Entscheidungsstichwort (Thema)
Auflage, nachträgliche. Störfall. Auslegungsstörfall. Störfallbeherrschung. Nachweis. Informationspflicht. Projektplan. Anforderungen, sicherheitsspezifische. Grenzwerte. Maße. Betriebsgenehmigung, atomrechtliche. Anlagengenehmigung, atomrechtliche. Betriebshandbuch. Sicherheitsspezifikation. Aufsicht, atomrechtliche. Regelungen, abstrakte. Bestimmtheit, hinreichende. Verhältnismäßigkeit. Übermaßverbot
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Auflage, die zur Einstellung des Betriebs einer Kernenergieanlage verpflichtet, muss für den Betreiber deutlich erkennen lassen, wann und unter welchen Voraussetzungen diese Pflicht ausgelöst wird.
2. Wird in einer Auflage unabhängig von der Schwere der Überschreitung und der Bedeutung eines nicht eingehaltenen Kontrollwerts pauschal die sofortige Einstellung des Betriebs einer Kernenergieanlage verfügt, ist dies unverhältnismäßig.
Normenkette
AtG § 1 Nr. 2, § 17 Abs. 1 S. 3, § 19 Abs. 1, 2 S. 2, Abs. 3
Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 26.02.2007; Aktenzeichen 10 S 643/05) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 26. Februar 2007 geändert und wie folgt neu gefasst:
Die Nummern A I 1 und A I 2b sowie die Nummer A II, soweit sie sich auf die Nummern A I 1 und A I 2b bezieht, der nachträglichen Auflage des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg zur Betriebsführung des Kernkraftwerks Philippsburg (Block 1 und Block 2) vom 17. März 2005 werden aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Revision des Beklagten wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin ein Zehntel und der Beklagte neun Zehntel.
Gründe
Die Klägerin wendet sich gegen eine nachträgliche Auflage für den Betrieb ihres Kernkraftwerks Philippsburg (KKP 1 und 2). Dessen Block 2 ging im Jahre 1986 auf der Grundlage des 3. Teilbetriebsgenehmigungsbescheides (TBG) an das Stromnetz. Die Anlage und deren Betrieb waren in der Folgezeit Gegenstand zahlreicher Änderungsgenehmigungen und nachträglicher Auflagen.
Als Folge meldepflichtiger Ereignisse im Jahre 2001 werden unter anderem mögliche Undichtigkeiten der Isolierkassetten des Reaktordruckbehälters und damit einhergehende temporäre Unterschreitungen der Unterkante der Sumpfdecke des Sicherheitsbehälters (SHB-Sumpf) vom Anlagenhersteller neu berechnet. Dieser kam zu dem Ergebnis, auch unter Annahme der ungünstigsten Randbedingungen sei ein ausreichender Füllstand im SHB-Sumpf gewährleistet. Unklar blieb, ob auch bei kleineren Leckagen der Sumpffüllstand unter Zugrundelegung konservativer Randbedingungen noch erreicht werden könne. In der Folgezeit ist die Beherrschung des Kühlmittelverluststörfalls gutachterlich nachgewiesen worden.
Im Januar 2005 setzte die Klägerin das Ministerium für Umwelt und Verkehr des Landes Baden-Württemberg von diesen Vorgängen in Kenntnis, das seinerseits das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) informierte. Letzteres rügte die mangelhafte Aufklärung. Es erscheine fraglich, ob der Betreiber über den tatsächlichen sicherheitstechnischen Anlagenzustand gut genug unterrichtet gewesen sei, um die Anlage ohne Gefährdungen und genehmigungskonform betreiben zu können (Bericht zum Nachweisdefizit “Füllstand im Sumpfbetrieb”/KKP 2 vom 30. Juni 2005).
Anschließend ersuchte das BMU den Beklagten um den Erlass einer nachträglichen Auflage, wie sie bereits gegenüber dem Betreiber des Kernkraftwerks Biblis A… und B… ergangen war (sog. “Biblis-Auflage”). Diese sollte nach Ansicht des BMU gewährleisten, dass das Sicherheitsmanagement der Klägerin in ausreichendem Umfang auf Zweifel bezüglich einer Störfallbeherrschung, insbesondere auch durch entsprechende Informationen der Aufsichtsbehörde, reagiere.
Am 17. März 2005 erließ der Beklagte nach aufsichtlicher Weisung des BMU folgenden Bescheid:
“A. Regelungsinhalt der nachträglichen Auflage
I.
Beim Betrieb des Kernkraftwerk Philippsburg, Block 1 und Block 2 (KKP) sind die nachfolgenden Regelungen zu beachten:
1. Werden Grenzwerte, Maße oder andere spezifizierte sicherheitstechnische Anforderungen der Genehmigung zur Störfallbeherrschung nicht eingehalten, ist der Leistungsbetrieb unverzüglich einzustellen, es sei denn, das dadurch bedingte Defizit der Störfallbeherrschung ist offensichtlich unbedeutend. Offensichtlich unbedeutend sind Defizite, hinsichtlich derer ohne neue Untersuchungen aufgrund vorhandener Erkenntnisse innerhalb von höchstens sieben Tagen eindeutig festgestellt werden kann, dass die Störfallbeherrschung nicht beeinträchtigt ist.
