Entscheidungsstichwort (Thema)
Marokkanischer Arbeitnehmer. unbefristete Arbeitsgenehmigung. Arbeitsberechtigung. Assoziationsrecht. assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht. ehemaliger Asylbewerber. Aufenthalt als Ehegatte einer Deutschen. Aufenthaltserlaubnis. Aufenthaltsgenehmigung. Aufenthaltsbefugnis. Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft. Benachteiligungsverbot. vorläufiges Bleiberecht. Diskriminierungsverbot. Erlöschen der Arbeitsgenehmigung. Gemeinsame Erklärung der Vertragsparteien. ehebezogene Härte. Härtefallregelung. Kündigungsbedingungen. Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis. Vorrang der Aufenthaltsgenehmigung. Wanderarbeitnehmer. praktische Wirksamkeit der Rechte
Leitsatz (amtlich)
- Aus dem Diskriminierungsverbot in Art. 64 des Europa-Mittelmeer-Abkommens/Marokko ergeben sich grundsätzlich keine aufenthaltsrechtlichen Ansprüche für marokkanische Arbeitnehmer.
- Nach deutschem Recht vermittelt eine unbefristete Arbeitsgenehmigung kein von der Aufenthaltsgenehmigung unabhängiges, gleichsam überschießendes Recht auf Fortsetzung einer nichtselbständigen Erwerbstätigkeit und auf weiteren Aufenthalt nach dem Diskriminierungsverbot in Art. 64 des Europa-Mittelmeer-Abkommens/Marokko.
Normenkette
AuslG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 30 Abs. 2, 5; ArGV §§ 5, 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2; Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Königreich Marokko andererseits vom 26. Februar 1996 Art. 64 Abs. 1-2; Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich Marokko vom 27. April 1976 Art. 40; SGB III § 284 Abs. 5, § 288 Abs. 1; Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 Art. 31 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 2 Buchst. a
Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Beschluss vom 23.05.2002; Aktenzeichen 10 B 02.178) |
VG München (Entscheidung vom 14.11.2001; Aktenzeichen M 23 K 01.4119) |
Tenor
Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 23. Mai 2002 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I.
Der Kläger begehrt die Verlängerung seiner Aufenthaltsgenehmigung; die Beteiligten streiten insbesondere darüber, ob sich aus dem Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Königreich Marokko andererseits (im Folgenden: Europa-Mittelmeer-Abkommen/Marokko) ein Aufenthaltsrecht für den Kläger ergibt.
Der 1968 geborene Kläger ist marokkanischer Staatsangehöriger. Er reiste im August 1991 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte einen Asylantrag. Nach der Heirat einer deutschen Staatsangehörigen im August 1992 nahm er seinen Asylantrag zurück und erhielt von der beklagten Stadt eine bis zum 20. August 1995 geltende Aufenthaltserlaubnis. Das Arbeitsamt M.… erteilte ihm daraufhin eine unbefristete Arbeitserlaubnis für eine berufliche Tätigkeit jeder Art. Der Kläger war seither durchgehend bei einem Informatikunternehmen in M.… beschäftigt. Nachdem die eheliche Lebensgemeinschaft spätestens im April 1994 geendet hatte, wurde die Ehe im Juli 1995 geschieden.
Vor Ablauf seiner Aufenthaltserlaubnis im August 1995 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Verlängerungsantrag. Diesen lehnte die Beklagte im November 1996 ab. In dem anschließenden Widerspruchsverfahren berief sich der Kläger u.a. darauf, dass er an einer schweren Nierenerkrankung leide, die in Marokko nicht angemessen behandelt werden könne, und stellte weitere Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung oder Duldung aus humanitären Gründen. Nachdem die Beklagte Ermittlungen über die Schwere und Behandelbarkeit der Erkrankung des Klägers angestellt hatte, lehnte sie mit Bescheid vom 11. November 1999 sämtliche Anträge des Klägers auf Erteilung bzw. Verlängerung einer Aufenthaltsgenehmigung sowie auf Duldung ab und drohte ihm die Abschiebung nach Marokko an. In der Begründung hieß es, der Kläger habe keinen Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltsgenehmigung. Ein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG bestehe wegen der kurzen Dauer der Ehe nicht. Auch auf die Härtefallregelung des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG könne sich der Kläger nicht berufen. Ebenso scheide die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 2 AuslG aus. Die Nierenerkrankung des Klägers könne auch in Marokko behandelt werden, so dass im Verlassen des Bundesgebiets für ihn keine außergewöhnliche Härte liege.
Auf Antrag des Klägers ordnete das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 24. Januar 2000 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Klägers gegen diesen Bescheid an. Die Regierung von Oberbayern wies den Widerspruch mit Bescheid vom 6. August 2001 zurück. Ergänzend zum Ausgangsbescheid wurde darin ausgeführt, ein Aufenthaltsrecht ergebe sich für den Kläger auch nicht aus dem Diskriminierungsverbot des Art. 40 Abs. 1 des Kooperationsabkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich Marokko vom 27. April 1976 (im Folgenden: Kooperationsabkommen EWG-Marokko) i.V.m. dem hierzu ergangenen Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (Europäischer Gerichtshof – EuGH) vom 2. März 1999 in der Rechtssache El-Yassini. Die dem Kläger erteilte unbefristete Arbeitserlaubnis habe nach nationalem Recht von vornherein unter dem Vorbehalt eines bestimmten aufenthaltsrechtlichen Status gestanden und verleihe ihm deshalb keine weitergehenden Aufenthaltsrechte.
