Entscheidungsstichwort (Thema)
Marktorganisationen. Marktordnung. Milch. Zusatzabgabenverordnung. Erzeuger. Milchquote. Milchreferenzmenge. Referenzmenge für Milch. Anlieferungsreferenzmenge. landwirtschaftliches Pachtverhältnis. flächengebundene Übertragung von Milchquoten. flächenlose Übertragung von Milchquoten. Milchbörse. staatliche Verkaufsstelle. kürzeste Frist. Vorabentscheidung
Leitsatz (amtlich)
Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1256/1999 steht einer nationalen Regelung nicht entgegen, derzufolge eine Milchreferenzmenge bei Beendigung des Pachtverhältnisses auch dann auf den Verpächter übergeht, wenn dieser nicht selbst Erzeuger ist oder zu werden beabsichtigt, sofern er sie seinerseits in kürzester Frist an einen Erzeuger überträgt. Das gilt sowohl für den Fall einer flächengebundenen Weiterverpachtung an einen Erzeuger als auch für den Fall eines flächenlosen Verkaufs über eine staatliche Verkaufsstelle.
Normenkette
Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 Art. 7; ZAV § 12 Abs. 2 S. 1, § 17 Abs. 1
Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 16.03.2005; Aktenzeichen 9 B 04.703) |
VG Augsburg (Urteil vom 20.01.2004; Aktenzeichen Au 9 K 03.1047) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. März 2005 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
Tatbestand
I
Die Klägerin führt einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Ackerbau, Mastviehhaltung und Milchwirtschaft. Ihr Vater hatte von der Rechtsvorgängerin des Beigeladenen im Jahr 1979 eine Fläche von 3,6960 ha hinzugepachtet. Das Pachtverhältnis war zuletzt bis zum 30. September 2002 befristet worden. Zusätzlich kündigte der Beigeladene zum 1. Oktober 2002. Auf seinen Antrag hin bescheinigte das Landwirtschaftsamt Wertingen dem Beigeladenen mit Bescheid vom 21. Januar 2003 den Übergang einer Referenzmenge von 3 563 kg auf ihn; zugleich verfügte es, dass eine weitere Referenzmenge von 1 755 kg zugunsten der Landesreserve eingezogen werde, weil der Beigeladene selbst keine Milch erzeuge. Der Beigeladene wurde aufgefordert, die auf ihn übergegangene Referenzmenge zum nächsten Termin zum Verkauf anzubieten, andernfalls sie ebenfalls zur staatlichen Reserve eingezogen werde.
Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, der Beigeladene sei kein Milcherzeuger, weshalb er keine Referenzmenge erworben haben könne. Zudem habe er das Eigentum an der Pachtfläche nur aufgrund eines Kaufvertrages und erst im März 2001 erworben, weshalb die Referenzmenge keinesfalls an ihn habe zurückfallen können. Die Regierung von Schwaben wies den Widerspruch mit Bescheid vom 8. Juli 2003, berichtigt am 22. August 2003, zurück. Der Beigeladene sei bereits zum 11. Januar 2000 und damit vor Inkrafttreten der neuen Zusatzabgabenverordnung am 1. April 2000 in die Rechtsstellung des Verpächters eingerückt. Unter diesem neuen Recht könne auch ein Verpächter, der nicht selbst Milch erzeuge, mit Rückgabe der Pachtfläche die entsprechende Referenzmenge erhalten, wenn er sie unverzüglich über die staatliche Verkaufsstelle verkaufe.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin bestritten, dass die Pachtfläche der Milcherzeugung gedient habe; dort seien vielmehr stets Marktfrüchte bzw. Mastviehfutter angebaut worden. Ferner hat sie ihren Vortrag wiederholt und vertieft, demzufolge mit der Rückgabe der Pachtfläche nur dann eine entsprechende Referenzmenge auf den Verpächter übergehe, wenn dieser entweder selbst Milch erzeuge oder die Fläche sofort an einen Erzeuger weitergebe. Beide Voraussetzungen lägen hier nicht vor; der Beigeladene sei zwar Landwirt, erzeuge aber keine Milch, und er habe die Pachtfläche auch nicht weiterverpachtet. Schließlich sei die hier einschlägige Übergangsregelung der Zusatzabgabenverordnung nichtig, weil ihre Differenzierungen mit dem Gleichbehandlungsgebot unvereinbar seien.