2. a) Ergibt sich unabhängig von Nummer 1 die Erkenntnis, dass der Nachweis der Störfallbeherrschung in Frage gestellt sein könnte, ist die Aufsichtsbehörde unverzüglich zu informieren. Der Aufsichtsbehörde ist unverzüglich ein Projektplan vorzulegen, aus dem hervorgeht, auf welche Weise der Nachweis der Störfallbeherrschung bestätigt, neu geführt oder die Anlage oder die Betriebsweise verändert werden soll. Der Projektplan ist entsprechend dem Erkenntnisfortschritt zu aktualisieren und es ist die Behörde über den Fortschritt der Arbeiten fortlaufend zu informieren. Der Nachweis ist erbracht, wenn gewährleistet ist, dass unter Berücksichtigung der Gegebenheiten der Anlage (anlagenspezifische Reaktion, tatsächlicher Anlagenzustand) die Schutzziele nach dem Stand von Wissenschaft und Technik (einschließlich der Beachtung von Bruchpostulaten; ohne Einbeziehung probabilistischer Analysen oder Vorkehrungen der vierten Sicherheitsebene) oder aufgrund anderer behördlich zugestimmter Nachweismethoden erreicht werden.
b) Der Leistungsbetrieb ist unverzüglich einzustellen, wenn der Nachweis der Störfallbeherrschung gescheitert ist, es sei denn, die Störfallbeherrschung ist zweifelsfrei nur geringfügig beeinträchtigt. Die entsprechenden Untersuchungsergebnisse werden der Behörde unverzüglich mitgeteilt. Der Nachweis wird auch dann als gescheitert angesehen, wenn wissenschaftlich-technische anlagenspezifische Erkenntnisse und Bewertungen ergeben, dass innerhalb eines unter Berücksichtigung der sicherheitstechnischen Bedeutung sowie von Art und Umfang der Nachweisführung angemessenen Zeitraumes der Nachweis nicht bestätigt, neu geführt oder die Anlage oder die Betriebsweise entsprechend verändert werden kann. Angemessen ist höchstens ein Zeitraum von drei Monaten nach Erlangung der Erkenntnis, dass der Nachweis der Störfallbeherrschung in Frage gestellt sein könnte; die Aufsichtsbehörde kann auf Antrag einen längeren Zeitraum für angemessen erklären.
II.
Die Betriebshandbücher des KKP sind insbesondere unter Beachtung der Nummer 7.1 Abs. 2 Buchstabe a der KTA 1201 (BAnz. Nr. 72 vom 15. September 1998) hinsichtlich Nummer I dieser Auflage zu ändern und es sind die daraus resultierenden Forderungen zur Konkretisierung in das Betriebshandbuch aufzunehmen. Für diese Änderungen ist die Zustimmung der Aufsichtsbehörde einzuholen.
III.
Weitergehende oder ergänzende Befugnisse der Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde insbesondere zu aufsichtlichen Anordnungen gemäß § 19 Abs. 3 AtG, bleiben von dieser nachträglichen Auflage unberührt.
…”
Zur Begründung wird insbesondere ausgeführt: Die Auflage werde erlassen, um sicherzustellen, dass der Leistungsbetrieb des KKP 1 und 2 nur unter vollständiger Beachtung aller sicherheitstechnischer Anforderungen der Genehmigung zur Störfallbeherrschung erfolge und bei Zweifeln an der Störfallsicherheit sicherheitsgerichtete Maßnahmen bis hin zu einer vorübergehenden Einstellung des Leistungsbetriebs ergriffen würden. Zudem gewährleiste die Auflage die unverzügliche Information der Behörde auch in Fällen, in denen kein meldepflichtiges Ereignis gegeben sei. Die Regelung in Nr. A I 1 gebe die Gesetzeslage wieder: Der Betrieb eines Kernkraftwerkes sei nur nach Maßgabe der Genehmigung gestattet. Der Gestattungsumfang werde bei wesentlichen Veränderungen verlassen. Bei ausdrücklichen Festlegungen der Genehmigung (einschließlich der auch mittelbar zur Bestimmung des Genehmigungsinhalts herangezogenen Unterlagen, die zur Beherrschung von Auslegungsstörfällen dort Eingang gefunden hätten), sei jede Abweichung grundsätzlich wesentlich, weil die Beherrschung der Auslegungsstörfälle eine der wichtigsten Voraussetzungen für einen sicheren Betrieb sei. Für die in Nr. A I 2 der Auflage behandelten Sachverhalte ergebe sich aus der Genehmigung lediglich die abstrakte Anforderung, bestimmte Auslegungsstörfälle unter Beachtung aller Randbedingungen zu beherrschen, ohne dass die Genehmigung selbst bereits die einzuhaltenden Werte vollständig festlege. Daher sei es auch im Hinblick auf diese in der Genehmigung selbst noch nicht durch Spezifikationen konkretisierten Sachverhalte erforderlich, dass der Betreiber sicherheitsgerichtete Maßnahmen bis hin zum vorübergehenden Abfahren der Anlage ergreife.
