Entscheidungsstichwort (Thema)
Behörde. Bestellung. Bestellungsbehörde. Privater. privater Dritter. maßgeblich. maßgebliche Rechtsgrundlage. Begründungselement. Vergütung. Auslagen. Vergütungsanspruch. Kostentragung. Vorfinanzierung. Risikoausfall. Analogie. Normzweck. Interessenlage. gesetzliche Vertreter
Leitsatz (amtlich)
1. Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB i.V.m. § 16 Abs. 3 VwVfG räumt dem gesetzlichen Vertreter, der auf Antrag eines Dritten bestellt worden ist, keinen Anspruch auf Festsetzung einer angemessenen Vergütung und Erstattung seiner baren Auslagen gegen die Bestellungsbehörde ein.
2. Normzweck und Interessenlage gebieten keine analoge Anwendung von Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB i.V.m. § 16 Abs. 3 VwVfG mit der Folge, dass der gesetzliche Vertreter einen Vergütungs- und Erstattungsanspruch gegen einen privaten Dritten geltend machen kann, der seine Bestellung beantragt hat.
Normenkette
VermG § 11b Abs. 1; EGBGB Art. 233 § 2 Abs. 3; VwVfG § 16 Abs. 3
Verfahrensgang
VG Berlin (Urteil vom 04.07.2007; Aktenzeichen 1 A 97.06) |
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 4. Juli 2007 wird aufgehoben, soweit es der Klage stattgegeben hat. Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens erster Instanz tragen die Klägerin zu 1 und die Klägerin zu 2 je zur Hälfte mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen. Die Klägerin zu 1 trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten um die Festsetzung einer Vergütung in Höhe von 41 361,93 € sowie barer Auslagen in Höhe von 1 390 € für die gesetzliche Vertretung der Eigentümer des Grundstücks W…straße … in B…, …, mit 29 Mietwohnungen und zwei Gewerbeeinheiten.
Das Grundstück gehörte seit 1922 schwedischen Staatsangehörigen. Im Frühjahr 1951 wurde das Grundstück auf der Grundlage der Verordnung des Magistrats von Groß-Berlin über die Verwaltung und den Schutz ausländischen Eigentums in Groß-Berlin vom 18. Dezember 1951 in staatliche Verwaltung übernommen. Staatlicher Verwalter war der VEB Kommunale Wohnungsverwaltung P…, aus dem im Rahmen der Herstellung der Einheit Deutschlands die Beigeladene zu 1 hervorgegangen ist.
Ein Rückübertragungsantrag der Rechtsnachfolger der Eigentümer wurde mit Bescheid vom 2. November 1992 unter Hinweis auf § 1 Abs. 8 Buchst. b VermG abgelehnt. Der Ablehnungsbescheid wurde mit Rücknahme der erhobenen Klage am 2. Februar 1998 bestandskräftig.
Am 7. Dezember 1992 ließ das Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen (nachfolgend: Bundesamt) im Grundbuch einen Zustimmungsvorbehalt gemäß § 11c VermG hinsichtlich des Grundstückseigentums eintragen.
Nach Aufhebung der staatlichen Verwaltung mit Ablauf des 31. Dezember 1992 führte die Beigeladene zu 1 die Grundstücksverwaltung ohne Auftrag fort. Am 31. Januar 1996 teilte sie dem Bundesamt mit, es möge umgehend die Zuordnung des Grundstücks oder, hilfsweise, die Bestellung der Beigeladenen zu 1 zur gesetzlichen Vertreterin veranlassen.
Das Bundesamt entgegnete mit Schreiben vom 12. Februar 1996, die Beigeladene zu 1 habe die Grundstücksverwaltung als Geschäftsführung ohne Auftrag weiterzuführen. Nach einem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 20. August 1993 sollten die früheren staatlichen Verwalter von Grundstücken, die zwischenstaatlichen Entschädigungsabkommen unterfielen, bis zu deren Zuordnung zum Bund ihre Pflichten diesem bzw. dem Entschädigungsfonds gegenüber als Geschäftsführer ohne Auftrag erfüllen.
