Die Aufhebung der Ausweisungsverfügung vom 14. Oktober 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 8. Dezember 1998 verletzt Bundesrecht, weil das Berufungsgericht die besonderen Anforderungen an die Ausweisung von Unionsbürgern, die sich auf ein Freizügigkeitsrecht berufen können, nicht hinreichend geprüft und beachtet hat.
Das Bundesverwaltungsgericht hat bisher in ständiger Rechtsprechung § 12 AufenthG/EWG und §§ 45 ff. AuslG – einschließlich § 47 Abs. 1 und 2 AuslG – als Rechtsgrundlage für die Ausweisung von freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern herangezogen. Dabei hat es in der Regel in einem ersten Schritt geprüft, ob eine Ausweisung nach nationalem Recht, also nach den Regelungen der §§ 45 ff. AuslG zulässig war. Bereits auf dieser Stufe waren die allgemein geltenden Beschränkungen aus dem einfachen Bundesrecht einschließlich Völkervertragsrecht, insbesondere der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten – EMRK –, und aus höherrangigem innerstaatlichem Recht, insbesondere den Grundrechten und dem Übermaßverbot, zu prüfen. Erwies sich die Ausweisungsverfügung danach nicht als rechtmäßig, so hatte sie bereits deshalb keinen Bestand und war aufzuheben. Lagen hingegen die Voraussetzungen für eine Ist- oder Regelausweisung nach §§ 47, 48 AuslG oder – ggf. herabgestuft – einer Ermessensausweisung nach diesen Bestimmungen oder nach §§ 45, 46 AuslG vor, so war in einem zweiten Schritt zu beurteilen, ob der Unionsbürger gemäß § 12 AufenthG/ EWG gleichwohl – und weitergehend als Ausländer aus Drittstaaten – nach Europäischem Gemeinschaftsrecht namentlich vor der Rechtsfolge einer zwingenden Ausweisung oder einer Regelausweisung geschützt war. Insbesondere durften Unionsbürger nicht automatisch schon dann ausgewiesen werden, wenn bei ihnen ein Fall des § 47 Abs. 1 und 2 AuslG gegeben war. Vielmehr bedurfte es hierzu stets einer an den Vorschriften des Gemeinschaftsrechts und der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften – EuGH – orientierten einzelfallbezogenen Prüfung, ob die Voraussetzungen des gemeinschaftsrechtlichen Ausweisungsschutzes beachtet waren. Diese einzelfallbezogene Prüfung hat das Bundesverwaltungsgericht – ebenso wie in den Fällen der Ausweisung von Ausländern aus Drittstaaten – bisher auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (d.h. in der Regel auf den des Widerspruchsbescheids) bezogen und nachträglich eintretende Entwicklungen, soweit sie nicht lediglich die anfängliche Prognose retrospektiv bestätigten, regelmäßig der Geltendmachung in einem nachfolgenden Befristungsverfahren (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG) vorbehalten. Weiter ist das Bundesverwaltungsgericht bisher nicht vom Erfordernis einer ausländerbehördlichen Ermessensentscheidung ausgegangen, soweit sich nicht aus der herangezogenen innerstaatlichen Rechtsgrundlage anderes ergab (vgl. Beschluss vom 29. September 1993 – BVerwG 1 B 62.93 – Buchholz 402.240 § 48 AuslG 1990 Nr. 3; Urteil vom 27. Oktober 1978 – BVerwG 1 C 91.76 – BVerwGE 57, 61 ≪65≫ und Urteil vom 11. Juni 1996 – BVerwG 1 C 24.94 – BVerwGE 101, 247 ≪259≫).
Das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 29. April 2004 in den Rechtssachen Orfanopoulos und Oliveri (C-482/01 und C-493/01, DVBl 2004, 876) erfordert eine Änderung dieser Rechtsprechung. Sie bezieht sich darauf, ob die Ausweisung eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers auf § 47 AuslG gestützt werden darf oder stets eine Ermessensentscheidung voraussetzt (a) und auf welchen Zeitpunkt das Gericht entscheidungserheblich abzustellen hat (b).
a) Freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger dürfen nach § 12 AufenthG/EWG i.V.m. §§ 45, 46 AuslG nur noch auf der Grundlage einer ausländerbehördlichen Ermessensentscheidung ausgewiesen werden. § 47 AuslG scheidet insoweit als Rechtsgrundlage aus. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
aa) Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat in dem Urteil vom 29. April 2004 (a.a.O.) seine Rechtsprechung zu den Anforderungen an die Ausweisung von nach Art. 39 EG freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern fortgeschrieben und präzisiert. Er hat u.a. bezogen auf § 47 Abs. 1 AuslG ausgeführt, dass Art. 3 der Richtlinie 64/221/EWG einer nationalen Regelung entgegensteht, die den innerstaatlichen Behörden vorschreibt, Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten auszuweisen, die zu bestimmten Freiheitsstrafen verurteilt worden sind (Rn. 58 ff., 71). Der Gerichtshof hat hervorgehoben, dass Ausnahmen von dem in Art. 39 EG verankerten Freizügigkeitsrecht eng auszulegen sind (Rn. 64). Eine strafrechtliche Verurteilung kann eine Ausweisung insoweit nur rechtfertigen, als die ihr zugrunde liegenden Umstände ein persönliches Verhalten des Unionsbürgers erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt (Rn. 67). Das System der Regelausweisung nach § 47 Abs. 2 und 3 AuslG erweckt für den Gerichtshof den Anschein, dass bei Erfüllung der gesetzlichen Regeltatbestände ein gewisser Automatismus oder jedenfalls eine “Vermutung” besteht, den betreffenden Ausländer trotz Berücksichtigung familiärer Umstände auszuweisen (Rn. 92).
Der Senat versteht dies unter ergänzender Berücksichtigung der Ausführungen der Generalanwältin Stix-Hackl vom 11. September 2003 (Rn. 104 ff.) dahin, dass es nicht genügt, die deutschen Bestimmungen über die Ist- und Regelausweisung in § 47 AuslG für Unionsbürger gemeinschaftsrechtlich zu beschränken, wie es bislang der Entscheidungspraxis des Bundesverwaltungsgerichts entsprach. Vielmehr verlangt das Gemeinschaftsrecht, jeden Anschein zu vermeiden, dass strafrechtliche Verurteilungen eines Unionsbürgers – abhängig von der Art der Straftat oder der Strafhöhe – keine andere Rechtsfolge zulassen als dessen Ausweisung oder jedenfalls eine gewisse “Vermutung” zugunsten seiner Ausweisung begründen.
Hieraus folgt, dass § 47 AuslG als Rechtsgrundlage für die Ausweisung freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger ausscheidet. Diese dürfen nur nach § 12 AufenthG/ EWG i.V.m. §§ 45, 46 AuslG auf der Grundlage einer Ermessensentscheidung ausgewiesen werden (vgl. auch Renner, ZAR 2004, 195 ≪196≫). § 12 AufenthG/EWG ist dabei vorrangig und nicht lediglich ergänzend zu §§ 45, 46 AuslG zu prüfen. Ab dem 1. Januar 2005 wird § 6 FreizügG/EU (Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern vom 30. Juli 2004 = Art. 2 des Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern vom 30. Juli 2004 – Zuwanderungsgesetz –, BGBl I S. 1950) die alleinige Grundlage für die behördliche Ermessensentscheidung über den Verlust des Freizügigkeitsrechts bilden (vgl. Art. 15 Abs. 3 Zuwanderungsgesetz und § 1 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet vom 30. Juli 2004 – Aufenthaltsgesetz/AufenthG – = Art. 1 Zuwanderungsgesetz). Diese Klarstellung der Rechtsgrundlagen und der Prüfungspflichten schließt es indessen nicht aus, eine gegen einen Unionsbürger gerichtete Ausweisungsverfügung auch künftig im Einzelfall bereits wegen Verstoßes gegen innerstaatliches Recht aufzuheben, insbesondere wenn dessen Anwendung für den Unionsbürger günstiger ist (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 3 FreizügG/EU).
Offen bleiben kann, ob sich das Erfordernis einer Ermessensentscheidung auch aus dem Umstand ergibt, dass der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG die Notwendigkeit einer Prüfung der “Zweckmäßigkeit” der Ausweisung entnimmt (Urteil vom 29. April 2004, a.a.O., Rn. 101 ff.). Ebenso wenig braucht entschieden zu werden, ob eine Ermessensentscheidung im Hinblick auf die nach Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 64/221/EWG vorgesehene Einzelfallprüfung des persönlichen Verhaltens gemeinschaftsrechtlich geboten ist. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat sich hierzu in seinem Urteil vom 29. April 2004 (a.a.O.) nicht geäußert, aber die dahin gehende Ansicht der Europäischen Kommission erwähnt (Rn. 60; vgl. ferner das Urteil des Senats vom 26. Februar 2002 – BVerwG 1 C 21.00 – BVerwGE 116, 55 ≪65 f.≫).