Die Klägerin hat hiergegen Klage erhoben. Mit Urteil vom 26. Februar 2007 hat der Verwaltungsgerichtshof die nachträgliche Auflage aufgehoben. Sie entspreche nicht den Anforderungen an die Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes und könne insbesondere nicht Grundlage für Maßnahmen zur zwangsweisen Durchsetzung des Gebotenen sein. Die nachträgliche Auflage schränke gegenüber der Klägerin die zuvor erteilte Genehmigung zur Nutzung des von ihr betriebenen Kernkraftwerks ein und lege damit den Umfang des genehmigten Betriebs im Sinne von § 327 Abs. 1 Nr. 1 StGB fest. Wegen der hiermit verbundenen Strafandrohung müsse sie den besonderen Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG entsprechen. Bisherigen Genehmigungen seien keine Festsetzungen zu entnehmen, die ausdrücklich auf Auslegungsstörfälle oder deren Beherrschung in dem Sinne Bezug nähmen, dass bestimmte Grenzwerte, Maße oder andere spezifizierte sicherheitstechnische Anforderungen der Genehmigung einzuhalten seien. Die nunmehrige Benennung dieser Parameter in Nr. A I 1 der nachträglichen Auflage habe den Sinn, Festsetzungen zu bezeichnen, die für die Beherrschung der Auslegungsstörfälle von Bedeutung sein könnten. Dabei hebe sie – nach Erläuterungen des Beklagten – auf alle Werte ab, die den Genehmigungen zu Grunde lägen. Diese enthielten aber auch Vorgaben, die für die Beherrschung der Auslegungsstörfälle offensichtlich irrelevant seien. Auch mit diesem weiten Verständnis sei die nachträgliche Auflage in Nr. A I 1 zu unbestimmt. Dies gelte zusätzlich in besonderem Maße, wenn der Beklagte sich auch auf Festsetzungen beziehe, die entgegen der Richtlinie des BMI vom 27. April 1976 über die Anforderungen an Sicherheitsspezifikationen für Kernkraftwerke nicht in die als Sicherheitsspezifikationen gekennzeichneten Abschnitte der Betriebshandbücher aufgenommen worden seien. Der betroffene Betreiber müsse die ihm erteilte, bestandskräftige Genehmigung somit dahingehend überprüfen, ob ein bestimmter, in den Betriebshandbüchern nicht berücksichtiger Aspekt eigentlich im Bereich der Sicherheitsspezifikationen hätte geregelt werden müssen. Auch dies widerspreche rechtsstaatlichen Anforderungen an die erforderliche Bestimmtheit der nachträglichen Auflage. Ebenso seien die in Nr. A I 1 Satz 2 der nachträglichen Auflage genannten Voraussetzungen für die Ausnahme von der grundsätzlichen Verpflichtung zur unverzüglichen Einstellung des Leistungsbetriebs nicht hinreichend bestimmt, da nicht ausreichend klar werde, auf wessen Kenntnisstand für das Merkmal “auf Grund vorhandener Kenntnisse” abzustellen sei. Dasselbe gelte für die Formulierung, wenn “eindeutig festgestellt werden kann, dass die Störfallbeherrschung nicht beeinträchtigt ist”. Des Weiteren sei Nr. A I 2a Satz 1 der nachträglichen Auflage zu unbestimmt. Wann der Nachweis der Störfallbeherrschung “in Frage gestellt sein könnte”, werde im angegriffenen Bescheid nicht definiert. Entsprechendes gelte für Nr. A I 2b Satz 1. Es werde nicht ausreichend klar, wann “die Störfallbeherrschung zweifelsfrei nur geringfügig beeinträchtigt” sein solle. Die nachträgliche Auflage sei in Nr. A I auch deshalb rechtswidrig, weil der Beklagte seine Befugnis wegen fehlender Übereinstimmung mit § 19 Abs. 3 AtG in einer unzulässigen Weise ausgeübt habe.
