 1986 – BVerwG 4 C 31.84 – BVerwGE 74, 315 ≪318≫; vgl. auch Urteil vom 14. Dezember 1990 – BVerwG 7 C 5.90 – BVerwGE 87, 241 ≪250 ff.≫). § 48 Abs. 1 Satz 2 BBergG enthält allerdings keine „absolute” Vorrangregelung (vgl. BVerwG, Beschluß vom 25. August 1995 – BVerwG 4 B 191.95 – Buchholz 406.27 § 48 BBergG Nr. 5 = NVwZ-RR 1996, 140 = ZfB 136, 276). Die Vorschrift will im gesamtwirtschaftlichen Interesse die heimische Rohstoffversorgung sicherstellen. Erst daraus begründet sich eine gesetzgeberische Bewertungsvorgabe. Auch dies hat die Planfeststellungsbehörde nicht verkannt.
Allerdings sind die Beteiligten unterschiedlicher Auffassung, wie das klägerische Bergwerkseigentum in tatsächlicher Hinsicht zu bewerten sei. Die Planfeststellungsbehörde beurteilt das Vorkommen nicht als so bedeutsam, daß es – etwa im Sinne des § 48 Abs. 1 BBergG – für den Staat existentielle Bedeutung habe. Das öffentliche Interesse werde durch das Unterbleiben des Kiesabbaues nicht beeinträchtigt. Dem tritt die Klägerin in ihrer Klage entgegen. Indes ist ihr Vorbringen nur von allgemeiner Art. Auch aus dem vorgelegten Gutachten des Sachverständigen Dr.-Ing. Dorstewitz vom 25. November 1996 läßt sich nicht entnehmen, daß die Planfeststellungsbehörde in ihrer Beurteilung hinsichtlich der Wertigkeit des Vorkommens von unzutreffenden Tatsachen ausgegangen ist. Der klägerische Sachverständige hat dargelegt, daß der Nutzungshorizont von sandigen Kiesen bis zu kiesigen Sanden aufgebaut sei. Zwar sieht er die Lagerstätte nach Aufbau, Qualität, Mächtigkeit und technischer Bauwürdigkeit als „außerordentlich wertvoll” an. Die von ihm dargelegte Sicherheit wirtschaftlicher Verwertbarkeit erfüllt jedoch nicht die strengeren Voraussetzungen der Rohstoffsicherungsklausel des § 48 Abs. 1 BBergG. Für deren Voraussetzungen ist sowohl nach der Aktenlage als auch nach dem klägerischen Vorbringen nichts ersichtlich.
3.2.2.3 Die Planfeststellungsbehörde hat auch § 124 BBergG hinreichend beachtet. Auch insoweit fehlt es an einem Rechtsfehler.
Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 FStrG sind bei der Planfeststellung die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Gesetzlich bestimmt ist damit weder, welche Belange zu berücksichtigen sind, noch mit welchem Gewicht sie bei der Abwägung zu Buche schlagen. Löst eine Straßenplanung Konflikte mit dem Bergbau aus, so hat die Planfeststellungsbehörde § 124 BBergG zu beachten (vgl. BVerwG, Beschluß vom 14. Oktober 1996 – BVerwG 4 VR 14.96 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 123). Die Planungsbehörde hat dies nicht verkannt. Sie hat sich in der Begründung des Planfeststellungsbeschlusses mit den Anforderungen auseinandergesetzt, die sich u.a. aus § 124 Abs. 4 BBergG ergeben (vgl. PFB S. 68). Das läßt – jedenfalls im Ergebnis – Rechtsfehler nicht erkennen.