Mit Urteil vom 20. Januar 2004 hat das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg die Klage abgewiesen. Die Pachtfläche habe jedenfalls mittelbar der Milcherzeugung gedient, weshalb auf sie ein entsprechender Anteil der Referenzmenge des Betriebs der Klägerin entfalle. Bei Beendigung des Pachtverhältnisses habe sich die Referenzmenge des Betriebes daher verringert, allerdings nicht um diesen gesamten Anteil, sondern aus Gründen des Pächterschutzes lediglich um die Hälfte davon. Hiervon seien 33 vom Hundert in die staatliche Reserve gefallen und 67 vom Hundert auf den Beigeladenen übergegangen. Unschädlich sei, dass dieser selbst keine Milch erzeuge. Dem werde schon durch den Einzug zugunsten der staatlichen Reserve Rechnung getragen. Aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 20. Juni 2002 in der Sache Thomsen ergebe sich nichts anderes. Diese Entscheidung hebe den Zweck des Übertragungsrechts hervor, Referenzmengen möglichst nur aktiven Milcherzeugern zuzuordnen. Sie betreffe die alte Rechtslage, nach der dieser Zweck in Fällen, in denen ein Flächenpachtverhältnis ende und der Verpächter nicht selbst Milch erzeuge, nur erreichbar gewesen sei, wenn der Verpächter die Fläche sogleich an einen Milcherzeuger weiterverpachtet oder verkauft habe. Das lasse sich auf die neue Rechtslage nicht übertragen, nach der der erwähnte Zweck nur durch einen flächenlosen Verkauf der Referenzmenge erreicht werden könne. Das neue Recht sei gültig; Gründe für eine Verletzung des Gleichheitssatzes lägen nicht vor.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung der Klägerin mit Urteil vom 16. März 2005 zurückgewiesen. Nach europäischem Gemeinschaftsrecht könnten Referenzmengen nur an solche Verpächter übergehen, die Erzeuger seien. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs werde hierdurch nicht ausgeschlossen, dass ein Verpächter, der nicht selbst Erzeuger sei, bei Auslaufen eines Pachtverhältnisses den an ihn zurückfallenden Betrieb oder die Fläche mit den daran gebundenen Referenzmengen auf einen Dritten übertrage, der seinerseits Erzeuger sei. In diesem Falle werde dem Zweck des Gemeinschaftsrechts, Referenzmengen nur aktiven Milcherzeugern zuzuordnen, ebenfalls genügt; ein Durchgangserwerb des Nichterzeugers von kurzer Dauer schade nicht. Dieses Urteil sei zur alten Rechtslage ergangen. Seit Inkrafttreten der neuen Zusatzabgabenverordnung am 1. April 2000 sei die Weitergabe von Referenzmengen im Wege der Weiterverpachtung oder des Verkaufs von Milcherzeugungsflächen ausgeschlossen. An ihre Stelle sei die Weitergabe im Wege des flächenungebundenen Verkaufs über die staatliche Verkaufsstelle getreten. Auch auf diesem Wege werde aber der erwähnte Zweck des Gemeinschaftsrechts erreicht. Darum sei auch nach dem neuen Recht ein Durchgangserwerb des Nichterzeugers möglich, sofern dieser die Referenzmenge alsbald über die Verkaufsstelle zum Kauf anbiete; hiervon sei auch für den Beigeladenen auszugehen, da ihm keine andere sinnvolle Möglichkeit einer wirtschaftlichen Verwertung der Referenzmenge offen stehe. Für diese Gesetzesauslegung spreche auch, dass das europäische Gemeinschaftsrecht den Mitgliedstaaten erlaube, bei Beendigung landwirtschaftlicher Pachtverträge die Bedingungen festzulegen, nach denen die Referenzmengen ganz oder teilweise auf die Erzeuger übertragen würden. Deutschland habe diesen Spielraum dahin genutzt, dass bei Altpachtverträgen die Hälfte der Referenzmenge beim Pächter verbleibe (Pächterschutz) und die andere Hälfte an den Verpächter übergehe. Sei dieser kein Erzeuger, so würden 33 vom Hundert der ihm zurückzugewährenden Referenzmenge zur Landesreserve eingezogen. Diese Regelung zeige, dass der Verpächter auch Referenzmengen erhalte, wenn er nicht Erzeuger sei, sofern er sie sogleich Erzeugern zum Kauf anbiete. Diese Regelung sei mit europäischem Gemeinschaftsrecht vereinbar.