Im Mai 1997 teilte das Bundesamt mit, mangels Dossieranmeldung des Grundstücks könne es vorerst keine Zuordnung beantragen. Recherchen zur Rechtsnachfolge nach den Alteigentümern liefen noch. Die Beigeladene zu 1 bat mit Schreiben vom 29. Mai 1997, die Oberfinanzdirektion Berlin (Bundesvermögensverwaltung) zum gesetzlichen Vertreter der Eigentümer zu bestellen. Sie selbst könne das Grundstück nicht ordnungsgemäß verwalten, weil sie weder neue Mietverträge abschließen, noch Mieterhöhungen erklären oder Modernisierungsmaßnahmen durchführen dürfe. Bei Rechtsstreitigkeiten fehle ihr die Klagebefugnis. Im Rahmen der Anhörung wandte die Oberfinanzdirektion Berlin mit Schreiben vom 21. Juli 1997 ein, die im Grundbuch eingetragenen Alteigentümer bzw. deren Rechtsnachfolger blieben bis zur Zuordnung materiell berechtigt. Im Übrigen seien die Bundesvermögensämter für die Verwaltung von Bundesvermögen zuständig.
Mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 21. August 1997 bestellte das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen das Bundesvermögensamt Berlin II auf Antrag der Beigeladenen zu 1 gemäß Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB zum gesetzlichen Vertreter der unbekannten Erben des Grundstücks.
Vom 17. Dezember 1997 bis zum 28. Februar 2001 wurde das Grundstück W…straße … durch das Bundesvermögensamt Berlin II unmittelbar, und seit dem 1. März 2001 in seinem Auftrag von der “a. Grundstücksverwaltungsgesellschaft mbH” verwaltet. Einen Vorschuss auf die Vergütung und die Erstattung barer Auslagen verweigerte das Bezirksamt P… … mit der Begründung, der Anspruch nach § 16 Abs. 3 VwVfG richte sich gegen den Antragsteller, also gegen die Beigeladene zu 1.
Das Bundesamt veranlasste aufgrund eines Erlasses des Bundesministeriums für Finanzen vom 3. Mai 2002 – danach waren Abkommensfälle ohne sogenannte Dossieranmeldung bei der Zuordnung nach § 1b VZOG nicht mehr zu verfolgen – die Löschung der Zustimmungsvorbehalte nach § 11c VermG und erklärte mit Schreiben vom 19. August 2002, die Erben der Alteigentümer könnten nach Grundbuchberichtigung über das Grundstück verfügen.
Mit Schreiben vom 13. November 2003 und 26. November 2004 forderte das Bundesvermögensamt Berlin II das Bezirksamt P… … auf, zu Lasten des Beklagten eine Vertretervergütung und die Auslagenerstattung für die Zeit vom 17. Dezember 1997 bis zum 30. September 2003 in Höhe von insgesamt 100 313,77 € festzusetzen. Anschließend vereinbarten das Bundesvermögensamt und das Bezirksamt P… … einen bis zum 31. Dezember 2006 befristeten Verjährungsverzicht.
Nach Auflösung des Bundesvermögensamts zum 31. Dezember 2004 gingen seine Aufgaben aufgrund des Gesetzes zur Gründung einer Bundesanstalt für Immobilienaufgaben auf die Klägerin zu 1 über, die zum 1. Januar 2005 als rechtsfähige Anstalt im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen errichtet wurde. Die Klägerin zu 1 und die frühere Klägerin zu 2 trafen eine Zuordnungs- und Verrechnungsvereinbarung vom 22. Dezember 2004. Danach sollten der Klägerin zu 1 alle Forderungen zustehen, die vor dem Stichtag der Gründung im “Geschäftsbereich” der Bundesvermögensverwaltung entstanden sind und in der auf den Stichtag durchgeführten Inventur erfasst waren. Dazu enthielt Anlage 1 der Vereinbarung eine Übersicht, die unter der Inventarlistennummer 152, Kennziffer “Vermögensmasse 900”, auch die Forderung betreffend das streitbefangene Grundstück in Höhe von 100 313,77 € aufführte. Diese Forderung machte die Klägerin zu 1 gegenüber dem Beklagten geltend. Da sie sich weigerte, die Vertretung der Grundstückseigentümer fortzuführen oder zu übernehmen, wurde der Beigeladene zu 2 zum gesetzlichen Vertreter bestellt.