Gegen das Urteil hat der Beklagte die vom Verwaltungsgerichtshof zugelassene Revision eingelegt, zu deren Begründung er vorträgt: Der Verwaltungsgerichtshof habe die Anforderungen an das Maß der erforderlichen Bestimmtheit der nachträglichen Auflage überspannt. Dies gelte auch unter Berücksichtigung der Bestimmtheitsanforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG. Hier seien insbesondere die dem Betroffenen bekannten und erkennbaren Umstände zu berücksichtigen. Für den Betreiber eines Kernkraftwerkes sei es möglich und zumutbar, die für den Betrieb seiner Anlage entscheidenden Kriterien (auf die in den Genehmigungsunterlagen Bezug genommen werde) zu kennen und Abweichungen festzustellen. Die nachträgliche Auflage beziehe sich ausschließlich auf die Sicherheitsebene 3, also auf die Beherrschung des Auslegungsstörfalls. Auslegungsüberschreitende Ereignisse würden von ihr nicht erfasst. Grenzwerte und Maße im Sinne von Nr. A I 1 bezögen sich auf in der Genehmigung definierte Werte, wie sie insbesondere in Teil 2 Kap. 2 des Betriebshandbuches für das KKP 2 enthalten seien. Die Sicherheitsspezifikationen seien ebenso aus dem Betriebshandbuch erkennbar. Dies gelte gleichfalls für den materiellen Begriff der Sicherheitsspezifikation in der nachträglichen Auflage. Die in Nr. A I 2a der nachträglichen Auflage enthaltene Informationspflicht stelle eine wesentliche Voraussetzung für die Wahrnehmung der behördlichen Aufsichtsbefugnis dar. Die Auflage verlange lediglich, dass der Betreiber die Aufsichtsbehörde über seine Zweifel an der Störfallbeherrschung informiere. Dabei habe der Betreiber in eigener Verantwortung zu entscheiden. Habe er keine Zweifel, entfalle auch die Informationspflicht gegenüber der Behörde. Nr. A I 2b regle den Fall, dass auf Grund anderer Erkenntnisse die Störfallbeherrschung nicht nachgewiesen werde. Es handle sich hierbei um den Fall eines Gefahrenverdachts. Die Auflage enthalte insoweit zwar Auslegungsspielräume. Entscheidend sei jedoch die jeweilige Einschätzung der Klägerin. Der Verwaltungsgerichtshof verkenne mit seiner Auslegung des § 17 Abs. 1 Satz 3 AtG auch das Verhältnis zwischen Genehmigung und Aufsicht. Die im Streit befangene Auflage ziele auf die Einhaltung des bereits vorhandenen Genehmigungsbestandes. Sie begründe keine darüber hinausgehenden dynamischen Betreiberpflichten. Insbesondere messe die nachträgliche Auflage den Betrieb nicht an einem neuen Stand von Wissenschaft und Technik. Lediglich auf Abweichungen von der ursprünglichen Genehmigungslage solle der Betreiber reagieren. Der Verwaltungsgerichtshof verkenne, dass dieses Ziel der nachträglichen Auflage nicht einzig Sache der atomrechtlichen Aufsicht sei. Eine Umgehung des § 19 Abs. 3 AtG liege somit nicht vor.
Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil und trägt vor: Die Auffassung der Revision, die nachträgliche Auflage greife nicht über die Genehmigung hinaus, sei unzutreffend. Schon die Genehmigung für das KKP 1 räume den Sicherheitsspezifikationen ausdrücklich Vorrang ein. Diese bestimmten, unter welchen Voraussetzungen die Anlage abzufahren sei. Nur soweit die Sicherheitsspezifikationen keine Regelung enthielten, sei bei eingetretenen oder vermuteten Störungen, Schädigungen oder Mängeln an sicherheitstechnisch wichtigen Einrichtungen die Anlage grundsätzlich abzufahren. Verschiedene Regelungen für unterschiedliche Komponenten sehe die Betriebsgenehmigung für den Fall vor, dass diese (teilweise) ausfielen. Auch für das KKP 2 seien durch die Verweisung der 3. TBG auf das Betriebshandbuch die dortigen Regelungen für dessen Betrieb maßgebend. Darin enthaltene Sicherheitsspezifikationen legten den sicherheitstechnischen Rahmen fest, in dem die Anlage in Erfüllung des Schutzzwecks gemäß § 1 Nr. 2 AtG betrieben werden dürfe. Das Betriebshandbuch befasse sich auch mit Grenzwerten, lege aber nicht fest, dass deren Nichteinhaltung zwingend zum Abfahren der Anlage führen müsse. Ebenso sehe das Betriebshandbuch Regelungen für den anomalen Betrieb der Anlage vor. Darüber hinaus treffe es Regelungen bei Überschreitung der angegebenen zulässigen Instandsetzungszeit. Die nachträgliche Auflage greife mit Nr. A I 1 nachhaltig in diesen Inhalt der Betriebsgenehmigungen ein. Denn nach Nr. A I 1 müsse der Leistungsbetrieb nunmehr generell eingestellt werden, wenn spezifizierte sicherheitstechnische Anforderungen der Genehmigung zur Störfallbeherrschung nicht eingehalten würden. Dies stelle einen Bruch mit der bisherigen Genehmigungslage dar. Dies gelte in besonderem Maße, wenn von einem materiellen