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt als verfahrensfehlerhaft, dass das Berufungsgericht die Absicht des Beklagten, die Referenzmenge baldmöglichst zum Kauf anzubieten, ohne dahingehende Feststellung unterstellt habe. In der Sache macht sie geltend, das Berufungsurteil sei mit europäischem Gemeinschaftsrecht und nationalem Verfassungsrecht unvereinbar. Es sei davon auszugehen, dass der Pächter die Referenzmenge erwirtschaftet habe. Durch den Entzug werde in seine Rechte eingegriffen. Das setze eine hinreichend bestimmte und zudem verhältnismäßige Regelung voraus. An beidem fehle es. Das Gemeinschaftsrecht erlaube einen Referenzmengenübergang auf einen Nichterzeuger nur als kurzzeitigen Durchgangserwerb. Davon könne allenfalls bei einer Zeitdauer von einer Woche gesprochen werden, nicht mehr aber im vorliegenden Fall. Zudem komme ein solcher Durchgangserwerb dann nicht in Betracht, wenn der Verpächter die Referenzmenge über die Verkaufsstelle veräußern wolle. Denn dann ziehe er aus ihr einen rein finanziellen Vorteil, was das Gemeinschaftsrecht gerade verhindern wolle. Zudem stehe dieser finanzielle Vorteil dem Pächter zu, der die Referenzmenge erwirtschaftet habe.
Der beklagte Freistaat verteidigt das angefochtene Urteil.
Der Beigeladene äußert sich nicht.
Der Vertreter des Bundesinteresses hält die Revision für unbegründet.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist nicht begründet. Das Berufungsurteil steht mit Bundes- und europäischem Gemeinschaftsrecht im Einklang und beruht auch nicht auf einem Verfahrensfehler.
1. Zur Entscheidung des Rechtsstreits sind diejenigen Rechtsvorschriften heranzuziehen, die sich für den Zeitpunkt des umstrittenen Referenzmengenübergangs, also für den 24. Oktober 2002 Geltung beilegten; denn der Übergang wird nicht durch die angefochtene Bescheinigung bewirkt, sondern erfolgt unabhängig von ihr (stRspr; vgl. Urteile vom 18. Dezember 2003 – BVerwG 3 C 48.02 – und vom 16. März 2005 – BVerwG 3 C 18.04 – Buchholz 451.512 Nr. 138 ≪S. 22≫ und 140 ≪S. 35≫, jeweils m.w.N.). Anzuwenden sind damit die Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 des Rates vom 28. Dezember 1992 über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor (ABl EG Nr. L 405 S. 1) in der Fassung der Änderungsverordnung (EG) Nr. 1256/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 (ABl EG Nr. L 160 S. 73) und die Verordnung zur Durchführung der Zusatzabgabenregelung (Zusatzabgabenverordnung) vom 12. Januar 2000 (BGBl I S. 27) in der Fassung der Ersten Änderungsverordnung vom 6. Februar 2002 (BGBl I S. 586) – ZAV –.
2. Die angefochtenen Bescheide haben einen zweifachen Gegenstand. Sie bescheinigen zum einen dem Beigeladenen, welche Referenzmenge auf ihn übergegangen ist; das stützt sich auf § 17 Abs. 1 Nr. 1 ZAV. Der bescheinigte Rechtserwerb des Beigeladenen beruht seinerseits teils auf Gesetz, teils auf Verwaltungsakt: Der Übergang der Referenzmenge von der Klägerin (Pächterin) auf den Beigeladenen (Verpächter) erfolgt unmittelbar kraft Gesetzes, während der Drittelabzug zugunsten der staatlichen Reserve durch Verwaltungsakt verfügt werden muss. Dieser Unterschied besteht, obwohl beide Mal § 12 Abs. 2 bis 4 ZAV einschlägig ist; diese Vorschrift bewirkt zum einen den gesetzlichen Referenzmengenübergang und bietet zum anderen und zugleich die Ermächtigungsgrundlage für den Drittelabzug zugunsten der staatlichen Reserve. Damit verfügen die angefochtenen Bescheide zum anderen den Dritteleinzug zugunsten der staatlichen Reserve nach § 12 Abs. 2 und 4 ZAV.