Mit Bescheid vom 23. Dezember 2005 lehnte das Bezirksamt P… … die Festsetzung einer angemessenen Vergütung und Auslagenerstattung gegen den Beklagten ab. Nicht dieser, sondern die Beigeladene zu 1 sei als Antragstellerin zur Zahlung verpflichtet. Der Rechtsträger der bestellenden Behörde komme als Schuldner nur in Betracht, wenn die Bestellung im öffentlichen Interesse gelegen habe. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies das Bezirksamt P… … mit Widerspruchsbescheid vom 30. März 2006 zurück.
Auf die Klage der Klägerinnen hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 4. Juli 2007 den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Bescheids des Bezirksamts P… … vom 23. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. März 2006 verpflichtet, für die Verwaltung des Grundstücks W…straße … durch das Bundesvermögensamt Berlin II in der Zeit vom 17. Dezember 1997 bis zum 30. September 2003 eine Vergütung in Höhe von 41 361,93 € sowie die Erstattung barer Auslagen in Höhe von 1 390 € festzusetzen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Der Klägerin zu 1 stehe dem Grunde nach ein Vergütungs- und Auslagenersatzanspruch nach § 11b Abs. 1 Satz 4 VermG i.V.m. § 16 Abs. 3 Satz 1 VwVfG zu. Ein solcher Anspruch bestehe auch dann, wenn die Behörde den gesetzlichen Vertreter nicht auf Veranlassung der örtlich zuständigen Gemeinde, sondern auf Antrag eines Dritten bestellt habe. Die von § 11b Abs. 1 Satz 4 VermG angeordnete Anwendung des § 16 Abs. 3 VwVfG sei sinn- und interessengerecht so zu verstehen, dass die in § 16 Abs. 3 Satz 1 VwVfG genannten öffentlich-rechtlichen Ansprüche – unbeschadet der Frage der Schuldnerschaft – auch bei Bestellung des gesetzlichen Vertreters auf Antrag eines Dritten gegeben seien. Entgegen der Auffassung des Beklagten richte sich der durch Bescheid festzusetzende Vergütungs- und Auslagenersatzanspruch in den Fällen der Bestellung des gesetzlichen Vertreters auf Antrag eines Dritten dann nicht gegen diesen, sondern gegen den Rechtsträger der Behörde, die antragsberechtigt gewesen sei, wenn die Bestellung des gesetzlichen Vertreters im öffentlichen Interesse gelegen habe. Dies sei hier der Fall mit der Folge, dass Schuldner der Vergütungs- und Auslagenersatzansprüche der Beklagte und nicht die Beigeladene zu 1 sei.
Die Klage der Klägerin zu 2 hat es als unzulässig abgewiesen.
Der Beklagte hat die im Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassene Revision eingelegt. Er macht geltend, der Anspruch bestehe nicht gegenüber ihm, sondern gegenüber der Beigeladenen zu 1. Eine ausdrückliche Regelung des Vergütungs- und Auslagenersatzanspruchs bei Vertreterbestellung auf Antrag eines Dritten fehle. § 16 Abs. 3 VwVfG müsse entsprechend angewendet werden.