bb) Im Einzelnen ist hinsichtlich der Ausweisung eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers Folgendes zu berücksichtigen:
Nach § 12 AufenthG/EWG (ab 1. Januar 2005: § 6 FreizügG/EU) ist eine solche Ausweisung nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit zulässig. Die Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes/EWG sind zur Durchführung der aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen des Europäischen Gemeinschaftsrechts erlassen worden, insbesondere zur Durchführung des Art. 39 Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i.d.F. vom 2. Oktober 1997 (BGBl 1998 II S. 387) – EG –, nach dem Einschränkungen der Freizügigkeit aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sein müssen. Sie sind folglich im Sinne der entsprechenden gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften auszulegen. Danach sind Ausnahmen von dem Grundsatz der Freizügigkeit – wie bereits erwähnt – eng zu verstehen. Bei jeder Beschränkung der Freizügigkeit haben die Ausländerbehörden und die Gerichte die besondere Rechtsstellung der vom Gemeinschaftsrecht privilegierten Personen und die entscheidende Bedeutung des Grundsatzes der Freizügigkeit zu berücksichtigen (EuGH, Urteil vom 27. Oktober 1977 – Rs. 30/77 – Bouchereau – Slg. 1977, 1999 = NJW 1978, 479; vgl. auch Beschluss vom 15. Mai 1990 – BVerwG 1 B 64.90 – Buchholz 402.26 § 12 AufenthG/ EWG Nr. 7; vgl. hierzu und zum Folgenden auch Harms, VBlBW 2001, 121 ≪130 ff.≫ m.w.N.).
Von Bedeutung ist namentlich, dass die Tatsache einer strafrechtlichen Verurteilung für sich allein eine Ausweisung nicht rechtfertigt (§ 12 Abs. 4 AufenthG/EWG). Diese darf ausschließlich auf das persönliche Verhalten der betroffenen Unionsbürger gestützt werden (vgl. EuGH, Urteile vom 19. Januar 1999 – Rs. C-348/96 – Calfa – Slg. 1999 I-11 Rn. 24 und vom 29. April 2004, a.a.O., Rn. 66), es sei denn, es handelt sich um eine zum Schutz der öffentlichen Gesundheit getroffene Maßnahme (§ 12 Abs. 3 AufenthG/EWG), was hier jedoch nicht der Fall ist. Die vorgenannten Bestimmungen des nationalen Rechts setzen insoweit Art. 3 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 64/221/EWG um, der Art. 39 Abs. 3 EG konkretisiert.
Die rechtmäßige Ausweisung eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers setzt danach – erstens – voraus, dass aufgrund des persönlichen Verhaltens des Betroffenen außer der Störung der öffentlichen Ordnung, die jede Gesetzesverletzung darstellt, eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (stRspr des EuGH, Urteile vom 27. Oktober 1977, a.a.O., Rn. 33 ff. und vom 29. April 2004, a.a.O., Rn. 66). Dieser Maßstab verweist – anders als der Begriff der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im deutschen Polizeirecht – nicht auf die Gesamtheit aller Rechtsnormen, sondern auf einen spezifischen Rechtsgüterschutz, nämlich ein Grundinteresse der Gesellschaft, das berührt sein muss (vgl. für die Zeit ab 1. Januar 2005 § 6 Abs. 2 Satz 2 und 3 FreizügG/EU). Eine strafrechtliche Verurteilung kann eine Ausweisung nur insoweit rechtfertigen, als die ihr zugrunde liegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt (EuGH, Urteil vom 29. April 2004, a.a.O, Rn. 67 m.w.N.). Die Gefährdung kann sich im Einzelfall auch allein aufgrund des abgeurteilten Verhaltens ergeben (EuGH, Urteil vom 27. Oktober 1977, a.a.O., Rn. 30; Urteile des Senats vom 27. Oktober 1978 – BVerwG 1 C 91.76 – a.a.O, S. 65 und vom 7. Dezember 1999 – BVerwG 1 C 13.99 – BVerwGE 110, 140 ≪146≫). Es besteht aber keine dahin gehende Regel, dass bei schwerwiegenden Taten das abgeurteilte Verhalten die hinreichende Besorgnis neuer Verfehlungen begründet (Beschluss vom 30. Juni 1998 – BVerwG 1 C 27.95 – InfAuslR 1999, 59). Eine vom Einzelfall losgelöste oder auf generalpräventive Gesichtspunkte gestützte Begründung der Ausweisung ist in jedem Fall unzulässig (EuGH, Urteil vom 26. Februar 1975 – Rs. 67/74 – Bonsignore – Slg. 1975, 297). Ein Mitgliedstaat kann etwa den Verbrauch von Betäubungsmitteln als eine Gefährdung der Gesellschaft ansehen, die besondere Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Ordnung gegen Ausländer rechtfertigt, die Betäubungsmitteldelikte begehen. Auch insoweit hängt aber die Zulässigkeit der Ausweisung von den konkreten Umständen des Einzelfalles, insbesondere von dem persönlichen Verhalten des Betroffenen ab (EuGH, Urteil vom 19. Januar 1999 – a.a.O., Rn. 22 ff.).