Die Klage richtet sich sowohl gegen den Drittelabzug als auch gegen die Bescheinigung. Sie ist in beiden Punkten zulässig; denn die Klägerin ist durch beides beschwert. Allerdings bedarf der Drittelabzug nur insoweit der Überprüfung, als die Beschwer der Klägerin reicht. Er hat nach § 12 Abs. 2 Satz 1 ZAV den Übergang der Referenzmenge von der Klägerin auf den Beigeladenen zur Voraussetzung. Hat der Übergang nicht stattgefunden, so ist die Klage nicht nur hinsichtlich der Bescheinigung begründet, sondern führt auch zur Aufhebung des Drittelabzugs. Hat der bescheinigte Übergang hingegen stattgefunden, so ist die Klage auch insoweit abzuweisen, als sie sich gegen den Drittelabzug richtet; durch mögliche weitere Fehler beim Drittelabzug (vgl. Urteil vom 16. September 2004 – BVerwG 3 C 35.03 – BVerwGE 121, 382 ff.) wäre die Klägerin dann nicht beschwert.
3. Der bescheinigte Referenzmengenübergang findet seine Grundlage in § 12 Abs. 2 Satz 1 ZAV. Diese Vorschrift ist – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – nicht einschränkend dahin auszulegen, dass Anlieferungs-Referenzmengen bei Auslaufen von Altpachtverträgen nur dann an den Verpächter zurückfallen, wenn dieser selbst Milcherzeuger ist oder zu werden beabsichtigt. Sie gilt vielmehr auch dann, wenn der Verpächter die Referenzmenge in kürzester Frist über die staatliche Verkaufsstelle an einen Erzeuger überträgt.
a) Das nationale Recht macht den Übergang der Referenzmenge bei der Beendigung von Altpachtverträgen nicht davon abhängig, dass der Verpächter selbst Milcherzeuger ist oder alsbald wird.
Der Wortlaut der Vorschrift gibt für diese Einschränkung nichts her. Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 ZAV gehen, soweit Altpachtverträge mit Ablauf des 31. März 2000 oder später beendet werden, die entsprechenden Anlieferungs-Referenzmengen nach § 7 Abs. 1 bis 2a, 4 Satz 1 bis 3, Abs. 5 und 6 der Milch-Garantiemengen-Verordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. März 1994 (BGBl I S. 586), zuletzt geändert durch die Verordnung vom 25. März 1996 (BGBl I S. 535), – MGV – auf den Verpächter mit der Maßgabe über, dass 33 vom Hundert der zurückgewährten Anlieferungs-Referenzmengen zugunsten der Reserve des Landes, in dem der Betriebssitz des Pächters liegt, eingezogen werden. Die Bestimmung sieht mithin den Übergang “auf den Verpächter” ohne jede Einschränkung vor. Auch die in Bezug genommenen Vorschriften der Milch-Garantiemengen-Verordnung knüpfen den Übergang nicht an die einschränkende Voraussetzung, dass der Verpächter selbst Milch erzeugt.
Dass § 12 Abs. 2 Satz 1 ZAV auch diejenigen Fälle erfassen will, in denen der Verpächter nicht selbst Milch erzeugt, zeigt § 12 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 ZAV. Hiernach unterbleibt der in § 12 Abs. 2 Satz 1 ZAV vorgesehene Abzug zugunsten der staatlichen Reserve, wenn der Verpächter die Anlieferungs-Referenzmenge für die eigene Milcherzeugung benötigt. Die Zusatzabgabenverordnung geht also davon aus, dass der Verpächter die Referenzmenge in jedem Falle erlangt; wenn er selbst Milch erzeugt, erlangt er sie ungeschmälert, wenn er selbst aber keine Milch erzeugt, wird sie ihm um ein Drittel gekürzt.
b) Europäisches Gemeinschaftsrecht lässt eine derartige nationale Regelung zu, sofern der Verpächter, wenn er nicht selbst Erzeuger ist oder zu werden beabsichtigt, die Referenzmenge in kürzester Frist über die staatliche Verkaufsstelle an einen Dritten überträgt, der diese Eigenschaft besitzt.
Nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 werden bei Beendigung landwirtschaftlicher Pachtverhältnisse, abgesehen von hier nicht vorliegenden Ausnahmen, die verfügbaren Referenzmengen der betreffenden Betriebe nach den von den Mitgliedstaaten festgelegten Bestimmungen unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Beteiligten ganz oder teilweise “auf die Erzeuger übertragen, die sie übernehmen”. Die Vorschrift ist anwendbar. Namentlich stand sie bis zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 zum 1. Januar 2004 durch Art. 25 der Nachfolge-Verordnung (EG) Nr. 1788/2003 des Rates vom 29. September 2003 über die Erhebung einer Abgabe im Milchsektor (ABl L Nr. 270 S. 123) nicht zur Disposition der Mitgliedstaaten. Zwar ermächtigte Art. 8a Buchstabe b der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1256/1999 die Mitgliedstaaten, die Bestimmungen über die (flächengebundene) Übertragung von Referenzmengen nach Art. 7 Abs. 1 nicht anzuwenden; hiervon hat Deutschland mit der Zusatzabgabenverordnung Gebrauch gemacht. Die Ermächtigung bezog sich jedoch nicht auf Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92, so dass sich die Rechtsfolgen der Beendigung eines noch unter der Geltung von Art. 7 Abs. 1 eingegangenen landwirtschaftlichen Pachtverhältnisses unverändert nach den bisherigen Vorschriften richten.
Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 setzt nach Wortlaut, Sinn und Zweck voraus, dass die Referenzmenge von einem Milcherzeuger übernommen wird (stRspr; vgl. EuGH, Urteil vom 26. Oktober 2006 – Rs. C-275/05, Kibler – Slg. I-10569 ≪Rn. 21≫ m.w.N.). Das ist der Fall, wenn der Verpächter selbst Erzeuger ist oder zu werden beabsichtigt. Das europäische Gemeinschaftsrecht steht aber auch einer nationalen Regelung nicht entgegen, derzufolge die Referenzmenge bei Beendigung des Pachtverhältnisses auch dann auf den Verpächter übergeht, wenn dieser nicht selbst Erzeuger ist oder zu werden beabsichtigt, sofern er sie seinerseits in kürzester Frist an einen Erzeuger überträgt. In derartigen Fällen erscheint der Erwerb des Verpächters als Durchgangserwerb. Das gilt sowohl für den Fall einer flächengebundenen Weiterverpachtung an einen Erzeuger, wie dies die alte Rechtslage der Milch-Garantiemengen-Verordnung (MGV) vom 25. Mai 1984 in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. März 1994 (BGBl I S. 586) als Regelfall vorsah (EuGH, Urteil vom 20. Juni 2002 – Rs. C-401/99, Thomsen – Slg. I-5775, 5791), als auch für den Fall eines flächenlosen Verkaufs über eine staatliche Verkaufsstelle, wie es nunmehr die Milchabgabenverordnung vorsieht. Dementsprechend hat der Europäische Gerichtshof entschieden, Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1256/1999 sei dahin auszulegen, dass bei Beendigung landwirtschaftlicher Pachtverhältnisse über einen Milcherzeugungsbetrieb daran gebundene Referenzmengen an den Verpächter zurückfallen können, auch wenn dieser nicht Erzeuger ist oder zu werden beabsichtigt, sofern er sie in kürzester Frist über eine staatliche Verkaufsstelle an einen Dritten überträgt, der diese Eigenschaft besitzt (Urteil vom 7. Juni 2007 – Rs. C-278/06, Otten –). Der Beendigung eines Pachtverhältnisses über einen ganzen Milcherzeugungsbetrieb ist die Beendigung eines Pachtverhältnisses über bestimmte Betriebsflächen gleichzuerachten (vgl. ebd. ≪Rn. 10≫).