Die dagegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Dem Kläger stehe weder nach dem deutschen Ausländergesetz noch nach dem assoziationsrechtlichen Diskriminierungsverbot ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung zu. Auf die Berufung des Klägers hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 23. Mai 2002 die Beklagte verpflichtet, die Aufenthaltserlaubnis des Klägers zu verlängern. Rechtsgrundlage hierfür sei das Europa-Mittelmeer-Abkommen/Marokko. Dieses Abkommen habe das vom Verwaltungsgericht geprüfte Kooperationsabkommen EWG-Marokko abgelöst. Es enthalte jedoch in Art. 64 Abs. 1 ein wortgleiches Diskriminierungsverbot, so dass die Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache El-Yassini entsprechend gälten. Der Kläger gehöre zu den Begünstigten dieses Abkommens, obwohl er nicht als Wanderarbeitnehmer, sondern als Asylbewerber in das Bundesgebiet eingereist sei. Denn ihm sei später eine asylunabhängige Aufenthaltserlaubnis und eine unbefristete Arbeitserlaubnis erteilt worden, auf deren Grundlage er seither beschäftigt gewesen sei. Der Umstand, dass er zu einem anderen Aufenthaltszweck in das Bundesgebiet eingereist sei, stehe einer Begünstigung durch das Abkommen nicht entgegen. Da der Kläger im Besitz einer unbefristeten Arbeitserlaubnis sei und hierauf vertrauen dürfe, sei die Versagung einer weiteren Aufenthaltserlaubnis ohne Verstoß gegen das assoziationsrechtliche Diskriminierungsverbot nur zulässig, wenn Gründe des Schutzes eines berechtigten Interesses des Staates, nämlich Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit dies rechtfertigten. Derartige Gründe lägen in der Person des Klägers, der sich seit mehr als zehn Jahren beanstandungsfrei im Bundesgebiet aufhalte, durchgehend gearbeitet habe und auch sonst in die hiesigen Lebensverhältnisse integriert sei, nicht vor. Die dem Kläger erteilte besondere Arbeitserlaubnis (jetzt Arbeitsberechtigung) sei auch nicht deshalb erloschen, weil die ihm erteilte Aufenthaltserlaubnis ausgelaufen sei. Für einen solchen Automatismus gebe es keine Rechtsgrundlage. Zwar dürfe eine arbeitsrechtliche Erlaubnis nur dann erteilt werden, wenn der Ausländer über eine gewisse aufenthaltsrechtliche Position verfüge (vgl. § 284 Abs. 5 SGB III und § 5 Arbeitsgenehmigungsverordnung – ArGV). Damit erschöpfe sich jedoch der Vorrang des Ausländerrechts. Hinsichtlich des Endes der Arbeitserlaubnis gälten spezielle arbeitsrechtliche Regelungen. Nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 ArGV erlösche die Arbeitsgenehmigung erst dann, wenn der Ausländer die in § 5 ArGV bezeichneten Voraussetzungen nicht mehr erfülle. Dies sei bei dem Kläger weder zum Zeitpunkt des Auslaufens der Aufenthaltserlaubnis noch zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung der Fall gewesen, weil er nicht vollziehbar ausreisepflichtig gewesen sei, sondern sein Verlängerungsantrag die Erlaubnisfiktion des § 69 Abs. 3 AuslG bewirkt habe (§ 5 Nrn. 3 und 4 ArGV). Da dem Kläger zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung nach Art. 64 Abs. 1 des Europa-Mittelmeer-Abkommens/ Marokko ein Rechtsanspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis zugestanden habe, sei seiner Klage schon aus diesem Grund stattzugeben. Eine Auseinandersetzung mit etwaigen Anspruchsgrundlagen nach dem nationalen Ausländergesetz erübrige sich deshalb.
Im Hinblick auf das laufende Gerichtsverfahren hat die Beklagte, nachdem sie zunächst die dem Kläger gesetzte Ausreisefrist verlängert hatte, ihm ab Mitte Januar 2002 jeweils befristete Duldungen und im Juli 2002 eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsbefugnis erteilt, die im Fall der rechtskräftigen Bestätigung des angegriffenen Bescheids vorzeitig erlöschen soll.
Gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs hat die beteiligte Landesanwaltschaft Bayern Revision eingelegt. Sie hält eine Übertragung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache El-Yassini auf Art. 64 des Europa-Mittelmeer-Abkommens/ Marokko für rechtsfehlerhaft. Art. 64 Abs. 2 des neuen Abkommens beschränke das Diskriminierungsverbot hinsichtlich der Arbeits- und Entlohnungsbedingungen auf befristete nicht selbständige Erwerbstätigkeiten. Da der Kläger eine unbefristete Arbeitserlaubnis habe, sei diese Bestimmung auf ihn nicht anwendbar. Abgesehen davon stehe auch die illegale Einreise des Klägers und der Charakter der unbefristeten Arbeitserlaubnis nach deutschem Recht, die dem Kläger keine vom Aufenthaltsrecht unabhängige zeitlich unbegrenzte Position auf dem Arbeitsmarkt einräume, der Ableitung eines Aufenthaltsrechts aus dem Europa-Mittelmeer-Abkommen/Marokko entgegen.
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren und unterstützt und ergänzt – ebenso wie die Beklagte – das Vorbringen der Revision.
Der Kläger verteidigt die angegriffene Berufungsentscheidung.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der beteiligten Landesanwaltschaft ist begründet. Die Berufungsentscheidung verletzt Bundesrecht, weil sie zu Unrecht ein Aufenthaltsrecht des Klägers aufgrund des Diskriminierungsverbots in Art. 64 des Europa-Mittelmeer-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Königreich Marokko andererseits vom 26. Februar 1996 (ABl EG L 70/2000 S. 2 ff.; BGBl II 1998 S. 1811; im Folgenden: Europa-Mittelmeer-Abkommen/Marokko) bejaht hat. Da das Berufungsgericht nicht geprüft hat, ob der Kläger nach innerstaatlichem Recht eine Aufenthaltsgenehmigung beanspruchen kann, und der Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen dies auch nicht selbst entscheiden kann, ist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Anspruch des Klägers auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis bzw. auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung, die die Beklagte mit ihrem Bescheid vom 11. November 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. August 2001 versagt hat, sowie die in diesem Bescheid verfügte Androhung der Abschiebung nach Marokko. Die im Verwaltungsverfahren vom Kläger außerdem beantragte Duldung ist von ihm nicht zum Gegenstand des Klageverfahrens gemacht worden.
1. Als Rechtsgrundlage für einen etwaigen assoziationsrechtlichen Anspruch des Klägers auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis kommt, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, allein Art. 64 des Europa-Mittelmeer-Abkommens/Marokko in Betracht. Denn bei Verpflichtungsklagen, die auf Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltsgenehmigung gerichtet sind, ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. Entscheidung der Tatsacheninstanz maßgeblich, soweit es darum geht, ob die Aufenthaltsgenehmigung schon aus Rechtsgründen erteilt werden muss oder nicht erteilt werden darf (stRspr, vgl. Urteile vom 22. Januar 2002 – BVerwG 1 C 6.01 – BVerwGE 115, 352 und vom 15. Februar 2001 – BVerwG 1 C 23.00 – BVerwGE 114, 9, 12, jeweils m.w.N.). Damit ist hier das am 1. März 2000 in Kraft getretene Europa-Mittelmeer-Abkommen/Marokko maßgeblich, dass das bis dahin geltende Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich Marokko vom 27. April 1976 – im Folgenden: Kooperationsabkommen EWG-Marokko – (ABl EG L 264/1978 S. 1 ff.; BGBl 1978 II S. 690 ff.) abgelöst hat (vgl. BGBl II 2001 S. 475). Art. 40 dieses Vorgängerabkommens mit dem darin enthaltenen Diskriminierungsverbot zugunsten von Arbeitnehmern marokkanischer Staatsangehörigkeit, auf das noch im Widerspruchsbescheid und im erstinstanzlichen Urteil abgestellt worden ist, ist mithin nicht (mehr) anwendbar.
a) Art. 64 Abs. 1 und 2 des Europa-Mittelmeer-Abkommens/Marokko lautet wie folgt:
- Jeder Mitgliedstaat gewährt den Arbeitnehmern marokkanischer Staatsangehörigkeit, die in seinem Hoheitsgebiet beschäftigt sind, eine Behandlung, die hinsichtlich der Arbeits-, Entlohnungs- und Kündigungsbedingungen keine auf der Staatsangehörigkeit beruhende Benachteiligung gegenüber seinen eigenen Staatsangehörigen bewirkt.
- Absatz 1 gilt hinsichtlich der Arbeits- und Entlohnungsbedingungen für alle marokkanischen Arbeitnehmer, die dazu berechtigt sind, im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats eine befristete, nicht selbständige Erwerbstätigkeit auszuüben.
Diese Bestimmungen des Abkommens entfalten, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, in den Mitgliedstaaten unmittelbare Wirkung, weil sie unter Berücksichtigung ihres Wortlauts und nach Gegenstand und Art des Abkommens eine klare und eindeutige Verpflichtung enthalten, deren Erfüllung und deren Wirkungen nicht vom Erlass eines weiteren Aktes abhängen. Insoweit gilt für das Diskriminierungsverbot in Art. 64 des Europa-Mittelmeer-Abkommens/Marokko nichts anderes als für die entsprechende Regelung in Art. 40 des Vorgängerabkommens, für die der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften – Europäischer Gerichtshof (EuGH) – eine unmittelbare Wirkung bejaht hat mit der Folge, dass sich der Betroffene vor den nationalen Gerichten hierauf berufen kann (Urteil vom 2. März 1999, Rs. C 416/96 El-Yassini, Slg. I 1999, 1209 = NVwZ 1999, 1095 = InfAuslR 1999, 218).