Ob die Begehung einer Straftat nach deren Art und Schwere (vgl. auch EuGH, Urteil vom 29. April 2004, a.a.O., Rn. 99) ein persönliches Verhalten erkennen lässt, das ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, lässt sich ebenfalls nur aufgrund der Umstände des Einzelfalles beurteilen. Anhaltspunkte hierfür können sich insbesondere auch aus einer Verurteilung wegen in § 47 Abs. 1 und 2 AuslG aufgeführter Straftaten ergeben. Dies ist indessen nicht im Sinne einer Regelvermutung zu verstehen. Erforderlich und ausschlaggebend ist vielmehr in jedem Fall die unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Bewertung des persönlichen Verhaltens des Unionsbürgers und die insoweit anzustellende aktuelle Gefährdungsprognose.
Das Erfordernis einer gegenwärtigen Gefährdung der öffentlichen Ordnung besagt nicht, dass eine “gegenwärtige Gefahr” im Sinne des deutschen Polizeirechts vorliegen müsste, die voraussetzt, dass der Eintritt des Schadens sofort und nahezu mit Gewissheit zu erwarten ist. Es verlangt vielmehr eine hinreichende – unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit nach dem Ausmaß des möglichen Schadens und dem Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts differenzierende – Wahrscheinlichkeit, dass der Ausländer künftig die öffentliche Ordnung im Sinne des Art. 39 Abs. 3 EG beeinträchtigen wird (vgl. auch Urteil vom 27. Oktober 1978 – BVerwG 1 C 91.76 – a.a.O., S. 65). Ob bei der Ausweisung eines Straftäters eine Wiederholungsgefahr in diesem Sinne besteht, kann nicht – gleichsam automatisch – bereits aus der Tatsache einer strafrechtlichen Verurteilung geschlossen, sondern nur aufgrund einer individuellen Würdigung der Umstände des Einzelfalles beurteilt werden. Dabei sind insbesondere die einschlägigen strafrichterlichen Entscheidungen heranzuziehen, soweit sie für die Prüfung der Wiederholungsgefahr bedeutsam sind (vgl. auch Urteile vom 27. Oktober 1978 – BVerwG 1 C 91.76 – a.a.O., S. 65 und vom 7. Dezember 1999 – BVerwG 1 C 13.99 – a.a.O. sowie BVerfGE 51, 386 ≪399≫). Zu prüfen ist u.a., ob eine etwaige Verbüßung der Strafe erwarten lässt, dass der Unionsbürger künftig keine die öffentliche Ordnung gefährdende Straftaten mehr begehen wird, und was ggf. aus einer Strafaussetzung zur Bewährung (§ 56 StGB) folgt (vgl. auch zur Aussetzung des Strafrests nach § 57 StGB Beschluss vom 16. November 1992 – BVerwG 1 B 197.92 – Buchholz 402.26 § 12 AufenthG/EWG Nr. 8 und Urteil vom 16. November 2000 – BVerwG 9 C 6.00 – BVerwGE 112, 185 ≪192 f.≫). Fehlt es danach bereits an einer gegenwärtigen und schwer wiegenden Gefahr für wichtige Rechtsgüter, so darf eine Ausweisung nicht verfügt und aufrechterhalten werden.
Darüber hinaus hängt die Rechtmäßigkeit der Ausweisung eines Unionsbürgers – zweitens – davon ab, ob das öffentliche Interesse am Schutz der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit im Sinne des Art. 39 Abs. 3 EG das private Interesse des Unionsbürgers an seinem Verbleib im Bundesgebiet deutlich überwiegt. Diese Abwägung hat die Ausländerbehörde im Rahmen der in jedem Falle gebotenen Ermessensentscheidung vorzunehmen. Bei der Prüfung, wo der angemessene Ausgleich zwischen den betroffenen berechtigten Interessen jeweils liegt, ist stets die besondere Rechtsstellung der vom Gemeinschaftsrecht privilegierten Personen und die besondere Bedeutung des Grundsatzes der Freizügigkeit zu berücksichtigen (vgl. EuGH, Urteil vom 29. April 2004, a.a.O., Rn. 96). Wie bei jeder Ermessensentscheidung ist bei der Interessenabwägung außerdem den Grundrechten Rechnung zu tragen (vgl. EuGH, Urteil vom 29. April 2004, a.a.O., Rn. 97; vgl. auch Alber/ Schneider, DÖV 2004, 313 ≪317 f.≫). Die dem Gemeinschaftsrecht immanenten Grundrechte wirken auf die Schranken ein, denen die gemeinschaftsrechtliche Arbeitnehmerfreizügigkeit unterliegt (vgl. Beschluss vom 15. Mai 1990 – BVerwG 1 B 64.90 – a.a.O.). Neben den verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrechten haben insoweit die in der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten verankerten Grundrechte, die nach Art. 6 Abs. 2 des Vertrages über die Europäische Union vom 7. Februar 1992 von dieser zu achten sind, eine besondere Bedeutung. Namentlich der nach Art. 6 GG und Art. 8 EMRK garantierte Schutz des Familienlebens ist zugunsten des Unionsbürgers zu beachten. Bei der Beurteilung, ob der beabsichtigte Eingriff in einem angemessenen Verhältnis zu dem angestrebten Ziel, dem Schutz der öffentlichen Ordnung, steht, sind bei der Ausweisung eines Straftäters insbesondere Art und Schwere der begangenen Straftat, die Dauer seines Aufenthalts im Aufnahmemitgliedstaat, die Zeit, die seit der Begehung der Straftat verstrichen ist, die familiäre Situation des Betroffenen und das Ausmaß der Schwierigkeiten zu berücksichtigen, denen er, sein Ehegatte und – gegebenenfalls – seine Kinder im Herkunftsland begegnen können (vgl. EuGH, Urteil vom 29. April 2004, a.a.O., Rn. 98 f. unter Hinweis auf das Urteil des EGMR vom 2. August 2001 in der Rechtssache Boultif, InfAuslR 2001, 476; vgl. ferner BVerfG, 1. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss vom 1. März 2004 – 2 BvR 1570/03 – EuGRZ 2004, 317; Beschluss vom 22. Februar 1993 – BVerwG 1 B 7.93 – Buchholz 402.26 § 12 AufenthG/EWG Nr. 9 und EGMR, Urteil vom 31. Oktober 2002, Beschwerde-Nr. 37295/97 – Yildiz – InfAuslR 2003, 126). Im Übrigen ist der gemeinschaftsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch unabhängig vom Schutzbereich des Art. 8 EMRK zu berücksichtigen. Darüber hinaus sind die in § 45 Abs. 2 AuslG genannten privaten Belange in die Ermessenserwägungen einzustellen. Die Ausländerbehörde darf in ihre Abwägung aber auch die in den §§ 46 bis 48 AuslG aufgeführten Ausweisungsgründe und die Gründe für einen besonderen Ausweisungsschutz als – weder abschließende noch zwingende – Wertungen des Bundesgesetzgebers einbeziehen. Die darin normierten Tatbestände dürfen allerdings auch hier nicht im Sinne einer Regelvermutung oder einer sonstigen schematisierenden Entscheidungsdirektive angewendet werden, die auch nur den Anschein eines Automatismus begründet. Vielmehr ist stets auf die Umstände und Besonderheiten des Einzelfalles abzustellen. Ferner ist im Rahmen der Ermessensentscheidung die Zweckmäßigkeit der Ausweisung von der Ausgangsbehörde und – unbeschadet etwaiger diesbezüglicher Anforderungen des Gemeinschaftsrechts (vgl. oben aa) – nach § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO von der Widerspruchsbehörde zu prüfen.
b) Der Senat hat bislang Ausweisungsverfügungen auch gegenüber freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung beurteilt (stRspr, vgl. zuletzt etwa Urteil vom 26. Februar 2002 – BVerwG 1 C 21.00 – BVerwGE 116, 55 ≪65 f.≫ unter Hinweis auf Beschluss vom 17. Januar 1996 – BVerwG 1 B 3.96 – Buchholz 402.240 § 45 AuslG 1990 Nr. 5). Die Berücksichtigung nachträglich eingetretener Entwicklungen hat er – soweit sie nicht lediglich die anfängliche Prognose retrospektiv bestätigten – regelmäßig der Geltendmachung in einem nachfolgenden Befristungsverfahren nach § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG vorbehalten (vgl. Beschluss vom 27. Februar 1997 – BVerwG 1 B 36.97 – Buchholz 402.240 § 45 AuslG 1990 Nr. 9; Urteil vom 11. August 2000 – BVerwG 1 C 5.00 – BVerwGE 111, 369 ≪372≫). Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat hingegen in seinem Urteil vom 29. April 2004 (a.a.O.) entschieden, dass Art. 3 der Richtlinie 64/221/EWG einer innerstaatlichen Praxis entgegensteht, nach der die Gerichte nicht verpflichtet sind, bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der gegen einen Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats verfügten Ausweisung einen Sachvortrag zu berücksichtigen, der nach der letzten Behördenentscheidung erfolgt ist und der den Wegfall oder eine nicht unerhebliche Verminderung der gegenwärtigen Gefährdung mit sich bringen kann, die das Verhalten des Betroffenen für die öffentliche Ordnung darstellen würde. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn ein längerer Zeitraum zwischen dem Erlass der Entscheidung über die Ausweisung und der Beurteilung dieser Entscheidung durch das zuständige Gericht liegt (Rn. 82). Der Gerichtshof hat dies daraus abgeleitet, dass die Ausweisung eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers nur auf ein Verhalten des Betroffenen gestützt werden darf, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt (Rn. 77). Da die Ausnahmen vom Grundsatz der Freizügigkeit nach Art. 39 EG eng auszulegen seien, müssten die Voraussetzungen der gegenwärtigen Gefährdung grundsätzlich zu dem Zeitpunkt erfüllt sein, zu dem die Ausweisung erfolge (Rn. 79). Dies habe Auswirkungen auf die Ausgestaltung der Gerichtsverfahren durch die Mitgliedstaaten insoweit, als sie die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen (Rn. 80). Dieser Auslegung des materiellen Gemeinschaftsrechts folgt der Senat und gibt insoweit seine bisherige entgegenstehende Rechtsprechung zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt auf. Für die gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Ausweisungen freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ist danach nunmehr der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts maßgeblich.