Begriff der Sicherheitsspezifikation auszugehen sei. Mit diesem würden bisher nicht zum Inhalt der Genehmigung gewordene Annahmen zu verbindlichen Grenzwerten, Sicherheitsspezifikationen oder Maßen zur Störfallbeherrschung aufgewertet. Die nachträgliche Auflage bewirke somit einen grundsätzlichen Systemwechsel. Zudem entspreche sie nicht den Anforderungen an die Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes. Dieser müsse grundsätzlich so bestimmt sein, dass er Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein könne. Schon die Bezugnahme auf Grenzwerte sei unklar, weil die nachträgliche Auflage nicht an die Grenzwerthierarchie (Vorgrenzwerte, Warngrenzwerte oder Auslösegrenzwerte) der Genehmigung anknüpfe. Sie bestimme auch nicht, welche Betriebsunterlagen im materiellen Sinne den Sicherheitsspezifikationen zuzuordnen seien. Man könne dem Betreiber nicht zumuten, klüger zu sein als Gutachter und Genehmigungsbehörde, die das Betriebshandbuch geschrieben bzw. genehmigt hätten. Unklar seien die Formulierungen in Nr. A I 1, auf wessen “vorhandene Erkenntnisse” es ankommen solle und wann eindeutig festgestellt sei, dass die “Störfallbeherrschung nicht beeinträchtigt” werde. Die mangelnde Bestimmtheit werde durch einen der Klägerin zugestandenen Beurteilungsspielraum nicht kompensiert. Ebenso fehle der in Nr. A I 2a in Bezug genommenen Erkenntnis, “dass der Nachweis der Störfallbeherrschung in Frage gestellt sein könnte”, jegliche Bestimmtheit. Jeder beliebige Zweifel aus jeder beliebigen Richtung könne ausreichen, diese Voraussetzung zu bejahen. Im Unklaren bleibe damit, wann die Informationspflicht einsetze. Die Verpflichtung zur Einstellung des Leistungsbetriebs nach Nr. A I 2b gehe weit über die Regelung in Nr. A I 1 hinaus. Bereits dann, wenn Erkenntnisse vorlägen, dass der Nachweis der Störfallbeherrschung in Frage gestellt sein könnte, sei der Leistungsbetrieb einzustellen, solange der Nachweis der Störfallbeherrschung nicht kurzfristig geführt werden könne. Diese Regelung stelle weder auf den Inhalt der Genehmigung noch auf das Betriebshandbuch noch auf Sicherheitsspezifikationen noch auf sicherheitstechnische Anforderungen oder auf Daten und Unterlagen ab, die der Genehmigung zugrunde lägen. Die nachträgliche Auflage führe auch zu einer Verschiebung der Beweislast. Erfolge ein Betrieb der Anlage außerhalb des ursprünglichen Gestattungsumfangs der Genehmigung, könne die Aufsichtsbehörde auf der Grundlage des § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 AtG einschreiten. Die rechtsstaatlichen Sicherungen der Aufsicht nach § 19 AtG würden außer Kraft gesetzt, wenn auf der Grundlage von § 17 Abs. 1 Satz 3 AtG die Betreiber verpflichtet würden, den Leistungsbetrieb einzustellen, wenn der Gestattungsumfang der Genehmigung verlassen werde.
II
Die Revision des Beklagten ist nur zum Teil begründet. Ohne gegen Bundesrecht zu verstoßen hat der Verwaltungsgerichtshof die nachträgliche Auflage für rechtswidrig erachtet und aufgehoben, soweit sie Verpflichtungen zur unverzüglichen Einstellung des Leistungsbetriebs enthält. Die beiden insoweit in Nr. A I 1 und Nr. A I 2b des streitigen Bescheids genannten Fälle mangelnder Störfallbeherrschung sind nicht in hinreichendem Maße bestimmt (1.). Lediglich die in Nr. A I 2a auferlegte Informations- und Nachweispflicht versetzt die Klägerin in die Lage, zu erkennen, was von ihr gefordert wird; soweit der Verwaltungsgerichtshofs auch diese Auflage beanstandet hat, verletzt das Urteil Bundesrecht (2.).
1. Die nachträgliche Auflage ist in Nr. A I 1 und Nr. A I 2b rechtswidrig, da sie nicht den Anforderungen an die hinreichende Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes gemäß § 37 VwVfG entspricht. Der Grundsatz der hinreichenden Bestimmtheit einer Einzelfallregelung bedeutet zum einen, dass deren Adressat in der Lage sein muss, zu erkennen, was von ihm gefordert wird, und zwar in dem Sinne, dass der behördliche Wille keiner unterschiedlichen subjektiven Bewertung zugänglich ist; zum anderen folgt daraus, dass der Verwaltungsakt Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein kann (Urteil vom 15. Februar 1990 – BVerwG 4 C 41.87 – BVerwGE 84, 335 ≪338≫; = Buchholz 406.11 § 39b BBauG Nr. 1, Beschluss vom 27. Juli 1982 – BVerwG 7 B 122.81 – Buchholz 316 § 37 VwVfG Nr. 1). Diese Anforderungen gelten ebenso für eine nachträgliche Auflage, deren Entscheidungsgehalt für den Betroffenen nach Art und Umfang aus sich heraus erkennbar und verständlich sein muss (Urteil vom 26. Januar 1990 – BVerwG 8 C 69.87 – Buchholz 316 § 37 VwVfG Nr. 6).