b) Das Berufungsgericht ist ferner ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass der Kläger nicht etwa deshalb von den Vergünstigungen der Vorschrift ausgeschlossen ist, weil er nicht als Wanderarbeitnehmer, sondern als Asylbewerber in das Bundesgebiet eingereist ist und erst aufgrund der Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen eine Aufenthaltserlaubnis und eine Arbeitserlaubnis erhalten hat. Anhaltspunkte für einen solchen Ausschlussgrund ergeben sich nach den hier anzuwendenden Auslegungsgrundsätzen des Art. 31 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 (BGBl 1985 II S. 926) – WVRK – weder aus dem Wortlaut noch aus dem Ziel und Zweck der Vertragsbestimmungen. Entscheidend für die Anwendung des Art. 64 des Abkommens ist vielmehr allein, dass der marokkanische Staatsangehörige im Zeitpunkt der Geltendmachung seiner Rechte sich legal in dem Mitgliedstaat aufhält und als Arbeitnehmer beschäftigt ist (vgl. auch Art. 66 des Abkommens, wonach die Bestimmungen dieses Kapitels nicht für Staatsangehörige einer Vertragspartei gelten, “die im Hoheitsgebiet des Gastlandes illegal wohnen oder arbeiten”; vgl. ebenso nunmehr BSG, Urteil vom 29. Januar 2002 – vB 10 EG 5/01 R – zu Art. 41 Abs. 1 des Kooperationsabkommens EWG/Marokko, SozR 3-6615 Art. 41 Nr. 4 und ≪juris≫). Für diese Auffassung spricht auch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache El-Yassini (a.a.O. Rn. 3 bis 6), in der der marokkanische Arbeitnehmer ebenfalls nicht “als Wanderarbeitnehmer”, sondern mit einem Besuchervisum in das Vereinigte Königreich eingereist war und ihm erst später aufgrund der Eheschließung mit einer britischen Staatsbürgerin der weitere Aufenthalt sowie die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt worden ist; dass dieser Umstand der Geltendmachung von Rechten aus dem Diskriminierungsverbot in Art. 40 des Kooperationsabkommens EWG/Marokko entgegenstehen könnte, hat der Gerichtshof nicht in Erwägung gezogen. Für Art. 64 des Europa-Mittelmeer-Abkommens/Marokko kann insoweit nichts anderes gelten.
c) Schließlich sind etwaige Rechte des Klägers aus Art. 64 dieses Abkommens entgegen der Ansicht der Revision und des beteiligten Vertreters des Bundesinteresses auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil er in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis steht. Dabei kann dahinstehen, ob Absatz 2 der Bestimmung hinsichtlich der dort genannten Arbeits- und Entlohnungsbedingungen den Anwendungsbereich des Diskriminierungsverbots tatsächlich auf befristete nicht selbständige Erwerbstätige beschränkt oder ob er nicht vielmehr klarstellend auch diesen Personenkreis in den Schutzbereich mit einbezieht. Denn jedenfalls hinsichtlich der nur in Absatz 1 genannten Kündigungsbedingungen, die im vorliegenden Fall der Aufenthaltsbeendigung allein betroffen sein können, ergeben sich aus Absatz 2 schon vom Wortlaut her keinerlei Einschränkungen.
d) Auch wenn der Kläger danach grundsätzlich Begünstigter des Diskriminierungsverbots des Art. 64 des Europa-Mittelmeer-Abkommens/Marokko ist, folgt daraus entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts noch nicht, dass er aus dieser Bestimmung auch ein Aufenthaltsrecht für die weitere Ausübung seiner nicht selbständigen Erwerbstätigkeit herleiten kann. Wie der Europäische Gerichtshof in der Rechtssache El-Yassini (a.a.O. Rn. 62) zum Diskriminierungsverbot in dem Vorgängerabkommen mit Marokko im Einzelnen ausgeführt hat, ist es einem Mitgliedstaat aufgrund dieses Verbotes grundsätzlich nicht untersagt, die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis eines marokkanischen Staatsangehörigen, dem er die Einreise und die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt hatte, abzulehnen, wenn der ursprüngliche Grund für die Gewährung des Aufenthaltsrechts bei Ablauf der Aufenthaltserlaubnis nicht mehr besteht. Dass ein solches Vorgehen der zuständigen nationalen Behörden den Betroffenen dazu zwingt, sein Arbeitsverhältnis im Aufenthaltsmitgliedstaat vor dem mit dem Arbeitgeber vertraglich vereinbarten Termin zu beenden, ändert daran grundsätzlich nichts (a.a.O. Rn. 63). Insbesondere ist die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu dem Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (Abkommen EWG-Türkei) und zu dem dazu erlassenen Beschluss des Assoziationsrats Nr. 1/80, nach der daraus auch aufenthaltsrechtliche Ansprüche hergeleitet werden können, wegen der wesentlichen Unterschiede zwischen beiden Abkommen nicht auf das Kooperationsabkommen EWG-Marokko übertragbar (a.a.O. Rn. 47 bis 61). Diese Grundsätze gelten auch und erst recht für das nachfolgende Europa-Mittelmeer-Abkommen/Marokko. Zum einen bestehen die vom Europäischen Gerichtshof aufgezeigten Unterschiede in der Zielsetzung im Vergleich zum Abkommen mit der Türkei – keine in Aussicht genommene Möglichkeit eines Beitritts, keine angestrebte schrittweise Verwirklichung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, keine dem Assoziationsratsbeschluss EWG-Türkei Nr. 1/80 entsprechenden Entscheidungen des Assoziationsrats EWG-Marokko – auch unter Geltung des neuen Abkommens fort. Zum anderen haben die Vertragsparteien im Anhang dieses Abkommens eine Gemeinsame Erklärung zu Art. 64 abgegeben, deren Abs. 2 wie folgt lautet:
“Was die nicht diskriminierende Behandlung bei der Kündigung anbetrifft, so kann Art. 64 Abs. 1 nicht in Anspruch genommen werden, um die Verlängerung einer Aufenthaltsgenehmigung zu erwirken. Für die Erteilung, die Verlängerung oder die Verweigerung einer Aufenthaltsgenehmigung sind ausschließlich die Rechtsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten sowie die geltenden bilateralen Übereinkünfte zwischen Marokko und den betreffenden Mitgliedstaaten maßgeblich.”