Der Beklagte beantragt,
unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts Berlin vom 4. Juli 2007 die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Klägerin zu 1 beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Beklagten hat Erfolg. Das Urteil des Verwaltungsgerichts war aufzuheben, soweit es der Klage stattgegeben und den Beklagten unter teilweiser Aufhebung der streitgegenständlichen Bescheide verpflichtet hat, für die Verwaltung des Grundstücks W…straße … in B… für die Zeit vom 17. Dezember 1997 bis 30. September 2003 eine Vergütung in Höhe von 41 361,93 € zuzüglich barer Auslagen in Höhe von 1 390 € festzusetzen. Die Klage war in vollem Umfang abzuweisen. Die ablehnende Entscheidung des Bezirksamts P… … vom 23. Dezember 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. März 2006 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin zu 1 nicht in ihren Rechten.
Das Verwaltungsgericht hat unter Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, dass die Klägerin zu 1 vom Beklagten die Festsetzung des auf sie von der Klägerin zu 2 übergegangenen Vergütungs- und Auslagenersatzanspruchs verlangen könne (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Ein solcher Anspruch besteht nicht. Er ergibt sich entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht aus § 11b Abs. 1 Satz 4 VermG i.V.m. § 16 Abs. 3 VwVfG (1.). Die Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Ein Anspruch der Klägerin zu 1 folgt auch nicht aus Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB i.V.m. § 16 Abs. 3 VwVfG (2.). Der von der Klägerin zu 1 gestellte Hilfsantrag auf Festsetzung eines Vergütungs- und Auslagenersatzanspruchs gegenüber der Beigeladenen zu 1 hat ebenfalls keinen Erfolg (3.).
1. Maßgebliche Rechtsnorm für den von der Klägerin zu 1 geltend gemachten Anspruch ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht § 11b Abs. 1 Satz 4 VermG i.V.m. § 16 Abs. 3 VwVfG. Denn nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts, an die der Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden ist, erfolgte die Bestellung des Bundesvermögensamts Berlin II zum gesetzlichen Vertreter für die unbekannten Eigentümer des Grundstücks W…straße … auf Antrag der Beigeladenen zu 1 durch Bescheid des Landesamts zur Regelung offener Vermögensfragen vom 21. August 1997 auf der Grundlage von Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB. Die Angabe der Rechtsgrundlage ist vorliegend nicht bloß austauschbares Begründungselement, sondern Teil der Regelung, weil sie den Umfang der verliehenen Vertretungsmacht mitbestimmt. Nach Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB i.V.m. § 16 Abs. 4 VwVfG bestimmt sich die Stellung des gesetzlichen Vertreters unbekannter oder abwesender Eigentümer entsprechend den pflegschaftsrechtlichen Vorschriften. Sie verweisen über § 1915 Abs. 1 Satz 1 BGB umfassend auf das Vormundschaftsrecht. Danach unterliegt der Vertreter einem Genehmigungsvorbehalt nicht nur bei Verfügungen nach § 1821 BGB, sondern auch in Fällen des § 1822 BGB, u.a. schon beim Abschluss von Mietverträgen mit mehr als einem Jahr Laufzeit nach § 1822 Nr. 5 BGB (Bassenge, in: Palandt-Archiv II, Stand September 2007, EGBGB, Art. 233 § 2 Rn. 6; Böhringer, BWNotZ 2005, 25 ≪33≫). Das ursprünglich pflegschafts- und vormundschaftsrechtlich ausgestaltete Vertretungsverhältnis in Art. 233 § 16 Abs. 3 EGBGB a.F. wurde mit der Neuregelung in Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB beibehalten. Die Zuständigkeitsverlagerung für die Bestellung auf den Landkreis bzw. die kreisfreie Stadt sollte nur die Vormundschaftsgerichte entlasten, nicht aber den Schutz der Eigentümer reduzieren (Rauscher, in: Staudinger, EGBGB, 12. Aufl., 2003, Art. 233 § 2 Rn. 65).