Wie die “kürzeste Frist” zu bemessen ist, hängt von den jeweils gegebenen rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen ab (vgl. Senat, Urteil vom 16. September 2004 – BVerwG 3 C 30.03 – Buchholz 421.512 MGVO Nr. 139). Unter der Geltung des neuen Rechts ist eine Übertragung an einen Erzeuger nur durch Verkauf über die staatliche Verkaufsstelle zu festgesetzten Terminen möglich. Die Weiterübertragung an einen Erzeuger erfolgt daher “in kürzester Frist”, wenn der Verpächter die Referenzmenge zum nächsten hierfür vorgesehenen Zeitpunkt der staatlichen Verkaufsstelle andient, damit diese sie binnen kürzester Frist an einen Erzeuger verkaufen kann (EuGH, Urteil vom 7. Juni 2007 a.a.O. ≪Rn. 38≫; vgl. schon Europäische Kommission, AUR 2003, S. 78). Dementsprechend hat der Verordnungsgeber § 12 Abs. 2 ZAV durch die Zweite Änderungsverordnung vom 14. Januar 2004 (BGBl I S. 89) dahin ergänzt, dass eine unverzügliche Übertragung dann anzunehmen ist, wenn der Verpächter, der nicht selbst Erzeuger ist oder wird, beim nächstfolgenden Übertragungstermin für die gesamte Referenzmenge ein Angebot bei der Verkaufsstelle einreicht und bei diesem oder dem darauf folgenden Übertragungstermin zum Zuge kommt.
4. Gegen den in § 12 Abs. 2 Satz 1 ZAV angeordneten Referenzmengenübergang bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
a) Der Senat hat in seinem Urteil vom 16. September 2004 – BVerwG 3 C 35.03 – Bedenken geäußert, ob die Zusatzabgabenverordnung von der durch Art. 8a Buchstaben b und e der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1256/1999 eröffneten Möglichkeit, das bisherige flächengebundene Übertragungssystem durch ein völlig anders geartetes System der nur flächenlosen Übertragung von Referenzmengen über eine Milchbörse zu ersetzen, ohne eine grundsätzliche Entscheidung des Gesetzgebers Gebrauch machen durfte (BVerwGE 121, 382 ≪387 ff.≫). Er hat diese Frage jedoch offen gelassen, da die beschriebenen verfassungsrechtlichen Bedenken nur die Einführung des neuen Übertragungssystems, nicht jedoch auch diejenigen Vorschriften – wie § 12 ZAV – betreffen, welche Regelungen im Gefolge des bisherigen Übertragungssystems für eine Übergangszeit aufrechterhalten (ebd. ≪390≫). Auch der vorliegende Rechtsstreit nötigt nicht zu einer abschließenden Entscheidung der Frage. Wiederum ist nur die Übergangsvorschrift des § 12 ZAV betroffen, die als zeitlich begrenzte Fortführung des alten Übertragungssystems in § 8 Abs. 1 Satz 1 MOG noch eine zureichende gesetzliche Grundlage findet.
b) Die Referenzmenge – und damit deren Verwertbarkeit im Verkaufswege – dem Verpächter zuzuordnen, verletzt den Pächter nicht in seinen Grundrechten.
Der Gleichheitssatz ist nicht verletzt. Zwar ordnet § 12 Abs. 2 Satz 1 ZAV den Referenzmengenübergang ohne Rücksicht auf den Umstand an, ob der Verpächter selbst Milch erzeugt oder nicht. Diese Gleichbehandlung unterschiedlicher Sachverhalte berührt den abgebenden Pächter jedoch nicht in seiner Rechtssphäre. Der Pächter hat kein rechtlich geschütztes Interesse daran, die Referenzmenge nur an einen Milcherzeuger zu verlieren. Ohne Erfolg beruft sich die Revision insofern auf das Urteil des Senats vom 18. Dezember 2003 – BVerwG 3 C 48.02 – (Buchholz 451.512 MGVO Nr. 138). Dort hatte der Senat für den Verbleib der Referenzmenge beim bisherigen Pächter allein deshalb erkannt, weil das damalige Recht den Übergang auf den Verpächter nicht erlaubte und für einen Einzug zur staatlichen Reserve die Rechtsgrundlage fehlte. Die Aussage, dass die Referenzmenge dem bisherigen Pächter auch gerechterweise gebühre, hat der Senat nicht getroffen.