Diese Gemeinsame Erklärung ist nach den Auslegungsgrundsätzen des Art. 31 Abs. 1 und 2 Buchst. a WVRK ein wesentlicher Anhaltspunkt für die Auslegung der betreffenden Bestimmung des Vertrages. Aus ihr ergibt sich eindeutig der Wille der Vertragsparteien, dass das Diskriminierungsverbot hinsichtlich der Kündigungsbedingungen kein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht vermitteln, sondern die Entscheidung über die weitere Aufenthaltsgenehmigung ausschließlich nach den Rechtsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten getroffen werden soll. Insofern bestätigt und bekräftigt die Gemeinsame Erklärung der Vertragsparteien zu Art. 64 des Abkommens die Auslegung des Diskriminierungsverbots in Art. 40 des Vorgängerabkommens durch den Europäischen Gerichtshof in der Rechtssache El-Yassini, wonach sich aus dieser Regelung anders als aus dem Assoziationsratsbeschluss EWG-Türkei 1/80 grundsätzlich kein Aufenthaltsrecht herleiten lässt.
e) Dies bedeutet allerdings nicht, dass nicht unter besonderen Voraussetzungen das Diskriminierungsverbot hinsichtlich der Kündigungsbedingungen gleichwohl aufenthaltsrechtliche Auswirkungen haben kann, nämlich dann, wenn die praktische Wirksamkeit (effet utile) des Verbots der Benachteiligung marokkanischer Arbeitnehmer gegenüber den Staatsangehörigen des jeweiligen Mitgliedstaates es erfordert. Dieses stets zu beachtende Gebot kann in Ausnahmefällen auch das grundsätzlich bestehende Recht des jeweiligen Mitgliedstaates, den Aufenthalt marokkanischer Arbeitnehmer nach den Vorschriften des jeweiligen nationalen Rechts zu beenden, einschränken (vgl. EuGH, Urteil El-Yassini a.a.O. Rn. 64 bis 67 und Leitsatz 2). Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache El-Yassini knüpft insoweit an die von Generalanwalt Léger in seinen Schlussanträgen in den Nummern 63 bis 66 (abgedruckt in Slg. I 1999, 1212 ≪1225 f.≫) entwickelte Argumentation an, dass einer Aushöhlung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung durch ungerechtfertigte Aufenthaltsbeendigung zu Lasten marokkanischer Arbeitnehmer – etwa bei bloßen wirtschaftlichen Schwierigkeiten konjunktureller Art – begegnet werden muss (vgl. Nrn. 62, 66, 67 der Schlussanträge). Der Europäische Gerichtshof hat daraus gefolgert, ein marokkanischer Staatsangehöriger, dem ordnungsgemäß die Erlaubnis erteilt worden sei, im Gebiet eines Mitgliedstaates für eine bestimmte Zeit eine Beschäftigung auszuüben, müsse während dieser gesamten Zeit seine Rechte aus dieser Bestimmung ausüben können. Der Mitgliedstaat könne, wenn er dem marokkanischen Wanderarbeitnehmer in Bezug auf die Beschäftigung weitergehende Rechte als in Bezug auf den Aufenthalt verliehen habe, eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nicht ablehnen, ohne dies mit Gründen des Schutzes eines berechtigten Interesses des Staates, namentlich der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit, rechtfertigen zu können (a.a.O. Rn. 64 f.). Für das Diskriminierungsverbot des Europa-Mittelmeer-Abkommens/Marokko gilt dies – auch unter Beachtung der Gemeinsamen Erklärung der Vertragsparteien zu Art. 64 – in gleicher Weise.