Dagegen beschränkt § 11b Abs. 1 Satz 5 VermG den Genehmigungsvorbehalt auf die in § 1821 BGB genannten Verfügungsgeschäfte. Darüber hinaus verweist er nur auf die §§ 1785, 1786, 1837 BGB, die eine Pflicht zur Übernahme der Vertretung begründen und eine Beaufsichtigung des Vertreters anordnen. Im Übrigen werden die Vorschriften über den Auftrag für sinngemäß anwendbar erklärt. Die gesetzliche Vertretung nach § 11b Abs. 1 VermG ist der treuhänderischen Verwaltung angenähert, wie sie vom 1. Juli 1990 bis zum 31. Dezember 1992 durch die ehemals staatlichen Verwalter auszuüben war (BGH, Urteil vom 4. Februar 1999 – III ZR 268/97 – BGHZ 140, 355 ≪363≫).
2. Die Klägerin zu 1 hat keinen Anspruch auf Festsetzung angemessener Vergütung und Auslagenersatz gemäß Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB gegen den Beklagten. Danach bestellt der Landkreis oder die kreisfreie Stadt, in dessen oder deren Gebiet sich das Grundstück befindet, auf Antrag der Gemeinde oder eines anderen, der ein berechtigtes Interesse daran hat, einen gesetzlichen Vertreter, wenn der Eigentümer eines Grundstücks oder sein Aufenthalt nicht festzustellen ist und ein Bedürfnis besteht, die Vertretung des Eigentümers sicherzustellen.
a) Art. 233 § 2 Abs. 3 Satz 4 EGBGB erklärt § 16 Abs. 3 VwVfG für entsprechend anwendbar. Auch § 11b Abs. 1 Satz 4 VermG verweist auf § 16 Abs. 3 VwVfG. Danach hat der Vertreter gegen den Rechtsträger der Behörde, die um seine Bestellung ersucht hat, Anspruch auf eine angemessene Vergütung und auf die Erstattung seiner baren Auslagen. Die Behörde kann von dem Vertretenen Ersatz ihrer Aufwendungen verlangen. Sie bestimmt die Vergütung und stellt die Auslagen und Aufwendungen fest. Die Anordnung der “entsprechenden” Anwendung des § 16 Abs. 3 VwVfG in Art. 233 § 2 Abs. 3 Satz 4 EGBGB lässt allein nicht den Schluss zu, dass bei der Bestellung eines gesetzlichen Vertreters auf Ersuchen eines Dritten die Verpflichtung zur Vorfinanzierung der Vergütung und der Auslagenerstattung die bestellende Behörde oder den Dritten treffen soll. Für einen solchen gesetzgeberischen Willen bieten die Gesetzesmaterialien keine Anhaltspunkte. Die entsprechende Anwendung erklärt sich ohne Weiteres daraus, dass § 16 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 VwVfG eine andere Fallgestaltung regelt, nämlich die Vertretung in einem Verwaltungsverfahren.
b) In direkter Anwendung dieser Bestimmung ergibt sich vorliegend kein Vergütungs- oder Zahlungsanspruch, da hier keine Behörde um die Bestellung des gesetzlichen Vertreters ersucht hat. Den Antrag auf Bestellung eines gesetzlichen Vertreters hatte die Beigeladene zu 1, eine privatrechtliche Wohnungsbaugesellschaft, gestellt.
Für die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass § 16 Abs. 3 VwVfG für die Fälle der Bestellung eines gesetzlichen Vertreters auf Antrag eines Dritten “sinn- und interessengerecht” so zu verstehen sei, dass die in § 16 Abs. 3 Satz 1 VwVfG genannten öffentlich-rechtlichen Ansprüche – unbeschadet der Schuldnerschaft – sich gegen den Rechtsträger der Behörde richten, die antragsberechtigt war, wenn die Bestellung des gesetzlichen Vertreters im öffentlichen Interesse lag, gibt schon der Wortlaut des Gesetzes keinen Anhaltspunkt. Auch Sinn und Interessenlage gebieten keine Auslegung dahingehend, dass immer dann, wenn die Vertreterbestellung im öffentlichen Interesse erfolgt ist, die Bestellungsbehörde zunächst gegenüber dem gesetzlichen Vertreter zur Vorausleistung verpflichtet ist. Dagegen spricht die Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Danach ist im Gesetzgebungsverfahren vom Bundesrat wiederholt eine Regelung über die Kostenerstattung, insbesondere bei Bestellung des gesetzlichen Vertreters auf Antrag Dritter, gefordert worden, die der Gesetzgeber nicht für erforderlich hielt.
In seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Registerverfahrensbeschleunigungsgesetzes, mit dem Art. 233 § 2 Abs. 3 in das EGBGB aufgenommen wurde, bat der Bundesrat im Hinblick auf § 11b Abs. 1 VermG im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob § 11b Abs. 1 VermG durch eine weitere Regelung über die Kostentragungspflicht im Falle eines Antrags auf Vertreterbestellung durch eine Gemeinde oder auch durch einen Privaten, speziell durch einen Mieter, ergänzt werden sollte. Die Frage der Kostentragungspflicht sei nicht hinreichend geklärt. Die Kommunen würden durch die Zahlungspflicht regelmäßig finanziell überfordert, weil sie trotz neuer gesetzlicher Aufgabenzuweisung keine neuen Mittel erhielten. Eine Kostenbelastung privater Dritter erscheine aus sozialpolitischen Gründen nicht zumutbar. Darüber hinaus sei eine Festsetzung der Vergütung und Auslagenerstattung durch Private unzweckmäßig (Stellungnahme des Bundesrats vom 9. Juli 1993 – BTDrucks 12/5553 S. 202). Die Gegenäußerung der Bundesregierung stellte erstmals den Bezug zu Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB her, in dem sie eine Überprüfung beider Vorschriften zusagte (BTDrucks 12/5553 S. 210 ≪216 zu Nr. 81≫ mit Verweis auf Nr. 56). Die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 24. November 1993 griff die Anregung des Bundesrats nicht auf (BTDrucks 12/6228 S. 39, 51, 99, 102).
Im Entwurf des Bundesrats zum Nutzerschutzgesetz vom 18. Juli 1995 schlug der Bundesrat sowohl eine Änderung von § 11b Abs. 1 VermG wie Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB vor. Für den Fall, dass eine Privatperson einen Antrag auf Bestellung eines gesetzlichen Vertreters stellt, sollte der Vertreter seine Vergütung und die Erstattung der baren Auslagen von der ihn bestellenden Behörde verlangen können und diese einen Ersatzanspruch gegenüber dem Vertretenen haben. Wegen einer fehlenden Regelung in § 16 Abs. 3 VwVfG komme “allenfalls” eine Kostentragung durch ihn selbst in Betracht. Dies sei aus sozialen Gründen nicht zumutbar. Die ganze Regelung in § 16 Abs. 3 VwVfG sei ersichtlich auf Behörden zugeschnitten (BTDrucks 13/2022 S. 4, 11, 13). Die Bundesregierung griff diesen Vorschlag in ihrer Stellungnahme nicht auf. Sie hielt die Regelung nicht für erforderlich, weil dem Bürger, der die Bestellung eines gesetzlichen Vertreters beantragt, im Ergebnis schon jetzt keine Kosten entständen. Er müsse zwar dem Vertreter zunächst seine Aufwendungen ersetzen, könne die daraus entstehenden Kosten in entsprechender Anwendung des § 16 Abs. 3 Satz 2 VwVfG aber auf den Vertretenen abwälzen. Die zwischenzeitliche Belastung des Bürgers lasse sich vermeiden, weil es in der Regel sachgerecht sei, juristische Personen des öffentlichen Rechts zum Vertreter zu bestellen. Diese seien regelmäßig in der Lage, dem Bürger die Zahlung zu stunden, bis er sie an den Vertretenen weiterreichen könne (BTDrucks 13/2022 S. 21 f. und S. 23).