Dabei geht der Senat davon aus, dass das Erfordernis der Berücksichtigung neuer Tatsachen nicht nur für einen Sachvortrag gilt, der den Wegfall oder eine Verminderung der von dem Betroffenen für die öffentliche Ordnung ausgehenden Gefährdung mit sich bringen kann. Soweit der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hierauf abgestellt hat, hat er an die Fragestellung des vorlegenden Gerichts angeknüpft. Aus dem Erfordernis, dass eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung grundsätzlich zu dem Zeitpunkt bestehen muss, zu dem die Ausweisung erfolgt (EuGH, Urteil vom 29. April 2004, a.a.O., Rn. 79), ergibt sich darüber hinaus, dass entscheidungserhebliche neue Tatsachen umfassend zu berücksichtigen sind. Dies gilt auch für Tatsachen, die für die an den Grundrechten und am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu orientierende Interessenabwägung von Bedeutung sind. Es kommt mithin nicht darauf an, ob die Änderung der Sachlage die Gefahrenprognose betrifft.
Die Tatsachengerichte sind danach künftig nicht nur befugt, sondern im Rahmen der ihnen nach § 86 Abs. 1 VwGO obliegenden Aufklärungspflicht auch verpflichtet zu prüfen, ob die behördliche Gefährdungsprognose und die Ermessensentscheidung bezogen auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung im Ergebnis auf einer zutreffenden tatsächlichen Grundlage beruhen (vgl. zur entsprechenden Verpflichtung bezogen auf den nach der bisherigen Rechtsprechung maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids Urteil vom 1. Dezember 1987 – BVerwG 1 C 29.85 – BVerwGE 78, 285 ≪296≫, Beschlüsse vom 16. Oktober 1989 – BVerwG 1 B 106.89 – InfAuslR 1990, 4 ≪5≫ und vom 23. Mai 2001 – BVerwG 1 B 125.00 – Buchholz 402.26 § 1 AufenthG/EWG Nr. 6). Liegen neue Tatsachen vor, die sich auf die Ausweisungsvoraussetzungen und die Ermessensentscheidung für eine Ausweisung auswirken können, so hat das Gericht der Ausländerbehörde in gemeinschaftrechtskonformer Anwendung von § 114 Satz 2 VwGO Gelegenheit zur Anpassung ihrer Entscheidung und insbesondere auch zu aktuellen Ermessenserwägungen zu geben. Insoweit trifft die Ausländerbehörden eine Pflicht zur ständigen verfahrensbegleitenden Kontrolle der Rechtmäßigkeit ihrer Ausweisungsverfügung. Entscheidet sich die Behörde für die Aufrechterhaltung der Ausweisung, hat das Gericht abschließend über deren Rechtmäßigkeit zu entscheiden. Hebt die Behörde ihre Verfügung auf, ändert sie diese ab oder schiebt sie aktuelle Ermessenserwägungen nach, so kann der Unionsbürger seinerseits auf die geänderte Sach- und Prozesslage reagieren. Er kann entweder die behördliche Entscheidung in ihrer geänderten Gestalt akzeptieren und den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklären oder – sofern er noch ein Rechtsschutzinteresse geltend machen kann – das Verfahren mit dem Ziel einer gerichtlichen Überprüfung fortsetzen. Bei der Entscheidung über die Kosten des für erledigt erklärten Verfahrens ist ggf. die ursprüngliche Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Ausweisung maßgeblich zu berücksichtigen.
Da das Bundesverwaltungsgericht mit der vorliegenden Entscheidung eine ständige Rechtsprechung aufgibt und neue Maßstäbe für die Ausweisung freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger vorgibt, ist den Ausländerbehörden während eines Übergangszeitraums auch Gelegenheit zur vollständigen Nachholung der Ermessensentscheidung zu geben, wenn die Ausweisung eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers als Ist- oder Regelausweisung nach § 47 Abs. 1 oder 2 AuslG ohne Ermessensausübung verfügt worden ist. Dies gilt für alle zurzeit anhängigen und bis zum 31. Januar 2005 (bis dahin wird die vorliegende Entscheidung etwa durch Veröffentlichungen in der Fachpresse hinreichend bekannt sein) anhängig werdenden Verwaltungsstreitverfahren freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger.