1.1 Mit Blick auf den Wortlaut ist zunächst unbestimmt, in welchem Verhältnis die nachträgliche Auflage zu den vielfältigen, differenzierten sicherheitsspezifischen Regelungen in der Genehmigung und in den Betriebshandbüchern stehen soll. Der Beklagte war sich nach Erlass der nachträglichen Auflage selbst im Unklaren über die Reichweite der in Nr. A I 1 Satz 1 getroffenen Regelung, wonach der Leistungsbetrieb des Kraftwerks unverzüglich einzustellen ist, wenn Grenzwerte, Maße oder spezifizierte sicherheitstechnische Anforderungen nicht eingehalten werden. Noch im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ging er davon aus, dass die nachträgliche Auflage in den Bestand der ursprünglichen Genehmigung eingreift und somit auch die in den Betriebshandbüchern festgelegte Maße, Grenzwerte und Sicherheitsspezifikationen modifiziert. Hierfür spricht auch die Begründung des Bescheides zu Nr. A I 1, wonach bei ausdrücklichen Festlegungen der Genehmigung jede Abweichung grundsätzlich wesentlich (und damit im Sinne der nachträglichen Auflage bedeutend) ist mit der Folge der Einstellung des Leistungsbetriebs. Mit diesem Inhalt würden sämtliche detaillierte und auf spezielle Störfälle ausgerichtete Sicherheitsspezifikationen, die durch Bezugnahme in Ziffer III der Betriebsgenehmigung für das KKP 1 und in Ziffer II 4.1 der 3. Teilbetriebsgenehmigung für das KKP 2 Teil der atomrechtlichen Genehmigung geworden sind und die austarierte Detailregelungen enthalten, ohne weitere Begründung ersetzt durch das generelle Gebot des Abfahrens des Leistungsbetriebs. So würde etwa die Regelung für das KKP 1, B 5.3/8 “Isolationsventile”, wonach die Anlage bis maximale 50 % Reaktorleistung weiter betrieben werden darf, falls beim Testen oder während des Betriebs ein Isolationsventil ausfällt, hinfällig und durch die undifferenzierte Verpflichtung zur Einstellung des Leistungsbetriebs ersetzt. Sollte die Auflage so zu verstehen sein, würde die Frage nach der Verhältnismäßigkeit (BVerfG, Urteil vom 4. Februar 1975 – 2 BvL 5/74 – BVerfGE 38, 348 ≪367 f.≫) dieser nachträglichen Auflage aufgeworfen. Denn hierdurch würde ein bisher ausdifferenziertes System durch eine Regelung ersetzt, die den “Bruch” mit dem bisherigen deterministischen Konzept der atomrechtlichen Anlagen- und Betriebsgenehmigung nicht begründet und Störfälle gleich welcher Art mit einem pauschalen Gebot zur Betriebseinstellung beantwortet. Der hierin liegende Verstoß gegen das rechtsstaatliche Übermaßverbot, dem § 17 Abs. 1 Satz 3 AtG entspricht, der nur erforderliche Auflagen zulässt, müsste zur Rechtswidrigkeit der – so verstandenen – nachträglichen Auflage in Nr. A I 1 führen.
Im Revisionsverfahren hat der Beklagte diesem Verständnis der Nr. A I 1 Satz 1 widersprochen. Im Betriebshandbuch konkretisierte sicherheitstechnische Anforderungen sollten durch die nachträgliche Auflage nicht verdrängt werden; dies gelte auch für dort konkret beschriebene Regelungen zum Abfahren der Anlage. Nach dieser letzten Auslegung durch den Beklagten soll die nachträgliche Auflage in Nr. A I 1 Satz 1 somit allein solche Parameter erfassen, für die bisher keine (differenzierten) Handlungsanweisungen bestehen. Auch mit diesem Verständnis wäre die Auflage nicht rechtens. Hiermit verbindet sich zunächst die Frage, ob nach dem deterministischen Konzept der atomrechtlichen Genehmigung es solche nicht detailliert geregelte Fälle überhaupt geben darf. Selbst wenn hiervon auszugehen sein sollte, stellte sich aber erneut die Frage nach der Erforderlichkeit der nachträglichen Auflage im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 3 AtG. Diese kann nicht gleichsam prophylaktisch auf nicht absehbare Fallkonstellationen mit dem schärfsten Eingriff, nämlich der Einstellung des Leistungsbetriebs reagieren. Hiergegen stünde wiederum das Übermaßverbot. Die Auflage wäre nicht verhältnismäßig und damit auch nicht “erforderlich” im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 3 AtG.