Es kommt nach dem Vorstehenden auch keine analoge Anwendung des § 16 Abs. 3 VwVfG für den Fall der Bestellung eines gesetzlichen Vertreters auf Antrag eines Dritten in Betracht. Denn es fehlt schon an einer planwidrigen Regelungslücke.
Der Gesetzgeber hat gerade in dem Bewusstsein, dass § 16 Abs. 3 VwVfG keine Kostenregelung für den Fall enthält, dass auf Antrag eines Dritten ein gesetzlicher Vertreter durch den Landkreis oder die kreisfreie Stadt bestellt wird, weder in § 11b Abs. 1 VermG noch in Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB eine entsprechende Ergänzung vorgenommen. Eine Gesetzesanalogie in dem Sinne, dass sich der Anspruch des gesetzlichen Vertreters auf angemessene Vergütung und Erstattung seiner baren Auslagen gegen den Rechtsträger der Behörde richtet, wenn nicht diese, sondern ein privater Dritter um seine Bestellung ersucht hat, verbietet sich bei der Sachlage. Das Gericht würde damit nicht die bestehende Regelung auf die nicht erfassten Fälle der privaten Antragstellung erweitern, sondern – unter Erfindung des Anspruchselements des öffentlichen Interesses – eine neue Anspruchsregelung schaffen, die von dem Regelungsmodell des Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB i.V.m. § 16 Abs. § VwVfG abweicht. Dies würde die Grenzen einer zulässigen Analogie überschreiten, zumal der Gesetzgeber einen dahingehenden Gesetzesvorschlag des Bundesrats (BTDrucks 13/2022 S. 4, 11 und 21 f.) gerade nicht übernommen hatte (zu den verfassungsrechtlichen Schranken einer Analogie vgl. auch BVerfGE 82, 6 ≪12 f.≫). In Art. 233 § 2 Abs. 3 Satz 4 EGBGB und § 11b Abs. 1 Satz 4 VermG, jeweils i.V.m. § 16 Abs. 3 Satz 1 VwVfG, ist allein geregelt, dass sich der Anspruch gegen den Rechtsträger der Behörde richtet, die um die Bestellung des gesetzlichen Vertreters ersucht hat.
c) Nichts anderes folgt aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. In der Entscheidung vom 22. April 2004 (BVerwG 7 C 5.03 – Buchholz 428 § 11b VermG Nr. 1) ging es um den Ersatz der Kosten der Bestellungsbehörde vom Eigentümer, die diese dem gesetzlichen Vertreter im Voraus gezahlt hat. Die Aussage, “abweichend vom zivilrechtlichen Auftragsrecht gewährt das Gesetz dem Vertreter einen Vergütungsanspruch sowie einen Anspruch auf Erstattung seiner baren Auslagen gegen die Behörde, weil die Bestellung des gesetzlichen Vertreters im öffentlichen Interesse liegt und seine Ansprüche auf Vergütung und Auslagenersatz nicht von dem Vertretenen befriedigt werden können, solange der Eigentümer oder sein Aufenthalt nicht feststellbar sind”, steht im Zusammenhang mit dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt. Einen abstrakten Rechtssatz dahingehend, dass immer dann, wenn die Bestellung des gesetzlichen Vertreters im öffentlichen Interesse liegt, der Vergütungsanspruch und der Anspruch auf Erstattung barer Auslagen sich gegen die Gemeinde zu richten hat, hat das Bundesverwaltungsgericht bei der Anwendung von § 11b Abs. 1 VermG i.V.m. § 16 Abs. 3 Satz 1 VwVfG in dieser Entscheidung nicht aufgestellt.
Das Verwaltungsgericht hat damit einen Anspruch der Klägerin zu 1 gegen den Beklagten dem Grunde nach auf Vergütung und Auslagenersatz zu Unrecht bejaht.