Nach diesen Grundsätzen verletzt das angefochtene Urteil Bundesrecht, weil das Berufungsgericht die Ausweisung im Bescheid vom 14. Oktober 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 8. Dezember 1998 aufgehoben hat, ohne festzustellen, ob der Kläger freizügigkeitsberechtigt ist (a). Das Berufungsurteil erweist sich aber auch auf der Grundlage seiner Unterstellung, der Kläger könne sich auf die Rechtsstellung eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers berufen, als rechtsfehlerhaft. Denn in diesem Fall hätte das Berufungsgericht das Vorliegen der Ausweisungsvoraussetzungen zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung selbst prüfen und der Beklagten Gelegenheit zur Aktualisierung ihrer Ermessenserwägungen geben müssen. Daran aber fehlt es jedoch (b).
a) Das Berufungsgericht hat die angefochtene Ausweisungsverfügung aufgehoben, weil die besonderen Voraussetzungen für die Ausweisung eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers nicht eingehalten seien (UA S. 13). Es hat aber nicht die erforderlichen Feststellungen dazu getroffen, ob der Kläger die Voraussetzungen für die Gewährung von Freizügigkeit nach § 1 AufenthG/EWG erfüllt und damit erhöhten Ausweisungsschutz genießt. Das Berufungsgericht räumt ein, dass ausdrückliche Feststellungen zu der Frage fehlen, ob der Kläger in dem vom Gericht als maßgeblich für die Ausweisung angesehenen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids zu dem freizügigkeitsberechtigten Personenkreis gehörte (UA S. 13). Die erforderlichen Voraussetzungen könnten aber “ohne Weiteres als gegeben angesehen” werden. Denn der Kläger könne sich auf ein gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht zumindest deshalb berufen, weil er “geltend machen” könne, in dem maßgeblichen Zeitraum auf Arbeitssuche gewesen zu sein (UA S. 13). Damit sind keine hinreichenden Feststellungen zur Arbeitnehmereigenschaft des Klägers getroffen.
Das Berufungsgericht wird diese bezogen auf den Zeitpunkt seiner erneuten mündlichen Verhandlung bzw. Entscheidung nachzuholen haben. Sollte dem Kläger die Arbeitssuche abschiebungsbedingt unmöglich (gewesen) sein, so kann ihm dies nicht entgegengehalten werden, sofern er die Voraussetzungen der Arbeitnehmereigenschaft zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids erfüllte. Bei der Prüfung der Arbeitnehmereigenschaft wird das Berufungsgericht ferner zu untersuchen haben, inwieweit die Haft des Klägers in diesem Zusammenhang von Bedeutung ist. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (Urteil vom 29. April 2004, a.a.O., Rn. 50) bedeutet der Umstand, dass ein vor seiner Haft Beschäftigter während der Haft dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung gestanden hat, nicht grundsätzlich, dass er während dieser Zeit nicht weiter in den Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaats eingegliedert ist, sofern er innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach seiner Haftentlassung wieder eine Beschäftigung findet.
Das Berufungsgericht wird – alternativ zur Prüfung der Arbeitnehmereigenschaft oder für den Fall ihrer Verneinung – erneut zu prüfen haben, ob der Kläger nach Maßgabe des § 1 Abs. 2 AufenthG/EWG als Familienangehöriger Freizügigkeit genießt. Bezogen auf den Zeitpunkt des angefochtenen Berufungsurteils hat es dies ohne Rechtsfehler verneint (UA S. 14).
Kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger nach § 1 AufenthG/EWG freizügigkeitsberechtigt ist, so ist zu untersuchen, ob er nach § 1 Abs. 1 i.V.m. §§ 7, 8 Freizügigkeitsverordnung/EG vom 17. Juli 1997 – FreizügV/EG (BGBl I S. 1810; ab 1. Januar 2005: § 2 Abs. 2 Nr. 6 i.V.m. § 4 FreizügG/EU) als Nichterwerbstätiger freizügigkeitsberechtigt ist mit der Folge, dass seine Ausweisung nur unter den Voraussetzungen von § 4 FreizügV/EG (ab 1. Januar 2005 § 6 FreizügG/EU) zulässig wäre.
b) Das Berufungsgericht hätte, auch wenn man unterstellt, dass der Kläger freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger ist und als solcher erhöhten Ausweisungsschutz genießt, den angefochtenen Bescheid nicht aufheben dürfen, ohne weitere Feststellungen zu treffen und der Beklagten Gelegenheit zur Aktualisierung ihrer Ermessensentscheidung zu geben. Auch insoweit verletzt das Berufungsurteil Bundesrecht.