f) Die Anwendung dieser Grundsätze führt indes vorliegend entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht zur Annahme eines ausnahmsweise gegebenen assoziationsrechtlichen Anspruchs auf Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung aus dem Diskriminierungsverbot. Denn die dem Kläger erteilte unbefristete besondere Arbeitserlaubnis (jetzt Arbeitsberechtigung) hat ihm keine von der Aufenthaltserlaubnis unabhängigen, weitergehenden Rechte verliehen, deren praktische Verwirklichung ihm durch die hier streitige Versagung des weiteren Aufenthalts entzogen worden wäre.
aa) Es spricht bereits einiges dafür, dass die Erteilung einer unbefristeten Arbeitserlaubnis durch die nationalen Behörden schon von vornherein nicht geeignet ist, mit Blick auf das Diskriminierungsverbot ein Recht auf tatsächliche Ausübung einer Beschäftigung für einen unbegrenzten Zeitraum mit der Folge eines unbefristeten Aufenthaltsrechts zu begründen, wenn gleichzeitig nur eine befristete Aufenthalterlaubnis erteilt worden ist. Der vom Europäischen Gerichtshof beschriebenen Ausnahme (vgl. Urteil El-Yassini a.a.O. Rn. 66) liegt ein anderer Sachverhalt zugrunde, nämlich eine Arbeitserlaubnis “für eine bestimmte Zeit”, die über die Geltungsdauer der Aufenthaltsgenehmigung hinausgeht. Der hier zu entscheidende Fall einer u.a. aus Gründen der Verfahrensökonomie ohne Befristung erteilten Arbeitserlaubnis ist eher mit dem Fall der Aufhebung eines Beschäftigungsverbots durch die nationalen Behörden und der damit eintretenden uneingeschränkten Arbeitserlaubnisfreiheit vergleichbar, wie sie auch in der Rechtssache El-Yassini (a.a.O. Rn. 5) gegeben war und wie sie im deutschen Recht nach § 284 Abs. 1 Nr. 2 SGB III für Ausländer mit den stärksten Aufenthaltstiteln (unbefristete Aufenthaltserlaubnis und Aufenthaltsberechtigung) gilt. Dass bei einer solchen Konstellation aus dem Diskriminierungsverbot im Hinblick auf dessen praktische Wirksamkeit ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht abgeleitet werden könnte, lässt sich dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs – trotz der scheinbar weiten Formulierung im zweiten Leitsatz – nicht entnehmen. Eine solche Auslegung widerspräche dem vom Gerichtshof zuvor aufgestellten allgemeinen Grundsatz, dass sich aus dem Diskriminierungsverbot keine Aufenthaltsrechte ergeben. Auch deshalb liegt es nahe, dass die vom Europäischen Gerichtshof angenommene Ausnahme nicht auf eine Arbeitserlaubnis übertragbar ist, die – wie im Fall des Klägers – auf unbestimmte Zeit erteilt worden ist.
bb) Die unbefristet erteilte Arbeitsgenehmigung vermittelt außerdem nach deutschem Recht keine von der Aufenthaltserlaubnis unabhängigen weitergehenden Rechte. Ob dies der Fall ist, unterliegt der Beurteilung durch die nationalen Gerichte (vgl. Leitsatz 2 des Urteils El-Yassini a.a.O.). Nach deutschem Recht hängt die Arbeitsgenehmigung grundsätzlich vom Bestehen einer Aufenthaltsgenehmigung ab (vgl. Renner, Ausländerrecht 7. Aufl. 1999 § 10 AuslG Rn. 36 f.; Bieback in: Gagel, SGB III § 284 Rn. 113; Rademacker in: Hauck-Noftz, SGB III § 284 Rn. 75 ff.; vgl. auch die im Gesetz vorgesehene Ausnahme vom Vorrang des Aufenthaltsrechts in § 14 Abs. 2 Satz 3 AuslG für ausländerbehördliche Auflagen betreffend die unselbständige Erwerbstätigkeit, hierzu auch Renner a.a.O. § 14 AuslG Rn. 15). Der Vorrang des Aufenthaltsrechts ergibt sich für die Erteilung der Arbeitsgenehmigung aus § 284 Abs. 5 SGB III. Danach darf die Arbeitsgenehmigung nur erteilt werden, wenn der Ausländer eine Aufenthaltsgenehmigung nach § 5 AuslG besitzt, soweit durch Rechtsverordnung nichts anderes bestimmt ist. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts gilt dieser Vorrang indes in gleicher Weise auch für den Fortbestand der Arbeitsgenehmigung. Dies folgt aus der auf der Grundlage der – verfassungsrechtlich unbedenklichen – gesetzlichen Ermächtigung in § 288 Abs. 1 SGB III ergangenen Verordnung über die Arbeitsgenehmigung für ausländische Arbeitnehmer (Arbeitsgenehmigungsverordnung – ArGV) vom 17. September 1998 – BGBl I S. 2899 – (vgl. hierzu Bieback a.a.O. § 284 Rn. 160 und § 288 Rn. 8 f. m.w.N.; Rademacker a.a.O. § 284 Rn. 107). In deren § 8 Abs. 1 Nr. 1 ist vorgesehen, dass die Arbeitsgenehmigung erlischt, wenn der Ausländer keine der in § 5 der Verordnung bezeichneten Voraussetzungen erfüllt (zur Anwendbarkeit von § 8 ArGV auf Altfälle wie den des Klägers vgl. § 14 Abs. 2 ArGV i.V.m. § 432 SGB III). Für aufenthaltsgenehmigungspflichtige Ausländer wie den Kläger bedeutet dies, dass ihre Arbeitsgenehmigung zwar trotz Wegfalls der Aufenthaltsgenehmigung noch so lange fortbesteht, als sie sich aus den in § 5 ArGV genannten verfahrensabhängigen Gründen noch weiter in Deutschland aufhalten dürfen, weil sie eine asylverfahrensrechtliche Aufenthaltsgestattung unter weiteren dort bezeichneten Voraussetzungen besitzen (Nr. 2), ihr Aufenthalt nach § 69 Abs. 3 AuslG als erlaubt gilt (Nr. 3), ihre Ausreisepflicht nicht vollziehbar oder die gesetzte Ausreisefrist noch nicht abgelaufen ist (Nr. 4), sie eine Duldung nach § 55 AuslG besitzen, ohne dass die dort bezeichneten Ausschlussgründe vorliegen (Nr. 5) oder ihre Abschiebung durch richterliche Anordnung ausgesetzt ist (Nr. 6). Daraus ergibt sich aber zugleich, dass die Arbeitsgenehmigung kraft Gesetzes dann erlischt, wenn der Ausländer keinen der in § 5 ArGV zu seinen Gunsten normierten verfahrensbedingten Gründe mehr erfüllt, die auf ein vorläufiges Bleiberecht im Bundesgebiet Rücksicht nehmen und dem Ausländer die Fortsetzung seiner Beschäftigung möglichst bis zur Beendigung des Aufenthalts erlauben sollen (vgl. Bieback a.a.O. § 284 Rn. 158 ff.; Rademacker a.a.O. § 284 Rn. 107). Dies war im Übrigen auch in den §§ 5 und 8 der zuvor geltenden Arbeitserlaubnisverordnung (AEVO) in der Fassung vom 12. September 1980 (BGBl I S. 1754), zuletzt geändert durch Verordnung vom 17. Dezember 1997 (BGBl I S. 3195), so vorgesehen (vgl. auch Schuler in Huber, Handbuch des Ausländer- und Asylrechts, VII Rn. 132 zur früheren Rechtslage). Jede Arbeitsgenehmigung nach deutschem Recht gewährt nur eine vom Fortbestehen der Aufenthaltserlaubnis abhängige Rechtsposition. Der im Arbeitsgenehmigungsrecht angelegte Vorrang der Aufenthaltsgenehmigung verbietet es daher in aller Regel – und so auch hier – aus der Arbeitsgenehmigung – auch in Form der grundsätzlich unbefristeten Arbeitsberechtigung (§ 286 Abs. 3 SGB III) – weitergehende, von der Aufenthaltserlaubnis unabhängige, gleichsam überschießende Aufenthaltsrechte abzuleiten.
cc) Im Ergebnis ohne Bedeutung ist es deshalb auch, dass die Arbeitsberechtigung des Klägers im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung, der für die rechtliche Beurteilung grundsätzlich maßgeblich ist (insoweit stellt das Berufungsgericht zu Unrecht auf den Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung ab, BA S. 12), noch nicht gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 ArGV erloschen war. Denn unabhängig davon, wie lange die Wirkung der richterlichen Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nach § 80 b Abs. 1 VwGO andauerte, ist jedenfalls wegen der von der Beklagten mit Rücksicht auf das laufende Verfahren im Januar 2002 erteilten und später verlängerten Duldung die Arbeitsgenehmigung gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 i.V.m. § 5 Nr. 5 ArGV zum Zeitpunkt der berufungsgerichtlichen Entscheidung noch nicht erloschen gewesen. Gleichwohl ergibt sich daraus keine über die Aufenthaltsgenehmigung hinausgehende Rechtsposition, die ihrerseits geeignet wäre, wiederum ein Aufenthaltsrecht zu begründen. Der Aufschub des automatischen Erlöschens der Arbeitsgenehmigung, wie er sich aus § 8 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 5 Nrn. 3 bis 6 ArGV ergibt, erfolgt nur mit Rücksicht auf eine vorläufige verfahrensrechtliche Position des Ausländers etwa aufgrund seiner Rechtsbehelfe gegen die aufenthaltsbeendende behördliche Entscheidung. Er dient in erster Linie der Absicherung des Ausländers bis zur unanfechtbaren Klärung der Rechtslage. Diese Regelung kann nach ihrem Sinn und Zweck nicht dafür in Anspruch genommen werden, ein über den Rechtsstreit hinausreichendes künftiges Aufenthaltsrecht zu begründen; ein solches Aufenthaltsrecht bedarf vielmehr eigener materiellrechtlicher Gründe (vgl. auch VG Darmstadt, InfAuslR 2003, 173 ≪175≫). Die Auffassung des Berufungsgerichts kehrt dieses normative Konzept der lediglich vorläufigen Fortgeltung