3. Der von der Klägerin zu 1 gestellte Hilfsantrag auf Verpflichtung des Beklagten, gegenüber der Beigeladenen zu 1 eine angemessene Vergütung und die Erstattung barer Auslagen festzusetzen, hat ebenfalls keinen Erfolg.
Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB i.V.m. § 16 Abs. 3 VwVfG erfasst schon vom Wortlaut einen privaten Dritten, der die Bestellung eines gesetzlichen Vertreters beantragt hat, als vorfinanzierenden Schuldner nicht. Auch hier mangelt es an der Analogiefähigkeit. Eine planwidrige Regelungslücke liegt – wie oben dargelegt – nicht vor. Zudem wäre eine Analogie nur in der Weise möglich, dass sich der Anspruch statt gegen den Rechtsträger der Behörde gegen den privaten Dritten richtet, der um die Bestellung des gesetzlichen Vertreters ersucht hat. Die Voraussetzungen einer Analogie sind jedoch – abgesehen von dem Fehlen einer planwidrigen Lücke – nicht gegeben. Denn eine solche Erweiterung der gesetzlichen Regelung ist mit Blick auf die Interessenlage und den Normzweck des Art. 233 § 2 Abs. 3 Satz 4 EGBGB i.V.m. § 16 Abs. 3 Satz 1 VwVfG unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung nicht gerechtfertigt. Normzweck der Regelungen ist es, dem gesetzlichen Vertreter einen präsenten Schuldner zur Verfügung zu stellen, damit Vergütung und Auslagenerstattung nicht erst in ungewisser Zukunft gegenüber einem noch unbekannten oder abwesenden Eigentümer geltend gemacht werden können. Der präsente Schuldner soll die Last der Vorfinanzierung und des Ausfallrisikos tragen und damit die Auswahl eines gesetzlichen Vertreters erleichtern (vgl. Urteil vom 22. April 2004 – BVerwG 7 C 5.03 – BVerwGE 120, 344 ≪347 f.≫). Mag die Finanzkraft der Gemeinde oder des Landkreises (zu Bedenken des Bundesrats vgl. BTDrucks 12/5553 S. 202) die Verlagerung der Kostenlast rechtfertigen, kann dies für private Antragsteller nicht in gleicher Weise gelten. Der Kreis und die Interessen der möglichen privaten Antragsteller sind sehr unterschiedlich. Im vorliegenden Fall hat eine Wohnungsbaugesellschaft die Bestellung eines gesetzlichen Vertreters beantragt. Im Gesetzgebungsverfahren ist wiederholt auf den Mieter, der Gewährleistungsansprüche geltend machen will, als Beispiel für einen privaten Antragsteller hingewiesen worden (BRDrucks 227/92 S. 131; BTDrucks 12/5553 S. 202 und 13/2022 S. 5). Jedenfalls für den Mieter ist eine vergleichbare Interessenlage, wie sie der Regelung des § 16 Abs. 3 Satz 1 VwVfG zugrunde liegt, zu verneinen. Eine Vorfinanzierung von Kosten in der Größenordnung, wie sie z.B. das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall angenommen hat, wäre für ihn nicht zumutbar (vgl. aber BTDrucks 13/2022 S. 21 f. mit insoweit nicht überzeugender Gegenäußerung der Bundesregierung). Für eine Differenzierung innerhalb der privaten Antragsteller bietet Art. 233 § 2 Abs. 3 Satz 4 EGBGB i.V.m. § 16 Abs. 3 Satz 1 VwVfG keine Anhaltspunkte. Insoweit bleibt der gesetzliche Vertreter darauf angewiesen, seine Vergütung und die Auslagenerstattung gegenüber dem Vertretenen geltend zu machen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 155 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
Unterschriften
Gödel, Dr. Pagenkopf, Dr. von Heimburg, Postier, Dr. Hauser
Fundstellen
LKV 2008, 558 |
DVBl. 2009, 260 |