Auch das Eigentumsgrundrecht des bisherigen Pächters ist nicht verletzt. Zwar wird durch den Verlust der Referenzmenge sein als Eigentum geschütztes Recht an seinem Milcherzeugungsbetrieb beeinträchtigt (vgl. zuletzt Senat, Urteil vom 16. September 2004 – BVerwG 3 C 35.03 – BVerwGE 121, 382 ≪391≫); dabei ist gleichgültig, ob der Verlust zugunsten der staatlichen Reserve oder zugunsten eines Dritten angeordnet wird. Die Anordnung ist aber zulässig, weil sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet. Der Verordnungsgeber musste – in dem vom Gemeinschaftsrecht gezogenen Rahmen – die berechtigten Interessen des Pächters und des Verpächters einer Milcherzeugungsfläche zu einem gerechten Ausgleich bringen. Für Pachtverträge, die nach Einführung der Milchabgabenregelung im Jahre 1983 geschlossen wurden, durfte er in Rechnung stellen, dass die Referenzmenge dem Pächter zusammen mit der Fläche nur auf Zeit überlassen war und nach dem Ende des Pachtverhältnisses wieder dem Verpächter zustand. Dasselbe gilt im Grundsatz für Pachtverträge, die bereits zuvor geschlossen worden waren. Allerdings gebot der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit insofern Vorkehrungen zum Schutz der berechtigten Belange des Pächters, der die Referenzmenge durch eigene Investitionen erdient hat. Ob dem durch Ausgleichszahlungen des Verpächters oder aber durch eine Aufteilung der Referenzmenge zwischen Pächter und Verpächter Rechnung getragen wurde, oblag der Entscheidung des Verordnungsgebers. Durch den sog. Pächterschutz nach § 7 Abs. 4 MGV, der auch im Rahmen von § 12 Abs. 2 ZAV noch Anwendung findet – und im vorliegenden Falle zugunsten der Klägerin angewendet wurde –, ist den Anforderungen von Art. 14 GG in jedem Falle genügt (stRspr; vgl. Urteile vom 30. November 1989 – BVerwG 3 C 47.88 – BVerwGE 84, 140 ≪145 ff.≫ und vom 15. November 1990 – BVerwG 3 C 42.88 – BVerwGE 87, 94 ≪99 ff.≫).
5. Die Verfahrensrüge greift nicht durch. Die Revision beanstandet, dass das Berufungsgericht nicht aufgeklärt habe, ob der Beigeladene tatsächlich den baldestmöglichen Verkauf der Referenzmenge beabsichtige. Damit ist ein Verfahrensmangel nicht dargetan. Liegen keine Beweisanträge vor, so bestimmt das Tatgericht den Umfang seiner Sachaufklärung nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 86 Abs. 1 VwGO). Eine Verletzung dieser Pflicht liegt nur vor, wenn es eine Aufklärung unterlässt, die sich ihm aufdrängen musste. Hierfür ist nichts ersichtlich.
Das Berufungsgericht hat die Verkaufsabsicht des Beigeladenen unterstellt und hierzu ausgeführt, dass für ihn – seit dem Wegfall der flächenlosen Verpachtung – der Verkauf die einzig wirtschaftlich sinnvolle Möglichkeit zur Verwertung der Referenzmenge darstelle. Das ist schlüssig; die Klägerin bringt dagegen nichts vor. Hinzu kommt, dass dem Beigeladenen der alsbaldige Verkauf durch den angefochtenen Bescheid aufgegeben wurde. Das Berufungsgericht war auch nicht gehalten aufzuklären, ob der Beigeladene die ihm bescheinigte Referenzmenge bereits bei der Verkaufsstelle zum Kauf angeboten hat. Dabei muss nämlich in Rechnung gestellt werden, dass die Referenzmenge für den Beigeladenen noch nicht verkäuflich ist, da sein Rechtserwerb infolge der vorliegenden Klage noch nicht bestandskräftig feststeht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO.
Unterschriften
Kley, van Schewick, Dr. Dette, Liebler, Prof. Dr. Rennert
Fundstellen