1.2 Die nachträgliche Auflage ist in Nr. A I 1 Satz 1 darüber hinaus deshalb unbestimmt, weil für die Klägerin – selbst unter Berücksichtigung klarstellender Erläuterungen des Beklagten im gerichtlichen Verfahren – nicht deutlich geworden ist, welche spezifizierten sicherheitstechnischen Anforderungen im materiellen Sinne, die nicht Gegenstand des Betriebshandbuch geworden sind, von der nachträglichen Auflage erfasst sein sollen. Die Begründung des Bescheides stellt insoweit auf mittelbar zur Bestimmung des Genehmigungsinhalts herangezogene Unterlagen ab. Wenn der Beklagte sich des Weiteren auf den Standpunkt stellt, dass sämtliche mit den Anträgen der Klägerin im Genehmigungsverfahren beigebrachten Unterlagen zum Inhalt des Genehmigungsbescheides geworden sind, bedarf dies bereits der Einschränkung, dass einem Antrag beigefügte Unterlagen nur dann zum Inhalt des Genehmigungsbescheides werden, wenn der verfügende Teil des Verwaltungsaktes darauf Bezug nimmt (Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. § 35 Rn 157). Im Zusammenhang mit dem Nachweis einer Störfallbeherrschung erfolgt eine derartige Bezugnahme in den Betriebsgenehmigungen für die KKP 1 und 2 aber nur auf das jeweilige Betriebshandbuch mit den darin ausgewiesenen Sicherheitsspezifikationen. Es bleibt auch nach dem Vortrag im Revisionsverfahren unklar, ob der Klägerin durch die nachträgliche Auflage nunmehr aufgegeben werden soll, die Betriebshandbücher, die den sicheren Betrieb der Kernenergieanlage garantieren sollen, auf Lücken bezüglich einer defizitären Störfallbeherrschung zu durchsuchen, die gegebenenfalls auch als Sicherheitsspezifikationen ausgewiesen werden müssten, und/oder ob darüber hinausgehend sogar sämtliche – auch mittelbaren – Genehmigungsunterlagen einer diesbezüglichen Überprüfung unterzogen werden sollen. Bei solch unbestimmten Vorgaben ist es ausgeschlossen, dass die Klägerin hinreichend klar zu erkennen vermag, wann sie den Leistungsbetrieb der Anlage einstellen muss. Dies könnte ohne vorherige Klärung, welche Unterlagen mittelbar zur Bestimmung des Genehmigungsinhalts heranzuziehen sind, auch nicht mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden. Der Klägerin kann somit keine Verpflichtung, die Anlage abzufahren, aufgegeben werden für im Einzelnen nicht näher bezeichnete Fälle, in denen möglicherweise Parameter der Genehmigung nicht eingehalten sind, die bislang aber nicht als Sicherheitsspezifikation und damit als Daten, Grenzwerte und Maßnahmen gekennzeichnet sind, die für den sicheren Zustand und Betrieb der Kernenergieanlage von Bedeutung sein können. Auch würde sich die in Nr. I 1 Satz 1 verfügte pauschale Handlungspflicht (“Betriebseinstellung”) angesichts der differenzierten Vorgaben in den Betriebshandbüchern zur Störfallbehebung als unverhältnismäßig und damit als rechtswidrig erweisen.
1.3 Auch die in Nr. A I 2b verfügte Verpflichtung, den Betrieb einzustellen, für den Fall, dass die Störfallbeherrschung beeinträchtigt ist und die Beeinträchtigung nicht zweifelsfrei nur geringfügig ist, erweist sich als zu unbestimmt. Nach dem Vorbringen der Revision soll hiermit der Fall geregelt werden, dass auf Grund anderer Erkenntnisse als den in Nr. A I 1 Satz 1 konkret bezeichneten Abweichungen die Störfallbeherrschung nicht mehr nachgewiesen wird. Anders als in Nr. A I 1 Satz 2 mit der Definition “offensichtlich unbedeutender Defizite” fehlt eine entsprechende Klarstellung der “zweifelsfrei nur geringfügig beeinträchtigten” Störfallbeherrschung in Nr. A I 2b. Damit bleibt unklar, an welchen Maßstäben die “Geringfügigkeit” zu messen ist. Wegen der Anknüpfung an die Informationspflicht in Nr. A I 2a soll die Handlungspflicht nach Nr. A I 2b zudem – so die Revision – von dem jeweiligen Dafürhalten des Betreibers bestimmt werden. Es kommt folglich nicht auf die objektive Einschätzung eines Dritten oder der – an sich für die Risikobewertung zuständigen – Behörde an. Damit ist aber das Kriterium der “zweifelsfrei nur geringfügigen Beeinträchtigung” als unbestimmter Rechtsbegriff nicht mehr hinreichend bestimmt. Es knüpft vielmehr an mögliche unterschiedliche subjektive Bewertungen an, was wegen Unbestimmtheit der nachträglichen Auflage in Nr. A I 2b einen vollstreckbaren Inhalt nimmt.
Nr. A I 2b wäre ferner auch wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit rechtswidrig. Denn pauschal mit dem schwersten Eingriff – nämlich der Einstellung des Leistungsbetriebs – auf nicht überschaubare und unter Sicherheitsaspekten völlig unterschiedlich gewichtige Szenarien eines mangelnden Nachweises der Störfallbeherrschung zu reagieren, lässt die konkrete Bedeutung des Nachweisdefizits völlig unbedacht. Eben dies setzt aber die unter dem Postulat der Erforderlichkeit stehende nachträgliche Auflage nach § 17 Abs. 1 Satz 3 AtG voraus.
2. Die nachträgliche Auflage ist hingegen nicht zu beanstanden, soweit der Klägerin in Nr. A I 2a eine Informationspflicht und die Vorlage eines Projektplanes zum Nachweis der Störfallbeherrschung auferlegt worden ist.