Das ergibt sich bereits daraus, dass nach der geänderten Rechtsprechung nunmehr bei Entscheidungen über die Ausweisung freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger auch hinsichtlich der Gefährdungsprognose auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht abzustellen ist. Das ist hier nicht geschehen. Falls das Berufungsgericht feststellt, dass der Kläger als freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger erhöhten Ausweisungsschutz genießt, wird es diese Prüfung unter Beachtung der oben dargestellten Grundsätze nachzuholen haben. Dabei wird es die Frage der aktuellen vom Kläger ausgehenden Gefährdung u.a. aufgrund der Entwicklung seiner Abhängigkeit von Drogen einschließlich etwaiger weiterer Drogendelikte oder auch der Begehung sonstiger neuer Straftaten festzustellen und selbst zu würdigen haben. Ferner wird es sowohl bei der Gefährdungsprognose als auch bei der Ermessenskontrolle die Tatsache seiner Eheschließung im Oktober 1999, die Entwicklung seiner familiären Bindungen zu seiner Frau und seinem im Jahre 1997 geborenen Sohn seit Erlass des Widerspruchsbescheids wie auch die nach dreimaliger Abschiebung des Klägers nach Portugal nach seinen Angaben dort aufgetretenen Integrationsprobleme zu berücksichtigen haben.
Das Berufungsgericht durfte den angegriffenen Bescheid nicht allein wegen mangelnder Ausführungen zu der Frage aufheben, inwiefern sich aus begangenen Straftaten ein persönliches Verhalten des Klägers ergibt, das eine gegenwärtige Gefährdung für die öffentliche Ordnung darstellt (vgl. aber UA S. 11). Vielmehr hätte es eine solche Gefährdung als gemeinschaftsrechtliche Voraussetzung einer Ermessensausweisung von Amts wegen aufklären müssen (vgl. § 86 Abs. 1 VwGO). Entsprechendes gilt für die im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigenden schützenswerten Interessen des Klägers und seiner Familie.
Im Rahmen des weiteren Verfahrens ist der Beklagten in gemeinschaftsrechtskonformer Anwendung von § 114 Satz 2 VwGO Gelegenheit zur Aktualisierung der Ermessenserwägungen auf der Grundlage von § 12 AufenthG/EWG i.V.m. §§ 45, 46 AuslG (nach dem 1. Januar 2005: § 6 FreizügG/EU) zu geben. Dabei wird zu beachten sein, dass die Ausweisung freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger nicht auf generalpräventive Gründe gestützt werden darf.
Die Beklagte und das Berufungsgericht werden ferner zu beachten haben, dass einer Berücksichtigung der Verurteilung vom 21. April 1993 nach den bisherigen Feststellungen nicht der Gesichtspunkt des “Verbrauchs” eines Ausweisungsgrundes entgegensteht (vgl. UA S. 10). Hierfür reicht die Tatsache, dass die Beklagte ihre Ausweisungsentscheidung erst nach der weiteren strafrechtlichen Verurteilung des Klägers vom 16. März 1998 getroffen hat, nicht aus. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts käme ein “Verzicht der Ausländerbehörde” nur dann in Betracht, wenn sie abschließend entschieden hätte, auf das der Verurteilung vom 21. April 1993 zugrunde liegende persönliche Verhalten des Klägers keine Ausweisung mehr zu stützen (vgl. auch Fraenkel, Einführende Hinweise zum neuen Ausländergesetz, 1991, 128), und wenn sich die für die behördliche Entscheidung maßgeblichen Umstände insoweit nicht geändert hätten (Urteil vom 16. November 1999 – BVerwG 1 C 11.99 – Buchholz 402.240 § 47 AuslG Nr. 19, S. 9). Dafür ergeben sich aus den Feststellungen des Berufungsgerichts keine Hinweise. Dagegen spricht vielmehr, dass der Kläger mehrfach zur Absicht einer auf die Verurteilung von 1993 gestützten Ausweisung angehört wurde (u.a. mit Schreiben vom 18. Juni 1997, 15. August 1997 und 15. Juli 1998).
Auf den Schutz seiner Ehe gemäß Art. 6 GG und Art. 8 EMRK kann sich der Kläger ungeachtet der Tatsache berufen, dass er diese erst im Jahr 1999 nach Erlass der Ausweisungsverfügung geschlossen hat. Dieser Umstand mag zwar bei der Gewichtung und Abwägung der grundrechtlich geschützten Interessen vertrauensschutzmindernd zu berücksichtigen sein. Das aufenthaltsrechtliche Gebot des Schutzes von Ehe und Familie bleibt davon jedoch im Grundsatz unberührt (Urteil vom 17. Januar 1989 – BVerwG 1 C 46.86 – BVerwGE 81, 155 ≪162≫; Beschluss vom 18. Juni 1992 – BVerwG 1 B 78.92 – InfAuslR 1992, 306; vgl. auch EGMR – Urteil vom 21. Oktober 1997 – Beschwerde-Nr. 122/1996/741/940 – Boujlifa – InfAuslR 1998, 1, Rn. 36).