einer einmal erteilten unbefristeten Arbeitsgenehmigung um und begründet damit im Ergebnis einen Vorrang des Arbeitsgenehmigungsrechts gegenüber dem Aufenthaltsrecht. Das ist weder mit Sinn und Zweck des vorläufigen Rechtsschutzes noch mit dem Regelungssystem der §§ 8 und 5 ArGV vereinbar. Aus ähnlichen Erwägungen kann im Übrigen sogar im Rahmen des Assoziationsratsbeschlusses EWG-Türkei Nr. 1/80 trotz dessen anerkannter aufenthaltsrechtlicher Wirkung aus der nur vorläufigen Rechtsposition nach § 69 Abs. 3 AuslG nach einhelliger Auffassung kein Aufenthaltsrecht abgeleitet werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Mai 1995 – BVerwG 1 B 72.95 – Buchholz 402.240 § 69 AuslG 1990 Nr. 1, m.w.N. zur Rechtsprechung des EuGH; vgl. auch Dienelt, NVwZ 2003, 54). Die zum maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsentscheidung noch gemäß §§ 8 und 5 ArGV fortbestehende Arbeitsgenehmigung ist deshalb nur geeignet, dem Kläger die Genehmigungswirkung in Anlehnung an den geduldeten tatsächlichen Aufenthalt vorläufig (bis zur Rechtskraft der den Versagungsbescheid bestätigenden Entscheidung) zu erhalten, kann aber kein über diesen Zeitpunkt hinausreichendes Aufenthaltsrecht begründen.
dd) Das assoziationsrechtliche Diskriminierungsverbot wird auch nicht durch die Art der Ausgestaltung des Verhältnisses von Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung nach deutschem Recht verletzt. Dieses Verbot verleiht dem marokkanischen Arbeitnehmer nur insoweit Rechte, als ihm der Aufnahmestaat den Aufenthalt und die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt. Ob und in welchem Umfang diese Erlaubnis erteilt wird, bestimmt sich nach dem nationalen Recht.
Der Kläger hat danach keinen Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis nach Art. 64 des Europa-Mittelmeer-Abkommens/Marokko.
2. Ob dem Kläger nach dem Ausländergesetz ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung oder zumindest auf erneute ermessensfehlerfreie Entscheidung hierüber nach den dafür in Betracht kommenden Bestimmungen des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 oder des § 30 Abs. 2 AuslG zusteht, kann der Senat nicht abschließend entscheiden. Gleiches gilt für die ebenfalls angefochtene Abschiebungsandrohung nach Marokko, deren Rechtmäßigkeit voraussetzt, dass der Kläger keine Aufenthaltsgenehmigung beanspruchen kann. Da die Berufungsentscheidung hierzu keinerlei Feststellungen enthält, ist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dabei wird vor allem in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu klären sein, ob die Rückkehr nach Marokko für den Kläger wegen seiner Nierenerkrankung eine Härte im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG oder § 30 Abs. 2 AuslG bedeutet. Der Senat weist darauf hin, dass ein denkbarer Anspruch nach diesen Bestimmungen jedenfalls nicht von vornherein aus Rechtsgründen ausgeschlossen ist. Insbesondere ist die Frage, ob die Neufassung des § 19 AuslG durch das Gesetz vom 25. Mai 2000 (BGBl I S. 742) auch auf Altfälle wie den des Klägers anzuwenden ist und ob die neue Härteregelung auch nicht auf die Ehe bezogene Härten erfasst, höchstrichterlich noch nicht geklärt (vgl. Beschluss vom 15. Juli 2003 über die Zulassung der Revision – BVerwG 1 C 18.03 – gegen das Urteil des VGH Mannheim vom 4. Dezember 2002 – 13 S 2194/01 – InfAuslR 2003, 190). Von der Beantwortung dieser Frage hängt gegebenenfalls auch die Beurteilung des Verhältnisses von § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG n.F. zu § 30 Abs. 2 AuslG ab. Die Anwendbarkeit von § 30 Abs. 2 AuslG ist im Falle des Klägers auch nicht von vornherein wegen der Sperrwirkung von § 30 Abs. 5 AuslG auszuschließen. Denn er hat nach Rücknahme seines Asylantrags aus asylunabhängigen Gründen wegen der Ehe mit einer Deutschen eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Ob § 30 Abs. 5 AuslG in derartigen Fällen überhaupt noch eingreift (verneinend Dienelt in: GK-AuslR § 30 AuslG Rn. 141 m.w.N.), hat der Senat bisher ebenfalls noch nicht entschieden.
Unterschriften
Eckertz-Höfer, Dr. Mallmann, Hund, Beck, Prof. Dr. Dörig
Fundstellen
Haufe-Index 1033142 |
DÖV 2004, 541 |
InfAuslR 2004, 50 |
ZAR 2003, 418 |
AuAS 2004, 23 |
DVBl. 2004, 119 |