2.1 Dabei ist für die rechtliche Überprüfung von der Fassung der nachträglichen Auflage auszugehen, die sie in der zu Protokoll gegebenen Erklärung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung erhalten hat. Die Behörde ist befugt, einen unklaren Verwaltungsakt zu präzisieren und seine hinreichende Bestimmtheit – auch durch Erklärung gegenüber dem Gericht – nachträglich herbeizuführen (Urteil vom 20. April 2005 – BVerwG 4 C 18.03 – BVerwGE 123, 261 ≫283≫ = Buchholz 442.40 § 6 LuftVG Nr. 33; Beschluss vom 21. Juni 2006 – BVerwG 4 B 32.06 – NVwZ-RR 2006, 589). Dass dies erst im Revisionsverfahren erfolgte, hindert nicht, diese Erklärung zu berücksichtigen, obgleich es sich um eine neue Tatsache handelt, § 137 Abs. 2 VwGO. Denn das Revisionsgericht kann ausnahmsweise neue, unstreitige Tatsachen berücksichtigen, wenn es insoweit zu keiner Veränderung des Prozessstoffes kommt. Ausgehend von dem Sachverhalt, der zum Erlass der nachträglichen Auflage geführt hat, war die jetzt präzisierte Informationspflicht der Klägerin als Kern bereits in der ursprünglich formulierten Informationspflicht enthalten, die der Beklagte nur von möglichen, aber unklaren und deshalb zur Unbestimmtheit führenden Weiterungen befreit hat. Der Beklagte hat die nachträgliche Auflage durch seine Erklärung somit lediglich auf den Kern zurückgeführt, der bisher schon Gegenstand der Auseinandersetzungen der Beteiligten und der tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs war. Der bisherige Prozessstoff bleibt somit unberührt.
2.2 Gemäß Nr. A I 2a Satz 1 der nachträglichen Auflage ist die Aufsichtsbehörde somit unverzüglich zu informieren, wenn sich auf Grund gesicherter naturwissenschaftlich-technischer Erkenntnisse für den Betreiber ergibt, dass der Nachweis der Störfallbeherrschung in Frage gestellt sein könnte. Mit diesem Inhalt wird der Klägerin als Adressatin des Verwaltungsaktes in hinreichend bestimmtem Maße verdeutlicht, dass sie die Aufsichtsbehörde stets dann zu informieren hat, wenn sie wegen technischer Ungereimtheiten mit dem Hersteller der Anlage oder anderen sachkundigen Stellen in Erörterungen zum Thema Störfallbeherrschung eintritt, sie gleichsam eine Nachfrage nach naturwissenschaftlich-technischem Know-how für notwendig erachtet, um Zweifel an der Störfallbeherrschung auszuräumen.
Die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 Satz 3 AtG für den Erlass der nachträglichen Anordnung liegen insoweit vor. Zur Erreichung des in § 1 Nr. 2 AtG niedergelegten Schutzziels ist es erforderlich, dass Zweifel an einer Störfallbeherrschung der Aufsichtsbehörde angezeigt werden, die andernfalls ihrer Aufsichtspflicht nach § 19 AtG nicht nachkommen kann. Diese Verpflichtung bezieht sich auch auf den konkreten Fall, dass naturwissenschaftlich-technische Erkenntnisse die Störfallbeherrschung in Frage stellen könnten. Die nachträgliche Auflage geht in Nr. A I 2a Satz 1 ersichtlich auch über die in § 6 der atomrechtlichen Sicherheitsbeauftragten – und Meldeverordnung (AtSMV) bestimmten Fälle (in Anlage 1 und 2) einer Meldepflicht hinaus, die insoweit aber keine abschließende Regelung enthält, und ergänzt zusätzliche in den Betriebshandbüchern für die KKP 1 und 2 verfügte Meldepflichten. Der in § 19 Abs. 2 Satz 2 AtG enthaltenen Auskunftspflicht kommt für eine Informationspflicht, wie sie die nachträgliche Auflage verfügt, keine Sperrwirkung zu. Darlegungen zur Störfallbeherrschung sind Teil des Genehmigungsverfahrens. Deshalb sind darauf bezogene Informationspflichten seit jeher durch Auflagen zur Genehmigung geregelt. Mit ihnen wird möglicherweise ein atomrechtliches Aufsichtsichtsverfahren in Gang gesetzt. Die Auskunftspflicht nach § 19 Abs. 2 Satz 2 AtG ist ihrerseits aber bereits ein Instrumentarium der Atomaufsicht.
Die in Nr. A I 2a Satz 2 und 3 der nachträglichen Auflage enthaltene Verpflichtung – zur Vorlage eines Projektplans und dessen Aktualisierung – steht in unmittelbarem Kontext mit Nr. A I 2a Satz 1. Denn wenn der Nachweis einer Störfallbeherrschung für eine Kernenergieanlage in Frage gestellt sein könnte, beschränkt sich die Informationspflicht nicht auf ein bloßes verbales Bekunden von Erkenntnissen. Hiermit verbindet sich vielmehr auch die Beschreibung etwaiger (vorsorglicher) Maßnahmen zur Beherrschung des möglichen Störfalls und somit auch die Vorlage eines Projektplans. Bei Kernenergieanlagen stellt dies den gebotenen Standard dar, wie er auch in § 7 Abs. 1 AtSMV zum Ausdruck kommt. Nr. A I 2a Satz 4 bezieht sich im Wesentlichen auf die Auflage Nr. A I 2b und wird mit deren Aufhebung insoweit gegenstandslos. Einer Entscheidung über die Zulässigkeit des Ausschlusses “probabilistischer Analysen” bedurfte es daher nicht.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Unterschriften
Sailer, Krauß, Dr. Hauser, Neumann, Guttenberger
Fundstellen
Haufe-Index 2030782 |
BVerwGE 2009, 259 |
GewArch 2008, 461 |
ZUR 2008, 475 |
DVBl. 2008, 1188 |
UPR 2009, 40 |
Immissionsschutz 2008, 198 |