Hochwertige Kiese sind nach der Rechtslage bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Vereinheitlichung der Rechtsverhältnisse bei Bodenschätzen vom 15. April 1996 (BGBl I S. 602) und nach Maßgabe der Überleitungsregelung dieses Gesetzes als Bodenschätze, die nach Anlage I Kap. V, Sachg. D Abschn. III Nr. 1 Buchst. a Satz 1 des Einigungsvertrages in Verbindung mit § 3 des Berggesetzes der DDR vom 12. Mai 1969 (GBl DDR I S. 29) sowie § 1 Abs. 2 der Verordnung vom 15. August 1990 (GBl DDR I S. 1071) und Nr. 9.23 ihrer Anlage als bergfreie Bodenschätze im Sinne des § 3 Abs. 3 BBergG gelten, deren Gewinnung dem Regime des Bundesberggesetzes unterliegt. Nach § 124 Abs. 1 Satz 1 BBergG sind die Errichtung, Erweiterung, wesentliche Veränderung und der Betrieb von öffentlichen Verkehrsanlagen und von Gewinnungsbetrieben in gegenseitiger Rücksichtnahme so zu planen und durchzuführen, daß die Gewinnung von Bodenschätzen durch öffentliche Verkehrsanlagen und öffentliche Verkehrsanlagen durch die Gewinnung von Bodenschätzen so wenig wie möglich beeinträchtigt werden. Läßt sich der Konflikt unter Rückgriff auf die in § 124 Abs. 1 BBergG normierte Abwägungsdirektive nicht auflösen, so begründet § 124 Abs. 3 BBergG für den Fall, daß der gleichzeitige Betrieb einer öffentlichen Verkehrsanlage und eines Gewinnungsbetriebes ohne eine wesentliche Beeinträchtigung der öffentlichen Verkehrsanlage ausgeschlossen ist, ausdrücklich den Vorrang der Errichtung, Erweiterung, wesentlichen Änderung und des Betriebes der öffentlichen Verkehrsanlage vor der Gewinnung von Bodenschätzen, es sei denn, daß das öffentliche Interesse an der Gewinnung der Bodenschätze überwiegt. Das hat – wie erörtert – die Planfeststellungsbehörde in rechtsfehlerfreier Weise verneint.
Die Planfeststellungsbehörde hat sich auch bemüht, den mit dem Planvorhaben verbundenen Eingriff in den Kiesabbau so gering wie möglich zu halten. Sie hat damit das Rücksichtnahmegebot des § 124 Abs. 1 Satz 1 BBergG beachtet. Eine Trassenverschiebung wäre indes nur dann geboten, wenn im Sinne des § 124 Abs. 3 BBergG im Bereich der planfestgestellten Trasse das öffentliche Interesse an der Gewinnung der Bodenschätze überwöge. Dafür ist nichts ersichtlich. Die Planfeststellungsbehörde hat nicht übersehen, daß die Planung Kiesabbauverluste zur Folge hat. Ein Abwägungsfehler läßt sich jedoch nicht allein daraus herleiten, daß der Umfang der Verluste erheblich ist.
3.2.2.4 Ergänzend wird bemerkt: Die Verwirklichung des in § 124 Abs. 3 BBergG enthaltenen Vorranges löst als solche keine Entschädigungspflicht aus. Das folgt aus den in § 124 Abs. 2 und 4 in Verbindung mit den §§ 110 und 111 BBergG getroffenen Bestimmungen. Die genannten Bestimmungen regeln die Ersatzansprüche zwischen dem Träger der öffentlichen Verkehrsanlage und dem Bergbautreibenden abschließend. Danach ist für die bloße faktische Beeinträchtigung des – noch nicht durch einen Gewinnungsbetrieb realisierten – Bergwerkseigentums keine Entschädigung vorgesehen.
Diese Regelung verstößt nicht gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG. Das Bergwerkseigentum beruht auf staatlicher Verleihung und gewährt die mit ihm verbundenen Rechte von vornherein nur nach den Vorschriften des Bundesberggesetzes (vgl. § 9 Abs. 1 BBergG). Danach gewährt das Bergwerkseigentum nur ein Dritte ausschließendes Gewinnungsrecht (Aneignungsrecht). Die vorhandenen Einschränkungen ergeben, daß der Bergwerkseigentümer nicht von vornherein darauf vertrauen kann, er werde von seiner Gewinnberechtigung ungestörten Gebrauch machen können. Vielmehr steht das ihm durch staatliche Verleihung eingeräumte Recht unter dem Vorbehalt – wie hier – der Anforderungen des § 124 BBergG. Der Planfeststellungsbeschluß konkretisiert danach nur eine Grenze, die dem Bergwerkseigentum von vornherein innewohnt und die sich insoweit als eine Inhaltsbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG darstellt (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. März 1998 – BVerwG 4 A 2.97 – ≪zur Veröffentlichung in BVerwGE vorgesehen≫, vgl. auch BGH, Urteil vom 16. Oktober 1972 – III ZR 176/70 – BGHZ 59, 332 = NJW 1973, 49).
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG. Auf die Streitwertfestsetzung und der dazu gegebenen Begründung im Beschluß vom 14. Mai 1998 wird verwiesen. Die Klägerin hat gegen dort vorgenommene Berechnung keine Bedenken erhoben.
Unterschriften
Gaentzsch, Berkemann, Lemmel, Halama, Rojahn
Fundstellen
NVwZ-RR 1999, 162 |
NJ 1999, 215 |
NuR 1999, 316 |
DVBl. 1999, 254 |
UPR 1999, 66 |